Interview: In Extremo
By Roger W.
'Über die Notwendigkeit der Veränderung', so könnte man das Interview zusammenfassen, welches ich anlässlich der Best Of-CD 'Kein Blick zurück' im Zürcher Volkshaus mit dem Sänger Das letzte Einhorn (DlE) geführt habe. Die CD feiert nicht nur 10 Jahre In Extremo, sondern beweist auch eindrücklich, welche Hitdichte die Band an den Tag legt. Metal Factory wagt einen Rück- und einen Vorwärtsblick.

MF: Die Weihnachtstouren sind bei euch seit 1999 zur Tradition geworden. Warum liebt ihr es, um das Fest des Christkindes zu touren?

DlE: Das hat mit dem ganzen Weihnachtswesen, also mit allem was so drum herum ist, nichts zu tun. Das hat sich einfach so ergeben, und deswegen machen wir das. Dafür machen wir keine Sommer- oder Frühjahrstouren oder so was. So was macht man dann schön einmal im Jahr und fertig.

MF: Sind die Fans denn anders drauf vor Weihnachten?

DlE: Quatsch. Die sind im Sommer doch nicht anders drauf als vor Weihnachten. Nur dass sie ein paar dickere Jacken anhaben.

MF: Euer Sound erinnert sowohl an Rammstein wie durch die Mischung mit Mittelaltermusik auch an Pagan Metal-Bands wie Finntroll und Korpiklaani. Zu welchen fühlt ihr euch mehr hingezogen?

DlE: Also den Vergleich mit Rammstein finde ich eigentlich ganz schön dämlich, weil es einfach völlig unterschiedliche Musik ist. Ich weiss nicht, was Rammstein mit Dudelsäcken oder Harfen zu tun haben. Es ist sowieso ein deutsches oder ein europäisches Problem, dass jede Band, die ein hartes Riff spielt, mit Rammstein verglichen wird. Obwohl es die Jungs verdient haben. Wir kennen uns persönlich sehr gut, aber das ist natürlich ein anderes Blatt. Aber wir sind eine komplett eigenständige Band, die sich entwickelt hat bis zu dem Stand, an dem wir heute sind. Und In Extremo sind eben In Extremo.

MF: Fühlt ihr euch denn verwandt mit diesen Pagan Metal-Bands? Die sind ja erst in den letzten Jahren aufgekommen. Ihr wart früher da. Pagan Metal ist die Musik, wo Death Metal mit alten Instrumenten und Melodien vermischt wird.

DlE: Also da fühlen wir uns überhaupt nicht hingezogen, weil ich das gar nicht kenne. Ich höre weder Death Metal noch bösen Metal. Das ist eben Geschmacksache. Ich glaube, wir sind eine Multikulti-Band, In Extremo kannst du überall hinstellen. Das siehst du auch an Festivals oder am Publikum. Das sind Heavy Metal-Freaks, Biker, Hausfrauen, Schnurrbartträger, da ist alles vertreten. Und das macht auch die Mischung aus. Und wie gesagt, das ist alles Geschmacksache.

MF: Wie sieht der Kontakt zu Subway To Sally und Schandmaul aus, die mit euch zusammen die Spitze dieser Mittelalter-Mischung bilden?

DlE: Also Schandmaul kennen wir natürlich. Man kennt auch Subway. Aber ich habe weniger mit den Leuten zu tun, ich kenne die privat gar nicht. Ich kann mir kein Urteil über diese Leute erlauben, weil ich die privat überhaupt nicht kenne.

MF: Musikalisch gefallen die dir?

DlE: Hm... Schandmaul ist mir... (überlegt kurz)... zu seicht. Und Subway habe ich, bis auf ein Lied auf einem Sampler, noch nie gehört. Das interessiert mich auch nicht.

MF: Du hast vorher gesagt, dass ihr eine eigenständige Musik spielt. Macht es euch stolz, dass ihr in diesem Bereich eine eigene Nische gefunden habt?

DlE: Da musst du eigentlich das Publikum fragen. Wir sind natürlich froh, dass die Leute kommen und dass wir so einen Status erreicht haben. Hmm... stolz? Ich bin auf gar nichts stolz. Ich mache das, was ich liebe. Das hat mit stolz nichts zu tun. Stolz gehört wahrscheinlich in ein anderes Zeitalter oder so. (lacht) Das meine ich ernst, echt.

MF: Aber Ehrgeiz oder eine Persönlichkeit bildet sich da schon raus, wenn man merkt, dass man etwas Eigenes erschaffen hat, das ankommt?

