EDGUY, denen einst nachgesagt wurde, sie seien
die Backstreet Boys des Metal, liessen vor kurzem
ihren Theater Of Salvation-Nachfolger auf die
Masse los: Mandrake. Nicht nur, dass die Burschen
selbstsicherer geworden sind, nein, auch dem letzten Knurrhahn
konnten EDGUY nun den Schnabel stopfen. Ich hatte die Möglichkeit,
Gitarrero Jens Ludwig vor dem Auftritt im Prattelner Z7 einige
blöde Fragen zu stellen. Im Nachhinein eine echte Qual, das
aufgezeichnete Interview auf Papier zu bannen; die musikalischen
Ergüsse von Nostradameus (die während des Interviews auf der
Bühne standen) sind auf dem Tape fast besser zu hören als
die Antworten von Jens...
Françoise: Nach der Veröffentlichung von Theater
Of Salvation waren die Erwartungen an euch sehr hoch.
Erst recht, als Tobi mit AVANTASIA daherkam und alles niedermähte.
Wart ihr sehr unter Druck, als ihr an Mandrake
gearbeitet habt?
Jens: Nö, eigentlich gar nicht. Klar hat man immer ein bisschen
im Hinterkopf, was die Leute wohl später sagen würden, aber
wir haben versucht, uns möglichst wenig Gedanken darüber zu
machen. Wenn man das macht, was die anderen Leuten mögen,
beisst man sich ziemlich schnell fest. Deswegen versuchen
wir in erster Linie das zu machen, was uns am besten gefällt.
Falls es dann noch Leute gibt, die das auch toll finden, ist
das natürlich umso geiler. Aber nur so kann man auch wirklich
hinter seiner Musik stehen und hat Spass dabei. Nun, wir sind
einfach in den Proberaum gegangen und haben uns gesagt So,
lasst uns mal zehn Lieder machen, und dann kucken wir, was
draus wird!. Wir hatten überhaupt kein Konzept.
Françoise: Nun, was draus geworden ist, kann sich
definitiv hören lassen! Mandrake stellt meiner
Meinung nach sämtlichen Vorgänger-Alben in den Schatten. Wer
oder was ist denn eigentlich Mandrake?
Jens: Mandrake ist eine Alraune. Das ist eine Pflanze, ein
Nachtschattengewächs aus dem Mittelalter. Sie wurde oft von
Alchemisten benutzt. Angeblich ist diese Pflanze unter Galgen
gewachsen und wurde von Urin und Sperma von sterbenden Leuten
getränkt... also das ist schon etwas komischer... Aber wir
singen jetzt nicht über Blumen, das muss ich gleich vorweg
nehmen! Ursprünglich sollte die Platte Magic heissen,
aber es gibt schon so viele Scheiben, die diesen Namen tragen.
Tobi fand schliesslich die Verbindung von Magic
zu Mandrake, dieser mystischen, übersinnlichen
Pflanze. Das fanden wir alle ganz gut, und ausserdem klingt
Mandrake viel schöner als Magic.
Françoise: Um nochmals kurz auf Tobi`s AVANTASIA zurückzukommen;
was denkst du, inwiefern hatte dieser Rundling Einfluss auf
EDGUY? Rein erfolgstechnisch gesehen?
Jens: Ganz gewaltig, denke ich. Früher hatten wir immer das
Problem, dass die Leute uns einfach nicht ernst genommen haben.
Wahrscheinlich weil wir so jung sind und nicht unbedingt wie
die typischen True Metaller daherkommen. Wir wurden immer
nur als Schülercombo abgestempelt. Durch AVANTASIA haben plötzlich
alle gesehen, dass dieser Spassvogel (Tobias Sammet, Anm.
d. V.), der da immer auf der Bühne rumkaspert, mit ganz vielen
namhaften Musikern zusammenarbeitet, und dass erst noch etwas
Gutes dabei rauskommt. Es gibt auch sehr viele Leute, die
erst durch AVANTASIA überhaupt auf EDGUY aufmerksam gworden
sind. Die Scheibe hat uns auf jeden Fall ganz viel Beachtung
eingebracht.
Françoise: Ihr seid jetzt mittlerweile an einem Punkt
angelangt, an dem ihr euch mühelos mit anderen bedeutenden
Bands in eine Reihe stellen könnt zumindest in Deutschland.
