Interview: Clawfinger
By R.K.
Die Crossover Veteranen Clawfinger reisten zwecks Promoarbeit zu ihrem neuen Album "Hate yourself with style" von Schweden in die Schweiz. Dies konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen und machte einen Termin klar. So traf ich in relaxter Atmosphäre im X-Tra auf Bard Torstensen, dem Saitenkrampfer, welcher sich mutig meinen Fragen stellte.

MF: Für das neue Album habt ihr einen sehr provokativen Titel gewählt: "Hate yourself with style". Was steckt dahinter und hasst ihr euch denn selbst?

BT: Nein, das machen wir nicht, es geht hier mehr um unsere Gesellschaft. Viele Leute verbergen sich heutzutage hinter "Masken". Ich denke, viele Leute verstecken sich dahinter, leben nach aussen hin ein makelloses Leben und sind innerlich zerrissen. Wenn die Frage gestellt wird: "Geht es dir gut?" Kommt doch immer ein "Ja" als Antwort, auch wenn es absolut nicht zutrifft. Der Albumtitel bezieht sich auf diese Sache, so zu sagen ein kritischer Blick auf was wir sind.

MF: Als ich euer neues Album durchhörte, war ich doch überrascht über den gesteigerten Härtegrad. Weniger Samples, mehr die Gitarren im Vordergrund und mit dem Titelson, habt ihr wohl auch euer bisher härtestes Lied auf einen Silberling gebracht. Was ist da in den letzten beiden Jahren passiert?

BT: Nun ja, produktionstechnisch gesehen war ich früher im "Fahrersessel", doch diesmal haben wir die Rollen getauscht und "Jocke", unser Keyboarder, hat diesen Platz übernommen. Da er mehr "Metal-orientiert" ist, wurde der Record automatisch auch härter. Für mich war das am Anfang recht "scary", da ich nicht mehr am Drücker war, sondern plötzlich jemand anderes. Das Material wurde so härter, als ich es erwartet hätte, das machte mir zwar Anfangs etwas zu schaffen, doch ich habe viel Neues gelernt und bin froh um diese neue Erfahrung. Ich denke, das hat die Band auch auf ein höheres Level gebracht, und ich habe jetzt ein wirklich gutes Gefühl und bin sehr zufrieden mit dem Resultat.

MF: In einem Memo von Zack las ich, dass dieser Record etwas Spezielles für Clawfinger ist. Keine "Outsiders" wurden miteinbezogen, kannst du mir da etwas mehr erzählen darüber, was habt ihr jetzt anderes getan, im Vergleich zu früheren Alben?

BT: Nun ja, früher war es vielfach so, dass es sehr viele Diskussionen und Meinungen gab bei der Produktion von Leuten ausserhalb der Band. Wir hatten diese jeweils mit einbezogen in der Meinung, das Richtige zu tun, was uns aber auch teilweise zum Ausflippen brachte. Diesmal haben wir das nicht zugelassen. Wir haben in unserem Team gearbeitet und das getan, was wir für richtig hielten. Ich denke dieses Teamwok ist sehr wichtig, wenn man Musik macht und der richtige Schritt für uns. Wir hatten früher viel zu viel auf Anweisungen und "Ratschläge" von Freunden gehört.

MF: Also wart ihr so zu sagen Sklaven der Musikindustrie und Labels?

BT: (lacht) - Nein wir sind nur die Sklaven unser selbst.

MF: Aber dann seid ihr nicht so zufrieden mit euren älteren Werken?

BT: Eigentlich schon, wir waren nach den Recording-Sessions immer zufrieden, doch wenn ich jetzt ältere unserer Songs anhöre, finde ich die einen gut und die anderen einfach schlecht. Man spielt die Songs tausende Male und verliert irgendwie das Gefühl um zu sagen, der Song ist gut und der andere weniger.

MF: Auf "Hate yourself with style" habt ihr wieder ein paar richtige Ohrwürmer wie "Dirty lies", "Right to rape" oder "Without a case". Welches ist dein Lieblingssong?

BT: "The faggot in you", wegen den Kontroversen des Textes. Es geht um Homosexualität und ich denke, dies ist ein wichtiger sozialer Aspekt in unserer Gesellschaft. Vieles geht heute zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus, doch ich hoffe, die Leute hören auf den Text. Wir denken in jedem von uns stecken beide Sexualitäten, die eine ist einfach mehr ausgeprägt als die andere und man sollte die Leute nicht verurteilen, denen es da anders geht.

