Death Angel - Exodus 14.12.2010
Interview: Bay Area Thrash Legends (Exodus & Death Angel)
mit: Gary Holt (Exodus) & Rob Cavestani (Death Angel)
By Kissi
England hat Anfang der 80er ohne Zweifel die Vorherrschaft in Sachen harter Musik inne. Judas Priest, Iron Maiden, Motörhead und noch härter Venom treiben Eltern auf der halben Welt zur Weissglut und deren Sprösslinge in taumelnde Headbang-Ekstase. Nicht einmal ein halbes Jahrzehnt später jedoch sieht die Sache ganz anders aus. Wie aus dem Nichts bildete sich in Kalifornien, USA innert kurzer Zeit eine Szene heran, die in Sachen Tempo, Aggressivität und Energie alles Bisherige in den Schatten stellen sollte: der Thrash Metal. Wenn auch die aus L.A. stammenden Metallica mit ihrem 1983 veröffentlichten Debüt „Kill 'Em All“ als erste Band dieses Stils gelten mag, so lag das Zentrum der Szene doch etwas südlicher, genauer in der Region um San Francisco herum. Hier fanden Bands wie Slayer, Testament, Forbidden, Exodus oder Death Angel zusammen, halfen sich gegenseitig aus, spielten und feierten zusammen.

Zusammen feiern und spielen, das tun die beiden letztgenannten Bands, Exodus und Death Angel, auch heute noch. Ende 2010 ging es gemeinsam mit den Deutschen Kreator und den griechischen Youngstern Suicidal Angels auf grosse Europa-Tournee. Dabei machten die beiden Thrash-Koriphäen sowohl live, als auch auf ihren letztes Jahr erschienen neuen Silberlingen „Exhibit B: The Human Condition“ bzw. „Relentless Retribution“ unmissverständlich klar, dass sie auch nach über 20-jähriger Karriere noch lange nicht zum alten Eisen gehören. Gerade davon lebt ja die seit einigen Jahren wiederbelebte Thrash-Euphorie, dass bei den Originalen noch kaum etwas von Altersschwäche zu bemerken ist. Über das Damals und jetzt des Thrash Metal, über die neuen Scheiben und natürlich auch darüber, wie es ist, nach all den Jahren gemeinsam auf Tour zu sein, darüber sprach Metal Factory mit den beiden Bandköpfen und Gitarristen Gary Holt (Exodus, GH) und Rob Cavestani (Death Angel, RC) vor ihrer Show im Dezember im Z7. Die perfekte Ergänzung zum CD-Tipp dieses Monats, Onslaught, und dem nicht mehr in weiter Ferne liegenden Gig von Overkill, Heathen, Destruction und After All.

MF: Ich glaube die Antwort schon zu wissen, aber wie geht es euch? Wie ist es, nach so langer Zeit wieder gemeinsam auf Tour zu sein?


GH: Das ist eigentlich unsere erste Tournee zusammen.

RC: Natürlich haben wir über all die Jahre einige Male zusammen gespielt, auf Festivals etc., aber getourt haben wir noch nie zusammen. Es ist fantastisch, dies endlich nachzuholen.

GH: Yeah, das ist es. Es macht lächerlich viel Spass. Ich meine, meine Leber stimmt dem nicht zu, aber ich habe eine unglaubliche Zeit!

MF: Wie kommt eine solche Thrash-Fest-Tour zusammen?

GH: Wir wurden einfach angefragt. Death Angel standen da schon fest und da zögerten wir natürlich keinen Moment. Andere Bands waren zu dieser Zeit immer im Gespräch und wir sollten als Headliner spielen. Dann fragten die Verantwortlichen, ob es uns was ausmachen würde, wenn eine andere Band headlinen würde und ich sagte: Kein Problem, dann muss ich weniger lange spielen! Das heisst, ich kann früher von der Bühne und mich betrinken.

RC: Hahaha... Gute Überlegung! So denk ich auch immer, wenn wir nicht Headliner sind!

GH: Und dann kamen Kreator dazu und wir wussten, dass die Tour der Hammer werden würde. Das hat sich ja auch bestätigt. Die meisten Shows waren nahe am „Ausverkauft!“.

