Interview: Riotgod
By Kissi
Da glaubt man, das Jahr sei quasi gelaufen, die Top-Alben draussen, die Bestenliste für 2011 könne man eigentlich schon ausfüllen. Doch dann kommt «Invisible Empire» von Riotgod, ein Stück Rockmusik, wie man es schon lange nicht mehr gehört hat. Nach Led Zeppelin mit einer Extra-Portion Eiern klingt das, eingängig und doch ohne Verfallsdatum.

Dass man über eine solche Scheibe mehr erfahren will, versteht sich von selbst und so hat Metal Factory das Telefon in die Hand genommen und beim Kopf von Riotgod angerufen. Bob Pantella, so lautet der Name des Mannes, welcher hinter diesem Überraschungsknüller steckt. Bekannt in erster Linie als Drummer der Space-Rock-Legende Monster Magnet, drescht der aus New Jersey stammende Pantella auch bei The Atomic Bitchwax, Cycle Of Pain und eben bei Riotgod auf die Felle und betreibt darüber hinaus noch ein eigenes Aufnahmestudio. Wie man das alles unter einen Hut zu bringen vermag, wie «Invisible Empire» entstanden ist, warum die Europa-Tournee dazu verschoben werden musste und Vieles mehr erfahrt Ihr in den folgenden Zeilen.

MF: Hi Bob! Danke, dass du dir bei deinem vollen Kalender Zeit für uns gefunden hast.

Bob: Kein Problem!

MF: Eigentlich hättest du mit Riotgod in diesen Tagen auf Europa-Tournee sein sollen. Warum ist daraus nichts geworden?

Bob: Ein Grund ist sicherlich, dass ein paar der Clubs, in welchen wir Shows gebucht hatten, mittlerweile dicht machen oder die Shows absagen mussten. Das hat natürlich den ganzen Plan über den Haufen geworfen. Ausserdem war der Zeitpunkt sowieso nicht optimal. Da ich schon bald wieder mit Monster Magnet auf Tour gehe, mussten wir die Riotgod-Tour ziemlich nah am Release planen, sodass wohl noch nicht allzu viele Leute das Material von «Invisible Empire» wirklich gekannt hätten. Jetzt wird die Tour wohl Ende Februar sein und dann werden wir auch genug Zeit haben. Geplant waren und sind eigentlich nur zwei Wochen, doch ich will unbedingt noch ein paar Termine anhängen.

MF: Worüber ich natürlich am liebsten sprechen will, das ist eure neue Scheibe «Invisible Empire». Das Album ist bei uns CD-Tipp des Monats und meiner Meinung nach eine der besten Scheiben, die ich seit Jahren hören durfte.

Bob: Danke, Mann! Das freut mich natürlich sehr. Wir sind wirklich stolz auf das Teil.

MF: Für alle, die es bis jetzt noch nicht geschafft haben, in «Invisible Empire» reinzuhören: Wie würdest du die Platte beschreiben?

Bob: Ich muss zugeben, dass ich es schwierig finde, jemandem zu erklären, wie Riotgod klingt. Verglichen zu unserer letzten Scheibe jedoch ist «Invisible Empire» eine Steigerung in allen Belangen. Das Material ist heavier, gleichzeitig aber auch eingängiger und wir haben ein paar Dinge ausprobiert. Um ehrlich zu sein haben wir einfach mal daran zu arbeiten begonnen und am Ende ist dann das rausgekommen, was man jetzt hören kann. Ein klassisches Heavy Rock Album eben.

MF: Für meine Ohren klingt «Invisible Empire» traditioneller als euer Debüt.

Bob: Das ist eben, wo wir herkommen. Wir alle sind grosse Fans klassischer Rockmusik und versuchen auch gar nicht, das zu verbergen. Auch das war aber nicht gewollt, sondern hat sich einfach so ergeben. Vielleicht hat auch das damit zu tun, dass wir uns wirklich Zeit fürs Songwriting genommen haben und fokussierter an die Sache herangegangen sind als bei unserer ersten Scheibe. Damals wussten wir ja noch nicht wirklich, ob Riotgod wirklich etwas wird.

MF: Eine der grössten Veränderungen sind die Vocals. Euer Sänger, Mark Sunshine, singt vermehrt in höheren Lagen und erinnert dabei nicht wenig an Robert Plant von Led Zeppelin. Woher kommt diese Veränderung?

Bob: Ich muss mich wiederholen: Auch das war überhaupt nicht geplant und ist einfach so gekommen. Melodien und Vocals, wie eigentlich alles im Songwriting, ist stark beeinflusst von dem, was gerade um dich herum geschieht, wie du dich fühlst, was du erlebst etc. Irgendwie hat sich das einfach ergeben.

MF: Wie sieht das Verhältnis von Musik und Text bei euch aus? Was verbirgt sich zum Beispiel hinter dem Titel «Invisible Empire»? Wo findet sich dieses "unsichtbare Reich"?

