Interview: J.B.O.

By Roger W.
 
Schlecht über J.B.O. reden ist auch Werbung.



Freitagabend, Open Air Gränichen: Das Wetter zeigte sich von der schönsten Seite. Zusammen mit unserem Cheffe fanden wir Hannes, Vito und Wolfram von J.B.O. zum entspannten Interview. Die Blödel-Barden waren bestens gelaunt und freuten sich, über ihr elftes Studio-Album zu quatschen. Dabei wurde offensichtlich, dass ich in meiner CD-Kritik ein paar Liedtexte wohl nicht immer Sinne der Band interpretiert hatte. J.B.O. stellen sich nämlich als noch intelligenter heraus, als dass aufgrund der Texte (ernsthaft) sonst schon zu erahnen war. Bevor es aber losgehen konnte, entwickelte sich zwischen unserem Cheffe Roxx und den beiden J.B.O.-Gitarristen Hannes und Vito ein heiteres Fachsimpeln über Gitarrenequipment. Jetzt aber Vorhang auf für ein Gespräch über die Rüstungsindustrie, Steinzeit-Videoclips und Böhse Onkelz-Parodien mit Hannes Holzmann,  Veit «Vito C» Kutzer und Wolfram Kellner.

MF: Ihr habt euren eigenen Sound gefunden. Die Gitarren klingen bei euch immer typisch nach J.B.O.

Hannes: Wir sind auch immer die gleichen Gitarristen.

MF: Ja schon, aber trotzdem habt ihr einen speziellen J.B.O.-Klang, den ich bei keiner anderen Band hören kann. Auch von der Verzerrung her.

Vito: Geil!

Hannes: Es ist eigentlich so, dass wir beide schon einen deutlich unterschiedlichen Gitarrensound haben. Und die Mischung aus beidem ist dann eben charakteristisch.

Vito: Aber wir haben trotzdem beide Geräte, die wir seit ganz, ganz vielen Jahren verwenden und die live und auf der Produktion sind. Und bei Hannes ist es ein...

Hannes: Digitech GSP 21. Und bei dir ist es eine modifizierte Metalzone.

Vito: Ja, genau. Wobei ich da noch verschiedene andere Geräte dran gehängt habe. Ich habe also eine Sammlung von Metalzones.

MF: Also wer den gleichen Sound möchte, der weiss es jetzt und kann ihn kopieren.

Hannes: Das stimmt leider nicht. Ohne uns zu sehr beweihräuchern zu wollen, hat der Sound doch auch viel mit den Fingern zu tun. Und wenn jetzt ein anderer Gitarrist auf meiner Gitarre und meinem Verstärker spielt, wird es anders klingen.

Vito: Und man muss es dann halt auch so einstellen.

Hannes: Der Mensch macht schon immer noch was aus. Ich bin mir sicher, dass wenn Ritchie Blackmore über meine Anlage spielt, dann würde es nach Ritchie Blackmore klingen. Da bin ich mir ganz sicher.

Vito: Unsere Anlagen stehen auch auf unserer Homepage. Da gibt es die Bandseite, da sind die Mitglieder, und da haben wir im Grunde unsere Gitarren-Anlagen drauf. Da steht, was da alles drin ist.

MF: Habt ihr da schon Leute gehört, die dasselbe aufgestellt haben?

Hannes: Das klappt nicht. Wir haben vor ein oder zwei Jahren auf der "Metal Cruise" gespielt, und da ist mein Digitec abgekackt. Das hat gar nicht mehr funktioniert. Und da habe ich so einen Engl-Amp bekommen. Beim ersten Mal hat das auch nicht funktioniert, und am zweiten Abend hatte ich dann Zeit, es einzustellen, und dann klang es wieder nach Hannes. Es liegt nicht hauptsächlich am Equipment.

Vito: Das stimmt. Der Hannes klingt wirklich so nach Hannes. Der hat so ein paar Einstellungen. Wenn Hannes diese macht, klingt er immer nach Hannes, egal worüber er spielt.