MF: Im Sommer spielten Metallica, Slayer, Megadeth und Anthrax unter dem Banner der „Big Four“. Wie würdet ihr die beiden Tourneen vergleichen?

GH: Ich nenne diese Tour: „Die Betrunkenen Zwei und zwei andere Bands“!

RC: Oder: Die „Nicht annähernd so grossen Vier“!

GH: „Die nicht annähernd so grossen aber hungrigen verdammt motivierten Vier“!

MF: Wie würdet ihr eure Bands gegenseitig charakterisieren?

GH: Death Angel treten live sowas von Arsch. Das ist so ungewöhnlich für uns. Normalerweise rennen wir einfach auf die Bühne und zerstören unser Publikum. Dieses Mal mussten wir uns jeden Abend verdammt ins Zeug legen. Ich denke, dass motiviert uns gegenseitig. An einem Abend leckst du deine Wunden, weil du weisst, dass Death Angel dich gerade fertiggemacht haben, am nächsten Abend trittst du ihnen live dafür umso mehr in die Eier. Die Fans sind letztendlich diejenigen, die durch diesen Wettkampf gewinnen.

MF: Und was halten Death Angel von Exodus?

RC: Ich kann dem nur zustimmen. Wir sind wirklich auf die Welt gekommen auf dieser Tour. In den letzten Jahren waren wir ziemlich überzeugt davon, dass wir einfach alles nieder malmen, auch viele andere Bands. Nun, mit Exodus als direktem Gegner, wenn du so willst, müssen wir zugeben, dass wir nicht immer so leicht gewinnen können und auch mal eine Niederlage einstecken müssen. Und Exodus sind die grossen Helden unserer Anfangstage. Wir haben ja ein paar Jahre später begonnen, und man könnte fast sagen, „Bonded By Blood“ ist mitschuldig dafür, dass Death Angel überhaupt existiert. Einer unserer ersten und auch besten Gigs in meiner Erinnerung war ein Support-Gig für Exodus in San Francisco. Wenn solche Erinnerungen wieder aufleben, wie auf dieser Tour, dann ist das verdammt inspirierend.

MF: Könnt ihr euch noch an eure erste Begegnung erinnern?

GH: Natürlich! Das erste Mal zusammen gespielt haben wir im Stone, einem Klub in San Francisco, oder?

RC: Ja, das stimmt.

GH: Ich glaube aber, wir haben uns sicherlich schon vorher, auf einer dieser unzähligen, völlig aus dem Ruder laufenden Garagen-Partys in der Bay Area getroffen.

RC: So wird es wohl gewesen sein. Ich weiss nicht, ob du das noch weisst Gary, aber Kontakt hatten wir schon vorher einmal: Lange bevor ich dich überhaupt kennenlernte kaufte ich mir eine neue Gitarre mit Tremolo dran und ich hatte keine Ahnung, wie ich das Teil bedienen sollte. Irgendjemand gab mir dann deine Nummer und sagte, ich solle dich fragen. Ich darauf: „Ich kann doch nicht einfach Gary Holt von Exodus anrufen. Der Typ kennt mich nicht einmal!“ Man versicherte mir, dass du ein netter Typ seist und ich rief dich an.

GH: Daran erinnere ich mich! Wir haben über eine halbe Stunde gequatscht.

RC: Und ich hab dich einfach aus heiterem Himmel angerufen und wir haben über Tremolos gesprochen und über Saiten und Verstärker und was weiss ich nicht mehr alles. Scheisse ist das lange her...

MF: Und nun, gute 25 Jahre später, seid ihr immer noch unterwegs und habt auch neue Alben draussen. Exodus „Exhibit B: The Human Condition“ und Death Angel „Relentless Retribution“. Machen wir das selbe Spiel wie vorher: Was haltet ihr jeweils vom neuen Album des Anderen?

GH: Die neue Death Angel ist einfach der Hammer. Vor allem Jason Suecof hat als Produzent so einen echten Killer-Job abgeliefert. Auch, finde ich, hört man den Einfluss der beiden Neuen, Damien Sisson am Bass und Will Carroll hinter den Drums. Das hat den Jungs echt neue Power gegeben.

