Interview: Bitterness

26.10.2020
By Roolf
 
Keine Gigs wegen Corona!



Aus dem Süden von Deutschland kommt mit Bitterness ein richtiges Urgestein des deutschen Thrash daher. Mit ihrem neuen Album «Dead World Order» zeigen sich Bitterness von ihrer besten Seite und so hat jemand, der die Szene schon bald seit zwanzig Jahren unsicher macht, sicher einiges Interessantes zu erzählen! Also, nun hat Sänger und Gitarrist Frank Urschler von Bitterness das Wort!

MF: Ihr seid ja schon eine ganze Weile in der Mission Thrash unterwegs. Was hat sich für euch in den knapp zwanzig Jahren am meisten verändert?


Frank: Haha..., die Haare sind weniger geworden, aber in zwanzig Jahren passiert natürlich auch sonst noch so einiges. Es gibt deutlich mehr Bands, aber auch viel mehr Konzertveranstalter, die in der Szene aktiv sind. Das schafft manchmal eine gewisse Anonymität, gerade auch weil viele Kontakte nur über die sozialen Medien stattfinden. Früher war das, zumindest gefühlt, alles etwas familiärer. Aber das kann mich jetzt auch täuschen und ich bin einfach nur ein alter Sack geworden. ;-) Dafür hat aber auch der Support durch die Leute zugenommen. Heute ist es viel einfacher an Merchandise oder Tonträger einer Underground-Band zu kommen. Über das Internet kann man ja sehr einfach mit den Bands in Kontakt treten oder die Sachen über Bandcamp oder andere Plattformen ordern.

MF: Im nächsten Jahr steht das 20-jährige Bandjubiläum an. Habt ihr irgendwelche spekta-kulären Aktionen geplant?

Frank: Eigentlich wollten wir eine spezielle 20-Jahre Show machen. Mit allen aktuellen und ehemaligen Bandmitgliedern, Gastauftritten von Freunden und Bands, die uns über die Jahre begleitet haben. Leider können wir auf Grund der momentanen, durch Covid-19 bedingten Situation allerdings nur schwer planen, so dass das Ganze total in der Schwebe hängt. Mal schauen, wie sich das Ganze in den nächsten Wochen, bzw. Monaten entwickeln wird. Ansonsten werden wir wohl noch ein spezielles Release zum Jubiläum veröffentlichen. Lasst euch überraschen.

MF: Euren Bandnamen Bitterness habt ihr vor langer Zeit gewählt. Wenn ihr schon vor zwanzig Jahren verbittert wart, wie sieht denn heute euer Gemütszustand aus?

Frank: Nicht viel besser..., aber vielleicht etwas entspannter. Es gibt noch immer genug Gründe, die einen in dieser Welt verbittert werden lassen. Allerdings gibt es natürlich auch sehr viele schöne Dinge, die das Leben lebenswert machen. Das sah ihm Alter von 20 Jahren noch ganz anders aus. Da war einfach alles Scheisse.

MF: Eure Songtexte zeigen ein düsteres Bild unserer Gegenwart und Zukunft. So trifft «Idiocracy» vom neuen Album «Dead World Order» den Nagel so ziemlich auf den Kopf, was unsere Gesellschaft betrifft. Wie schnell Grundrechte ausgehebelt werden können, hat die Pandemie eindrücklich gezeigt. Was haltet ihr von solchen Entwicklungen?

Frank: Ich denke, man muss solche Entwicklungen sehr genau und kritisch beobachten und gegebenenfalls auch entgegenwirken. Es ist immer die Frage, ob diverse Entscheidungen die Gemeinschaft tatsächlich schützen oder ob es um Kontrolle und Machtgewinn durch oder für einzelne geht. Aber auch Randgruppen, die versuchen sich in solchen Situationen wieder ins Gespräch, bzw. in den Vordergrund zu drängen, indem sie mit den Ängsten und der Unsicherheit der Menschen spielen, wie die ganzen Verschwörungsspinner oder irgendwelche ewiggestrige rechte Idioten sollte man sofort in ihre Grenzen weisen. Solche Krisen sind nur zur bewältigen, wenn alle an einem Strang ziehen und man seine eigenen Bedürfnisse hinten anstellt. Nicht, indem man Unruhe und Hass sät.

MF: Mit den Religionen steht ihr auch eher auf dem Kriegsfuss. Sind die Religionen die Wurzel allen Übels?