MF: Ihr habt ein neues Album draussen, welches «11» heisst.

Vito: Ja, richtig.

MF. Ist ein tolles Album.

Vito: Vielen Dank.

Hannes: Das finden wir auch.

MF: Ihr habt Promofotos gemacht, bei dem ihr euch als spitzohrige Trolle verkleidet habt...

Vito: Elfen!

Hannes: Elf-en!

MF: Ach ja, jetzt...

Vito: Ja, jetzt versteht er es!

MF: Das war für mich ein wenig merkwürdig: Trolle und «11»?

Hannes: Ja, aber das Album heisst nicht «Troll», sondern «11».

MF: Ja, das ist dieses Wortspiel.

Vito: Ja, dieses Wortspiel. (zeigt auf seine Haselnussstangen). Das ist was typisch Schweizerisches?

MF: Ja, das sind Haselnussstangen.

V
ito: Die sind total hart, aber die sind geil.

MF: Kam dieses Wortspiel einfach so oder war das sehr naheliegend. «Ah, 11-Elfen!»

Hannes: Ich kann es kurz ernsthaft erklären. Wir hatten mehrere Albumtitel in Diskussion. Und wir haben uns für den Titel «11» entschieden, weil es erstens das elfte Album ist, aber vor allem auch, weil wir grafische CD-Covers mögen. Wir hatten zwar auf dem letzten Studioalbum «Nur die besten werden alt» ein Foto als Cover. Aber eigentlich stehen wir sehr auf plakative, simple, grafische Lösungen. Die Elf mit den beiden Einsen war grafisch sehr gut zu lösen. Und dann haben wir gedacht: Das Album heisst jetzt «11», was machen wir denn für Bandfotos dazu. Und dann kamen wir auf die Idee mit den Elfenohren. Also die Zahl «11» war vorher, und danach kamen die Elfenohren. Es gibt auf dem Album auch kein Lied, das mit «11» zu tun hätte.

MF: Beim Text-Video zum Wackensong habt ihr die Fans aufgerufen, sie sollen euch Fotos von Wacken oder anderen Festivals schicken. Wie waren die Resonanzen?

Vito: Gut. Das hast du ja gesehen.

MF: War da auch viel Schrott darunter oder konntet ihr doch das meiste verwenden?

Hannes: Da waren natürlich auch Fotos dabei, die wir nicht verwenden konnten. Aber es kommt halt einfach daher, dass wir in unserer Karriere schon auf sehr vielen solchen Festivals gespielt haben. Nicht nur auf Wacken selber, sondern auch auf vielen anderen Festivals, und da gibt es dann halt einfach Erinnerungen. Ich kann mich an - wann war das genau? - Wacken 2004? Oder so? erinnern - wo 300 Meter Schlange vor jedem Dixi-Klo war. Da hatten wir die «Kacken 2004»-T-Shirts verkauft, und das ist halt so. Wenn du auf ein Festival gehst und dann fünf Tage vor Ort bist, dann musst du einfach genug Bier trinken, und dann erträgst du das schon. Das ist halt das Festival-Leben. Da darf man nicht zimperlich sein.

MF: Dieses Jahr auf Wacken hat es überall nach Urin gestunken. Sie hatten jetzt überall Plakate mit dem Spruch «Don't Pee»- Also pisst nicht auf das holy Wacken-Land.

Hannes: (Lacht)

Vito: Wir waren dieses Jahr nicht da. Aber ach komm jetzt... - Don't Pee on the holy Wacken Land!

MF: Also im Dorf verstehe ich das ja, aber auf dem Festival-Gelände...

Hannes: Also eine unserer schönsten Erinnerungen an Wacken ist ja, als wir mit dem Shuttle oder unserem eigenen Bus zum Gelände hingefahren sind. Und wir fahren an einem Einfamilienhaus mit einem schön gepflegten Garten vorbei und am Zaun steht einer...

Vito: Das war nicht am Zaun, das war mitten auf der Wiese. Er stand oben ohne, hatte seinen Hosen offen und sein Schwanz hing raus, hatte eine Bierflasche in der Hand und hat gepisst. Das war so unser Anblick.