DlE: Ja, natürlich, das steht auch ausser Frage. Aber das hat was mit Herzblut zu tun. Wenn ich was liebe, dann mache ich das, weil ich das gern mache und nicht, weil ich irgendeinen Druck im Kopf habe oder irgendetwas anderes. Das ist eigentlich das Ding. Und das ist auch In Extremo. Das ist das, was in den letzten 10 Jahren diesen Faden in dieser Band gesponnen hat. Dieser Faden wurde immer gesponnen. Also wir haben uns nie um Dinge gekümmert wie zum Beispiel: 'Wie heisst die Band? Wie steht ihr zu der Band? Und wah, sind die denn besser als ihr?' Oder über die ganze Neidscheisse haben wir uns nie einen Kopf gemacht. Und haben uns damit den Rücken frei gehalten und uns nie mit einer solchen schlechten Energie abgegeben. Das war eigentlich der Weg von uns, und das wird auch so bleiben.

MF: Ihr fahrt seit jeher mit einer grossen Bühnenshow auf. Wie wichtig ist euch diese?

DlE: Das gehört dazu. Ich meine, das hatten wir früher auch schon auf Mittelaltermärkten, als wir noch akustisch gespielt haben. Das hat etwas zu tun mit dem Spielmannsleben von früher. Du musst dir vorstellen, dass die Instrumente mit 100%iger Sicherheit total verstimmt waren, weil die Filigranitet der Arbeiten am Holz noch gar nicht vorhanden war. Wenn ein Spielmann in die Stadt kam, musste er a) das Volk unterhalten, musste Schrill aussehen, der hatte immer das Neuste, hatte die grösste Fresse um einfach ein Bett oder einen Happen Brot zu kriegen. Und das versuchen wir auf die Bühne zu transportieren. Und heute in der Schweiz haben wir ein bisschen abgespeckt, weil die Bühne zu klein ist. Aber beim nächsten Mal kommen wir dann wieder mit der vollen Show.

MF: Musste früher und muss heute die Show auch ein bisschen von den musikalischen Qualitäten ablenken?

DlE: Mit Sicherheit nicht. Ich meine, dass kann man auf unseren Platten hören. Das gehört bei uns dazu wie der Dudelsack zu In Extremo. Aber das hat mit musikalischen Qualitäten überhaupt nichts zu tun.

MF: Mit dem Seefahrer-Thema habt ihr das Mittelalterthema ausgeweitet. War das ein bewusster Schritt?

DlE: Das war eigentlich ein totaler Zufall. Wir haben irgendwann beim letzten Album 'Mein rasend Herz' im Studio gesessen und gedacht: Mensch da sind ja sehr viele neue Songs, die irgendwas mit dem Seefahrer-Thema zu tun haben. So was haben wir noch nie gemacht. Also nicht dass wir uns hingesetzt und gesagt haben, jetzt machen wir das und das. Das sind bei uns wirklich Schnapsideen und Zufallsdinger. Dieses Spontane macht irgendwie auch die Band aus. Du musst dir Vorstellen, dass da ein grosser Topf in die Mitte kommt, und jeder sein Zeug rein schmeisst. Dann wird ein grosser Löffel genommen und darin rumgerührt, und was rauskommt ist In Extremo. Und es gibt da auch nicht einen Songschreiber, sondern wir machen alles gemeinsam. Und das hebt uns auch von vielen anderen Kapellen ab, denke ich, wo zum Beispiel nur einer Songs schreibt und die dann so eine Hierarchie haben, wo der Sänger 200 Euro weniger kriegt weil er keine Texte geschrieben hat oder solchen Quatsch. Das gibt’s bei uns nicht. Das sind wirklich sieben Freunde, die miteinander unterwegs sind. Und wir sind glücklich, dass es so ist. Ich bin glücklich, in so einer Band spielen zu können, das meine ich echt ernst.

MF: Bei sieben Leuten kann das zum Teil auch schwierig sein, nicht?

DlE: Ja, aber das habe ich hiermit ja gerade beantwortet. Wir sind sieben Freunde. Klar ist es schwierig. Das ist wie in einer Ehe. Weißt du, da wird wieder einmal mit den Fäusten auf den Tisch geschlagen und sich gegenseitig angeschrieen. Aber danach ist auch wieder gut. Denn es gibt Bands, die sagen sich nicht einmal mehr guten Tag im Bus. Bevor ich in einer solchen Band spiele, würde ich lieber auf einem Bahnhof arbeiten gehen.

MF: Nur dass es bei euch dann anstatt zwei sieben Personen sind. Da hat man dann sieben Ehen.

DlE: Ja. (lacht) Nein, wir haben überhaupt keine Probleme damit. Wirklich nicht.

MF: In Extremo steht auch für eine gewisse Qualität. Du hast gesagt, dass die Fans dies auch mögen. Gibt es daraus auch einen Erwartungsdruck, den ihr erfüllen müsst oder geht ihr noch gleich unbefangen ans Werk?

