Interview: Freedom Call
By Francoise S.
Der zweite Streich der deutschen Freedom Call steht seit Anfang dieses Jahres in den Plattenläden. Nach dem tollen Erstlingswerk dürfte „Crystal Empire" der hörbare Beweis dafür sein, dass die vier Musiker definitiv eine Menge auf dem Kasten haben! Spätestens nach der Tour als Supportact von Hammerfall und Virgin Steele wird die Fangemeinde von Freedom Call um eine ansehnliche Zahl gewachsen sein.

Dan Zimmermann, der sympathische Schlagzeuger des Quartetts und seines Zeichens auch Stockschwinger bei Gamma Ray, verriet mir mehr über die neue Scheibe „Crystal Empire" und über die Auswirkungen der dazugehörigen Tournee.

MF: Ihr habt für eure neue Scheibe „Crystal Empire" ein gutes halbes Jahr im Sudio verbracht. Wie seid ihr nun mit dem Ergebnis zufrieden?
DAN: Wir sind auf jeden Fall sehr zufrieden damit. Für uns ist das Ganze eindeutig ein Sprung nach vorne. Die „tightness", also das Zusammenspiel, ist kompakter und mächtiger im Vergleich zur ersten CD. „Stairway to Fairyland" klingt noch ein bisschen mehr nach dem Motto „Juhu, wir machen eine Platte und gehen ins Studio!". Die Scheibe ist noch frivol und geradeaus, die neue CD ist da schon etwas abgebrühter. Aber es klingt auf jeden Fall kompakter, und beim Songwriting sind etwas mehr Stimmungen drin. „Pharao" zum Beispiel ist ein sehr schwerer Song komplett ohne Doublebass und ist eher düster und mystisch angehaucht. Auf dem ersten Album ist kein einziger Song mit einer ähnlichen Stimmung, da ist alles noch „Friede, Freude, Eierkuchen". Diesmal ist das anders. „The Quest" ist so ein Paradebeispiel, da ist wirklich alles drin. Der Song ist balladesk, er hat melancholische Teile drin, und dann geht’s wieder voll zur Sache. Es sind schnelle Parts vorhanden, schöne Soli... Dieser Song spiegelt das ganze Album wider. Es sind auch typische Freedom Call Hymnen auf dem Album und Sachen, die keiner erwartet hätte. Wir haben diesmal im Vergleich zur letzten Scheibe darauf geachtet, dass wir uns für die kreativen Parts, also für die Gitarrensoli, die Gesangsarrangements, die Chöre und die Auswahl der Keyboardsounds viel Zeit genommen haben. Das heisst, wir haben nicht schon alles vorher arrangiert sondern bis zur Produktion gewartet, um spontane Ideen miteinfliessen zu lassen. Bei „Stairway to Fairyland" haben wir einfach das Demo gehabt. Das war eben, wie es war, und wir haben versucht, dasselbe Feeling auf die Produktion zu bekommen. Wir haben das also praktisch kopiert, und das ist ein Problem, gerade, was den Gesang angeht. Die Spontaneität geht total verloren, und dann rekapituliert man. Auf der neuen Scherbe haben wir dieses Problem nicht mehr. Es ist aber natürlich noch Spielraum da, uns noch weiterzuentwickeln und eigenständiger zu werden. Das ist wichtig, denn es muss eine Entwicklung sichtbar sein. Wenn jedes Album gleich klingt wird es ja langweilig...
MF: Wann habt ihr denn mit dem Songwriting begonnen? Auch erst im Studio?
DAN: Nee, nee. Die Songs hatten wir schon alle fertig. Das heisst, wir hatten Schlagzeug-, Bass- und Gitarrenarrangements fertig. Einfach die Gesänge haben wir nur wage auf das Demo gesungen und schliesslich im Studio ausgearbeitet. Mit dem Songwriting haben wir gleich nach der Veröffentlichung von „Stairway to Fairyland" begonnen, das war im Mai 1999. Danach haben wir die EP „Taragon" gemacht, die ja leider nur in Frankreich und Japan auf den Markt kam. Zu dem Zeitpunkt hatten wir schon sechs oder sieben Songs fertig und haben dann drei für die EP verwendet. Ansonsten schrieben wir immer in den Tourpausen neue Songs. Im Sommer 1999 haben wir sogar schon mit den Drums angefangen. Ich muss sagen, das war ein wirklich heftiges Jahr, da ist echt viel passiert. 2000 haben wir noch einige Festivals gespielt, Wacken und so. Tja, und jetzt sind wir hier...