Wie sieht es international aus? Wie seht ihr selbst eure Position?
Jens: Das ist schwer zu sagen. Auf der aktuellen Tour sind
wir bisher nur in Deutschland aufgetreten. Wie die Fans im
Ausland reagieren, werden wir in den nächsten vier Wochen
herausfinden. Wir waren in den Schwedischen Charts auf Platz
18, in Frankreich waren wir drei Wochen in den Top 100
das ist das, was ich von unserem Label weiss, und die scheinen
sehr zufrieden zu sein.
Françoise: Bei all dem Lob, das jetzt auf euch einprasselt;
ihr habt auch schon `ne Menge Kritik einstecken müssen.
Jens: Da fällt mir ein Konzertbericht von Wacken ein, ich
glaube, den habe ich auf einem Online-Magazin gelesen. Da
hiess es in etwa: ...und da haben EDGUY gespielt, total
geil, aber, was ist das denn? Was hat der Bassist für ein
hässliches oranges T-Shirt an, das ist ja furchtbar! Dann
kam der und der Song der Hammer! Aber der Gitarrist,
was der rumgepost hat... Dasselbe mit Tobi`s Kuhhose,
die ja angeblich so unmetallisch aussieht. Oder
da gab`s auch die Geschichten mit dem Helloween-Abklatsch,
Teil 973. Solche Sprüche kamen oft, aber das stört uns nicht
wirklich. Klar, Helloween war ein grosser Einfluss, aber ich
denke, dass wir schon eigenständige Musik hervorbringen, gerade
wenn man sich Mandrake anhört.
Françoise: Ihr hattet eigentlich schon sehr früh,
oder respektiv, in jungem Alter Erfolg Mandrake
ist auch bereits eure fünfte Scheibe.
Jens: Wir haben auch mit 14 Jahren angefangen... die Band
existiert immerhin schon seit zehn Jahren. Wir sind den ganz
normalen Weg gegangen. Wir haben zwei Demos aufgenommen, die
damals wirklich keinen interessiert haben. Ich muss dazu sagen,
dass wir sehr jung waren, wir haben unsere Instrumente noch
nicht richtig beherrscht und hatten keine Ahnung, wie sowas
im Studio abläuft. Mittlerweile haben wir einiges an Erfahrung
dazugewonnen, und sind immer noch sehr neugierig. Wir können
immer noch sehr viel dazu lernen. Bei jeder Studioproduktion,
bei jeder Tour.
Françoise: Apropos Tour: Dies ist eure erste Headliner
Tournee wie steht`s mit der Kondition?
Jens: Ja, gut, es ist ja nicht unsere erste Tour, und wir
sind auch eine sehr harte Schule durchlaufen. Auf unserer
ersten Tour sind wir fünf Wochen mit dem Wohnmobil durch Europa
getuckert. Deswegen läuft das auch sehr gut. Wir haben auch
sehr viele Off-Days auf dieser Tour, was gerade für den Tobi
wichtig ist. Die Show in Strassburg mussten wir wegen Krankheit
canceln; die wird aber am 11. Dezember nachgeholt! Also ich
habe generell gar keine Konditionsprobleme. Zudem macht uns
die Tour ja auch sehr viel Spass!
Françoise: Ich habe vorhin in der Halle gesehen, dass
ihr einen riesigen Bühnenaufbau habt. Da ist neben diesem
Harlekin, der auch das Mandrake-Cover ziert, auch
ein grosses Kreuz zu sehen, und an Pyros habt ihr, glaube
ich, auch nicht gespart...
Jens: Wir wollten uns halt echt viel Mühe geben. Man muss
ich mal ein kleines Kind im Spielzeugladen vorstellen... Schon
als wir noch als Vorgruppe gespielt haben, hatten wir unzählige
Ideen, was wir auf der Bühne alles machen könnten. Nur war
dann der Platz halt nie da. Jetzt, wo wir die Chance dazu
haben, alle diese Ideen zu verwirklichen, versuchen wir natürlich,
soviel wie möglich auf die Beine zu stellen. Ich hoffe, die
Fans werden ihren Spass daran haben.
Françoise: Den Spass werden die Fans wohl auch an
Tobi`s Scherzen haben...