DlE: Das meinte ich vorhin auch. Wir gehen wirklich unbefangen ans Werk. Natürlich hat man immer einen gewissen Druck, dass man mit der nächsten Platte wieder das erreichen möchte wie das, was man mit der Letzte erreicht hat. Das steht ausser Frage. Aber glücklicherweise denken wir da erst später darüber nach.

MF: Dann reden wir doch ein bisschen über eure Best Of-CD. Wie sieht die Bilanz für euch nach diesen 10 Jahren aus?

DlE: Also der Album-Titel 'Kein Blick zurück', der bedeutet so viel wie: Wir haben nichts bereut. Und das steht einfach so. Es gibt in den ganzen 10 Jahren nur eine Sache, die wir bereut haben, und das ist etwas, was wir auch bei jedem Interview erwähnen. Das ist, dass wir mit der Firma Vielklang zusammen gearbeitet haben. Dass wir die nicht ins Gefängnis gesteckt haben und das alte Management, die das damals gemacht hat, nicht eins auf die Fresse gehauen haben. Das ist unsere Aussage. Das ist das, was wir bereuen. Und ansonsten bereuen wir nichts.

MF: Was waren denn für dich so die Höhepunkte? Sagen wir mal so von den menschlichen Erfahrungen her?

DlE: Also wenn du mich nach dem Höhepunkt in menschlicher Hinsicht fragst, dann ist es das, was wir vorhin schon gehabt haben. Dass ich mit dieser verrückten Bande spielen darf. Das ist für mich menschlich sehr wichtig. Und Höhepunkte... (überlegt kurz)... Ich meine, wir brauchen uns nicht mehr zu beweisen. Wir haben alles geschafft. Was eigentlich nie geplant war. Ja, Höhepunkte... Es gab Festivals... Die höchste Anzahl von Leuten, vor denen wir mal gespielt haben waren 100'000 Leute. Oder ein Höhepunkt war zum Beispiel mit den Red Hot Chilli Peppers in Mexico zu touren. Das war natürlich auch sehr klasse. Oder mit Soulfly. Oder die Support-Tour von Korn in Deutschland damals. Das waren schon Höhepunkte. Aber ansonsten sind wir unbefangen. Wir gehen auf die Bühne und ab geht's.

MF: Vielfach steht eine solche Retrospektive auch für einen Neuanfang, den man danach angehen will. Ist dies bei euch auch der Fall oder anders gefragt, wie sehen In Extremo nach dieser Best Of aus?

DlE: Keine Ahnung. Wir lassen uns selber überraschen. Also wir sind da sehr frei. Wir werden nächstes Jahr anfangen an den neuen Songs zu arbeiten. Aber wann was rauskommt? Wir lassen uns Zeit. Wir haben jetzt in 10 Jahren irgendwie 10 Alben raus gebracht. Und wenn eines mal ein Jahr später raus kommt, ist das auch nicht schlimm, glaube ich.

MF: Blind Guardian zum Beispiel denken da in Phasen. Die bauen etwas auf, und reissen es wieder nieder um wieder etwas Neues aufzubauen. Bei euch ist dies also nicht der Fall?

DlE: Das klingt ja sehr buddhistisch, was ich schon wieder ganz gut finde. Aber das ist bei uns definitiv nicht so. Wir fangen an, wenn wir die Muse dazu haben, und dann werden wir sehen wie weit wir kommen. Wie ich uns kenne, ist es in der Regel so, dass, wenn man mal angefangen hat, dann auch nicht los lässt, sondern weiter macht, weil ich das von mir selber kenne. Also wenn ich im Studio bin, dann schlafe ich einer Woche insgesamt sechs Stunden. Weil die neue CD dann mein Baby ist. Da hörst du erst gar nicht wieder auf. Da sind denn Leute, die reinquatschen wollen, auch fehl am Platz.

MF: Ihr habt auf dieser Best Of eine zweite CD, eine Special-Edition, wo verschiedene Gruppen In Extremo covern. Also so eine 'Tribute to uns selbst'. Wie ist die Idee dazu entstanden?

