Interview: Legenda Aurea
By Roger W.
Ein neuer Stern am Schweizer-Metal Himmel leuchtet mir seinem zweiten Album „Ellipsis“ noch heller als zuvor. Reichten die Funken im dem Debut-Album bereits nach Deutschland, wo sie von Twilightzone Records gleich unter Vertrag genommen wurden, beweisst nun der Zweitling, dass es sich bei Legenda Aurea nicht um eine Eintagsfliege handelt. Dass die Band an sich glaubt, beweisst sie nur schon dadurch, dass sie extra nach Schweden geflogen ist, um den Silberling in den Fascination Street Studios einzuspielen. Hier haben auch schon Grössen wie wie Opeth oder Amon Amarth aufgenommen. Umso weniger verwundert es, dass der Symphonc-Metal mit Frauengesang einige Härtegrade zugenommen hat und sich ebenfalls progressive Passagen eingeschlichen haben. Grund genug also, der Band auf den Zahn zu fühlen und sie über das Album-Konzept, die Zeit in Schweden und ihre Liveaktivitäten zu befragen. Auskunft gab die ganze Band inklusive der neuen Sängerin Simone Christinat (Ex-Felony) und dem neuen Schlagzeuger Philipp Eichenberger (ex-PX Pain).

Bassist Michael Herkenrath (MH), Gitarrist Odilo von Ins (OI), Keyboarder Renato Trinkler (RT), Sängerin Simone Christinat (SC), Schlagzeuger Philipp Eichenberger (PE)

MF: Legenda Aurea kommen neu nicht mehr nur aus dem Aargau, sondern aus der ganzen Schweiz.

MH: Also Hauptsächlich aus Zürich.

RT: Leider.

MF: Oh, da waren zwei böse Blicke aus Sarmenstorf (Aargau) und aus dem Kanton Schaffhausen, oder Stadt Schaffhausen selber?

SC: Ich bin aus der Stadt Schaffhausen.

MF: Sogar.

S. Ja, aus der schönen Altstadt von Schaffhausen.

MF: Die sollte man mal besichtigen?

SC: Ja, die sollte man unbedingt mal gesehen haben. Das ist wirklich ein „Muss“. Ich sage immer, dass das die schönste Stadt der Schweiz ist.

MF: Die Zürcher sagen da nichts dazu?

PE: Also rein von der Autonummer sind mir die Schaffhauser lieber als die Aargauer… Nein, war nicht böse gemeint. Es gibt da durchaus auch Ausnahmen.

MF: Ich komme darauf zu sprechen, weil das erste Album mindestens vom Songwriting her eine reine Aargauer Angelegenheit gewesen ist. Renato hat da ja alles geschrieben. Stimmt das soweit?

RT: Ja, das ist so richtig.

OI: Ja, das war so.

RT: Es war so, weil damals die Band noch nicht komplett war. Wir waren immer noch auf Mitgliedersuche. Und so habe ich das Meiste selber geschrieben. Beim zweiten Album waren wir dann als komplette Band am Materialschreiben, und es konnte sich jeder einbringen. Und das ist so der Grund, wieso ich beim ersten Mal fast alles selber geschrieben habe, und beim zweiten jetzt nicht mehr.

MF: Heisst das, dass sich die Neuen dann auch wirklich eingebracht haben?

RT: Ja.

MF: Wie sind denn die Songs nun konkret entstanden?

OI: Es ist bei uns grundsätzlich so, dass jeder, der eine Idee hat, diese in unser internes Internetforum reinstellen kann. Davon wählen wir dann das aus, was wir brauchen. Anschliessend wird ein Lied von der ganzen Band zusammen weiter entwickelt bis es schliesslich an einem Punkt gelangen, wo wir sehen, dass es so auf CD kann. Bei diesem Album kam jetzt das Meiste von mir, beim letzten war das Meiste von Renato. Es kann also gut sein, dass das Gros des Materials beim nächsten Album von jemand anderem kommt. Das ergibt sich einfach. Wir nehmen die Ideen von dem, welcher gerade die Besten Einfälle hat. Es kann auch sein, dass es sich mal gleichmässig durchmischen wird.

MF: Kurz vor den Aufnahmen zum zweiten Album, hat euch eure Sängerin verlassen. Was war los?

(Alle lachen)

MF: Was habt ihr mit dieser Dame gemacht?