Frank: Ich glaube, diese Frage beantwortet sich schon von alleine, wenn man sich nur anschaut, wie viele Kriege im Namen der Religion geführt wurden, bzw. noch immer geführt werden. Und wie viele tausende und abertausende Menschen dafür gestorben sind. Der Glaube an sich, kann vielen Menschen Halt geben, und sie führen und stärken. Leider wird daraus aber oftmals auch „blinder Glaube“. Viele Menschen nehmen das Gegebene als die einzige Wahrheit an, hinterfragen nicht und wehren sich gegen andere Meinungen. Dies wiederum führt zu Konflikten, die anscheinend auch in unserem Zeitalter nur durch Gewalt und Hass gelöst werden können. Sehr traurig so etwas.

MF: Wenn man die Texte durchliest, merkt man unschwer, dass ihr kritische Zeitgenossen seid. Wie wichtig ist die Message im Kontext zur Musik?

Frank: Ich finde, eine Message ist immer wichtig. Das kann ja auch sehr vielfältig sein. Von: „Bier ist super!“ und „Metal ist geil!“ bis eben hin zu sozialkritischeren Themen wie Umweltverschmutzung, die Verrohung der Gesellschaft et cetera. Das war eigentlich auch immer das, was mich im Metal begeistert hat. Das hier oftmals Sachen einfach mal kritisch angesprochen und nicht nur belanglos hingenommen werden. In der Tradition sehe ich auch unsere Texte. Auf der anderen Seite, war es aber auch, wenn manchmal zu viel mit dem erhobenen Zeigefinger ermahnt wurde, einfach klasse, sich Texte über Parties, Fantasy, Horror oder Science Fiction zu lesen. Einfach um mal abzuschalten, nicht alles so ernst zu nehmen und die „böse“ Welt zu vergessen.

MF: Mit eurem Oldschool Thrash Metal zieht ihr euer Ding sehr konsequent durch. Wieviel Entwicklung und Veränderung duldet eure Art von Musik?

Frank: Über die Jahre, finde ich, haben wir schon eine deutliche Entwicklung, bzw. auch Alben gehabt die vom Thrash Metal abweichen. Gerade bei den ersten Alben war noch ein sehr grosser Einfluss aus dem melodischen Death Metal enthalten. Auf dem dritten Album «Autumn's Fall» ist dieser meiner Meinung nach am meisten heraus zu hören. Danach tendieren die Alben immer mehr Richtung old-school Thrash, wobei Einlüsse aus dem klassischen Heavy Metal oder dem (melodischen) Death Metal immer mal wieder aufblitzen.

MF: Der letzte Track von «Dead World Order» namens «Darkest Times» ist ein Hammer-Instrumental und zeigt Bitterness von einer anderen Seite. Wird in Zukunft noch mehr aus dieser Richtung folgen?

Frank: Die Idee, einmal ein Instrumental mit auf das Album zu packen, geisterte schon lange bei mir im Kopf herum. Irgendwie haben wir es aber auf den bisherigen Alben nicht umgesetzt bekommen. Dieses Mal hat es aber dann geklappt. Und wir sind mit dem Stück sehr zufrieden. Ich könnte mir schon vorstellen, mal wieder ein reines Instrumentalstück aufzunehmen. Mal schauen, wie es beim nächsten Album aussieht. Vielleicht gibt es ja passende Ideen.

MF: Das neue Album «Dead World Order» ist ganz einfach sensationell. Leider konntet ihr das Album bis anhin noch nicht gebührend promoten. Ist da noch was geplant in näherer Zukunft?

Frank: Erst einmal vielen Dank für das Kompliment. Heutzutage ist es allgemein schwierig, ein Album über einen längeren Zeitraum zu promoten und aktuell zu halten. Bei der Flut an Veröffentlichungen, die mittlerweile herrscht, sind viele Alben bereits nach drei Monaten „alt“ und du bekommst sie nach sechs Monaten auf dem Wühltisch für 6,66 Euro. Von daher, denke ich, haben wir das «Dead World Order» Album ganz ordentlich beworben. Allerdings hat uns die Corona-Krise einen ordentlichen Strich durch die Rechnung gemacht, indem wir nicht live spielen konnten. Meiner Meinung nach hätten die vielen guten Reviews und die Werbung, die wir geschalten haben, in Verbindung mit Liveaktivitäten, noch viel weitere Kreise gezogen. Aber so ist das Leben, da kann man nichts machen.