Wolfram: Das war so das erste Haus von Wacken, nach dem wir das Ortsschild passiert hatten.

Hannes: Ich muss ein grosses Kompliment an die Bevölkerung von Wacken aussprechen, die das wirklich jedes Jahr so humorvoll erfahren oder mitmachen und dann selber halt auch ein wenig mitfeiern. Da gibt es keinen Protest. Das wäre nicht in jeder Stadt so möglich.

MF: Ich habe einen Nordländer gesehen, der hat abends vor der Hauptbühne mitten im Publikum gepisst...

Vito: Naja, wenn du da mal im Pulk drin bist, und deinen Platz nicht aufgeben möchtest.

MF: Genau, da bin ich jetzt und da bleibe ich!

Hannes: Da hätte ich eine Geschäftsidee. Ich ziehe von Metalfestival zu Metal-festival und verkaufe Erwachsenen-windeln, damit man nicht mehr aus dem Pit raus muss.

Vito: Haha!

Hannes: In schwarz und mit Ledernieten besetzt.

Vito: Na, das ist doch eine Idee!

Hannes: Das ist voll geil.

Wolfram: Da kann ich noch eine lustige Geschichte beisteuern. Das war schon sehr lange her. Das war wohl an einem "Monsters of Rock" in den 80ern, und da gab es bei uns in Nürnberg immer wahnsinnig viele Amerikaner, weil die dort halt ihren Stützpunkt hatten. Und da gab es so einen kurzen, das war so ein kleiner Knirps. Der stand dann auf seinem Kanister, den er mitgebracht hatte, und hat angefangen zu pissen.

Vito: Haha!

Wolfram: Das war auch geil. Und da bildete sich schnell ein Kreis von Menschen drum herum, also weil die Menschen ausgewichen sind. Das sah ziemlich grotesk aus.

Vito: Damit alle ja Abstand hatten.

Wolfram: Der Typ stand auf seinem Kanister mitten im Publikum und hat gepisst!

Hannes: Ich sag es euch. In drei Jahren ab jetzt bin ich reich. Ich habe das Komplettangebot. Ich verkaufe einen Rucksack, in dem gekühltes Bier drin ist mit einem Schlauch, dass du saugen kannst und die dazu passende Windel, wo du es einfach laufen lassen kannst. Das ist das Komplettangebot: Oben rein, unten raus! Und dabei im Pit stehen bleiben. Ich werde damit reich werden, ich sag es euch!

Vito: Schreib das auf!

MF: Ja, es nimmt auf.

Hannes: Nein, nicht! Sonst klaut mir einer meine Geschäftsidee! Ah, Mist!

MF: Aber eure Wacken-Hymne ist cool geworden. Spielt ihr 2017 auf Wacken?

Vito: Ja.

Hannes: Voraussichtlich.

Vito: Nönö. Das ist jetzt glaube ich schon...

Hannes: Wirklich? Ich habe noch kein...

Vito: Doch, doch. Es ist auf jeden Fall bestätigt, aber ich weiss nicht, ob es bereits öffentlich bestätigt ist. Es ist intern bestätigt. Also wir spielen dort, auch wenn es eventuell noch geheim ist.

Hannes: Aber irgendwann werden wir da wieder spielen.

MF: Beim Song «Panzer Dance» hatte ich das Original nicht gekannt. Vom Text habe ich mich gefragt, ob es wohl eine Parodie auf Sabaton ist.

Vito: Haha!

Hannes: Warte mal. Mit dem Original meintest du DJ Ötzi mit dem «Burger Dance».

MF: Genau. Den kannte ich nicht.

Hannes: Hast du «Ramsamsam» auch nicht gekannt? Das Kinderlied?

Vito: (sing) Ah ramsamsam, ah ramsamsam, gulli gulli gulli, ah ramsamsam.

MF: Doch, das kommt mir bekannt vor.