RC: Da kann ich nur zustimmen. Übrigens muss hier einmal erwähnt werden, wie verdammt inzestuös in der Bay Area alles abläuft. Nicht nur, dass alle Bands, bis auf uns, sich gegenseitig immer wieder, über die ganzen 25 Jahre hinweg, Mitglieder ausgelehnt und abgeworben haben. Auch bei den Produzenten ist es nicht besser. Als wir „Relentless Retribution“ schrieben, fragten wir Andy Sneap als Produzenten an. Dieser lehnte ab mit der Begründung, dass er gerade das neue Exodus-Album aufnehmen würde. So landeten wir bei Jason Suecof, was auch fantastisch funktioniert hat. Wenn du aber hörst, wie mächtig die Gitarren auf „Exhibit B“ klingen, dann weisst du, weswegen wir Andy Sneap haben wollten. Das Album klingt so übertrieben brutal, Mann! Ich meine, ich höre mir ihre Scheibe sogar manchmal noch im Bus an, wenn ich sie gerade live gesehen habe.

GH: Ich höre mir meine Sachen nicht mehr an, wenn sie fertig sind. Wenn wir den Mix hinter uns haben, dann habe ich das Zeug mindestens 1000 Mal gehört. Von den letzten drei Scheiben habe ich nicht einmal die endgültige Version ein einziges Mal geöffnet.

RC: Yeah, da kann ich zustimmen. Erst nach einigen Jahren kannst du dein eigenes Zeug wieder hören. Hingegen kann ich von „Downfall“ von eurem neuen Album nicht genug kriegen. Ich liebe diesen verdammten Song.

GH: Wir spielen die Nummer normalerweise auch. Auf dieser Tour bekommen wir aber keinen Soundcheck und jetzt müssten wir den Song vorher erst üben, bevor wir ihn spielen.

RC: Ich will „Downfall“! Das ist mein Wunsch an euch.

MF: Eure beiden Bands sind klassische Vertreter des „Bay Area Thrash“. Da Thrash Metal heutzutage wieder „in“ ist, können es sich viele Plattenlabels nicht verkneifen, ihre neuen Bands als „Bay Area Thrash“ anzupreisen. Was ist „Bay Area Thrash“ überhaupt?

GH: Naja, nicht ganz unwichtig wäre wohl, dass man auch wirklich aus der San Francisco Bay Area stammt!

RC: Hahaha... das stimmt! Heute findest du Bands aus Skandinavien, die sich „Bay Area“ nennen und die noch nicht einmal Ferien gemacht haben.

GH: Auch wenn du vielleicht etwas südlich davon herkommst oder nördlich, dann kannst du dich vielleicht noch „Bay Area“ nennen, aber nicht wenn du aus Kanada kommst. Ich sag ja auch nicht: „Hey! Ich mag Bagles, ich bin New Yorker! Oder: „Ich trink gerne Weissbiere und mag Weisswürste, ich bin Deutscher!“

RC: Wenn du hingegen den Sound meinst, dann... Aber dann bist du auch nicht „Bay Area“, sondern machst einfach Sound der klingt wie aus der Bay Area.

MF: Und wie klingt Thrash aus der Bay Area eurer Meinung nach?

GH: Das ist eben auch so eine falsche Annahme. Jede Band aus der Bay Area klingt anders. Das Gemeinsame aber ist vielleicht der Vibe. Dieser kalifornische, rebellische Vibe, den man im Metal vielleicht nicht so oft findet. Ich würde sagen, dass „Bay Area Thrash“ die rebellischste aller Metal-Spielarten ist.

MF: Wenn man heute Death Angel und Exodus hört, dann findet man die Death Angel und Exodus von vor 25 Jahren auf jeden Fall wieder im Sound. Trotzdem klingt ihr ja nicht mehr genau gleich wie früher. Wie würdet ihr eure musikalische Entwicklung in den letzten 25 Jahren beschreiben?

GH: Ich denke, keiner von uns ist heute noch daran interessiert „Bonded By Blood“ oder „The Ultra-Violence“ Part 2 zu schreiben. Diese Scheiben haben wir vor Jahrzehnten gemacht und sind immer noch stolz darauf. Gleichzeitig ist das abgehackt und wir wollen uns weiterentwickeln, im selben Stil zwar, aber doch. Alles andere wäre uninspiriert.

