Interview: Avantasia

By Oliver H.
 
Kein Fast-Food Album.



Nach sieben Alben und drei Tourneen ist Tobias Sammets Projekt Avantasia erfolgreicher denn je. Nach dem weltweiten Erfolg der «Ghostlights» World Tour 2016/2017, mit ausverkauften Konzerten in Asien, Amerika und Europa, erscheint in diesen Tagen das neue Avantasia-Werk «Moonglow». Noch vor der offiziellen Veröffentlichung erzählt mir Mastermind Tobias Sammet vom Entstehungsprozess der Platte und erklärt, warum es einfach wichtig ist, sich für ein Album mal richtig Zeit zu nehmen. Im Zuge der mittlerweile vierten Welttournee macht er Ende April 2019 auch wieder in seiner „Heimat“ Pratteln Halt.

MF: Moonglow ist ja wieder ein sehr prägnanter Titel und auch das Coverartwork ist extrem gelungen und lädt zum Spekulieren ein. Was kann man musikalisch vom neuen Avantasia-Album eigentlich erwarten?

Tobias: Es ist sehr echt! Es passt nicht wirklich in die Unterhaltungsindustrie des 21. Jahrhunderts, weil man sich mit der Platte beschäftigen muss. Es ist absolut kein Fast-Food und es kommt sehr verspielt daher. Es ist mit sehr viel Liebe zum Detail entstanden, es sind tolle Gäste drauf und die Songs erzählen… (überlegt), es ist ein Konzeptalbum aber es ist diesmal keine Rock-Opera im ursprünglichen Sinn. Ich würde es eher bezeichnen als ein Konzeptalbum, das aus zehn zusammengehörigen kleinen Kapiteln oder Gedichten besteht. Ein Coversong ist auch noch dabei und ich kann einfach nur sagen, dass ich wahnsinnig glücklich bin mit diesem Album. Es ist ein sehr intimes Album und trotzdem ist es introvertiert auf die eine Weise und extrovertiert auf eine andere Weise (lacht). Es klingt verrückt aber es ist so.

MF: Bereits beim kurzen Reinhören sprudeln die Melodien, so als ob die Instrumente eine Geschichte erzählen. Worum handelt es sich bei den Geschichten?

Tobias: Das komplette Album basiert auf einem Konzept. Ich habe eine Welt geschaffen… ähm… die sehr beeinflusst wurde von der schwarzen Romantik, vom viktorianischen Revival der schwarzen Romantik. Das hat mich extrem beeinflusst, und ich habe im Prinzip eine zehn Song-Welt geschaffen, die auf den Weg und auf die Gefühle einer Kreatur basieren, die in eine Welt hineingeschaffen wird, in der sie keinen Platz für sich erkennen kann. Sie ist angewidert und überfordert von den Erwartungen der Schönen und Starken, und sie kommt nicht klar mit dem grellen Licht ihrer Umgebung und deshalb flüchtet sich diese Kreatur in die Dunkelheit, um einfach unsichtbar zu sein und einfach Frieden zu finden. In dieser Dunkelheit findet sie schliesslich den Schlüssel zu einer eigenen Realität. Das war so ganz grob der Leitfaden, und ich wollte einfach in jedem Song einen anderen Aspekt, einen anderen Auszug aus der Gedankenwelt dieser Kreatur schaffen. Ich wollte mit diesen zehn Songs keine Geschichte von A-Z erzählen, sondern ich wollte individuelle Gedichte, poetische Stücke, Gedanken fassen, die auf die Geschichte dieser Kreatur basieren. Aber ich wollte eben keinen Roman erzählen, weil dafür halte ich, das ist zumindest jetzt meine Meinung, die Kunstform „Musikalbum“ nur bedingt geeignet. Du musst mit Spannungsbögen arbeiten, denn ich finde du kannst keinen Roman, keine Geschichte oder einen Film mit allen Details in einem Album erzählen, das zehn Songs mit wiederkehrenden Refrains hat. Das ist sehr sehr schwierig, und deshalb musste ich es etwas lockerer sehen und etwas herauslösen aus diesem steifen Konzept „Rock-Oper“. Ich glaube aber, dass mir das sehr gut gelungen ist, denn dadurch konnte ich in jedem Song persönliche Gedanken verarbeiten und konnte etwas Freieres schaffen.

MF: Diese Kreatur die du ansprichst, die nicht in der realen Welt zurecht kommt, hat die auch Parallelen zur realen Welt im Hier und Jetzt?

