Interview: Lamb Of God
By El Muerte
Lamb Of God gehören mitunter klar zu den Gewinnern, wenn man die schwermetallische Statistik der letzten Jahre betrachtet. Die Band beackert nun schon seit knapp 19 Jahren die Bühnen dieser Welt, konnte aber erst in den letzten Jahren mit der Unterstützung des Plattenmajors Sony/BMG durchstarten - Das dann aber auf allen Fronten. Nicht nur, dass Sony/BMG damit ein Coup gelungen ist, der seinesgleichen sucht - Auch die Band profitiert klar vom Deal mit dem omnipräsenten Label. Tatsache ist allerdings auch, dass Lamb Of God den Erfolg mehr als verdienen, kaum eine andere Metalband dieses Planeten ackerte sich den den Weg so geradlinig nach vorne. Praktischerweise lässt sich das Quintett aus Virginia / USA dabei auch noch gerne auf die Finger gucken, und so sind mittlerweile bereits drei Dvds mit Tonnen an Doku-Material erhältlich - Bei der Sichtung dieser Informationen wird aber schnell klar, dass Lamb Of God von den Musikern auch Tribut fordern… Die Schlägerei zwischen Fronter Randy und Gitarrist Mark Morton auf der Tour zum Album 'Ashes Of The Wake', die auf der Live-DVD 'Killadelphia' verewigt wurde, ist mittlerweile wohl mindestens genauso legendär wie die Mucke des Albums. Randy selber kommt dabei relativ schnell als kauziges Kerlchen weg, dessen Temperament oftmals für gestresste Situationen sorgt. Dass der Fronter aber für Lamb Of God zuerst mal eben seine Drogen-Vergangenheit aufräumen musste, und dafür auch noch vor dem Richter auftanzte, das wird dabei gerne vergessen. Mittlerweile haben sich die Wogen aber klar geglättet, und aus dem einstigen Sturkopf ist ein gemütlicher Zeitgenosse geworden, der seine Energie nun endlich auf die richtigen Ziele lenkt.

Zum Interview um 18 Uhr bei der Schüür in Luzern tauchte er dann erstmal völlig verpennt auf, was sich aber nach einer Tasse starkem Kaffee relativ schnell legte. Offenbar war Randy mit einigen Crew-Mitgliedern am Abend zuvor in der Alten Metz in Zürich am feiern, mit der Absicht, Besitzer Martin Eric Ain (Ex-Celtic Frost) zu treffen - Woraus laut Randy's Aussage dann leider nix wurde…

Metal Factory: Also, wie läuft die Tour bis jetzt?

Randy Blythe: Gut, danke.

MF: Wenn ich das richtig kapiert habe, dann seid ihr jetzt gerade mit Metallica auf Tour, und ihr spielt zudem an den freien Tagen noch Headliner-Shows - Stimmt das so?

RB: Ja, wir machen das so… Da sind Mastodon, wir und Metallica dabei, und wir spielen in Arenen und so. Wir haben dabei auch einige Festivals gemacht, wie das Sonisphere, mit Metallica. Und an freien Tagen schaut's dann so aus.

MF: Letztes Jahr habe ich die Presse-Verantwortliche von Roadrunner Records getroffen, und sie hat mir erklärt, dass ihr euch darüber bewusst seid, dass ihr Europa lange ignoriert habt - Wie ist es dazu gekommen, dass ihr 2.5 Jahre lang nicht mehr hier gespielt habt?

RB: Nun, Sony, unser Label in den Staaten, macht gute Arbeit für uns - In den Staaten. Aber hier drüben haben sie uns keine Presse verschafft, wir mussten das selber machen, weisst du? Ich meine… Ich weiss nicht, wie man eine Tour bucht, oder eine Presse-Tour. Also war es hart für uns, hier zu arbeiten, die Leute kriegten unsere Scheiben nicht. Sony/BMG, die vergassen einfach, unsere Platte hier zu veröffentlichen, was ja aber eigentlich ihr Job sein müsste als Platten-Label. Jetzt sind wir hier bei Roadrunner, die machen das viel besser. Die machen die Arbeit, die wir schon vor Jahren hätte in Angriff nehmen sollen.

MF: Ich würde die ganze Label-Sache gleich noch gerne weiter diskutieren, aber vorerst möchte ich noch kurz über's neue Album sprechen - 'Wrath' wurde generell von der Presse sehr wohlwollend aufgenommen. Wo siehst du den Hauptunterschied zu 'Sacrament'?

RB: Die Produktion ist nicht so glatt. Wir haben während den Aufnahmen zu 'Sacrament' viel über Studio-Techniken gelernt, weisst du? Aber diese Scheibe erwischt die Band… Wir sind eher eine Live-Band, so klingen wir, nicht wie eine glatte Studio-Band. Ich glaube, da ist die Band einfach am besten.