Hannes: Denn eigentlich ist es ein Kinderlied, und deswegen kamen wir auf unsere Idee. Wir fanden die Tatsache, dass jemand ein Kinderlied (betont es) nimmt, und es dann verwurstet mit den Fastfood-Ketten, mit der höchsten Kommerzialisierung, wie es überhaupt nur geht - Das fanden wir für uns so ernsthaft empörend und bizarr, dass wir nicht anders konnten, als das irgendwie zu parodieren.

Vito: Und deswegen haben wir den Zeigefinger gehoben.

MF: Das heisst, z.B. Thyssen-Krupp ist eine Rüstungsfirma.

Hannes: Ja, das sind alles Rüstungsfirmen.

MF: Auch Rheinmetall...

Hannes: Ja, alles. Auch Krauss Maffei. Heckler und Koch.

MF: In der Schweiz wäre es die RUAG.

Hannes: Das einzige, was ja noch moralisch verwerflicher als Fastfoodketten für uns sind, sind Rüstungsfirmen.

MF: Für mich war das in Kombination mit diesem «Glori Glori Halleluja» ein Hinweis darauf, ob das eine Anspielung auf Sabaton ist.

Hannes: Nein, ist es nicht.

Vito: Nein, denn im Original «Burger Dance» ist das auch mit drin. Ich fand das so bizarr, wie das da rein getropft ist, dass wir uns gedacht haben, das müssen wir genauso machen.

Hannes: Ganz ehrlich ist Sabaton für uns in der Band nicht so wichtig, als dass wir darüber singen würden. Das nehmen wir gar nicht so wahr.

MF: Bei mir war da eher der Gedanke, dass dieses Lied, diesen vielleicht denn eher unkritischen Umgang von Sabaton mit dem Thema Krieg behandelt.

Hannes: Also, auf Menschen, die am Krieg verdienen, zielt es schon ab, aber nicht auf die Band Sabaton.

MF: Zum Videoclip von «Ich hätt gern mehr». Wie kamt ihr da auf diese Familien Feuerstein-Geschichte?

Vito: Das hat der Videoproduzent so arrangiert. Wir haben dem quasi den Song geschickt und dann zu ihm gesagt: «Fällt dir was dazu ein?» - Und dann kam er mit dieser Idee. Sein Link war im Grunde am Anfang diese «öhöhö»-Schreie. Das klang für ihn wie Steinzeitgesänge, und dann ist ihm dieses ganze Zeug eingefallen. Er hatte Leute an der Hand, die den ganzen Kram bauen konnten.

MF: Das sieht krass aus!

Vito: Das ist der Oberhammer! Wir kamen dahin und uns haben echt die Augen getropft, wie geil das Zeug alles ausgeschaut hat. Das kam nicht von uns. Wir sind nur zu diesem Video-Dreh hingefahren, und der hat das alles gemacht. Wir haben wirklich nur unsere Fressen in die Kamera gehalten.

MF: Ich finde den Doctor Stoned cool.

Vito: Das ist der Hammer. Das ist wirklich so geil! Wirklich das Ganze. Und dann auch diese Mädels mit den diesen Kostümen und der kleine Dino an der Leine und der Walkman mit dem Steinkopfhörer. Die Kamera mit dem Säbelzahnhamster, das Raddrehen!

Wolfram: Da sind so viele Details drin, die man eigentlich gar nicht wahr nimmt.

Vito: Das musst du dir mindestens fünfmal ansehen, bevor du überhaupt alles gesehen hast. Du siehst jedes Mal wieder was Neues.

MF: Das überfordert einen am Anfang ein wenig.

Vito: Ja, das muss man gleich nochmals anschauen.

MF: Wieviel Mut hat es gebraucht, um diese Schlussszene nach dem Abspann rein zu nehmen (Bassist Ralph hat da Sex mit einem Skelett)?

Hannes: Was heisst da Mut? Das war eigentlich nicht geplant. Das hat der Ralph spontan gemacht.

Vito: Das stimmt nicht, das war geplant.