DlE: Das ist ein reiner Freundschaftsdienst. Zum Beispiel Silbermond, die haben wir übrigens hier in der Schweiz an einem Festival kennen gelernt und die Freundschaft dann so vertieft, dass man sich in Berlin oder auch in Kneipen getroffen hat. Auf Parties... Also so dass wir einfach auch privaten Kontakt hatten. Und Götz Alsmann z.B. ist ein Freund der Band, Grave Digger auch. Wir kennen uns alle total gut. Blind waren mal eine Support-Band von uns. Killing Joke und Ministry sind totale Fans von uns. Die wollen uns mit auf Amerika-Tour nehmen. Und wir besuchen uns gegenseitig und so. Das sind einfach Freundschaftsdienste, wo auch kein Pfennig geflossen ist, rein gar nichts. Und da haben wir die Plattenfirma auch raus gehalten. Das war wirklich unser eigenes Ding. Was wir auch selber letztendlich bezahlt haben. Diesen Aufenthalt im Studio mit den Bands und alles. Das war wirklich ein Freundschaftsdienst. Und da sind wir auch sehr glücklich drüber. Auch über die Vielfalt. Und Ougenweide ist mit drauf. Ich weiss nicht ob euch das was sagt. Ougenweide ist eigentlich die einzige Band, die richtig gefragt wurde. Das liegt einfach daran, das Ougenweide die allererste Band war in den 70er Jahren, die angefangen hat, mittelalterliche Instrumente elektronisch zu verstärken. Und die waren auch die ersten, die die 'Merseburger Zaubersprüche' vertont haben. Die 'Merseburger Zaubersprüche' sind Zaubersprüche, die auf der Burg Merseburg liegen. Und es sind die ersten aufgeschriebenen deutschen Worte, die es überhaupt gab. Das ist ein Zauberspruch aus dem 7. Jahrhundert. Und Ougenweide haben den vertont. Und alle Mittelalterbands, die heute auf Mittelaltermärkten spielen, spielen völlig unwissend diese Version und denken, dass sie aus dem Mittelalter kommt. Aber eigentlich kommt die aus den 70er Jahren. Das ist kein Witz. Und aus dem Grund haben wir die damals selber vertont. Und die (Ougenweide) haben jetzt unsere Version gecovert. Das fanden wir total klasse.

MF: Gehört das Lied 'Herr Mannelig' auch zu diesen 'Merseburger Zaubersprüchen' oder kam das später?

DlE: 'Herr Mannelig' ist in einer altschwedischen Sprache. Es ist ein altes schwedisches, historisches Lied, das mit Melodie und Text überliefert ist. Und die 'Merseburger Zaubersprüche' gibt es schon seit 1000 Jahren länger. Das sind die ersten aufgeschriebenen deutschen Worte, die in Deutschland überhaupt jemals gefunden wurden und haben mit Schweden, Norwegen oder so überhaupt gar nichts zu tun. Das ist wirklich ein rein deutsches Ding. Das ist auch die Sprache, die im frühen Mittelalter und auf dessen Märkten gesprochen wurde und nicht diese Pseudo-Mittelalter-Sprache, die man heute auf den Märkten hört. 'Reich er mir mal den Krug' oder so, das ist völliger Quatsch. Das war im 18. Jahrhundert so. Die Sprache war wirklich so wie das in den 'Merseburger Zaubersprüchen' gesprochen wird. Das war wirklich das Deutsch bis in das 10., 11., 12. Jahrhundert hinein.

MF: Lebt ihr dieses Mittelalter-Flair auch in der Freizeit? Es gibt ja genug Mittelaltermärkte dazu, oder seit dazu schon zu bekannt?

DlE: (lacht) Also ich persönlich schlafe ganz gerne mal auf dem Fell vor dem Kamin. Nö... also wir schlafen nicht auf Fellen. Wir sind ganz normale Leute. Wir sehen uns auch nicht in solchen Zwängen. Also Mittelalter ist bei uns die Wurzel von In Extremo. Die werden wir niemals verleugnen, der werden wir niemals in den Hintern treten und werden auch immer wieder darauf zurückgreifen. Wir sind moderne Spielleute und machen eigentlich Weltmusik, und schämen uns darum auch nicht mal nach Einflüssen aus Asien zu greifen oder was weiss ich. Wo kommt alles her? Mittelalter letztendlich, sagt der Europäer ziemlich naiv, ist Mittelaltermusik und alles kommt daher. Das ist alles Quatsch. Es kommt eigentlich aus dem Orient durch die Kreuzzüge Anfang des 8. Jahrhunderts. Vor den Kreuzzügen wurde in Europa, in der Schweiz, Deutschland, Italien und was weiss ich wo, da wurde vielleicht auf Astgabeln getrommelt. Da gab es nichts. Die sind mit einem Platt von einem Sack herumgelaufen. Und die ganzen Instrumente wie Dudelsack, Schalmai oder Harfen kommen alle aus dem Orient. Die gab es schon seit tausend Jahren. Die nannten sich Plata und wurden durch die Kreuzzüge hierhin geraubt und gestohlen. Und ab dann ging es hier mit der musikalischen Kultur los. Es gab davor eigentlich noch gar nichts. Es kam durch die Kreuzzüge.