MF: Diese Scheibe scheint dabei auch bei weitem aggressiver zu sein - Wo kommt das her?

RB: (O-Ton) It's what we do. Hahahaha!

MF: Ok, lass es mich andersrum fragen: Wie hat Produzent Josh Wilbur diese Scheibe beeinflusst?

RB: Josh… Wie gesagt, für die letzten beiden Scheiben haben wir mit Machine gearbeitet, und dabei eine Menge zum Thema gelernt. Aber Josh konnte uns in den besten Momenten im Studio einfangen, anstatt, wie Machine, über dem Klang zu brüten, und dabei eine Million Gesangs-Spuren zu machen, und so weiter. Er hat es einfach geschafft, die Intensität einzufangen.

MF: Also ist Machine eher ein technischer Produzent?

RB: Machine ist ein sehr, sehr, sehr technischer Kerl. Ich meine, er hat uns extremst geholfen - Ich liebe beide Scheiben, die wir mit ihm gemacht haben. Ich denke das sind grossartige Alben, aber es sind zwei unterschiedliche Weisen, die Sache anzugehen. Ich hasse Aufnehmen eh, also… (Lacht lauthals).

MF: Wenn Lamb of God deiner Meinung nach eher eine Live-Band sind, wie stark stützt ihr euch dann im Studio auf Post-Production und Schneiden ab?

RB: Aaehm… Das Editieren auf dieser Scheibe war um einiges schneller beendet, lass es mich so ausdrücken. Es wurde nicht viel bereinigt, weisst du? Etwas hinzufügen… Ich meine, da waren ein paar nachträgliche Gitarren-Soli, sowas halt. Aber definitiv nicht zu viel.

MF: Wenn wir schon gerade über Studio-Arbeit sprechen - Wie kommt es, dass 'As The Palaces Burn' diesen dumpfen Sound hat?

RB: Nun, die Aufnahmen… Devin (Townsend, damaliger Produzent) hat getan, was er konnte. Aber zu diesem Zeitpunkt waren wir auf einem kleineren Label, wir hatten kaum ein Budget, wir hatten einen 24-Stunden-Aufnahmeplan - Irgendwer war immer im Studio, die ganze Zeit. Er arbeite etwa 18 Stunden pro Tag, ich habe den Gesang quasi im Alleingang gemacht. Es war also wirklich eine Frage des Budgets und der Zeit.

MF: Ok, cool. Zurück zum Thema, diese Label-Geschichte…

RB: Mhm…

MF: …Es scheint so, als ob ihr seit dem Deal mit Sony/Roadrunner wirklich wunderbar locker vorankommt - Ist das wirklich so, oder trügt der Schein?

RB: Nun, in Europa… Der Grund, weswegen wir bei Roadrunner untschrieben haben, ist, dass Sony/Epic einfach nicht wusste, wie wir International zu platzieren waren - Roadrunner ist ein fucking Metal-Label. Europa ist ein Metal-Kontinent. Die wissen, wie man das da handhabt. Also ja, jetzt läuft es wirklich locker. Aber in den Staaten, da ist Sony/Epic wirklich gut für uns. Hier drüben, da war das leider nicht der Fall - Es war wie zwei separate Firmen, verstehst du? Sony/BMG sind hier ein komplett unterschiedliches Label. Also ja, jetzt läuft es wirklich besser.

MF: An welchem Punkt schreiten Sony/BMG eigenlich ein, wieviel Freiraum lassen sie euch?

RB: Ich tue, was immer ich will. Und ich hatte Angst, bevor wir bei diesem Major-Label unterschrieben haben. Aber bei der ersten Diskussion habe ich ihnen klar gesagt «You can't fuck with us! Ihr könnt uns nicht sagen, was wir zu schreiben haben! Ihr könnt uns nicht sagen, was wir produzieren sollen, über was wir zu schreiben haben, nichts von dem Scheiss, erwartet keinen Top40-Song, es wird nicht geschehen». Und sie haben sich uns nie in die Quere gestellt.

MF: Lässt sich aus der Sicht des Labels erklären, wie sie dazu kommen, euch unter Vertrag zu nehmen? Ihr seid wahrscheinlich die extremste Band bei einem Major unter Vertrag… Denkst du, das war ein Experiment?

RB: Ja… Wir sind wohl tatsächlich eine der extremsten Bands bei einem Major-Label. Ich glaube, dass die sich angeschaut haben, was wir bis hierhin selber aufgebaut haben - Wir hatten bereits eine ziemlich grosse Anhängerschaft. Und dann sind sie zu Shows von uns gekommen, und ich glaube sie haben dann realisiert… Ich meine, eine Plattenfirma ist Business - Sie wollten einfach ein Stück von dem, was wir schon hatten, verstehst du?