Tobias: Natürlich! Natürlich, es hat etwas mit Nonkonformität, mit Anpassungsschwierigkeiten und Erwartungen zu tun, die man nicht erfüllen kann. Es hat mit der Ellbogengesellschaft zu tun und dass man sich unverstanden fühlt, weil man Dinge vielleicht für bewundernswert hält, die andere für hässlich befinden oder vielleicht auch umgekehrt. Also im Prinzip ist es eine Ode an den Individualismus und an den Eigensinn, aber es behandelt auch die Leidensfähigkeit, die man an den Tag legen muss, wenn man wirklich bei sich selbst sein möchte. Damit habe ich mich notgedrungen ein Stück weit auseinandergesetzt, während ich auf eine extreme Überlastungsphase zuzusteuern drohte. Das habe ich irgendwann nach der «Ghostlights-Tour» bemerkt, obwohl ich die Tour selbst als gar nicht anstrengend empfunden habe, denn es war alles relativ entspannt. Es war mehr, dass mir von überall die Frage gestellt wurde: „Was kommt als nächstes?“. Geht man wieder ins Studio? Entweder mit Avantasia oder mit Edguy? Ich habe gemerkt, dass dieser Rhythmus, den ich als junger Musiker vorgegeben, ja sogar vorgelebt habe und der sich damals auch richtig angefühlt hatte, zur Voraussetzung geworden ist. Ich spürte, dass mein Umfeld, zumindest mein Arbeitsumfeld voraussetzte, ohne mir irgendetwas Böses zu wollen, dass ich jetzt immer so weiterarbeite.

MF: Hat dieser Umstand bei dir Druck erzeugt?

Tobias: Genau! Und diesem Druck fühlte ich mich nicht mehr gewachsen, habe auch gesundheitlich etwas abgebaut, und deshalb habe ich mich entschieden, nach 25 Jahren Arbeit wie ein Besessener, ab jetzt selber die Geschwindigkeit vorzugeben. Was ich mache, wann ich es mache und wie ich es mache. Ich liebe es ja wirklich Musik zu machen. Trotzdem habe ich mich dazu entschlossen, einmal gar nichts mehr zu machen, und als ich diesen Entschluss gefasst hatte, habe ich die Ärmel hochgekrempelt und mir kamen Ideen ohne Ende. Dies einfach, weil ich die Situation für mich verarbeitet hatte und völlig ohne Druck an die Sache rangehen konnte. Dabei ist «Moonglow» entstanden, und ich habe mir gedacht, dass ich künftig nur noch so arbeiten werde. Ich weiss noch nicht wann die nächste Platte kommt, obwohl ich «Moonglow Part II» schon fast fertig geschrieben habe. Das ist einfach mit „Part I“ zusammen passiert, aber ich weiss nicht, ob die nun in fünf oder in drei Jahren kommt. Ich habe überhaupt keine Ahnung, denn ich habe mein Leben lang immer einem Zeitplan gedient, immer in der Zukunft gelebt, aber das möchte ich ab sofort nicht mehr machen. Ich weiss wirklich nicht, was ich in zwei Jahren mache, und das ist auch gut so.

MF: Von dieser Haltung könnte sich die Gesellschaft eine ordentliche Scheibe abschneiden. Kann man denn sagen, dass diese Erfahrung dein persönliches, das namensgebende „Mondglühen“ ist?

Tobias: Nein, nicht wirklich. Ich fand einfach, dass dieses Mondglühen eine schöne Metapher für die Magie der Dunkelheit und der Ruhe darstellt. Ein alternatives Licht zum Tageslicht. Nicht das Licht das uns beleuchtet, wie wir irgendwie mit den Ellbogen arbeiten. Ich habe schon ganz früh gemerkt, dass ich nachts viel ruhiger arbeiten kann, weil ich das Gefühl hatte, dass alle Leute die etwas von mir wollen, die Druck auf mich ausüben, jetzt schlafen. Das ist so meine Bonuszeit, in der ich im stillen Kämmerlein an meiner Musik arbeiten kann, während der Rest der Welt in einer komplett anderen Welt ruht. Es klingelt kein Telefon während ich arbeite, und die Nacht übt eine ganz besondere Magie auf mich aus. Das klingt jetzt alles ganz klischeehaft, aber ich liebe auch Bilder mit Mondlicht. In der Limited Edition von «Moonglow» werden ganz viele Illustrationen von diesem viktorianischen Maler John Atkinson Grimshaw drin sein. Seine Spezialität waren Nachtszenen, also Landschaftsbilder unter Mondschein. Davon habe ich auch einige in meinem Büro hängen, leider keine Originale, sondern nur gerahmte Kunstdrucke (lacht).