PE: Nichts, nein gar nichts. Es gab gewisse Diskrepanzen, aber es kam für uns alle sehr überraschend. Es ist nicht ein wirklich cooles Gefühl, wenn man im Studio das Schlagzeug aufnimmt und in diesem Moment eine E-Mail mit der Nachricht bekommt, dass die Sängerin weg ist. Aber…

MH: Ich denke, da gab es einfach verschiedene Ansichten über die Band und ihre Zukunft. Claudia hatte schlicht andere Vorstellungen als der Rest. Und darum hat sie irgendwann gemerkt, dass es so nicht mehr weitergeht. Und schlussendlich war dieser Entscheid auch gut für uns. Wir hatten Glück, schnell wieder einen Ersatz gefunden zu haben. Als Ergebnis davon sind wir jetzt wieder 100 Prozentig bei der Sache. Also so, wie es auch sein sollte.

MF: Ihren Gesang hatte Andrea zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgenommen?

OI: Eigentlich wäre das Ziel gewesen, dass sie mit uns ins Studio nach Schweden kommt. Was dann logischerweise nicht mehr funktioniert hat. Dann hatten wir die Simi als neue Sängerin. Es war dann aber so kurzfristig, dass es für sie nicht mehr gereicht hat, das ganze Material aufzuarbeiten. Das waren wahrscheinlich so zwei oder drei Wochen gewesen, die sie dafür Zeit gehabt hätte. Und darum ist sie später noch separat ins Studio geflogen. Wir andern waren dann wie geplant dort. Und sie ging dann einfach später.

MF: Simon, wie bist du zur Band gekommen?

SC: Ich erhielt einen Anruf von Herki. Ich hatte Legenda Aurea eigentlich schon immer gekannt und auch bereits die erste CD. Die hat mir sehr gefallen. Ich war aber in dieser Zeit noch bei Felony. Als dann der Anruf von Herki kam, fiel es mir zuerst schwer, die Band zu wechseln, weil es mir eigentlich gut bei Felony gefallen hatte. Ich spürte und wusste aber, dass Legenda Aurea mein Sound ist. Und deshalb fiel mir dann die Entscheidung zum Wechseln trotzdem leicht. Ich habe, soweit ich mich erinnern kann, sehr schnell zugesagt. Also innerhalb von ein paar Tagen.

MF: Ihr wart ja dann in Schweden. Ich habe gehört, dass euer Aufnahmeleiter einige Machtworte gesprochen hat.

OI: Definitiv.

MH: Da mussten wir uns ein paar Sachen anhören (lacht).

MF: Wie streng war er?

MH: Wir wussten ja schon, dass es strenger sein wird als beim ersten Mal. Aber sie nehmen es wirklich extrem genau. Also es reicht nur schon ein kleines Seitenrutschen oder so, und es wird nicht akzeptiert. Wir dachten und wirklich, dass man gewisse Sachen dann anschliessend vielleicht zusammen schneiden kann, wenn es mal nicht ganz 100 Prozent sauber ist. Aber die kennen gar nichts. Das muss schon 120 Prozent perfekt aufgenommen werden, damit die das überhaupt mischen. Das war wirklich die Vorraussetzung.

PE: Aber ich glaube, dass Produkt spricht jetzt auch für sich. Wenn man es sich jetzt anhört.

OI: Wir hoffen das!

PE: Definitiv.

OI: Wir sind auf jeden Fall ziemlich unter die Räder gekommen. Es war schon fast eine Tortur, aber ich denke, dass uns das auch weiter gebracht hat und wir beim nächsten Mal davon profitieren werden. Dann kommen wir vielleicht ein Bisschen besser vorbereitet ins Studio. Von daher war das auf jeden Fall eine sehr positive Erfahrung.

MF: Heisst das, dass ihr jedes Stück perfekt am Stück durchspielen musstet?

OI: Nein, das nicht.

MF: Also, konntet ihr das Stück für Stück aufnehmen.

PE: Ja, denn diese Zeiten sind zum Glück definitiv vorbei, wo man alles am Stück aufnehmen musste (lacht). Und das sogar für die Schlagzeuger. Also früher hattest du mit den Bandmaschinen viel mehr das Problem, dass das mit den ausklingenden Becken richtig aufgenommen wurde, und du es nicht so gut schneiden konntest. Aber das ist heute eigentlich mehr oder weniger vorbei.

MF: Habt ihr heute Effektgeräte, die das ganze auffangen?

PE: Nein, du kannst das heute mit dem Computer ganz anders schneiden.