MF: Ist das auch der Grund, wieso z.B. norwegische, schottische und irische Musik sehr ähnlich klingen?

DlE: Du hast mich nicht verstanden. Der Schottensack (Dudelsack), das kann ich mal erklären, war ein reines Kriegsinstrument. Was im 8. Jahrhundert erstmals nach Deutschland kam, das waren im Prinzip die Schotten, die Solche zum ersten mal mit rüber gestohlen haben. Die Kreuzzüge waren dazu da, um andere Länder auszurauben und ethnische Säuberungen durchzuführen. Wie es also auch heute immer noch ist. Dafür war das da. Und die Instrumente haben sie mit herüber gebracht. Und die Schotten haben dieses Instrument als Kriegsinstrument eingesetzt. Da haben die sie eingesetzt. Also wenn da das andere Heer stand, welches die Dudelsäcke ja gar nicht kannte, und dann pfiffen da vielleicht 100 Schotten rein und es kam nur ein Höllenkrach raus: Da sind die Feinde fortgelaufen. Die haben gedacht, dass da Gespenster ankommen. Und das war der Dudelsack. Die erste deutsche Erwähnung kommt wirklich aus Schottland. Da wurde er einfach als Kriegsinstrument verwendet. Es hat also nichts damit zu tun ob was irisch oder schottisch ist. Der Ursprung liegt wirklich 1000 Jahre früher, das kommt alles aus dem Orient. Alles, komplett. Ob das Trommeln sind oder Harfen oder was weiss der Geier was.

MF: Die römische Kultur hatte da keinen Einfluss mehr?

DlE: Du hast mich immer noch nicht verstanden. Römische Kultur gehört auch zu Europa. Und der Einfluss der römischen Kultur, der war zwar schon vorher. Da wurde aber auch alles gestohlen und geraubt. Aus Europa kommt gar nichts. Das kommt alles aus dem Orient. Das ist wissenschaftlich bewiesen. Das habe ich jetzt zweimal gesagt, und jetzt frag bitte nicht noch ein drittel Mal nach.

MF: Ja. Ich frage... weil ich fasziniert bin. (lacht) Gut... Jetzt... Bin ich verwirrt. (Pause) Genau. Nochmals zur Stilvielfalt auf dieser zweiten CD. Ist das auch ein Statement?

DlE: Ja natürlich. Ich meine, man hätte ja auch gleich eine Mittelalterband fragen können, nö? Aber da mache ich einfach mal so (verschränkt die Arme). Es ist einfach so, dass uns die ganze Wichserei hinter dem Rücken so was auf den Keks geht. Wir haben uns niemals davor gescheut. Wir haben Kritiken einstecken müssen, weil damals bei 'Küss mich' Pady Kelly den Refrain mitgesungen hat. Dann hat Rea Garvey (Frontmann von Reamonn, Anm. d. Verf.) mitgemacht oder Thomas D. Da haben uns Leute dafür angefurzt und gemeint: 'Wie könnt ihr mit Thomas D. zusammenarbeiten?!' Das ist ein typisch europäisches Denken. Also besonders in Deutschland, Bretter, Bretter. Niemals etwas anderes. Wir sind offen für so was. Wenn ein Thomas D. zu uns sagt: 'Hey, ich würde gerne mit euch dieses Lied machen.' Und das von sich selber aus. Dann ist das für uns ein Ritterschlag. Dann sehen wir das so, dass der uns Respekt zollt. Und so sehen wir das. Und deshalb ist die zweite CD auch so entstanden. Also nicht irgendwie im eigenen Genre mit Dudelsäcken und was weiss ich, was ja alle machen. Oder was machen alle Bands nach 10 Jahren? Sie holen sich ein Orchester ran und spielen. So was werden wir niemals machen. Ich kann das nicht mehr hören. Jede Band die eine Best Of hat, hat ein Orchester da. Und wir wollten einfach mal etwas anderes machen. Wir haben selber ein Orchester auf der Bühne. Und das ist einfach der Grund. Das hört sich manchmal vielleicht arrogant oder fies an. Aber wir wollen da wirklich auch mal eine Grenze öffnen. Das man einfach auch mal mit einem Hip Hopper zusammenarbeiten darf. Obwohl ich Hip Hop nicht mag. Aber einfach mal mit dem zusammenarbeiten. Weil das ist einfach, der zollt uns Respekt. Und das finde ich gut. Und genau so ist es mit Rea Garvey oder Martha von Die Happy. Das wird schon wieder akzeptiert. Das ist auch schon wieder eine völlig andere Musik. Aber die hat sich gefreut. Das ist einfach klasse. Die haben diese Barrieren nicht so im Kopf. Und das ist ein typisch deutsches Denken. Da bin ich eigentlich persönlich froh, dass ich in der Welt rumgekommen bin durch die Musik und dass mir das den Horizont geöffnet hat. Dafür bin ich sehr dankbar.