MF: Er hat auch irgendwie etwas Mystisches an sich…

Tobias: Ja, etwas Mystisches und für mich steht der Mond symbolisch für eine Alternative zum Mainstream, eine Alternative zum Tageslicht und zur Ellbogengesellschaft. Ich weiss nicht, wie ich es besser ausdrücken kann, aber er beruhigt mich.

MF: Ich habe im Vorfeld zum Interview vernommen, dass «Moonglow» dein bisher aufwändigstes Album ist. Worin äussert sich das?

Tobias: Vielleicht fühlt es sich einfach für mich so an, da ich diesmal wirklich viele Details so gemacht habe, wie ich es machen wollte und persönlich bei allem involviert war. Ich habe mir zum Beispiel selbst ein Studio gebaut, nicht nur für dieses Album, sondern ich werde es auch für weitere Aufnahmen nutzen, egal ob für Edguy oder Avantasia. Das war schon mal relativ aufwändig. Die Erstellung der Platte hat keinen Stress auf mich ausgeübt, aber es war insofern aufwändig, dass jeder Arbeitsschritt exakt so vorgenommen wurde, wie mir das vorschwebte. Eine Passage zum Beispiel, bei der man mittels Keyboard keltische Harfen einspielen könnte, haben wir uns aber gedacht, dass es noch eine Nummer geiler wäre, eine echte keltische Harfe zu haben. Für das Resultat ist der Unterschied vielleicht nur minimal. Ich glaube sogar, dass niemand «The Raven Child» verurteilt hätte, wenn die Passage von der Software statt der keltischen Harfe gekommen wäre, aber wir haben dann einfach eine keltische Harfinistin gesucht, gefunden und angeheuert. Wir brauchten auch Gospelchöre. So haben wir uns in Hamburg vom Musical einen Gospelchor genommen und dort gleich während ein paar Tagen die Backing Vocals aufgenommen. Für einen Song schwebte mir so ein gregorianisches Soundbild vor, also machte ich den Sänger, der auch für die Band „Gregorian“, dieses Weltmusikprojekt singt ausfindig und habe ihn singen lassen.

MF: Da steckt ja wirklich enorm viel Aufwand dahinter, wenn man dies jetzt so hört.

Tobias: Absolut! Wir haben ganz viele Dinge im Detail gemacht. Ich habe zum Beispiel Geoff Tate nach Deutschland einfliegen lassen, obwohl er natürlich auch in den USA ein Studio hätte buchen können. Aber ich dachte mir, dass wir zusammen in einem Raum vielleicht noch mehr rausholen könnten und noch mehr Magie spürbar wäre. Ich bin ein paarmal nach London, nach Birmingham geflogen, einfach um kreativ zu sein. Viele Aufnahmen sind mit ganz viel Liebe zum Detail entstanden. Manche Sachen habe ich sogar im Urlaub aufgenommen.

MF: Das ist schon spürbar. Spürst du denn auch, welcher Gastmusiker zu welchem Song passt und wen darf man diesbezüglich auf «Moonglow&» erwarten?

Tobias: Auf dem Album ist drauf Michael Kiske natürlich, denn der gehört zur Familie, Bob Catley, Jorn Lande, Ronnie Atkins, Eric Martin von Mr. Big. Es ist diesmal erstmals Hansi Kürsch von Blind Guardian dabei. Candice Night von Blackmore's Night, sowie Mille Petrozza von Kreator sind ebenfalls das erste Mal bei Avantasia dabei. Es gab wirklich keine Berührungsängste, auch nicht zu Elementen, die stilistisch irgendwo anders zu verorten sind. Ich habe einfach alles so gemacht, wie ich das haben wollte. Auch weil ich so einen grossen Zeitraum hatte, denn ich hatte ja keine Deadline und damals ja nicht einmal mehr einen Plattenvertrag. So konnte ich es einfach für mich machen.

MF: Dann ist «Moonglow» ein richtig persönliches Projekt?

Tobias: Genau! Ich konnte mir auch einige Songs zur Seite legen und schaue mal in einem Jahr was daraus wird. Ich konnte auch bei einzelnen Elementen die Langzeitwirkung testen, und deshalb empfinde ich es vermutlich als das aufwändigste Album, das ich je gemacht habe. Wirklich nicht weil ich dafür so viel Schweiss vergossen habe, sondern weil ich echt detailverliebt, wie so ein verrückter Professor in meinem Kämmerlein an allem basteln konnte.

MF: Dieses Album trägt also durch und durch deinen Stempel?