Bob: Was den Titel betrifft, so soll er ein Licht auf das werfen, was um uns herum geschieht. Um die Welt um uns herum, was uns beeinflusst. Darum geht es auch in den Texten: um das tägliche Leben, das manchmal, seien es Gefühle, Träume, Ängste oder was auch immer, von unsichtbaren Gründen und Einflüssen beherrscht wird. Ein Konzept verbirgt sich dahinter aber nicht. «Invisible Empire» besteht aus eigentständigen Songs. Die Musik, die grösstenteils von mir stammt, entstand dabei eigentlich immer vor den Texten, für die Mark verantwortlich ist. Und was immer ihm in den Sinn kommt, verarbeitet er zu Texten. Somit ist die Verbindung von Musik und Text nicht allzu stark, so wie bei den meisten Rockbands wahrscheinlich. Die Texte sind vielmehr ein Bonus, ein eigenständiger Mehrwert zur Musik.

MF: Wie müssen wir uns den Entstehungsprozess von «Invisible Empire» vorstellen? Bei all deinen Verpflichtungen wird es ja kaum möglich sein, durchgehend an einem Album zu arbeiten, ohne dass anderes wie etwa die Festivalgigs mit Monster Magnet die Arbeit unterbrechen. «Invisible Empire» ein Patchwork-Album?

Bob: Nein, nein! So schlimm war es nicht. Natürlich war es nicht möglich, das ganze Album in einem Zug fertig zu stellen, aber das ist auch nicht nötig. Das Songwriting haben wir in einem Zug gemacht, dann gingen Jim Baglino (Bassist, auch bei Monster Magnet – Anm. d. Verf.), unser Gitarrist Garrett Sweeny, der ja seit letztem Jahr live bei Magnet aushilft, auf Festivaltour. Nach dieser hatten wir dann genug Zeit, die Songs, welche wir vorher geschrieben hatten, aufzunehmen. Das war nicht wirklich Patchwork, sondern eigentlich ganz nützlich. Mit der Tour erhielten wir so notgedrungen die Möglichkeit, die Songs eine Zeit lang liegen und objektiv betrachten zu können.

MF: Neben den krachenden Rocksongs finden sich auf «Invisible Empire» auch leisere Klänge wie etwa «Loosely Bound», «Rebirth» oder «Gas Station Roses». Gehören solch ruhige oder balladeske Songs einfach zu einer Rockscheibe?

Bob: Natürlich, warum nicht? Schau dir die besten Platten aller Zeiten an: Fast auf allen finden sich Balladen oder akustische Nummern. Sicher besteht Rock'n'Roll in erster Linie aus verzerrten Gitarren und Songs, zu denen du abgehen kannst. Aber schau dir Led Zeppelin an, welche ich zugegeben vergöttere, was man ja auch hört: ohne die ruhigen Songs wäre diese Band nur halb so spannend.

MF: Den Einfluss von Led Zeppelin hört man vor allem bei dem akustischen «Gas Station Roses».

Bob: Das ist ein sehr spezieller Song für mich. Während wir die übrigen ruhigen Nummern eher spät im Songwriting-Prozess geschrieben haben, sozusagen als sinnvolle Ergänzung und Abwechslung, habe ich die Musik von «Gas Station Roses» schon vor 20 Jahren geschrieben. Ich hab diese Idee Sunshine schon einige Male vorgespielt. Am Ende hab ich dann zu ihm gesagt: 'Mark, mach etwas mit dem Zeug! Ich schaff es einfach nicht, eine Gesangsmelodie oder einen Text dafür zu finden.' Und ja, der Song ist stark von Led Zeppelin inspiriert. Ich bin ein riesiger Jimmy-Page-Fan, auch wenn ich Drummer bin. Ähnlich war es auch bei der letzten Nummer, «Rebirth». Auch da spielte ich schon lange mit diesem Gitarrenpart herum und als wir dann zu irgendeinem anderen Song die Vocals aufgenommen hatten, ich weiss nicht mehr, welcher das war, zeigte ich es den Anderen und am nächsten Tag war der Song im Kasten.

MF: Das ist der Grund, weshalb du Riotgod gegründet hast, nicht? Um endlich deine eigenen Ideen vollständig umsetzen zu können.

Bob: Auf jeden Fall! Aber man muss es jetzt nicht übertreiben: Ich liebe meinen Job bei den anderen Bands, ob bei Magnet, Bitchwax oder Cycle Of Pain, und ich möchte keine davon missen, da es immer etwas ganz anderes ist. Doch es ist schon so, dass Riotgod mein persönlichstes Projekt ist, da ich dort auch den Grossteil der Musik schreibe, anstatt einfach Drummer zu sein. Das ist 'meine' Band.

MF: Ist es anders für dich, die Riotgod-Songs zu spielen, da du diese selbst geschrieben hast oder ist es im Endeffekt dasselbe?