MF: Auf „Crystal Empire" habt ihr die Geschichte von „Taragon" weitergewoben, welche ihr auf eurem Debut „Stairway to Fairyland" begonnen habt. Steht eine Aussage hinter dieser Story?
DAN: Als wir für die erste Scheibe die Songs und die Texte gemacht haben, kam die Idee für eine kleine Story auf. Die Songs sind dann mit der Geschichte verwachsen und umgekehrt. „Taragon" ist ein kleines Märchen, aber es ist keinesfalls die Superneuheit, wo der supertiefe Sinn drinsteckt. Das Märchen ist eine Art Zugabe, um das Ganze abzurunden. Es ist auch wichtig, dass das CD-Cover dazu passt, es muss alles eine Einheit sein. Je weiter die Story geschrieben war, desto mehr konnten wir wieder für die Texte rausholen. Die drei Komponenten „Story - Musik - Texte" sind zusammengewachsen, und das hat schlussendlich gut funktioniert. Deswegen haben wir einen zweiten Teil der Geschichte geschrieben, die sich „The Quest of Phantagor" nennt. Letztendlich ist alles nur Fantasy, auch die Namen. Da gibt es den Guten, den haben wir Ramzezh genannt. Das klingt zwar sehr ägyptisch, aber wir hatten vorher schon den Pharao, und so mussten wir das halt noch einbauen. Und dann gibt’s den Bösen, der heisst Thorgan. Im ersten Teil der Geschichte ging es um den Rubin von Taragon. Im zweiten Teil geht es nun um vier Steine, welche die vier Elemente symbolisieren, also Wasser, Feuer, Erde und Luft. Diese Steine sind abhanden gekommen und unser Held begibt sich auf die Suche, um die Steine wieder zurückzubringen. Er geht in die Erdwelt und muss schauen, dass er die Steine wieder kriegt, weil sie lebenswichtig sind für die Sonnenmenschen. Letztendlich sind das wir, denn für die Menschheit sind die Elemente ja auch wichtig. Dahinter will ich jetzt aber nicht den supertiefen Sinn sehen. Doch irgendwie kann man schon Parallelen zur Realität herstellen. Eigentlich sollte das jedes Märchen haben.
MF: Wordurch lasst ihr euch beim Texten und Komponieren inspirieren?
DAN: Ich lese sehr viel, alles Mögliche. Gerade für den Song „Pharao" hab ich „Ramzezh - Sohn des Lichts" gelesen. Ich weiss nicht, wie ich darauf gekommen bin. Ich hab einfach dieses „Ramzezh Pharao" hergenommen und versucht, das zu singen. So kam das irgendwie. Ich hatte also den Chorus und wusste sofort, welches Feeling der Song haben muss, dieses Schwere, ein bisschen mystisch... Dann kamen die Riffs dazu. Ich habe aber immer zuerst die Melodie, meistens die Gesangsmelodie, und der Rest wird dann drum rum gebaut. Deshalb kann es auch vorkommen, dass ein Song sehr keyboardlastig ist. Wenn der Gesang eine Keyboardmelodie braucht, dann bekommt er die auch. Wir sagen da nicht „Oje, das ist aber Metal, das muss gitarrenlastig sein!", wir haben damit kein Problem. Das ist auch eine gute Abwechslung.
MF: Auf der EP „Taragon" ist eine grossartige Coverversion des Ultravox-Klassikers „Dancing with tears in my eyes" zu hören. Werdet ihr diesen Song auch wieder live zum Besten geben?
DAN: Wir haben das Stück auf der Saxon-Tour gespielt. Auf dieser Tournee haben wir gerade mal dreissig Minuten Spielzeit. Da fangen wir sowieso immer eher an, damit wir überhaupt sechs Songs spielen können. Bei einer halben Stunde ist es schon hart auszuwählen, welche Songs man spielen soll, wenn man schon zwei Alben und eine EP hat. Wir werden im Sommer unter anderem auch ein paar Headlinershows spielen. Ich weiss aber nicht, ob wir es nochmals nach Pratteln schaffen vor der nächsten Scheibe, schaun‘ mer mal! Aber den Song werden wir auf jeden Fall wieder spielen!
