Interview: Flotsam And Jetsam
By Tinu
Traurig über den Abgang von Jason Newsted zu Metallica.



Das Leben kann oftmals sehr ungerecht sein. Das wissen insbesondere auch talentierte Metal-Bands. Es fing bei Flotsam And Jetsam alles sehr erfolgsversprechend an. Mit ihrem ersten Demo und dem Debütalbum „Doomsday For The Deceiver“ erspielten sich die Arizona-Boys einen fantastischen Ruf. Dass dann Jason Newsted dem finanziell verlockenden Ruf von Metallica folgte, schien sich bei Flotsam nicht negativ auszuzahlen. Denn mit dem Nachfolger „No Place For Disgrace“ erblickte ein ebenbürtiges Werk das Licht der Welt. Dadurch wurde ein Major-Label auf die Thrasher aufmerksam und die Erfolgswelle schien ungebrochen weiter nach oben zu führen. Bis der Fünfer plötzlich ihren Sound änderte und sich die alten Fans abwandten. Das führte auch dazu, dass die Truppe auseinanderfiel und plötzlich nicht mehr Eric A.K. (Gesang), Kelly David-Smith (Schlagzeug), Michael Gilbert (Gitarre) und Edward Carlson (Gitarre) zusammen musizierten (die Bass-Position wurde ab und zu gewechselt). Doch die Zeit heilt alle Wunden und so haben die Vier und ihr alter Weggefährte Michael Spencer (Bass) wieder zusammengefunden und muszieren weiter, als hätte es nie eine verrückte und musikalisch leicht verunsicherte Zeit gegeben. Eric stand mir Rede und Antwort und entpuppte sich als ruhiger und witziger Interviewpartner.

MF: Eric, warum habt ihr „No Place For Disgrace“ wiederveröffentlicht?

Eric A.K.: Das Album erschien bei Electra Records. Das Label hat diese Scheibe schon lange nicht mehr im Angebot. Darum versuchten wir an die Masterbänder zukommen. Niemand schien zu wissen, wo sich diese Bänder befinden. So kam das Gespräch auf, dass wir das Werk neueinspielen und wiederveröffentlichen. Wir hielten uns stark an die Originale und spielten das Ganze mit den heutigen Möglichkeiten ein. Dadurch klingt das Produkt viel, viel besser. Es bestanden Pläne, dass wir wie bei dem Re-Release von „Doomsday For The Deceiver“ eine Bonus-DVD veröffentlichen. Zusammen mit Metal Blade unserem Label haben wir darüber gesprochen.

MF: Habt ihr Shows für die Wiederveröffentlichung von „No Place For Disgrace“ gespielt, bei denen ihr das komplette Album integriert habt?

Eric A.K.: Ausser bei „Keep It True“-Festival nicht. Da haben wir nur Songs der ersten beiden Scheiben gespielt. Das hat grossen Spass gemacht (lacht). Aber, wenn wir bei unseren Alben sind. Mein persönliches Lieblingsalbum ist „The Cold“. Darauf habe ich bei allem Songs die Texte sowie die Melodien geschrieben. Bei allen anderen Alben hatte ich die Erwartungen der Fans, der Presse und die möglichen Verkäufe in meinem Kopf. Bei „The Cold“ nur was ich fühlte und alles kam aus meinem Herzen heraus.

MF: Was sind in deinen Augen die Unterschiede zwischen „The Cold“ und „Ugly Noise“?

Eric A.K.: „Ugly Noise“ wurde für mich in einer ähnlichen Art, wie das Songmaterial der alten Alben geschrieben. Alle Ideen und Emotionen kamen aus dem Herzen. Aber die Songs gingen in eine traditionellere und älter Flotsam-Schiene. Bei „The Cold“ hat Mark Simpson, der damalige Gitarrist, fast das komplette Album geschrieben. Darum klingt das Endprodukt auch düsterer. Dadurch dass Mike Gilbert das meiste des neuen Material schrieb, klingt alles nach den alten Flotsam And Jetsam. Das sind für mich zwei sehr unterschiedliche Vorgehensweisen. Persönlich hat sich für mich nicht viel geändert, da ich nach wie vor direkt aus meinem Herzen schreibe. Ich mag „Ugly Noise“

MF: Gibt es somit Dinge, die du bei früheren Veröffentlichungen heute anders machen würdest?