MF: Als ich den Songnamen "Right to rape" las, war ich auch etwas verwundert, was steckt hinter diesem Titel?

BT: Hier geht es darum, was ist Vergewaltigung und was nicht. Die Grundlage lieferte uns ein Ereignis, welches bei uns durch die Presse ging. Es handelte von einem Mädchen, welches angab, vergewaltigt worden zu sein, der aber niemand so recht glauben wollte. Es gab da solche Aussagen, dass sie es doch provoziert habe, oder was so wie sie angezogen war, es doch provoziert hätte. Dieses Lied handelt von dieser Situation, wie viel es braucht, bis die jemand glaubt und wie weit es mit unserer Gesellschaft bereits gekommen ist.

MF: Ein weiterer Titel lautet "God is dead", zielt ihr da auf einen religiösen Hintergrund, oder bezahlt ihr einfach zuviel Kirchensteuern?

BT: Das ist eigentlich simpel: Die Botschaft hinter diesem Song lautet: "Glaube nicht an etwas, was es nicht gibt." Es ist jedem frei gestellt, ob er an Gott glauben will oder nicht, aber es ging auch sehr viel Böses von der Kirche aus und daher sind wir der Meinung: "Fuck the church".

MF: Es gab ja auch einen Wechsel in der Band, wie sieht es denn nun aus, sind nun Henka und Andre fester Bestandteil von Clawfinger?

BT: Ja, sie sind es, es gab da noch das Problem, dass bei der Promo-CD noch ein altes Foto von uns verwendet wurde, auf dem die Beiden nicht drauf sind, daher die kleine Verwirrung.

MF: Ihr habt auch einen Wechsel beim Label gemacht und seid nun unter der Flagge von Nuclear Blast, wart ihr unzufrieden mit Gun/BMG?

BT: Ja, das war so, denn mit BMG waren wir nicht wirklich glücklich. Zwar hatten wir gute Unterstützung hier in Europa, besonders in Deutschland und der Schweiz, das Problem lag jedoch daran, dass wir zu wenig "gross" sind, sprich zu wenig auf den kommerziellen Markt abzielten. Somit wurden wir in anderen Ländern durch BMG häufig vernachlässigt. Es wurde kaum Werbung für uns gemacht, zum Beispiel, als wir mit Rammstein auf Tour waren etc. Das war ein Frust für uns und wir hoffen nun mit Nuclear Blast, welche eine gute Unterstützung und Kontakte bieten, einen besseren Partner für unsere Interessen gefunden zu haben.

MF: Eure Texte sind meist sehr sozial- und gesellschaftskritisch. Ist denn das Leben in Nord-Europa so "schmerzhaft"?

BT: (lacht) - Nein nicht so schmerzvoll, aber was wir feststellen ist, dass viele in Schweden sehr verschlossen sind, immer mit der Angst leben, das ein Anderer ihnen etwas wegnehmen könnte und sich so zu sagen hintern Mauern verstecken.

MF: Oh, ich dachte, nur wir Schweizer sind so...

BT: Hmm..., also ich denke, es liegt an unserem hohen Lebensstandard, die Leute werden immer egoistischer und stapeln Probleme auf, die eigentlich gar keine Probleme sind. Schau mal nach Brasilien in die Slums, Selbstmordraten existieren dort nicht und bei uns..., ich finde das sehr erschreckend und frage mich, wohin das führt?!!

MF: Was mich schon lange interessiert: Wie kommt es eigentlich, dass ihr Crossover spielt, da ja die meisten Bands aus dem Norden mehr dem Death und Black Metal verfallen sind. Wie kamt ihr zu eurem Sound?

BT: Ich erinnere mich, ich zog von Norwegen nach Schweden, weil ich eine Rock Band gründen wollte. Anfang 90er war Stockholm der beste Platz, um international etwas auf die Beine stellen zu können. Stockholm war der "Place to be". Wenn du damals ein Tape mit exakt dem gleichen Material von Stockholm und von Oslo einer Plattenfirma geschickt hast, wurde das von Stockholm immer vorgezogen. Bands von Stockholm wurden mehr respektiert, als solche von Oslo, heute hat sich das geändert. Aber aus diesem Grund zog ich nach Stockholm und arbeitete da in einem Spital. Dort traf ich auf so einen Typen (Zak), der ständig durch die Korridore rappte und ich dachte nur: "Shut up, ich will Metal spielen" und so ging das jeden Tag. Doch wir fanden zusammen und fanden die Idee toll, dies zu kombinieren und..., ja: So entstanden dann Clawfinger.