MH: Wir haben zwar Blut geschwitzt, aber schlussendlich muss man wirklich sagen, dass es gut geworden ist. Als wir die Aufnahmen zum ersten Mal gehört haben, wurde uns klar, dass es unbedingt auch nötig war, dass die Produzenten so hart bei der Sache geblieben sind und wir die Sachen zum Teil nochmals aufnehmen mussten. Das Ergebnis erreicht dafür jetzt auch wirklich internationalen Standart.

OI: Das ist ein Unterschied zwischen den Schweizer Studios und dem in Schweden, der uns wirklich aufgefallen ist. In der Schweiz fragt der Produzent dich oft, ob es gut gewesen ist? Und wenn man dann irgendwann mal „Ja“ sagt, kommt das auf die CD. In Schweden war es so, dass man einfach spielt und spielt. Das höchste der Gefühle ist dann ein Kommentar vom Produzenten im Stile von, dass es fast perfekt sei. Erst dann kann man es behalten. Aber das dauert oft lange.

SC: Der Produzent hat mir vor Beginn der Aufnahmen auch folgendes gesagt: „Ich weiss genau, du wirst mich hassen!“ Und nach dem ersten Tag habe ich ihn auch wirklich gehasst (lacht). Zum Schluss hatte ich ihn dann wieder lieb, aber er war wirklich ein ziemlicher „Tüpflischisser“. Aber wie die anderen bereits gesagt haben, musste das einfach so sein. Und es hat jeder auch sehr viel davon profitiert. Ich würde darum sofort wieder dort rauf fahren, es war wirklich super.

MF: Ihr habt mir im Vorfeld zu diesem Gespräch verraten, dass ihr beim Lied „Absondence Part I“ besonders oft geübt habt. Wie oft war das?

MH: Das hat sehr viele Takes gebraucht. Also vor allem weil wir…

OI: Also geübt haben wir den leider nicht so viel (lacht).

MH: Ja, und genau das war das Problem. Vor allem das erste Riff das man hört, war für mich am Bass relativ schwierig. Es war eigentlich sehr lustig. Ich glaube, ich habe 50 Minuten dieses Riff immer und immer wieder aufgenommen und zum Schluss dachten wir, dass wir das Stückchenweise aufnehmen müssen. Und nach einer Stunde habe ich dann schliesslich alles in einem Durchgang perfekt eingespielt. Das hätte mir eigentlich schon am Anfang passieren können (lacht).

MF: Wir sind ja immer noch beim Thema Schweden. Wieso habt ihr eigentlich in Schweden aufgenommen?

MH: Das ist eine lange Geschichte. Wir waren im Nachhinein mit der Produktion der ersten CD nicht mehr zufrieden. Wir fanden, dass wir vieles besser machen könnten. Und… wie bin ich auf dieses Studio gekommen…? Ich habe einfach bei gewissen CDs, die ich als schön und gut produziert empfinde, nachgesehen, wo die aufgenommen wurden. Also zum Beispiel bei Opeth oder Amon Amarth. Und da tauchte einfach immer wieder der Name der Fascination Street Studios auf. Die Idee war erst, dass wir in der Schweiz aufnehmen und das ganze dann in Schweden abmischen lassen. Als es dann hier aber Probleme in Sachen Studios gab, hat uns Jens, der Studiobesitzer und Mischer, gefragt, wieso wir nicht einfach nach Schweden kommen? Ich dachte mir dann erst, dass wir uns das gar nicht leisten können. Wir haben dann aber einen guten Weg gefunden, wie wir es arrangieren konnten.

OI: Es stellte sich schliesslich heraus, dass das Ganze viel billiger ist, als wir uns das vorgestellt hatten.

MH: Das war tatsächlich so.

MF: Also trotz Anreise war es billiger, als ihr dachtet?

OI: Ja, schon.

PE: Es ist in der Schweiz so, dass du entweder in die so genannt renommierten Studios gehst, wo du dich effektiv mehr oder weniger Dumm und Dämlich zahlst. Oder du gehst in eines der halbprofessionellen Studios und dann klingt es auch dementsprechend. Es gibt sicher auch in der Schweiz Studios, wo du diese Qualität erreichst, aber der Preis ist dann definitiv brutal anders. Also trotz Übernachtung und allem rundherum in Schweden, sind wir für die gleiche Qualität günstiger gefahren.

MF: Unterschrieben habt ihr jetzt bei einem deutschen Label.

MH: Genau, bei Twilightzone Records.

MF: Wie habt ihr diesen Deal erhalten?

OI: Das war noch aus der Zeit vom ersten Album Sedna. Wir brachten das zuerst im Eigenvertrieb raus.

MH: Das kam damals durch Non Stop Music zu Stande.