RC: Dem kann ich nur zustimmen und das ist doch auch die Kunst: Dass man den Kern behalten und in immer anderem Gewand wieder präsentieren kann. Das macht eine Band gleichzeitig konstant und kreativ.

MF: Über all die Jahre hinweg ist jedoch viel passiert im Musikbusiness. Im Thrash insbesondere gibt es zwei einschneidende Momente. Der erste war Anfang der 90er: Viele Bands, darunter Death Angel, lösten sich damals auf, andere, wie etwa Metallica, änderten ihren Stil. Insgesamt schien Thrash Metal ziemlich am Ende. Was waren die Gründe dafür? Ich meine, es konnte nicht nur an der Grunge-Welle liegen.

GH: Es war sicherlich nicht nur das. Ich glaube ganz ehrlich, dass viele von uns zu dieser Zeit vielleicht nicht mehr ganz bei der Sache waren. Zu dieser Zeit, Ende der 80er, Anfang der 90er hatten wir alle einen gewissen Erfolg erreicht. Dies geschah für uns alle in relativ kurzer Zeit, innerhalb von einer handvoll Jahre. Wenn man dann soweit ist, ist es schwer das Niveau oben zu halten und vielleicht will man auch einmal etwas anderes machen. Und dass das musikalische Klima, das, was „in“ war, sich änderte hatte sicherlich auch etwas damit zu tun.

RC: Das ist es. Was damals passierte, das war einfach der Lauf der Zeit. Schnell verlieren Dinge, die vor einigen Jahren noch Euphorie auslösten, ihren Glanz und ihre Kraft. Das passierte auch mit uns. Einerseits sinkt die Nachfrage, andererseits vielleicht die Kraft der Band. Mit diesem Wechsel waren einige überfordert oder hatten keinen Bock drauf und lösten sich auf, andere schlugen sich irgendwie durch und andere, wie Metallica, änderten ihren Stil und blieben oben auf.

GH: Vielleicht kann man daran auch erkennen, was heute anders läuft. Damals, in den 90ern, hatten wir Verträge mit riesigen Plattenlabels. Die wollten verkaufen und wir wollten verkaufen. Heute ist es wieder anders. Heute schreiben wir Songs in erster Linie für uns. Wir schreiben sie, weil es die Songs sind, die wir machen wollen und die uns gefallen, egal ob es Leute gibt, die sich dafür interessieren, was momentan glücklicherweise der Fall ist. Nur deswegen bringen Bands wie wir, Death Angel oder auch Testament und Forbidden so gute Scheiben raus. Weil genau auf diese Weise, mit dieser „Fuck You!“-Mentalität Alben wie „Bonded By Blood“ oder „The Ultra-Violence“ entstanden sind. So haben wir unsere ersten Alben geschrieben. Ich hatte damals keine Ahnung, was ich machte. Ich wollte einfach brutalen, schnellen Metal schreiben und hatte keine Ahnung, dass dabei ein Album rauskommen würde, das 25 Jahre später als wegweisend gelten würde.

RC: Und manchmal muss man auch gewisse Krisen durchmachen, um wieder Klarsehen zu können. Durch die 90er habe ich das wiedergefunden, was mich 10 Jahre vorher überhaupt dazu bewegt hat, Musiker zu werden. Du kommst wieder an den Punkt zurück, welcher dir durch das Musikbusiness, dein Privatleben usw. abhanden gekommen ist. Und wenn du das Ehrliche und Spontane der Anfangstage wiedergewonnen hast, dann funktioniert es auch wieder.

GH: Das ist genau, was ich sagen will. Nach über 20 Jahren im Business weisst du, was du willst. Ich weiss, wie meine Musik klingen soll, wie Exodus klingen sollen und tue es einfach und hoffe, dass es jemandem gefällt. Nur so ist die Musik ehrlich.