Tobias: Absolut! Absolut! Ich kann mich mit der Platte 100% identifizieren und die Kirsche auf der Torte ist natürlich das Coverartwork. Ich finde das Coverartwork sehr wichtig, denn es gibt dem Album ein Gesicht und es wird das Album auch prägen. Für mich ist «Seventh Son Of A Seventh Son» von Iron immer ein hellblaues Album und wenn ich «Can I Play With Madness» höre, ist das für mich immer ein hellblauer Song. Ich assoziiere das ganz extrem, und es ist mir extrem wichtig, ein gutes Artwork zu haben. Nun, einige Edguy-Fans werden sich jetzt wohl denken, dass man das nicht immer gemerkt hat (lacht), aber ich stehe hinter jedem Cover, das wir gemacht haben und selbst die etwas humorvolleren hatten etwas Bissiges oder zumindest noch einen grossen Mittelfinger. Aber bei diesem neuen Avantasia-Album ist das Coverartwork so wunderschön und so Tim Burton-mässig…

MF: …auf den Punkt! Das habe ich mir auch gedacht. Ich liebe Tim Burton…

Tobias: Ich auch! Und auch deshalb kann ich «Moonglow» nur empfehlen (Gelächter).

MF: Das glaube ich dir gerne (Gelächter). Du hast ja bekanntlich so viele Gastmusiker bei deinen Shows. Wie probt man mit so vielen engagierten Spitzenmusikern?

Tobias: Ja, wir haben schon relativ lange Proben angesetzt. Wir werden Anfang März anfangen zu proben und vorher wird sich jeder Einzelne individuell vorbereiten. Dadurch, dass wir erneut um die drei Stunden spielen werden, ist es besonders für die Instrumentalisten eine enorme Aufgabe. Dann ab Mitte März werden wir uns alle zusammen auf einer Probebühne einfinden, auf der auch die komplette Bühnenproduktion dann aufgebaut ist, und wir werden mit allen die gesamte Show durchproben. Avantasia ist ja immer ein Stück weit choreografiert, aber nie so… nie so auf Hochglanz poliert wie… (überlegt)

MF: …wie DJ Bobo…

Tobias: (Lautes Gelächter) Ja genau, wie DJ Bobo. Ja, aber das ist ganz lustig, denn wir hatten mit Edguy wirklich einmal eine Bühne, die von einer Firma gebaut wurde, die vorher auch die DJ Bobo-Bühne gebaut hat. Aber keine Angst, diese Bühne wird diesmal von jemand anderem gebaut (Erneutes Gelächter). Es gibt keine Tänzer… und äh „This is the party song that makes the party going on“… das ist meine Lieblingszeile von DJ Bobo. Ich muss aber dazu sagen, ich finde diesen Typen echt lustig. Aber wie auch immer… wir werden das alles proben und es wird wieder ziemlich gross und aufwändig werden. Wir haben eine grosse Bühnenproduktion… in der Schweiz, da haben wir die kleinste Halle (Z7, Pratteln) zur Verfügung während der ganzen Tour, und deshalb spielen wir auch gleich zweimal dort. Aber dieser Laden ist einfach grandios, ich bin sozusagen dort aufgewachsen, und ich kann also bis heute nicht mehr sagen, wie oft ich schon dort gespielt habe. Irgendwie ist es immer geil dort im Z7. Es ist eine schöne Show, die wir dort nur bedingt aufbauen können, dafür sind wir nahe beim Publikum dran und es ist immer wie ein „nach Hause kommen“. Das Z7 ist aber immer der einzige Punkt, der seit damals auf meiner ersten Edguy-Tour im Vorprogramm von Iron Saviour im April 1998, also vor 21 Jahren habe ich das erste Mal im Z7 gespielt und mache seitdem auf jeder Tour immer wieder im Z7 Halt.

MF: Ich wollte dich eben gerade fragen, was dich denn eigentlich immer wieder nach Pratteln bringt, denn du füllst ja locker Stadien und grössere Hallen. Jetzt hast du mir aber die passende Antwort bereits geliefert.

Tobias: Klar ist es nicht so, dass wenn man mir sagen würde, dass ich unbedingt in Zürich im Stadion spielen müsste, dass ich dies ablehnen würde um nach Pratteln zu gehen, aber dann würde ich die vom Z7 alle einladen und mit ihnen einen draufmachen (lacht). Ich weiss auch nicht, es ist dort einfach irgendwie geil.