OI: Wir hatten ja damals bereits zusätzlich einen Vertrieb in der Schweiz, aber nicht wirklich ein Label. Und ich erhielt dann einfach mal einen Anruf von Twilightzone.

MH: Zuerst haben wir ja Sedna selber verkauft. Durch den Besitzer vom Knochenhaus kamen wir dann in Kontakt mit Non Stop Music. Der vertreibt in der Schweiz auch CDs für Twilightzone. Und als ich ihm dann gesagt habe, dass wir auch ein Label suchen, sagte mir Stefan von Non Stop Music, dass er mit Twilightzone Records von Deutschland zusammen arbeite und die sicher interessiert an uns wären. Ich sagte ihm dann, er solle da doch mal ein Bisschen Werbung für uns machen, und am nächsten Tag um 10.00 Uhr erhielt Odilo den Anruf von Twilightzone.

OI: So war das? Das weiss ich bereits nicht mehr so genau (lacht).

MF: Das Lied Resurrection dauert über acht Minuten. Wie schwer war es, dieses lange Stück zu schreiben?

OI: Das war nicht schwieriger als bei einem kurzen, das Lied dauert einfach länger (lacht). Das war vom Schreiben her eigentlich nicht anders.

RT: Und du schaust sowieso nie auf die Zeit, wenn du ein Lied schreibst. Da ist man einfach dran und am Schluss stellt sich raus, dass der Song so lange geworden ist.

MH: Ich glaube, dass es eher schwerer ist, ein kurzes Lied zu schreiben als ein langes.

OI: Ja, dem stimme ich zu.

MF: Der Produzent hat dieses lange Lied also akzeptiert und wollte es nicht noch auf viereinhalb Minuten kürzen?

MH: Nein, nein.

PE: Wir haben den grossen Vorteil, dass wir nicht unbedingt im Pop-Business sind. Und es darum nicht zwingend Radio- und Hitparadentauglich sein muss, wo der Produzent unter dem Druck der Plattenfirma steht. Bei uns schaut keine Plattenfirma, dass z.B. mindestens 70 Prozent der Songs Radiotauglich und deshalb dreieinhalb Minuten sein müssen. Von daher reden dir die Produzenten diesbezüglich nicht rein. Das ist glaube ich im Metal nicht so ein Problem.

MF: Neben einer neuen Sängerin habt ihr ja auch einen neuen Schlagzeuger.

PE: Tja… (lacht)

MF: Du spielst bald eines deiner ersten Konzerte. Oder ist es sogar dein erstes Konzert mit Legenda Aurea?

PE: Ja, die Plattentaufe wird das erste Konzert sein, bei dem ich für Legenda Aurea trommle. Die ist am Sonntag 19. April im Alpenrock-Haus in Kloten. Ich denke, dass das so das erste grössere Konzerthighlight sein wird. Wir werden dort eine eineinhalbstündige Show spielen und es werden sehr viele alte Songs und fast alle neuen kommen. Für die, welche jetzt Angst haben, dass es an einem Sonntag ist, sei gesagt, dass die Türöffnung bereits um 19.00 Uhr ist. Das Konzert wird aber spätestens um halb neun starten. Und für alle Zürcher: Am darauf folgenden Montag ist Sechseläuten und damit frei (lacht). Als Nichtzürcher kommt man aber sicher noch rechtzeitig nach Hause und muss am Montag darauf dann nicht bereits verpennt an die Arbeit. Das nächste Festival das bereits bestätigt ist, ist in Deutschland im Harz-Gebiet; das so genannte Rockharz-Festival in der Nähe von Berlin. Also etwas für alle, die nicht nur ans Wacken Open Air oder ans White Full Force Festival pilgern, sondern auch einmal ein kleineres Festival besuchen wollen. Wir spielen dort untere anderem zusammen mit J.B.O., W.A.S.P., Epica und Arch Enemy. Wir freuen uns riesig darauf.

MF: Ihr habt mit Twilightzone Records ein finanziell starkes Label hinter euch. Wie sieht es momentan mit einer amtlichen Tour als Vorband aus?

OI: Wir hätten noch mit der ersten CD die Möglichkeit gehabt, eine Europa-Tournee inklusive England, Deutschland und wahrscheinlich im Osten zu spielen. Wir waren damals glaube ich schon mehr oder weniger am Songwriting vom neuen Album. Damals wäre das als Support von Xandria gewesen. Das war aber leider genau in dem Moment, als unser alter Schlagzeuger Martin Roth nicht mehr bei uns und unser neuer noch nicht bei uns war. Wir standen zu dem Zeitpunkt also gerade ohne Schlagzeuger da und darum blieb uns diese Chance leider verwehrt. Aber es wird sicher wieder so etwas geben. Und wenn es was gibt, werden wir das sicher auch machen, das steht fest.