MF: Bis zum jetzigen Zeitpunkt wart ihr immer als Supportband unterwegs und hattet eine dementsprechend kurze Spielzeit. Wann dürfen wir Freedom Call endlich auf einer Headlinertour bewundern?
DAN: Das wollen wir jetzt angehen. Gerade nach dieser Tour, weil die Resonanzen wirklich überall umwerfend waren. Unglaublich! Das hat sich durch alle Länder gezogen. Wir haben aber schon mit unserer Bookingfirma darüber gesprochen. Wir sind vom Status her jetzt höher gerückt, das heisst, wir werden in Zukunft keine 30 Minuten mehr spielen sondern mindestens 45 Minuten. In Frankreich werden wir im Juni nochmals auf Tour gehen und vier bis fünf Headlinershows spielen. Darauf folgen dann einige Festivals und vielleicht gehen wir sogar nochmal mit der aktuellen CD auf Tour. Das wird entweder eine Tour als Co-Headliner oder eine kleine Clubtour sein. Mit der nächsten Scheibe wird es also auf jeden Fall eine Headlinertour geben.
MF: Die Tour mit Hammerfall und Virgin Steele ist mit acht Wochen die längste, welche Freedom Call jemals absolviert haben. Oder hast du mit Gamma Ray schon so lange getourt?
DAN: Nein, selbst mit Gamma Ray habe ich noch nie so lange am Stück gespielt.
MF: Seid ihr noch nicht durchgedreht? Acht Wochen, das ist eine verdammt lange Zeit!
DAN: Naja, nee, durchgedreht noch nicht, aber so langsam kriegt man schon Heimweh, eine Pause wäre mal ganz gut. In ein paar Tagen sind wir zu Hause... Es macht schon eine Menge Spass, wir haben es auch lange durchgehalten, und es reisst sich wirklich jeder zusammen. Das läuft hier also relativ cool ab. Klar, gibt es immer wieder ein bisschen Zoff, das Übliche halt. Es ist nicht so, dass es nicht auszuhalten wäre. Ich habs trotzdem lieber, wenn man fünf oder sechs Wochen tourt, dann zwei, drei Wochen Pause einlegt und nochmal einen Block macht. So macht das Gamma Ray immer, weil der Kai (Hansen, Anm. d. Verf.) nicht so lange von zu Hause wegbleiben will. Schliesslich hat er auch Familie, und für uns ist das so auch angenehmer. Acht Wochen sind schon echt lang.
MF: Die Tour ist in wenigen Tagen zu Ende. Kannst du bereits Bilanz ziehen?
DAN: Kann ich! Wir haben uns von dieser Tour viel erhofft, und die Erwartungen sind allesamt übertroffen worden. Dass es so abgeht, das hätten wir nicht gedacht. Die Reaktionen waren in allen Ländern umwerfend und überschwenglich, sowas habe ich noch nie gesehen! Das stimmt uns natürlich alle froh, das freut uns wirklich sehr. Wir werden jetzt darauf aufbauen, wieder ein gutes Album machen. Wir wollen da nichts über den Zaun brechen. Wir haben bereits neue Songideen und lassen uns trotzdem ein bisschen Zeit, dass die Produktion und die Songs wieder gut werden. Wir wollen hier also nicht schnell schnell irgendwas machen, bloss damit ein neues Album da ist. Lieber gehen wir mit „Crystal Empire" nochmals auf Tour, wenn sich was ergibt. Ansonsten war die Tour echt klasse! Ich hab schon gedacht, dass die Tour uns weit nach vorne bringen wird, weil es eben auch viele Leute sehen und das auch unser Zielpublikum ist, aber sowas hätte ich echt nicht erwartet!
MF: Und was wirst du jetzt als erstes tun, wenn du nach Hause kommst?
DAN: Dann fahr ich in die fränkische Schweiz, das ist nördlich von Nürnberg, und bestell mir einen Schweinsbraten mit Knödeln und ein Weissbier dazu - dann fahr ich wieder heim. Das mach ich! Das ist das erste, was ich tu. Donnerstag Abend bin ich zu Hause, Freitag fahr ich dahin...
MF: Na, denn, Mahlzeit!