MF: Ja, ich denke schon.

RB: Also wussten sie… Man versucht nicht, etwas zu flicken, wenn es nicht beschädigt ist - und das war bei uns auch nicht der Fall. Wir müssen nicht zwingend bei einem Major sein. Wenn Sony/Epic uns morgen fallen lassen würden, könnten wir locker von einem der Millionen Labels in den Staaten aufgepickt werden. Aber so weit behandeln sie uns wirklich gut… Keine Ahnung, ob das ein Experiment war, ich würde es einen 'Wohlbedachten Gedanken' nennen.

MF: Ok, cool - Das wär's dann auch schon gewesen im Zusammenhang mit dem Deal. Geschäftsmässig scheint die Sache für euch ziemlich Old-School zu laufen - Ihr spielt Shows, verkauft Platten, beide Aspekte laufen mehr als gut. Was würdest du Bands raten, die sich nicht auf die klassischen Wege der Promotion verlassen können?

RB: Ich habe das letzthin bereits mit einem jungen Fan in Frankreich besprochen. Ich dachte einfach «Scheisse!», haha… Ja, ich meine, wir haben halt schon viel selber gemacht, und dann bei 'nem Label unterschrieben, und da war der Markt nicht halb so schlimm dran wie jetzt. Ich kann dir den Rat geben, dem ich jedem da draussen mitgebe, egal ob ihr bei einem Label unter Vertrag steht, oder nicht: Geht raus, und spielt - Immer, überall. Spielt überall, so holt ihr euch die Fans. Aber ja, they are fucked (O-Ton). Hahaha!

MF: Ihr kommt in zwei Wochen mit Metallica und Mastodon zurück in die Schweiz - Wir werdet ihr auf dieser Tour behandelt?

RB: Ich meine, die sind wirklich gut zu uns. Aber wir spielen halt auf ihrer Bühne, und die ist in der Mitte des Saals. Und Lars' Drumkit ist da in der Mitte, also… steht unseres irgendwo an der Seite. Was die Produktion angeht, da sind wir sowieso keine 'flashy' Band. Ich gehe genau so wie ich jetzt vor dir stehe auf die Bühne, ich knall' mir kein Make-Up oder so drauf. Das ist schon ok so. Es ist nicht unsere Show, verstehst du? Aber so ist es, wenn du mit Metallica auf Tour gehst. Ich würde lieber ein paar Sachen verpassen und mit Metallica auf Tour sein, und sagen können ich habe mit Metallica die Welt bereist und mich prächtig amüsiert, als alles perfekt auf meine Vorgaben zugeschnitten zu haben.

MF: Wechselt ihr eigentlich mit Mastodon die Position ab?

RB: Nein, Mastodon beginnen, dann wir, und dann Metallica.

MF: Und wie reagiert das Metallica-Publikum auf euch?

RB: Aehm… Es scheint so, als ob sie uns mögen. (Lächelt amüsiert) Wir bringen natürlich auch unsere eigenen Fans mit. Es ist also nicht so, als ob man uns nicht kennt. Unsere Fans sind eh meistens irgendwo vorne an der Bühne. Die sind die bösen Jungs im Publikum, oder sowas in der Art. Und wir tendieren zudem dazu, während dem Set das Publikum für uns zu gewinnen…

MF: Wie lange hat es gedauert, bis du dich an das runde Set-Up gewohnt hast?

RB: Ja, das ist schon was anderes. Ich benutze zum ersten Mal ein kabelloses Mikrofon, weil ich die ganze Zeit rumrenne, und da mit einem Kabel alle ziemlich anpissen würde. Es hat ein paar Shows gedauert, bis wir uns daran gewöhnt haben, aber jetzt haben wir den Groove. Aber es ist definitiv was anderes, so ist es.

MF: Ok, lass uns zum nächsten Thema springen - Du scheinst immer etwas neben dem Rest der Band zu stehen, du hast dein eigenes Ding am laufen. Wie viel 'Randy' steckt eigentlich in 'Lamb Of God'?

RB: Verdammt viel, ich bin der Frontmann. Ich bin das Gesicht der Band, ich fahre den Wagen. Also…

MF: Und Kreations-mässig?

RB: Was die Texte angeht, da machen Mark (Morton, Gitarre) und ich alles zusammen. Ich spiele keine Gitarre…

MF: …Spielst du überhaupt ein Instrument?