MF: Lasst uns über den zweiten Wendepunkt in der Geschichte des Thrash sprechen. Meiner Meinung nach handelt es sich dabei um das Benefizfestival „Thrash Of The Titans“, welches 2001 stattfand, um den an Krebs erkrankten Testament-Sänger Chuck Billy zu unterstützen. Würde ihr zustimmen, dass dies die Wiedergeburtstunde des Thrash war?

GH: Naja, Exodus hatten sich ja niemals aufgelöst. Es lief zu dieser Zeit nur nicht so flüssig. Ich lebte in Sacramento, es gab die üblichen Drogenprobleme. Für mich war die Stunde der Wiedergeburt erst 2002, als ich endlich clean wurde. Erst dann konnte ich wieder kreativ werden.

RC: Für uns hatte des „Thrash Of The Titans“ schon etwas von einer Wiedergeburt. An diesem Festival stiegen wir zum ersten Mal nach 15 Jahren wieder gemeinsam auf die Bühne. Das war vielleicht der erste Schritt. Wir hatten aber damals noch nicht wirklich vor, wieder als Band zurückzukehren sondern machten das nur für Chuck Billy. Als es dann aber passierte brachte dies einen Stein ins Rollen. Weitere Festival-Auftritte folgten und plötzlich waren wir wieder zurück. Eigentlich hat sich das einfach so ergeben.

MF: Und wie ist es nun, zum zweiten Mal wieder richtig im Business zu sein? Da müssen sich doch schon einige Unterschiede eingeschlichen haben...

GH: In erster Linie ist es einfach nur fantastisch! Natürlich, es ist anstrengender geworden. Wir sind nicht mehr 25 und 24 Mal innerhalb eines Monats auf die Bühne zu gehen und alles zu geben ist kein Zuckerschlecken. Wenn wir eine gemeinsame Garderobe haben, auch nicht unsere Bandnamen an der Tür sondern sie schreiben dann: „Midlife-Crisis Dressing Room“. Der Name passt, weil wir uns trotzdem immer noch so benehmen, als wären wir 21.

RC: Und wie mit 21 feiern wir vielleicht auch heute wieder. Wer weiss, die Nacht ist noch jung.

GH: Ob ich will oder nicht, ich bin überzeugt, dass es auch heute wieder so weit kommt. Immer wenn ich sage, dass ich es diesen Abend gemütlich nehmen will und gleich schlafen gehen will passiert es. Anstatt „Direkt ins Bett“ heisst es dann „Direkt zur Flasche“.

RC: Zeit zum Entgiften hast du ja dann zuhause wieder. Natürlich ist es anstrengend. Wir haben das vor einigen Jahren kennengelernt. Als wir vor einigen Jahren wieder zurückkamen waren alle verdammt euphorisch, wir wie die Fans. Schnell aber endeten diese Flitterwochen und wir mussten uns erst einmal wieder richtig beweisen. Da dies nun nach zwei Alben schnell hintereinander und intensivem Touren geschafft ist dürfen wir jetzt auch feiern.

GH: Das stimmt. In 2003 fragten mich Leute nach meiner Meinung zum Thrash-Revival. Damals antwortete ich: „Ich sag dir meine Meinung, wenn es wirklich passiert!“ Denn damals war es gar noch nicht so weit. Denn wir alle spielten damals noch winzige Headlinershows mit New Metal oder Industrial Bands oder so. im Vorprogramm. Erst in den letzten zwei Jahren ist das anders. Erst jetzt haben wir Bands im Vorprogramm , die wieder Thrash machen, und Jugendliche kommen zu unseren Konzerten, die angezogen sind wie ich 1985.

MF: Ist aber überhaupt Platz für junge Bands? Ihr seid alle stärker denn je zurück, spielt Shows, veröffentlicht Alben. Braucht es da überhaupt neue Thrash-Bands?

GH: Auf jeden Fall! Es ist immer Platz für neue Bands. Sie müssen einfach mit uns in den Ring steigen und beweisen, dass sie etwas drauf haben.

RC: Bands wie wir sind ja auch die beste Plattform für junge Bands. Trotz Internet und dem ganzen Zeug musst du als Band immer noch live spielen und was passt da besser, als wenn du als Support für Bands wie uns auftreten kannst? Und überhaupt kriegt der ganze Stil durch alte Bands mehr Aufmerksamkeit, sodass die neuen überhaupt erst die Möglichkeit erhalten, sich zu beweisen.