MF: Aber Innovation entsteht ja gerade dadurch, dass man neue Wege geht.

DlE: Genau.

MF: Etwas anderes: Was viele Bands machen, sind Akustik-Alben. In Extremo haben ja als Band ohne E-Gitarren angefangen, also wäret ihr für so eine Sache doch prädestiniert. Würde das für euch wieder einmal Sinn machen?

DlE: Wir haben das mal vor mehreren Jahren unter einem Pseudonym-Namen probiert, aber der Veranstalter hat dann hinter dem Rücken angekündigt, dass In Extremo kommen. Da standen dann ca. 5000 Leute vor der Bühne. Wir waren da mit einer Trommel und zwei Dudelsäcken rein Akustisch. Und wir sind geflüchtet. Wir haben dann trotzdem noch irgendwie gespielt damit der Veranstalter nicht verdroschen wird. Aber so was macht man nicht. Aber wir sind eine Rock-Band. Wir sind eine moderne Rockband mit Mittelalterlichen Einflüssen, und wir werden in nächster Zeit auf Mittelaltermärkten nicht mehr spielen. Man soll niemals nie sagen, aber im Moment ist es einfach so. Was wir ab und zu noch während der Tour machen, das ist noch gar nicht lange her, da sind Pymonte und Marco einfach auf die Strasse gegangen und haben dort ein paar Stücke gespielt. Einfach so zwei Lieder, und dann sind sie wieder abgehauen. Mehr nicht. Das macht mehr Spass. Und das sind halt mehr die Wurzeln, als wenn wir uns da jetzt auf Mittelaltermärkten stellen würden, damit alle drüber schreiben könnten, dass wir wieder einmal ein Akustikset gemacht haben. Wir sind eine moderne Rockband.

MF: Vermisst du denn die Zeit, in der ihr akustisch getourt habt? Du klingst für mich jetzt sehr melancholisch, so als seiest du traurig, dass du die Akustiksache nicht mehr machen kannst.

DlE: Nein. Also ich bereue diese Zeit nicht, aber ich möchte es auch nicht mehr haben. Das ist so wie... Ich bin ja in der DDR gross geworden, und ich bereue davon nicht eine Sekunde. Das war die beste Lebensschule, die ich haben konnte. Ich möchte sie aber auch nicht zurückhaben. Das ist so eine Entwicklung. Oder viele Leute fragen, ob wir wieder mal eine Platte wie 'Weckt die Toten', also wie die erste, machen würden. Nein! Und weißt du warum? Weil wir die bereits gemacht haben. Weißt du, das ist der Grund irgendwie. Also manche Leute gönnen einem diese Entwicklung gar nicht. Die wollen immer nur das alte. Also im Sinne von 'Früher war alles besser'. Das ist für mich dasselbe, wie wenn ich mir zwanzigjährige Arbeitslose an der Theke angucke, die seit 10 Jahren sagen: (äfft nach) 'Ach scheisse!' Aber nicht mal den Arsch hochkriegen und sich mal um irgendwas kümmern. Dann sitzen sie 10, 20 Jahre später immer noch an derselben Theke nur mit ein paar Falten mehr im Gesicht. Und das finde ich einfach der falsche Weg. Ob du Sportler bist, Tennis spielst oder Fussball, Musik machst oder ob du zur Schule gehst ist egal, Hauptsache du willst dich weiterentwickeln. Und das sollte man jedem Menschen gönnen und ihm dafür auch die Zeit lassen. Das ist einfach das Allerwichtigste. Was dabei dann rauskommt, steht auf einer anderen Platte.

MF: Ist es denn so, dass die Leute sich gar nicht bewusst sind, dass erst durch die Veränderung das entstanden ist, was sie jetzt von euch hören und lieben?

DlE: Da musst du die Leute fragen. Also ich fände es schön, wenn das alle begreifen würden.

MF: Ihr macht noch etwas anderes, was viele Bands nicht machen. Und zwar habt ihr jetzt nach zwei Studioalben schon wieder eine Live-CD rausgebracht. Geht das ebenfalls in diese Richtung, also dass ihr euer eigenes Ding durchzieht und so nach jedem zweiten Album eine Live-CD veröffentlicht?