Hannes: Das war geplant?

Vito: Das schon, aber dass der Tisch zusammengebrochen ist, war nicht geplant.

Hannes: Ich glaube, dass das übrigens öfters passiert, also wenn Ralph eine Frau auf dem Tisch nimmt, dann bricht der öfters zusammen. Wir brauchten da also auch noch eine Portion Realismus.

MF: Mit «Wir lassen uns das Blödeln nicht verbieten», übt ihr ja auch Kritik gegen aussen. Den empfinde ich als sehr ernsthaften Song.

Alle drei: Jain. Naja...

Hannes: Wie verstehst du den Text?

MF: ich verstehe ihn so, dass ihr das Gefühl habt, als Blödelband nicht ernst genommen zu werden.

Vito: Also, dass wir als Blödelband nicht ernst genommen werden?

Hannes: Da hast du recht! Denn worunter wir am meisten leiden, ist - und das wird heute wieder passieren: Wir fahren um 08:00 Uhr los. Wir fahren mit einem riesen Bus, mit Anhänger voller Equipment und mit 12 Mann-Crew. Wir fahren hier in die Schweiz, bauen hier alles auf, gehen auf die Bühne, fangen an zu spielen und was passiert? Die Menschen lachen! (schnieft) Da fühlst du dich als Künstler nicht ernst genommen in deiner Botschaft.

Vito: (schnieft und heult) Ja!!!!

Hannes: Das ist wirklich traurig! Nein - so ist das Lied nicht gemeint.

MF: Nicht?

Hannes: Hast du schon irgendwann in deinem Leben einen Song der Böhsen Onkelz oder von Frei.Wild gehört?

MF: Ja.

Hannes: Ist dir schon mal aufgefallen, dass die Aussagen von vielen Böhsen Onkelz- und Frei.Wild-Liedern ist, dass "Wir sind die Ausgestossenen, die Outlaws, die vom Mainstream unterdrückt werden"?

MF: Das ist das Haupttema bei beiden Bands.

Vito: Genau.

Hannes: Exakt, und das wollten wir parodieren. Wir wollten sagen: (äfft nach) "Wir sind die Armen, Ausgestossenen! Nur weil wir lustig sind, werden wir unterdrückt!" Das ist eigentlich so unsere Absicht mit dem Lied. Vielleicht ist dir aufgefallen, dass dieser Song auch so ein bisschen den Sound beider Bands aufweist, und so ist der Song eigentlich gemeint. Wir fühlen uns nicht wirklich unterdrückt. Wir haben nämlich in den 27 Jahren J.B.O. gelernt, dass es Leute gibt, die uns wirklich sehr gerne haben, lieben und toll finden. Und es gibt Menschen, welche uns abgrundtief hassen, und wir haben in den 27 Jahren gemerkt, dass dies das Beste ist, was uns passieren kann.

MF: Also ihr müsst den Stinkefinger gar nicht den Leuten zeigen, die euch hassen, sondern findet es gut, dass es diese gibt.

Hannes: Nein, denn wenn jemand schlecht über uns schreibt, macht er auch Werbung für uns. Das habe ich nicht immer gewusst. Als die ersten Leute schlecht über uns geschrieben haben, dachte ich (äfft nach) "böhh, wir machen doch nur Spass. Wieso sind jetzt plötzlich alle böse auf uns?" Inzwischen habe ich gelernt, dass es das Beste ist, was uns passieren kann. Deswegen fühlen wir uns davon nicht unterdrückt. Wir wollten diese Bands parodieren. Ich habe mittlerweile Zugang zu den Menschen hinter den Kulissen. Zum Beispiel zu den Böhsen Onkelz. Ich finde nicht und ich weiss es, dass die Böhsen Onkelz keine Nazis sind. Das stört mich auch nicht. Was mich an den Onkelz stört ist, dass sie so tun, als wären sie die armen Ausgestossenen, aber gleichzeitig das Geld mit dem Lastwagen nach Hause fahren. (äfft nach) "Aber wir sind die armen, welche vom Mainstream keine Chance gegeben kriegen, und die Gesellschaft schliesst uns aus. Das ist ja okay, aber sie geben uns Millionen von Euros. Aber sie stossen uns aus!!!" Das finde ich lächerlich, und das wollten wir parodieren. Und deswegen haben wir uns etwas gesucht, wie wir als J.B.O. denn unterdrückt werden könnten.