MF: Mit euren ersten Scheibe "Deaf dumb blind" seid ihr ja so richtig durchgestartet, so zu sagen von "Zeros to heros". Eure Hits wurden überall gespielt und alle kannten euch plötzlich. Was ist von damals bis jetzt so passiert, habt ihr viele positiven Erfahrungen sammeln können, oder gab es auch Negatives?

BT: Ich denke, hauptsächlich Positives. Wenn man so lange Zeit spielt, hat man auch immer welche Ideen und Ziele. Wenn diese dann nicht erreicht werden, kann dies natürlich auch schmerzvoll sein. Ich denke, das Schlimmste für mich war, als Erlend die Band verliess. Zuerst dachte ich, es könne so nicht weiter gehen, doch mit der Zeit zeigte es sich, dass wir so besser in der Band harmonieren. Natürlich sind wir immer noch Freunde, aber ehrlich gesagt, kommen wir jetzt besser voran ohne ihn. So denke ich, es war doch die richtige Entscheidung von ihm. So läuft es manchmal mit Beziehungen..., wie überall anders auch.

MF: Ich könnte mir vorstellen, dass nach so einem Hit-Album wie "Deaf dumb blind" sehr viel Druck auf euch lag, da jeder wohl erwartete, dass man wieder solche Lieder wie "Nigger", oder "The truth" von euch hören zu bekam. Wie war das damals?

BT: Oh, das ist eine gute Frage. Ja, in der Tat, es war ein enormer Druck vorhanden. Beim ersten Album gab es keine Einwände, wir konnten machen, was wir wollten. Dann beim Zweiten kamen immer solche Stimmen wie..., "ja macht noch mal so einen Nigger-Song", das machte es sehr streng und mühsam, den richtigen Weg zu finden.

MF: Nach dieser Zeit, hast du auch noch Träume?

BT: Ja! Den perfekten Song zu schreiben. Ich denke das Schönste ist es, einen Song zu schreiben, mit der Band zu performen und dann die Gesichter der glücklichen Fans zu sehen.

MF: Wenn ihr Songs schreibt, seid ihr da eine Demokratie, oder wie läuft das ab?

BT: Ja, das sind wir, jeder bringt seine Ideen vor, welche die anderen beurteilen. Ich kam mit zwanzig neuen Riffs ins Studio und die Meisten wurden gleich zerschmettert von den beiden Anderen. Es macht das Ganze nicht einfach, aber schlussendlich sind wir alle zufrieden mit dem Resultat.

MF: Bei der Special-Edition von "Hate yourself with style" ist eine Bonus-DVD beigelegt, welche euren Auftritt vom "Greenfield Open Air" hier in der Schweiz zeigt, wieso habt ihr genau diesen Gig gewählt?

BT: Das Schweizer Fernsehen hat den Gig aufgezeichnet und als wir das gesehen haben, dachten wir: "Wow das ist ja in sehr guter Qualität, komm lass uns das verwenden als Bonus-DVD." Es ist unsere Erste und wir planen weitere, ich mache mich auch gerade schlau im Video schneiden und editieren.

MF: Habt ihr da was vom Sturm mitbekommen beim Greenfield?

BT: Nein, wir wurden zum Glück verschont, da wir am Tag darauf spielten, aber es war schon sehr "eindrücklich", was da abging und wir waren froh, erst am Tag darauf spielen zu dürfen.

MF: Nun steht wieder eine Tour an, freut man sich nach soviel Jahren im Business noch darauf?

BT: Doch ja, ich freue mich sehr darauf, unsere neuen Songs live vor den Fans spielen zu können. Doch es ist auch nicht immer sehr einfach, du bist lange Zeit mit dem Bus unterwegs, eng aufeinander und irgendwie werde ich dann nach einiger Zeit eine "andere Person". Es schleicht sich die Routine ein und ich bin dann auch froh, wenn es nach einigen Wochen wieder nach Hause geht.

MF: Allright..., hast du zum Schluss noch eine Nachricht für eure Schweizer Fans?

BT: Yeah, wir freuen uns schon sehr, euch die neuen Songs live zu präsentieren und hoffen, ihr kommt ALLE zu unseren Konzerten und geniesst die Songs!!



Unser R.K. (mitte) mit Clawfinger >>>>