DlE: Das stimmt so nicht. Also wir haben die letzte Live-DVD 2002 raus gebracht und die nächste im 2005. Das war einfach ein krönender Abschluss einer Tour. Das hat sich einfach irgendwie angeboten. Es wurde auch mal Zeit dafür, auch von der Entwicklung her. Denn die erste Live-DVD finde ich persönlich grottenschlecht. Weil das ganze Licht da zusammengesackt ist. Wir haben der Produktionsfirma damals 11 Titel gestrichen, weil die unter aller Sau aufgenommen wurden. Und wir haben dann einfach noch Bilder von Mexiko mit rein getan, damit die DVD gerettet wurde. Und mit der letzten DVD wollten wir das wettmachen. Ich habe mir diese vor kurzer Zeit zum ersten mal angeguckt, nach einem halben Jahr, komplett von vorne bis hinten, auf einer grosses Leinwand aber ohne sonstige Zuschauer. Da bin ich so im Saal gesessen und habe mir gedacht: 'Ja, klasse'. Das fand ich also selber so. Wenn ich mich jetzt betrachte, also nicht als Bandmitglied, sondern als Zuschauer, und das mit der ersten DVD vergleiche, dann kann ich nur 'wunderbar' sagen. Also eigentlich hätte man die erste einstampfen müssen. Aber das wäre auch ein Schritt, der falsch wäre. Weil es einfach ein Teil der Geschichte von In Extremo ist. Wir stehen da trotzdem dahinter. Oder höre dir die Platte 'Weckt die Toten' an, leg die mal in einen CD-Player. Da rollen sich mir die Fussnägel hoch, so schlimm ist die vom Sound her. Aber damals war das eben nicht anders und wir stehen dazu. Ansonsten hätten wir sie nicht rausgebracht. Es ist einfach eine Kult-Scheibe geworden. Warum sollte man die verschmähen. Aber aus dem Grund haben wir auch die alten Stücke auf der Best Of neu eingespielt. Damit die dem heutigen Sound angeglichen sind. Und das ist einfach auch eine Entwicklung, die auch jede Band durchmachen sollte. Also die ganzen Schnellschuss-Sachen bringen überhaupt nichts, finde ich.

MF: Das gesamte Album möchtest du nicht nochmals aufnehmen, wie es andere bereits getan haben (z.B. Edguy mit 'The Savage Poetry')?

DlE: Das haben wir jetzt ja mit der Best Of gemacht.

MF: Ich habe euch schon mehrmals Live gesehen. Dabei ist mir aufgefallen, dass du immer wieder Bezüge zu den Auftrittsregionen in die Ansagen integrierst. Woher nimmst du die Inspiration dazu, oder ist das eine Sache die du im Vorfeld planst?

DlE: Also wenn ich jetzt von mir selber ausgehe, dann muss ich feststellen, dass ich noch nie in meinem Leben eine Ansage geplant haben. Die kommt dann einfach so. Ich meine, wir sind auch Unterhalter. Und ich mag das eigentlich persönlich nicht, wenn da eine Band spielt, die keinen Ton sagt. Die am Anfang sagt, dass sie die und die sind, und dann am Ende sagt, dass die und die waren. Und dazwischen nicht mehr sagt. Das ist eben unser Ding. Das kommt auch von den Mittelaltermärkten früher. Da hast du früher 40 Minuten gestanden und davon vielleicht 15 Minuten gespielt und in der restlichen Zeit hast du dumme Scheisse erzählt. Also, wir haben eigentlich Leute verarscht. Was Stefan Raab heute im TV macht, das haben wir vor 15 Jahren auf den Mittelaltermärkten gemacht, nichts Anderes. Aber mit Humor, mit Witz. Es hat auch Spass gemacht. Also im positiven Sinne, muss man wieder einmal sagen. Aber im Grunde machen wir auch heute auf der Bühne nichts Anderes. Manchmal gibt's Tage, da sagst du nicht soviel und manchmal sagst du mehr. Es kommt auf die Laune an oder wie du dich fühlst. Das hat aber nichts mit Planung zu tun, im Gegenteil. Wir haben in den ganzen 10 Jahren auch noch nie Abläufe geplant. Zum Beispiel, dass ein Dudelsack da spielt, einen Schritt macht und dies und das. Das hat sich alles irgendwie ergeben. Ich fände das auch albern, wenn wir das einstudieren würden. Also ich persönlich finde es nicht gut.

MF: An euren Konzerten trifft man Fans unterschiedlicher Stilrichtungen an. Also zum Beispiel Gothic, Punks, Metaller, Rechte, Nazis. Fans, die sich nicht unbedingt gegenseitig mögen. Ist es da noch nie zu Schlägereien gekommen?