RB: Nein, Hahaha. Es ist schon komisch, Lamb Of God besteht aus fünf Typen, wir sind alle wichtig für die Band, aber… Du hast natürlich recht, ich bin da schon etwas daneben. Ich bin einfach eine andere Sorte Typ, und das ist ok so - Wir kommen jetzt gut miteinander aus. Es ist ein wichtiger Part einer Band, der Frontmann zu sein. Wenn der Frontmann eher was nebensächliches wäre, dann wäre es eine komische Band… Also würde ich sagen, dass ich schon eine grosse Rolle trage.

MF: Bei unserem letzten Interview warst du gerade dabei, ausserhalb der Venue in Winterthur die Namen 'Celtic Frost' und 'Hellhammer' in einen Holzstock zu ritzen…

RB: Yeah, mein Hellhammer-Stock!

MF: …Konntest du dir eine Reunion-Show der Jungs angucken?

RB: Nein, und das kackt mich an. Weil ich Freunde habe, die mit ihnen auf Tour waren. Ich habe damals 'Hellhammer' in den Stock geritzt, weil der Tourmanager von Children Of Bodom, die damals mit dabei waren, aus der Schweiz ist, er war der Drummer von Hellhammer. Der Stock war für ihn gedacht…

MF: Hörst du dir viel solches altes Material an, oder hörst du auch moderne Musik?

RB: Ja, eine ganze Menge Old School-Punk, alten Metal… Ich höre gar nicht so oft Metal, weil ich das eh schon die ganze Zeit um mich habe. Wenn ich ein, zwei Monate, oder gar drei, vier nicht mehr auf Tour bin, dann fange ich damit wieder an. Aber ansonsten höre ich viel alten Reggae, Dub, letzthin auch schräges Ambient-Material, wie etwa Mogwai, Mono, Isis… kennst du die?

MF: Ja klar, die spielen in einer Woche in der Schweiz - Heisses Material.

FB: Ja? Oh, die sind ja mit Pelican unterwegs, ich liebe dieses Zeugs! Da gibt es noch diese Band aus Italien, die heissen Vanessa Van Basten, zwei Typen, die sind genial…

MF: Haut das in die gleiche Kerbe?

RB: Irgendwie schon, aber es ist ziemlich schräg. Musst du dir anhören, Vanessa Van Basten heissen die - findest du auf Youtube.

MF: Toll, werd' ich machen.

RB: Und, wenn ich schon gerade in der Schweiz bin… ich höre momentan viel The Young Gods…

MF: Hast du die erst jetzt entdeckt?

RB: Oh nein, die höre ich schon seit 1989… (Beginnt, einen Young Gods-Song zu brummen)

MF: Ich glaube die stecken gerade in Venedig, und produzieren zusammen mit einem weiteren Künstler eine Multimedia-Show für Swatch…

RB: Cool!

MF: Du hast letzthin auch etwas geschauspielert, dann gibt's da noch dein Seiten-Projekt 'Halo Of Locusts'… Kommt da noch mehr?

RB: Ja, ich habe halt momentan nicht die Zeit, alles zu machen.

MF: Kannst du mir etwas über den Film erzählen, in dem du mitspielst?

RB: Ja, er heisst 'The Graves', und wird hoffenlich anfang 2010 veröffentlicht. Es ist ein Horror-Film… Ich werde keinen Preis für meine schauspielerische Leistung kriegen, aber da gibt's Blood und so weiter… (Grinst breit). Kennst du den Film 'Candyman'?

MF: Ja, klar!

RB: Nun, der schwarze Kerl aus 'Candyman', Tony Todd… Ich bin sowas wie seine rechte Hand in diesem Film. Ich halte die Leute am leben…

MF: Ist es eher eine Indie-Produktion?

RB: Es gab ein ordentliches Budget, einfach eine kleine Produktion, aber trotzdem… Ich meine… hoffentlich wird der Film einen guten Vertrieb kriegen. Aber er wurde nicht auf einer von Hand gehaltenen Kamera gefilmt, wenn du das meinst (Grinst).

MF: Ok, cool. Hast du sonst noch was zu euren Schweizer Fans zu sagen?

RB: Nun… Aehm… Danke, dass wir hier sein dürfen - wir kommen zurück!

MF: Hast ihr bereits Pläne, hierher zurückzukehren?

RB: Nach der Tour mit Metallica gehen wir nach Hause, da gibt's dann erst mal sechs Wochen Pause, und dann gehen wir mit Metallica in den Staaten für zwei weitere Monate auf Tour, dann gehen wir fast bis Weihnachten nach Australien/Neuseeland, und dann beginnt alles wieder von vorne.

MF: Ok, besten Dank für's Interview und bis dann!

RB: Danke, war ein tolles Interview.



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