MF: Wie viele Leute waren da bei den letzten Onkelz-Konzerten?

Hannes: 100'000 oder 130'000. Das ist also eine arme kleine Band, der keine Chance gegeben wird.

MF: Genau. Wir gegen den Rest der Welt.

Hannes: Dazu muss ich sagen, dass wir am Lausitz-Ring gespielt haben. Da waren 120'000 Leute und das Publikum hat sich in meiner Wahrnehmung von einem Wacken oder Rock im Park-Publikum nicht unterschieden.

MF: Da war ja auch diese Angst für Wacken 2004, als die Onkelz aufgetreten sind. Da kommen jetzt die Nazi-Fans, und dann war es doch total friedlich.

Hannes: Schau dir mal an, wie viele Autos den Böhse Onkelz-Heckkleber hinten drauf haben. Das sind nicht alles Nazis. Da war auch nicht mehr Gewalt oder irgendwie.

Wolfram: Die fühlen sich halt teilweise etwas benachteiligt. Die fühlen sich halt schon ein bisschen ausgestossen.

Hannes: Was mich eher an der Band stört, ist, dass der Sound für mich eher eindimensional klingt. Ich würde mir nie eine Onkelz- oder Frei.Wild-CD kaufen, weil es mich musikalisch langweilt.

Vito: Es ist halt ein wenig stumpf.

MF: Aber das machen sie perfekt.

Hannes: (lacht) Aber von wegen stumpf. Das sind Lieder von Jennifer Lopez auch, aber ...

Vito: Und gewisse Lieder von J.B.O. sind auch stumpf.

Hannes: Nein (lacht)!

MF: Euer Lied «Angie» wurde an verschiedenen GIDA-Demonstrationen gespielt.

Wolfram: Wusstet ihr eigentlich, dass die Sammelbezeichnung dieser Vereinigungen «Gedisten» heisst?

Hannes: Wir sind nicht die einzige Band oder die einzigen Künstler, denen so was passiert. Die nehmen halt, was sie brauchen. Zum Glück kann man dagegen rechtlich vorgehen. Es ist nur die Frage, wie lange es dauert.

Vito: Man kann dagegen rechtlich vorgehen, dass dieses Video gelöscht wird.

Hannes: Genau.

Vito: Aber man kann ihnen nicht verbieten, den Song zu spielen.

Hannes: Aber das Video im Internet kann man wirklich löschen lassen.

MF: Ich finde es lustig, dass ihr jetzt den Spruch "immer pink und niemals braun" benutzt. Schandmaul hatten mal dasselbe Problem und daraus "lieber bunt statt braun" gemacht.

Hannes: Schau dir an, was momentan in Amerika passiert. Wenn der Donald Trump «We Are The Champions» spielt, müssen Queen auch dagegen klagen. Es dauert dann aber drei Monate für alles. Wir sind nicht die einzige Band, die so ein Problem hat. Je älter ich werde, desto besser kann ich mich damit abfinden, dass es Idioten gibt. Es gibt nun mal, genauso wie es Glatteis und Rosenkohl gibt, gibt es auch Idioten.

MF: Mir ist der Sketch auf der «Nur die Besten werden alt» haften geblieben. «Ich sehe Idioten - überall!»

Vito: Genau.

Hannes: Beim Autofahren merkt man es besonders.

MF: Wenn wir schon bei "Nur die besten werden alt" sind. Zum Lied «Waldfee»: Den Ausdruck gibt es in der Schweiz nicht.

Hannes: Den gibt es hier nicht? "Am Arsch, die Waldfee"?

MF: Nein, aber ich finde den herrlich. Den müsste man hier einführen.