MF: Ich werde auf jeden Fall dort sein…

Tobias: Klasse, ich auch. Dann sehen wir uns ja dann…

MF: Du hast mir ja vorhin gesagt, dass du vor 21 Jahren das erste Mal im Z7 warst. Gerade in den letzten 20 Jahren ist in der deutschen Metalszene viel passiert. Was denkst du, was macht Avantasia heute so erfolgreich?

Tobias: Ich weiss es, ehrlich gesagt, nicht. Ich kann es überhaupt nicht sagen. Ich glaube oder ich hoffe, dass es etwas damit zu tun hat, dass ich meiner Intuition gefolgt bin. Ich hoffe es. Es hat sicher auch mit Glück zu tun und es könnte auch das Resultat der Summe an richtigen Entscheidungen sein, die man immer wieder getroffen hat. Allerdings könnte die Band auch „grösser“ sein, wenn ich manches anders entschieden hätte. Aber unter dem Strich glaube ich ganz fest, dass es einfacher ist etwas zu erreichen, wenn man authentisch ist. Gerade in der Kunst ist es wichtig, das zu tun worauf man Bock hat, ohne immer die Kohle der Leute im Kopf zu haben und deshalb das macht, was gerade angesagt ist. Ich habe so viele Trends kommen und gehen sehen. Als ich mit Edguy angefangen habe, war es schon fast illegal, traditionellen Heavy Metal oder Hard Rock zu spielen. Das war die Blütezeit von Nirvana und Pearl Jam, aber wir haben es trotzdem gemacht und plötzlich war der Grunge wieder auf dem absteigenden Ast und wir haben mit Musik, wie wir sie gemacht haben, Charterfolge gefeiert. Dann, nach vier Edguy Alben habe ich Avantasia gegründet, weil es Zeit war für einen Tapetenwechsel. Ich wollte nicht in so eine Routine verfallen, und ich hatte einfach Bock das zu machen, obwohl mir jeder, aber wirklich jeder davon abgeraten hat. Alle haben die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und mir gesagt, dass das echt keiner braucht. Es war mir aber egal, wer das braucht. Ich wollte das machen!

MF: …und der Erfolg hat dir Recht gegeben…

Tobias: …ja und jetzt ohne überheblich klingen zu wollen, denn es geht ja nicht darum zu sagen, dass ich es allen gezeigt habe. Vielleicht zieht ja der eine oder andere daraus für sein Leben auch die richtigen Schlüsse. Ich glaube es beweist, dass du im Stande bist viel zu leisten, wenn du mit Herzblut dabei bist und eine gewisse Dickköpfigkeit hast, was dir oft als Egoismus ausgelegt wird. Ich glaube, dass du eine gewisse Dickköpfigkeit an den Tag legen musst, denn unter dem Strich gibst du den Leuten das Allerwertvollste von dir, nämlich Ehrlichkeit. Du musst für deine Überzeugung geradestehen, und wenn du das tust, dann hast du eine gute Chance Erfolg zu haben. Wenn du damit dann keinen Erfolg hast, dann kannst du zumindest sagen, dass du immer das gemacht hast, worauf du wirklich Bock hattest. Ich habe mir keine Magengeschwüre dabei geholt und dann bist du auch mit dir im Reinen, auch wenn die Rechnung einmal nicht ganz aufgeht. Ich habe das nie gemacht, um erfolgreich zu sein, sondern einfach weil ich darauf Bock hatte, in der Hoffnung, zumindest die Kosten dafür decken zu können und… die habe ich wieder reingekriegt (Gelächter).

MF: Gibt es jetzt noch etwas zu «Moonglow», das dir persönlich wichtig wäre zu erwähnen, das noch nicht angesprochen wurde?

Tobias: Ähm… nein. Man kann ja eigentlich sowieso nichts zum Album beantworten, denn die Fans müssen sich das anhören, weil Musik zu beschreiben, das ist eine undankbare Aufgabe, denn es ist fast nicht möglich. Die Leute müssen sich das erst erarbeiten, und ich habe das Gefühl, dass es die Platte wert ist. Ich habe mir echt viel Mühe gegeben, und wer es scheisse findet, der hat meinen Segen das auch scheisse zu finden. Ich glaube aber, dass es sehr sehr gut geworden ist, und ich bin sehr glücklich damit!

MF: Deine Freude hat man im Gespräch sehr gut gespürt, und ich bin überzeugt, dass diese Freude auch noch auf ganz viele Fans überspringen wird. Wir sind somit am Schluss des Interviews angelangt, und ich möchte dir herzlich für deine Offenheit und ausführliche Art deiner Schilderungen danken.

Tobias: Danke dir für dein Interesse, und wir sehen uns in Pratteln.