Jens: Ich hoffe es doch! Ich muss dazu sagen, dass keine Witze
geplant sind. Wenn was kommt, dann kommt was. In Kaufbeuren
vor zwei Tagen, das war der absolute Gipfel! Wir sind gerade
für die Zugaben auf die Bühne gegangen, als irgendeiner im
Publikum Heidi! brüllte. Und da meinte Tobi Ja,
gut, dann singt doch mal!, hat den Leuten das Mikro
hingehalten und die haben tatsächlich die ganze Strophe
von Heidi durchgesungen! Also, entweder es passiert was, oder
dann eben nicht. Aber meistens wird`s schon lustig!
Françoise: Habt ihr eine feste Setliste mit im Gepäck
oder schreibt ihr diese an jedem Gig neu?
Jens: Es gibt Songs, die sind fest im Set, weil die ganzen
Showeffekte darauf abgestimmt sind. Aber wir haben immer Luft,
wo wir die Möglichkeit haben, Songs auszutauschen, was wir
auch immer machen. Heute werden wir einen Song mehr spielen
als sonst (es handelte sich um den Track Babylon,
Anm. d. V.). Die Songs von Mandrake, die besonders
live zur Geltung kommen, werden wir natürlich schon spielen,
wie zum Beispiel Tears Of A Mandrake.
Françoise: Habt ihr eigentlich spezielle Erwartungen
an diese Tour?
Jens: Also, erstens mal, dass wir nicht so viel drauflegen...
Nein, also unsere Erwartungen sind eigentlich Standard. Wir
hoffen natürlich, dass immer viele Leute da sind, und dass
die Sänger durchhalten. Das ist das Wichtigste. Krankheiten
sind auf einer Tour immer so `ne Sache. Wenn einer im Bus
einen Virus hat, dann zack, zack, zack hat das
gleich jeder. Bis jetzt haben die Zuschauerzahlen unsere Erwartungen
übertroffen. Am Eröffnungsgig in Fulda hatten wir ein paar
tausend Leute, dann war Offenbach voll, Ludwigsburg war voll
wir können uns echt nicht beschweren. Wenn das so weitergeht,
dann ist alles wunderbar.
Françoise: Es war vor dieser Tour mal die Rede davon,
dass eventuell der eine oder andere Musiker, der auf AVANTASIA
mitgewirkt hat, eine Gastperformance bietet. Ist da schon
etwas zustande gekommen?
Jens: Nein, da ist noch nichts zustande gekommen. In Osnabrück
hat der Freddy von Nostradameus zwei Lieder mit uns gesungen,
weil der Tobi schon total platt war... Wir werden sehen. Planen
kann man sowas eh nicht. Wenn, dann ergibt sich spontan etwas.
Vielleicht kommt Kai (Hansen, Gamma Ray, Anm. d. V.) in Hamburg
auf die Bühne. Aber, dass kann ma im Voraus nicht sagen. Wer
weiss...
Françoise: Sag mal, bleibt dir eigentlich noch Zeit,
dich auf der Fanbasis in der Metalszene zu bewegen? Kriegst
du noch mit, was da abgeht?
Jens: Ja, natürlich! Ich lese regelmässig Zeitschriften, besuche
Konzerte... Ich find halt einfach die Musik gut, ich steh
da unheimlich drauf! Ich hab mir gestern Abend hier auch Saxon
angeguckt, das war sehr geil. Ich denke schon, dass ich da
noch ganz gut informiert bin. Wir sind ja auch nicht so drauf,
dass wir sagen Wir sind EDGUY, und was um uns herum
passiert, interessiert uns nicht!. Natürlich interessiert
uns, was Gamma Ray gerade machen und wie die neue CD von Helloween
klingt. Wir sind ganz klar selbst noch Fans, logisch. Anders
könnten wir das gar nicht durchziehen. Die Fans merken schlussendlich
auch, ob wir Bock auf diesen Sound haben oder nicht.
Françoise: Da magst du recht haben! Zum Schluss möchte
ich noch gerne wissen, was du vom Internet hältst.
Jens: Finde ich grundsätzlich eine ganz, ganz tolle Sache!
Man kriegt von überall schnell und einfach Informatonen her.
Einzig der Musikhandel ist natürlich nicht so prickelnd. Das
ist schon ein wenig blöd. Aber da kann man wohl nicht gross
was ändern...
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