MF: Ihr seid bei dem kleinen und feinen Label G.U.C., das im Underground verwurzelt ist. Bekommt ihr auch deshalb nicht die gebührende Aufmerksamkeit, weil G.U.C. nicht mit den grossen Werbetrommeln anrührt?

Frank: Natürlich hat ein eher kleineres Underground-Label wie G.U.C. nicht die gleichen Möglichkeiten, gerade in Bezug auf Vertrieb und Werbung, wie ein grosses Label wie Century Media oder Nuclear Blast. Dafür sind wir aber auch nicht irgendeine von vielen Bands auf einem Label, sondern bekommen den vollen Support von unserem Label und können auch weiterhin Sachen mitbestimmen und entscheiden. Das wäre auf einem grösseren Label in dieser Form sicher nicht möglich. So konnten wir unser aktuelles Album zum Beispiel als LP mit Klappcover und farbigem Vinyl heraus bringen. Oder wir haben zu unserem 10-jährigen Jubiläum eine Box mit fünf Picture-LPs herausgebracht. Das hätte ein grösseres Label niemals mit uns gemacht. G.U.C. lässt uns in diesen Punkten freie Hand und unterstützt uns bei allem so gut wie möglich. Die Betreiber sind selber noch Fans, und das merkt man an jeder Veröffentlichung die sie auf den Markt bringen.

MF: Ihr habt schon über 300 Gigs gespielt. Wie ist es für euch in der aktuellen Situation zu Hause zu sitzen und Däumchen zu drehen?

Frank: Schrecklich! Wir sind eine Band, die gerne unterwegs ist und es liebt live zu spielen. Auch wenn wir in den letzten Jahren nicht mehr so viel unterwegs waren, wie in den frühen Zeiten unserer Karriere, so haben wir doch noch immer einige Shows im In- und Ausland pro Jahr gespielt. Wir hatten noch nie einen längeren Zeitraum, als vielleicht drei bis vier Monate seit unserer Gründung, ohne Show. Dieses Jahr sind uns bisher alle geplanten Konzerte ausgefallen oder wurden auf nächstes Jahr verschoben, das heisst wir waren nun tatsächlich schon ein Jahr nicht mehr auf der Bühne. Ich hoffe, dass sich das bald wieder ändert.

MF: Ihr kommt aus dem Süden von Deutschland und die Hochburg des Thrash Metal war und ist der Ruhrpott. Habt ihr da einen Standort-Nachteil?

Frank: Ich würde nicht sagen, dass wir einen Standort-Nachteil haben. Immerhin kommen Destruction ja auch hier aus der Ecke und haben Metalgeschichte geschrieben. Was die Hochburg des deutschen Thrash angeht, stimme ich dir zu, dass das ganz klar das Ruhrgebiet ist. So viele geile Bands kommen, bzw. kamen aus dieser Region. Aber, ich glaube, das kann auch ein Nachteil sein. Bei so vielen guten Bands muss man sich auch erst einmal behaupten und zeigen was man drauf hat. Da hatten wir es vielleicht mit unserem „Exoten-Bonus“ etwas einfacher, weil von uns eh keiner etwas erwartet und dann blöd aus der Wäsche geschaut hat, wenn wir los gelegt haben. Aber klar, grundsätzlich war es schon schwieriger an Shows zu kommen, da es im Südwesten Deutschlands einfach nicht so viele Auftrittsmöglichkeiten gab.

MF: Früher wart ihr mal zu viert und mit einem zweiten Gitarristen unterwegs. Seit über zehn Jahren macht ihr als Trio gehörig Dampf. Was sind die Vor- und Nachteile einer Trio-Formation?