Vito: Das ist lustig.

Wolfram: Das wussten wir jetzt auch nicht, dass es den Ausdruck in der Schweiz nicht gibt.

Vito: In Wirklichkeit heisst es ja immer: "Holla, die Waldfee".

Hannes: Aber "Am Arsch, die Waldfee" gibt es auch. "Am Arsch, die Räuber" kenne ich noch.

Vito: Ja genau. Ich habe gerne solche Sprüche.

Hannes: Wie kann man das erklären? Das heisst so viel wie...

MF: Gut, der Song erklärt es ja eigentlich.

Vito: Genau, der Song erklärt es.

MF: Ist das ein generell deutscher Ausdruck oder eher ein typischer aus Erlangen?

Vito: Ich glaube jetzt nicht, dass das ein regionaler Ausdruck ist. Das verwenden manche und manche auch nicht so.

Hannes: Das heisst in etwas so viel wie "Du mich auch!".

MF: Eine ganz andere Frage: Was ich bei euren Konzerten toll finde, ist, dass sie von der Setliste her immer sehr unberechenbar sind.

Hannes: Wie viele hast du denn schon gesehen?

MF: Vielleicht auf jeder Tour (seit ca. 2014) einmal.

Vito: Echt? Seit wann dann?

MF: Vielleicht nicht bei jeder Tour, aber immer wieder mal.

Hannes: Wie viele denn?

MF: Keine Ahnung, ich führe darüber keine Liste.

Vito: Wo gehst du dann immer hin?

MF: In der Regel irgendwo in der Schweiz, wenn ihr da seid.

Vito: Also spannend.

MF: Also nicht immer, aber wenn es vom Ort und dem Datum her passt, immer wieder gerne. Wechselt ihr die Setliste ständig?

Hannes: Also es gibt einige Lieder, die wir immer spielen müssen, sonst werden wir gelyncht. Also wenn wir «Ein guter Tag zum Sterben», «Bolle», «Verteidiger des Blödsinns» oder «Ein Fest» nicht spielen, dann sind die Leute zu recht sauer. Den Rest wechseln wir gerne und oft. Nicht zuletzt auch deshalb, weil wir selber nicht immer dasselbe spielen wollen.

MF: Das von Konzert zu Konzert oder von Tour zu Tour?

Vito: Von Tour zu Tour.

Hannes: Ich glaube ja, dass einer der Gründe ist, wieso wir nach 27 Jahren immer noch erfolgreich touren, dass die Leute merken, dass wir selber Spass an den Auftritten haben. Weil ich habe leider schon einige, vor allem amerikanische Bands gesehen, bei denen ich das Gefühl hatte, dass der jetzt froh ist, wenn es vorbei ist. Aber er braucht das Geld, deswegen macht er es jetzt, aber eigentlich hat er null Bock hier zu sein, und ich glaube uns merkt man an, dass wir Spass da oben haben. Und um uns den zu erhalten, können wir nicht fünfzehn Jahre lang die gleichen Songs spielen.

MF: Kommen wir zur letzten Frage. Ihr seid im Herbst/Winter ziemlich aktiv auf Tour. Gibt es Orte, wo ihr euch besonders drauf freut?

Vito: Wir freuen uns generell auf jedes Konzert.

Hannes: Das ist jetzt nicht einfach so dahin gesagt, sondern es ist so: Es gibt Städte in denen spielen wir jetzt seit zwanzig Jahren regelmässig, wie Stuttgart, Hamburg, München und Köln. Und wenn wir in fünf Jahren drei Mal in Köln spielen, dann sind diese drei Konzerte jedes Mal unterschiedlich. Es ist nicht so, dass in der Stadt ein Konzert immer so ist, und in der Stadt ist es immer so. Sondern es sind immer andere Menschen da, es ist ein anderer Tag, wir sind anders drauf. Wir werden sehen, wo es am schönsten sein wird. Das weiss man nicht vorher.

MF: Dann wünsche ich euch eine Super-Tour.

Hannes: Danke schön!