MF: Und wer sollte nun eurer Meinung den Award für das beste Thrash-Album der letzten Jahre gewinnen?

GH: Das ist eine schwierige Frage. Ich bin zwar stolz auf unsere Sachen, würde mich selbst aber natürlich nicht nominieren. Im Rennen wären sicherlich Death Angel oder Heathen. Auch die letzte Overkill-Scheibe ist überwältigend, genauso wie die „Hordes Of Chaos“ von Kreator.

RC: Nicht zu vergessen „The Formation Of Damnation“ von Testament! Die Entscheidung wäre wirklich schwierig. Eigentlich alle alten Thrash-Bands haben verdammt starke Alben gemacht in den letzten Jahren.

MF: Das ist doch schon ziemlich erstaunlich. Wie erklärt ihr euch dieses Phänomen der durchwegs starken Platten?

GH: Wir sind alles Veteranen. Ich denke, wir haben alle so ziemlich das Gleiche durchgemacht und die selben Lektionen gelernt: Geh einfach raus da, mach dir nicht zu viele Gedanken und tu was du für richtig befindest, genau so wie in den Anfangstagen. Steh zu dem, was du machst und die Fans werden dir folgen.

MF: Würdet ihr das Gleiche über die „Big Four“ sagen?

GH: Na ja... Slayer sind immer noch die härteste und böseste Band der Welt, live wie auf ihren Scheiben.

RC: Das stimmt! Die kannst du in Sachen Brutaliät einfach nicht schlagen, egal wie hart du es versuchst.

GH: Auch bei den anderen Bands bin ich optimistisch eingestellt. Die letzte Megadeth-Scheibe war der Hammer, Metallica scheinen endlich wieder die Kurve zu kriegen und Anthrax... die haben seit neun Jahren keine neue Scheibe mehr veröffentlicht.

RC: Ich glaube, Anthrax haben jetzt die schwierigste Aufgabe von uns allen. In den letzten neuen Jahren haben so viele von uns hervorragende Alben veröffentlicht. Gegen all diese müssen sie sich jetzt behaupten. Dafür hatten sie neun Jahre Zeit, also erwartet man einen richtigen Knüller!

GH: Wenn du so lange Zeit hattest für ein Album, dann ist das nicht leicht. Das hast du bei „Chinese Democrazy“ von Guns'n'Roses gesehen. Die Erwartungen sind so hoch, dass es kaum möglich ist, sie nicht zu enttäuschen. Wenn du mich fragst besitzt Scott Ian eine der besten rechten Hände im ganzen Metal und wenn er die richtig einsetzt, dann kommt es schon gut. Ich hoffe für sie.

MF: Nach Anekdoten aus der Vergangenheit und Analysen der Gegenwart kommen wir nun zu Prognosen für die Zukunft: Was sind eure Pläne für die kommende Zeit? Ihr spielt beide auf der „70'000 Tons of Metal“-Kreuzfahrt, oder?

GH: Das wird eine heftige Dosis Trinken geben. Denn alle, wirklich praktisch alle Bay-Area-Bands werden auf diesem metallischen Ausflug dabei sein. Nicht nur Death Angel und wir, sondern auch Testament und Forbidden. Ich befürchte, dass sie uns nach einem Abend in Gummiboote setzen und zur Küste zurückpaddeln lassen werden.

RC: Das wird ein Riesenspass, so etwas wie eine inoffizielle Klassenzusammenkunft.

GH: Deswegen habe ich danach so viel freie Zeit wie seit Jahren nicht mehr. Seit „Tempo Of The Damned“ (2004) hab ich wohl nicht mehr so viel Ferienzeit am Stück gehabt, wie ich mir dann nehmen werde. Lee Altus wird mit Heathen, Overkill und Destruction in Europa unterwegs sein. So haben wir bis im Frühling nichts gebucht und im Mai wird meine Tochter die High School abschliessen, was ich auf keinen Fall verpassen will. Gleichzeitig wird meine zweite Tochter dann definitiv ins Teenager-Alter kommen, was auch einige Zeit beanspruchen wird.