Eric A.K.: Ich bin mir sicher, dass ich heute bedeutend besser singe, als früher. Meine Stimme klingt ein bisschen zu hoch. Heute singe ich tiefer und das gefällt mir viel besser. Das war eine 30-jährige Erfahrungsreise, die ich durchlief (lachend). Aus diesem Grund würde ich gerne einige Dinge neu einsingen. Dabei würde ich aber das Songwriting nicht gross verändern. Vielleicht den Text zu „Metal Shock“ (lachend), diesen Cartoon-Scheiss.

MF: Was war für dich die schwierigste Zeit bei Flotsam And Jetsam?

Eric A.K.: Uh (überlegt einige Sekunden)… Well… Das ist eine gute Frage. Denn es gab einige schwierige Zeiten. Damals als ich für einige Monate bei Flotsam ausgestiegen bin und durch James Rivera (Helstar) ersetzt wurde. Es gab einige geschäftliche Diskussionen. Ich ging auf Tour, habe mein Herzblut ins Songschreiben gelegt und immer versucht mein Bestes zu geben. All die ganzen Geschäftsleute verdienten das Geld, das uns als Band zustand. Es war unser Job und wir verdienten kaum Geld damit. Das machte mich müde. Nach gut einem Jahr realisierte ich, dass mich die Flotsam-Fans nicht vergessen hatten. In dieser Zeit dachte ich mehr über die Fans, denn die Musik nach.

MF: Wenn wir bei der Musik sind, wieso habt ihr eurer Vergangenheit euren Sound verändert?

Eric A.K.: Ich glaube jede Band kommt an diesen Punkt, wo sie etwas Neues ausprobieren will. Das ist eine natürliche Evolution. 30 Jahre ist eine lange Zeit in diesem Geschäft. In diesen drei Jahrzehnten haben sich auch unsere musikalischen Vorlieben verändert. Natürlich liebe ich noch immer die alten Truppen, mit denen ich aufgewachsen bin. Aber meine Metal-Vorliebe hat sich stark verändert, von damals zu heute. Das ist etwas Natürliches und ganz normales. Früher waren es Judas Priest, Iron Maiden und natürlich die härteren Bands wie Slayer, die ich stundenlang hörte. Ich hasse es dir zusagen, welche Combos ich heute mag (lachend). Dafür würden mich die Fans hängen (lacht). Ich höre Nickelback, Maroon 5 und anderes komisches Zeugs (lachend).

MF: Wie denkst du heute über Alben wie „High“, „Unnatur Selection“ und „My God“?

Eric A.K.: Das war die grösste Partyzeit meines Lebens. Die Band und ich stellten die gute Zeit in den Mittelpunkt und ich denke, die Musik reflektiert dies auch. Wirst du Älter verändern sich auch deine Interessen und du veränderst dich mit ihnen. Heute schreiben wir das, was wir fühlen. Jason Ward (Bass) trug viel zu „My God“ bei. Er hört Zeugs wie Lard oder Nine Inch Nails. Ich denke aber, dass es heute durchaus möglich ist, wieder Alben wie „Doomsday For The Deceiver“ und „No Place For Disgrace“ zu schreiben, da wir in der Lage sind, diesen Spirit wieder aufzunehmen. Auch dadurch, weil Michael Spencer (Bass) wieder bei uns mitspielt. Er war der erste Bassist, der Jason Newsted ersetzte und schrieb einige Songs für „No Place For Disgrace“, die nie auf einem Album von uns erschienen sind. Darum könnte es sehr gut möglich sein, dass das kommende Werk, bei dem auch Mike Gilbert sehr viel beitragen wird, sehr nach unserer zweiten Scheibe klingen könnte.

MF: Genau. Du, Michael, Kelly David-Smith und Edward Carlson spielen wieder zusammen. Der harte Kern der Truppe. Was waren die Gründe, dass ihr euch getrennt habt und nun wieder zusammen musiziert?

Eric A.K.: Als Kelly und Michael die Band verliessen hatten wir eine Manager. Ed und ich glaubten sehr an diesen Typen. Mike und Kelly sahen dies anders und trennten sich darum von uns. Als wir uns einige Jahre später von diesem Manager trennten und zehn Jahre später Kelly und Mike wieder in die Flotsam-Familie zurückkehrten, lernten wir aus der Vergangenheit und diese unnützen Diskusionen viel professioneller zu führen. Aber lass uns wieder mal eine Diskussionen führen, dann kann ich dir sagen was besser geworden ist (lacht).