MF: Ihr habt mit F44.8 auch ein siebenminütiges Stück. Um was geht es dabei?

MH: Ellipsis ist eigentlich ein Konzept-Album, bei dem eine Frau im Mittelpunkt steht, welche an Multiple-Persönlichkeitsstörung leidet. Und in diesem Song bricht die Krankheit zum ersten Mal wirklich aus. F44.8 ist die Bezeichnung für diese Krankheit.

MF: Klingt spannend. Was passiert denn in den restlichen Songs?

MH: Das Album beginnt mit „Reflections“ als Vorgeschichte, in dem der Hörer erste Hinweise auf die Krankheit erhält, aber vorläufig noch im Dunkeln tappt. „The Root“ behandelt danach die Kindheit der Frau. Diese ist von wiederholten Vergewaltigungen und Gewalttaten des Vaters geprägt und die Wurzel der Multiple-Persönlichkeitsstörung. Im nächsten Lied „Parasomnia“ ist die Frau 30 Jahre alt und leidet an den Vorboten der Krankheit. Diese äussern sich mit Schlafwandel, Schlafstörungen und in ersten Störungen des Unterbewusstseins, bevor F44.8 im gleichnamigen Song ausbricht und sich die Persönlichkeit spaltet. Die Frau wird dadurch entmutigt und will sich in „Discouraged“ das Leben nehmen. Dies schafft sie aber nicht. Sie wird stattdessen in die Psychiatrie eingeliefert, wo in ihr gute gegen böse Stimmen zu kämpfen beginnen. Die Bösen setzten sich schlussendlich durch und die Frau flüchtet aus der Psychiatrie (Absondence Part I). Auf der Flucht setzt sich eine weitere Stimme durch, nämlich diejenige des Grössenwahnsinns. „Superbia“ handelt davon, wie die Frau sich plötzlich als Auserwählte sieht und beginnt, sich selbst zu überschätzen. Mit „Outbreak“ gibt es einen weiteren Kampf zwischen gut und böse. Verzweifelt nimmt sich die Frau schliesslich in der Ballade „Absondence Part II“ das Leben. Das Album wäre hier eigentlich zu Ende, wenn die Person im Instrumental „Purgatory“ nicht wiedergeboren würde. Dieses Lied beschreibt eigentlich den ganzen Weg vom Sterben zur Wiedergeburt. Das Album schliesst den Kreis im Abschliessenden „Resurrection“, in dem einige Riffs des Eröffnungstracks wiederholt werden. Die Frau erkennt dabei, dass sie auch als Wiedergeborene immer noch an der Krankheit leidet. Eine Stimme rät ihr darauf, sich dem Problem zu stellen und andere Wege zu finden. Selbstmord sei keine Lösung.

MF: Das ganze klingt ziemlich komplex. Habt ihr die Musik extra dem Konzept angepasst?

MH: Also einige Songs standen bereits, als wir das Konzept entwickelt haben. Von daher passten wir da die Texte den Songs an. Bei einigen Liedern aber standen die Texte zuerst und nicht die Musik. Da haben wir dann schon Rücksicht genommen. So haben wir bei „Outbreak“ zum Beispiel extra düstere Crowls eingebaut, um das böse „Ich“ dazustellen.

MF: Michael, du bist ja auch für die meisten Texte verantwortlich. Wie bist du auf diese Krankheit und ihre Geschichte gestossen?

MH: Ich hatte im Gymnasium Psychologie-Unterricht. Dabei befassten wir uns auch mit einem berühmten Arzt aus dem 19. Jahrhundert. Dieser war der Ansicht, dass man Kinder mittels Folter besonders effizient erziehen könne. Und er blieb nicht nur bei der Theorie, sondern probierte seine Methode auch gleich bei seinen eigenen Kindern aus. Schliesslich wählte jedes Kind unabhängig vom anderen den Freitod. Das eine wurde sogar ein erfolgreicher Anwalt, bevor es sich ebenfalls das Leben nahm. Diese Geschichte hat mich so fasziniert, dass ich schliesslich ein Album-Konzept entworfen habe und mich genauer über diese Krankheit informierte.

MF: Dann wünsche ich euch, dass ihr mit eurer Musik mehr Glück als diese Kinder habt. Vielen Dank fürs Interview.