MF: Wie ist es, Töchter in diesem Alter zu haben, wenn man weiss, wie Typen sein können?

GH: Oh, ich weiss schon, wie ich diesen Jungs zeige, wie ein Mann sein kann. Da soll mir nur keiner auf falsche Gedanken kommen. Nein, ehrlich gesagt ist meine Tochter ein wundervolles Kind. Sie ist anständig und verdammt clever.

MF: Und wie sehen Death Angel's Zukunftsaussichten aus?

RC: Ich werde in nächster Zeit sicherlich keine so grosse Pause haben. Wir sind mitten in einem Hardcore-Zeitplan und werden richtige Ferien wohl erst in der zweiten Hälfte von 2012 wieder geniessen können. Das ist aber auch richtig so, denn in der Vergangenheit habern wir etwas getrödelt, insbesondere zwischen „The Art Of Dying“ (2004) und „Killing Season“ (2008). Das müssen wir jetzt einfach aufholen. Nach dem „70'000 Tons Of Metal“ geht es für uns gleich weiter. Am Abend darauf startet direkt in Miami unsere US-Tour. Headlining in den USA, das ist nicht so spassig wie hier drüben, aber es wird auf ganz andere Art unterhaltsam sein. Das wäre cool, wenn man in den USA eine Tour mit einem solchen Package machen könnte. Danach kommen wir hoffentlich bald wieder nach Europa zurück, spielen Festivals und so weiter.

GH: Wir werden dieses Jahr nur sehr limitiert Festivals spielen. Bis jetzt sind erst das Tuska in Finnland und Wacken vorgesehen. Wir planen aber noch ein, zwei und dann mach ich Familienferien draus. Ich werde meine Freundin und meine beiden Mädchen mitnehmen und den Sommer über durch Europa reisen. Tuska – eine Woche Reisen – Wacken – eine Woche Reisen mindestens. Das wir sicherlich super werden.

RC: Ich hoffe, wir können auch an Wacken spielen. Dann können wir euch treffen und mit Priest auf ihrer Abschlusstournee zusammenspielen. Das wäre der Hammer.

GH: Das wäre wirklich cool.

MF: Und die letzte Frage, die ich immer stelle: Wie sieht für euch ein perfekter Tag aus?

GH: Ein perfekter Tag verbringe ich mit meiner Freundin und meinen Kindern. Nichts schlägt das. Das ist eigentlich auch der Grund, warum ich jetzt hier stehe. Ich habe keine anderen Jobqualifikationen. Das ist das einzige, was ich wirklich kann! Und ich will damit einfach alles für meine Töchter tun. Ich muss mich selbst sogar zwingen, etwas für mich zu kaufen. Sogar, um mir Socken zu kaufen, muss ich mich überwinden. Meine Frauen kaufen mir, was ich brauche.

RC: Mein perfekter Tag würde ziemlich ähnlich aussehen, bis auf das Detail, dass er in Hawaii stattfinden würde. Und wenn wir gerade schon am Träumen sind: Abends würde ich dann natürlich noch ein Konzert spielen. Die Kinder bekämen einen coolen Babysitter und ich und meine Frau würden dann noch richtig einen drauf machen. Von der Bühne kommen fühlt sich einfach gut an. Feiern und Trinken macht danach einfach mehr Spass.

MF: Gary und Rob, nach diesen Worten danke ich euch für eure Zeit!

GH: Gern geschehen!

RC (schaut auf die Uhr:) Ah, es bleibt noch mehr als genügend Zeit, mich auf unseren Gig vorzubereiten.

MF: Wie bereitest du dich denn auf ein Konzert vor?

RC: Es klingt vielleicht etwas komisch, aber vor unseren Konzerten mache ich gerne noch eine halbe Stunde oder so Krafttraining. Ein paar Gewichte heben, ein paar Hanteln stemmen und ich fühle mich gleich wieder fit nach stundenlangem Herumsitzen in Bus und Garderobe. Wenn ich dann auf die Bühne komme bin ich schon schweissnass und adrenalingeladen und muss mich nicht erst warm spielen.