Interview: Kadavar

By Roolf
 
Desinteresse an Texten in Deutschland.


Was braucht es für ein perfektes Interview? Sicher mal eine coole Location, wie es das KiFF mit seiner sehr zuvorkommenden Crew sicher ist, einen coolen Tourmanager, der alles im Griff hat, und natürlich einen sympathischen Interviewpartner, der auch ohne irgendwelche Starallüren etwas zu sagen hat. Genau so ein Typ ist Christoph "Lupus" Lindemann von Kadavar und er hat so einiges aus dem Nähkästchen geplaudert, dass ihr Euch gerne nachfolgend zu Gemüte führen dürft!

MF: Mit vier Alben in nur fünf Jahren habt ihren einen gewaltigen Output, der aber von extrem hoher Qualität ist! Woher nehmt ihr all diese Inspirationen?

Lupus: Wir haben irgendwie unseren Groove gefunden, mit diesem Zyklus zwischen Tour und Albumproduktion und fühlen uns so wohl dabei. Wenn man bedenkt, dass früher Bands wie die Beatles zwei Alben in einem Jahr veröffentlicht haben, dann ist unser Tempo gar nicht so aussergewöhnlich!

MF: Was bedeutet euch Berlin, und hat diese Stadt immer noch diesen aussergewöhnlichen Groove?

Lupus: Berlin ist vor zehn Jahren zu unserer Heimat geworden, und jeder kann noch immer das finden, was er sucht! Berlin hat einen anderen Rhythmus als der Rest von Deutschland, sogar als der Rest von Europa, deshalb kommen auch Leute aus London oder Paris nach Berlin! Für mich ist Berlin eine entspannte Metropole und noch bezahlbar! In einer anderen Stadt wäre es uns nicht möglich, nur als Musiker zu leben!

MF: Euren Bandraum habt ihr von Wedding nach Neukölln verlegt. Das sind Stadtteile, die eher von einer anderen Musikrichtung, nämlich Rap, bekannt sind. Was sind die Gründe für die Standortwahl?

Lupus: Das stimmt schon, dass sind aber auch typische Stadtteile, in denen früher vorallem Arbeiter gewohnt haben und bis heute bezahlbar geblieben sind.

MF: Ist es eine grosse Kunst, sich in eurer Musik nicht selbst zu kopieren?

Lupus: Mit dem neuen Album sind wir sehr breit aufgestellt und wir haben viele Stile von Southern Rock bis Doom auf "Rough Times" gepackt. So unterscheidet sich die A- von der B-Seite gewaltig und jeder, der die Platte schon gehört hat, macht einen anderen Song zu seinem Lieblingssong! Wir haben uns mit «Rough Times» einen Status erarbeitet, der es uns erlaubt, sämtliche Freiheiten beim nächsten Album zu haben!

MF: Bei Kadavar läuft vieles in der Do-It-Yourself-Schiene ab. Wäre die logische Konsquenz nicht daraus, alles selbst zu machen und zwar ohne Label?

Lupus: Ich bin sehr gerne Herr über alles und gebe sehr ungerne Verantwortung irgenwelcher Art ab! Natürlich wäre es die logische Konsequenz alles selber zu stemmen! Aber es wäre vermessen zu glauben, dass wir die selben Kontakte und den selben Einfluss wie ein renommiertes Label wie Nuclear Blast hätten. Nuclear Blast haben auch immer einen Superjob gemacht. Mit «Rough Times» haben wir unser drittes Album für Nuclear Blast abgeliefert und sind jetzt vertragslos. Für ein eigenes Label fehlt uns aber die Zeit!

MF: Euer Kleidungsstil ist nicht gerade von der Stange. Wie wichtig ist euch euer Erscheinungsbild im Gesamtkontext?

Lupus: Wir kleiden uns genauso bewusst, wie wir die Musik bewusst machen! In den Anfangstagen war das Erscheinungsbild sogar noch wichtiger, und wir hatten in den ersten beiden Jahren mehr Fotoshootings als Songs! Die Frau von Tiger, dem Drummer, ist Designerin und entwirft einen Teil unserer Bühnenklamotten. So haben wir eine coole Ästhetik!

MF: Ihr seid schon mit dem ersten Album ab durch die Decke und habt auch anschliessend sehr gute Kritiken erhalten! Habt ihr eine Steigerung von Album zu Album bemerkt?

Lupus: Das erste Album war noch ein Geheimtipp. Mit dem zweiten Album feierten wir unseren Einstand bei Nuclear Blast und uns wurde schon "Ausverkauf" vorgeworfen. Mit der dritten eher poppigen Platte haben wir uns endgültig aus dem Underground verabschiedet, und da wurden auch wieder einige kritische Stimmen wach. Erstaunlicherweise gab es für unsere vierte Platte eigentlich nur gute Kritiken, was aber sicher am Abwechslungsreichtum von «Rough Times» liegt!

MF: «Rough Times» ist wesentlich härter als noch «Berlin» ausgefallen. Liegt das an den rauhen Zeiten, in denen wir uns aktuell befinden?

Lupus: Vor zwei Jahren hätten wir ein solches Album wie «Rough Times» noch nicht schreiben können! Der Titel wie auch das Artwork standen schon fest, bevor wir einen einzigen Song geschrieben hatten. Und ja, wir befinden uns wirklich in anderen Zeiten und «Rough Times» ist auch eine Antwort auf das eher poppige «Berlin»-Album!

MF: Wie wichtig ist euch die textliche Botschaft, und wird diese von den Fans auch wirklich wahrgenommen?

Lupus: Interessanterweise wurde ich in Frankreich fast in jedem Interview auf die Texte angesprochen, während ich in Deutschland in keinem Interview auf die Text angesprochen wurde. Während in Frankreich die Literatur einen hohen Stellenwert besitzt, ist es in Deutschland wichtiger, dass der Beat so richtig knallt und die Musik abgeht! Für mich sind die Texte sehr wichtig, eigentlich schade, dass die meisten Leute sie gar nicht wahrnehmen!

MF: Nach drei Covers mit Fotos habt ihr euch jetzt für ein gezeichnetes Bild entschieden. Wie seid ihr zu diesem Bild gekommen?

Lupus: Zu «Rough Times» habe ich kein passendes Foto gesehen, so habe ich mich im internet umgeschaut und bin auf das Bild von diesem Typ aus Kalifornien gestossen. Ich habe ihm das Bild abgekauft und als Cover für «Rough Times» verwendet, wenn auch die Plattenfirma zuerst gegen dieses nicht verkaufsfördernde Cover war!

MF: In «The Lost Child» pfeift ihr euch fast um den Verstand! Wer hat dieses wunderbare Pfeif-Solo, das sogar einen Klaus Meine vor Neid erblassen lassen würde, eingepfiffen?

Lupus: Das war unser Drummer Tiger, weil er sich in unserem internen Pfeif-Kontest als Sieger behaupten konnte! Es war aber auch seine Idee mit der ganzen Pfeiferei!

MF: Da es sich bei Kadavar um vieles in vergangener Zeit dreht, war früher wirklich alles besser?

Lupus: Ganz klar: Nein und auf keinen Fall!

Im Anschluss an dieses Hammer-Interview kamen Kadavar auf die Bühne und zeigten auf, wie unglaublich viel Power von drei Leuten ausgehen kann! Eine Show, die man gesehen haben muss, und ich freue mich schon jetzt, wenn es wieder heisst: Kadavar live on stage!!!