MF: Ihr habt ein Teil eurer Scheiben auf einem Major-Label veröffentlicht. Für die damalige Zeit etwas ganz Besonderes. War dies mehr ein Fluch, denn ein Segen?

Eric A.K.: Zu der Zeit, als „When The Storm Comes Down“ über MCA releast wurde waren wir für sie das nächste grosse Ding! Bei „Cuatro“ gingen wir in eine ganz andere Richtung. Dadurch verkaufen wir besser, aber der Sound ging in eine ganz andere Richtung. Beim folgenden Werk „Drift“, das Label war absolut happy mit dem Album, sahen die Verantwortlichen uns als die nächsten Metallica. Zu der Zeit waren aussenstehende Meinungen viel wichtiger, als die Songs. Das war bei der ersten Scheibe, bei einem kleinen Label, noch ganz anders. Da hörten wir nur Aussagen wie: „…Gott, diese Songs killen uns!“. Bei „Drift“ mussten wir zu vieles ändern, aus dem Blickwinkel der Aussenstehenden. Keine Ahnung ob MCA nun ein Fluch, oder ein Segen war. Wahrscheinlich von beidem etwas. MCA kamen auf uns zu als wir bei der Electra unter Vertrag waren. Das war zu „No Place For Disgrace“-Zeiten. Der Typ der uns zu Electra brachte, das war auch unser Manager, arbeitete dann für MCA. So kamen wir zu diesem Label. Es fühlte sich aber sehr gut an, mit einem solchen Geschäftspartner zusammen zu arbeiten. Allerdings verkauften wir zu wenig Scheiben, um die ganzen Vorschüsse zurückzahlen zu können. Es verschlang eine Million Dollar um ein einziges Video zu drehen. Wir waren bereit für diesen „big push and the big money“. Aber nach fünf Jahren bot man von uns 2.5 Millionen Dollars an. Schöne Weihnachten, das war’s (lacht). So konnten wir unsere Häuser bauen, das war wirklich nett (lachend)…

MF:  Trotz MCA hattet ihr nie den gleichen Erfolg wie Slayer, Anthrax, Testament, Megadeth, oder Metallica. Wieso nicht?

Eric A.K.: Wahrscheinlich beruht dies auf unnötige und schlechte Geschäftsdiskussionen. Wir hatten mit diesem ganzen Business nichts am Hut, sondern waren Musiker. Wo ist die nächste Party, wo das nächste Mädchen? So liessen wir die Geschäfte Leute machen, zu denen wir Vertrauen hatten. Diese Vertrauten gingen und neue kamen. Daraus ergab sich ein schlechtes Geschäft für uns als Band. Du musst jeden Tag überprüfen was mit deinem Geld und deinem Produkt passiert.

MF: Warst du sehr enttäuscht, als Jason Newsted euch nach dem ersten Album in Richtung Metallica verliess?

Eric A.K.: Ja und Nein (lacht). Zu der Zeit war ich sehr traurig. Jason war für die Band sehr wichtig und ein toller Songschreiber. Aber ganz ehrlich, hätten mich Metallica zur selben Zeit gefragt, ob ich bei ihnen einsteigen würde, ich wäre in Sekunden losgezogen. Als uns Jason erzählt, er würde uns verlassen, konnten wir dies aber nicht verstehen (lacht). Es war für uns ein Schock, aber wir profitierten davon, dass er bei jeder Gelegenheit erzählte, dass er bei Flotsam And Jetsam spielte. Das war eine sehr gute Promotion. Alle zwei oder drei Jahre kommt Jason nach Arizona und wir treffen uns im Proberaum. Wir sprechen über vieles aber ich denke nicht, dass wir jemals wieder zusammen spielen werden.

MF: Was sind die Pläne für die Zukunft?

Eric A.K.: Wir wollen noch so viele Alben veröffentlichen wie möglich ist. Dazu so ausgiebig wie möglich touren. Können wir unsere Level dabei halten, bin ich glücklich. Es wäre sehr schön, könnten wir als Headliner zurückkommen. Das ist viel einfacher und komfortabler (lachend).

MF: Dann hoffen wir, dass wir euch schon bald bei uns wieder begrüssen dürfen. Danke für das Interview.

Eric A.K.: Kein Problem, danke dir!