Frank: Wir haben damals als Trio begonnen und dann nach dem ersten Album einen zweiten Gitarristen hinzu geholt. In der Vierer-Besetzung waren wir in der Folge ein bisschen mehr als fünf Jahre unterwegs. Die Vorteile sind ganz klar die Gründe, aus denen wir damals auch einen zweiten Gitarristen hinzu geholt haben. Wir wollten mehr melodiöse Teile, Twin-Gitarren und so weiter in unsere Songs einbauen und vor allem diese auch live so umsetzen können. Das hat auch super geklappt. Der „Nachteil“ war allerdings, dass nun oftmals mehrere verschiedene Meinungen auftraten, wie etwas gemacht werden sollte. Was wir vorher als Trio und auch danach nie hatten. Es gab immer zwei Strömungen in der Band. Nie waren sich alle einig. Das kostet Energie. Ein weiteres Problem war, der zeitliche Faktor was Proben, aber vor allem Konzerte anging. Es war schwierig so zu planen, das immer alle vier konnten und, so mussten wir manche Shows zu dritt (mal mit nur einer Gitarre, mal ohne Bass) spielen, da wir sonst die Shows hätten canceln müssen. Man glaubt es kaum, was eine zusätzliche Person ausmachen kann, aber es war tatsächlich so. Plötzlich hat nicht nur einer keine Zeit, sondern gleich zwei Personen und schon kommt der Plan ins Wanken. Seit wir wieder als Trio aktiv sind, treffen wir Entscheidung deutlich schneller, respektive kommen schneller auf einen gemeinsamen Nenner. Die Planung für Studioaufenthalte, Konzerte, Radio-Interviews, Photo-Shootings und so weiter, alles geht etwas einfacher von der Hand. Und nicht zu vergessen, die dicke Kohle die wir einnehmen, müssen wir nur noch durch drei Personen teilen. ;-)

MF: Habt ihr in der konzertfreien Zeit schon an neuem Material gearbeitet oder ist der Release von «Dead World Order» noch zu frisch?

Frank: Bisher sind nur eine Handvoll Riffs entstanden, aber noch keine kompletten neuen Songs. Ich denke, das ist auch noch etwas früh. Das letzte Album ist erst im Mai erschienen und wir würden gerne erst einmal die Lieder von diesem Album live präsentieren, bevor wir den nächsten Schritt machen.

MF: Werdet ihr noch eine Tour mit dem neuen Album machen oder werdet ihr euch vor allem auf Weekend-Gigs beschränken?

Frank: Wir wären schon froh, wenn wir überhaupt mal wieder spielen könnten. Aber wenn das wieder möglich ist, wollen wir natürlich so viele Gigs wie möglich spielen. Ich gehe aber mal davon aus, dass es sich hauptsächlich um Wochenendkonzerte handeln wird. Klar, wenn ein gutes, bzw. passendes Tour-Angebot rein kommen würde, wären wir sofort dabei. Mal schauen, was die nächste Zeit bringt.

MF: Was habt ihr für ein Verhältnis zur Schweiz und zu den hiesigen Metalheads?

Frank: Wir haben bis heute eigentlich immer regelmässig mal wieder in der Schweiz gespielt und haben auch viele Freunde und Supporter hier. Gerade im deutschsprachigen Raum waren wir viel unterwegs. Wir freuen uns immer bei euch zu spielen.

MF: Was habt ihr noch für unerfüllte Träume nach zwei Dekaden Bitterness?

Frank: Träume gibt es immer viele. Aber die erwähnte Tour, vielleicht im Vorprogramm einer unserer 80er/90er Jahre Helden, wäre natürlich super. Mal für Sodom eröffnen. Am „Bang Your Head“ spielen…das wäre eine feine Sache. ?

MF: Wo bekommt man das sensationelle Album «Dead World Order» und sonstiges Merchandise?

Frank: Am einfachsten geht das über uns direkt. Entweder über unsere Facebook-Seite (www.facebook.com/bitternessthrash) oder per Mail (bitterness_thrash@web.de) oder bei Bandcamp (https://bitterness-thrash.bandcamp.com). Ansonsten können unsere Alben auch über unser Label G.U.C. geordert werden (www.metal-store24.de). Das Album ist aber auch über mehrere Mailorder wie Nuclear Blast, Pure Steel et cetera erhältlich.

MF: Möchtet ihr unseren Lesern noch etwas Wichtiges auf den Weg mitgeben?

Frank: Bleibt gesund und behaltet einen klaren Kopf. Wenn ihr auf Thrash Metal steht, dann riskiert doch mal ein Ohr und hört in unser aktuelles Album «Dead World Order» rein. Ihr werdet es nicht bereuen. Vielen Dank noch an dich für deine Fragen und deinen Support! Up the irons & thrash 'til death!

Und wenn die Welt gerecht wäre, dann hätten Bands wie Bitterness wesentlich mehr Erfolg! Deshalb möchte ich allen Old School Thrashern unbedingt das neue Album «Dead World Order» wärmstens empfehlen, denn es lohnt sich wirklich!!