DlE: Also in den letzten 10 Jahren In Extremo habe ich noch nie eine Schlägerei erlebt. Zum Glück. Das gemischte Publikum, von dem haben wir es vorhin ja schon gehabt, da sind wir sehr froh darüber. Dass so viele Leute kommen und sich eigentlich einen Abend lang vertragen. Und wenn Rechte drin sind, was ich persönlich, aber auch die ganze Band, verabscheue... Also ich kann die Leute bis 1, 2 Meter ins Publikum sehen. Aber wenn ich sehe dass einer einen Hitlergruss macht oder ein anderes entsprechendes Zeichen, würde ich sofort das Lied abrechen und ihn auf der Stelle rausschmeissen lassen. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

MF: Wir kommen zu den letzten Fragen: Ihr habt auf dem Böhse Onkelz-Abschlussfestival gespielt. Wir war es?

DlE: Geil.

MF: Da war doch sehr viel Publikum?

DlE: Ja, war geil, wirklich. Wir haben es nicht bereut.

MF: Was ausser den deutschen Texten verbindet euch sonst noch mit dieser Band?

DlE: Mit den Böhsen Onkelz verbindet uns gar nichts. Wir sind eingeladen worden, wie viele andere Bands auch. Wir hatten auch Magenschmerzen damit. Und ich habe mich noch nie im Leben mit einer Band so beschäftigt wie mit den Böhsen Onkelz. Wir haben uns auch mit denen getroffen. Ich habe auch mit Weidner, diesem Sänger (wohl eher Bassist und Bandleader, Anm. d. Verf.), am Tisch gesessen, habe sie auch ins Gesicht gefragt, was an ihrer rechten Scheisse dran sei. Da gab es sehr gute Statements zurück. Nur soviel dazu, also es wurde einfach auch gesagt, dass die damals 15, 16 Jahre alt waren, als sie angefangen haben Musik zu machen. Die sind im Türken-Viertel gross geworden. Eine Freundin ist mit einem Türken abgehauen und der mit der... So wie das war... Da gab's was auf die Fresse und wie das ist, wurde da auch naiv wie sie waren einen Song draus gemacht. Aber das ist 20, 25 Jahre her. Das ist für mich dasselbe wie wenn einer ins Gefängnis kommt und danach wieder in seinen Block zurückzieht. Und alle Nachbarn bespucken ihn. 'Du warst ja mal im Gefängnis'. Das finde ich den falschen Weg. Ausserdem haben die Böhsen Onkelz zwei Benefiz-Konzerte gemacht, wo 2,5 Millionen Euro eingeflossen sind für Opfer der Rechten Gewalt. Das wird zum Beispiel nie in den Medien erwähnt. Und davor habe ich Respekt, vor dem, der so was macht. Weil 2.5 Millionen sind kein Pappenstiel. Das können sich auch die Böhsen Onkelz nicht einfach so leisten. Das haben sie einfach mal so gemacht. Da ziehe ich einfach den Hut davor. Und man sollte Leuten, die Statements geben und sagen, dass sie mit dieser Scheisse nichts mehr zu tun haben, auch eine Chance geben. Und auch mal positiv darüber denken. Das ist auch so ein typisches Bretter-Bretter-Denken: 'Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht und wenn er auch die Wahrheit spricht.' Das galt vielleicht mal vor 100 Jahren, aber ich finde so was totalen Quatsch. Das gehört zu einer alten Generation, mit der ich mich nicht verbunden fühle. Also ich persönlich.

MF: Ihr habt verschiedene Live-CDs und eine Best Of rausgebracht. Welche von denen empfiehlst du einem In Extremo-Neuling?

DlE: Alle!

MF: Gute Antwort.

DlE: Was hast du den gedacht, was ich jetzt sage?

MF: Ja, irgendwie die Eine oder die Andere. Also zum Beispiel hast du gesagt, dass die neue Live sehr gut geworden ist.

DlE: Stimmt schon. Trotzdem bleibe ich bei 'alle'. (lacht)

MF: Wie sehen den eure Pläne fürs '07 aus?

DlE: Also was jetzt feststeht, ist, dass wir ende Januar nach Chile, Argentinien und Mexiko fahren. Dann kommen wir wieder zurück. Und fahren dann nach Russland. Anschliessend nach Spanien und Frankreich, und dann sind schon wieder Festivals. Und dazwischen werden wir arbeiten. Das sind die Pläne. So, eigentlich kurz und bündig.

MF: Was sind deine letzten Worte an die Schweizer Fans?

DlE: Hmm... Was soll ich da sagen? Hallo! (lacht) Nein, alles gut. Ich mache jetzt noch kurz die Station Ideas (für Radio Kanal K und Rockstation), kein Thema. Also meine Statements fürs Publikum mache ich lieber auf der Bühne. Ich glaube, da kommen die auch komplett ehrlicher, nicht so gezwungen. So jetzt... weißt du wie ich meine? Das ist irgendwie nicht mein Ding.