Bob: Diese Frage wird mir oft gestellt. Auf der einen Seite ist es das Gleiche: Wenn ich auf der Bühne sitze, dann spielt es keine Rolle, bei welcher Band. Ich gebe alles und, wenn alles klappt, verliere mich im Spielen. Das ist bei allen Bands dasselbe und dabei spielt es auch keine Rolle, ob es 100, 1000 oder 10'000 Leute sind, vor denen ich spiele. Live spielen macht mich high. Es ist, wie wenn du mit 100 Leuten gleichzeitig richtig guten Sex hast, ein bis zu 90 Minuten dauernder Orgasmus! Auf der anderen Seite habe ich zu den Riotgod-Songs natürlich einen engeren Bezug und freue mich umso mehr, wenn sie den Leuten gefallen.

MF: Gibt es einen Musiker, mit welchem du unbedingt einmal spielen möchtest?

Bob: Sicher! Eddie Van Halen, vor 25 Jahren! Hahaha...

MF: A propos live: Wie hoch sind die Chancen, dass ihr euer ruhiges Material auch live zur Aufführung bringen werdet?

Bob: Das würde ich lieben – egal, welchen von den Songs! Ob das wirklich passieren wird, kann ich noch nicht sagen. Wir sind erst daran, unser Set mit den neuen Songs zusammenzustellen. Es kommt natürlich auch auf die Länge des Sets an: Wenn du 45 Minuten spielst, dann macht das keinen Sinn. Wenn du aber 90 Minuten spielst, dann kann das einen schönen Kontrast, eine Verschnaufpause darstellen. Meiner Meinung nach musst du, wenn du eine lange Show spielst, einen Spannungsbogen aufbauen. Auch ruhige Passagen müssen da sein, auch wenn der eine oder andere sich dann vielleicht ein Bier holen geht, hahaha... Bei einer kurzen Show hingegen ist die Devise klar, dann heisst es: Rock! Rock! Rock!

MF: Riotgod ist ein klassisches Quartett. Einige eurer Songs haben auf Scheibe aber mindestens zwei Gitarrenspuren. Werdet ihr euch auf Tour von einem weiteren Gitarristen verstärken lassen?

Bob: Um ehrlich zu sein war dies eigentlich der Anfangsplan. Wir wollten immer zwei Gitarristen haben. Bis jetzt haben wir diesen fünften Mann aber noch nicht gefunden. Es ist aber auch nicht so, dass wir angestrengt nach einem zweiten Gitarristen suchen würden. Wie gesagt, ich bin ein Jimmy-Page-Fan; auf einer Zeppelin-Platte findest du dreissig Gitarrenspuren und am Ende schafft es Page trotzdem, mit einer einzigen Gitarre auf der Bühne zu stehen und den Song so rüberzubringen, dass er funktioniert.

MF: Du hast von Jimmy Page gesprochen und von Eddie Van Halen, beides Gitarristen. Wie sieht es aber mit Drummern aus, die dich inspiriert haben? Zeppelins John Bonham?

Bob: John Bonham, natürlich! Dazu kommen Bill Ward von Sabbath und Ian Paice von Deep Purple. Das Dreigestirn der frühen Rockmusik sind sicherlich auch meine grossen Helden! Noch klischeehafter ist die absolute Nr. 1 aller Zeiten für mich. Das ist der Jazz-Drummer Buddy Rich, Held aller Schlagzeuger!

MF: Riotgod sind ja nicht die einzigen, welche vom Sound der 70er beeinflusst sind und dies auch in ihrer Musik zeigen. Was hältst du von dem aktuellen Retro-Hype?

Bob: Ich weiss nicht, woher diese allgemeine Wiederentdeckung herrührt. Persönlich kann ich nur sagen, dass ich diesen Sound auch während den 90ern, wo das gar nicht 'in' war, immer geliebt habe. Und wenn ich den Sound zwischen 1968 und 1975 höre, dann habe ich einfach das Gefühl, dass dieser Sound etwas hat, was jüngerer Musik fehlt. Versteh mich nicht falsch, ich habe nichts gegen aktuelle oder moderne Musik im Allgemeinen. Es gibt viele gute Sachen. Ich habe einfach das Gefühl, dass Rockmusik zu dieser Zeit noch viel abwechslungsreicher, differenzierter und spannender war. Das man dies heute wieder entdeckt, das ist wohl einfach eine Modeerscheinung. Immer wieder werden ja alte Dinge hervorgekramt und verschwinden dann wieder.

MF: Nun stellt sich die Frage, wie man es schafft, dass solches, von den 70ern inspiriertes Material dennoch zeitgenössisch klingt. Etwas, was ihr mit «Invisible Empire» geschafft habt.

Bob: Das ist natürlich in erster Linie eine Sound-Sache. Wenn du heute so aufnimmst, wie Led Zeppelin oder Black Sabbath vor 40 Jahren, dann klingt das eben nicht nach heute. Natürlich ist der Sound dieser Bands unglaublich. Es heute noch genau gleich zu machen, das macht keinen Sinn! Ausserdem ist es ebenso unklug, die Einflüsse der letzten 30 Jahre zu vernachlässigen. Ganz klar wurden auch wir von den 80ern und 90ern inspiriert, immerhin haben wir sie erlebt, und dies zu ignorieren wäre doch Schwachsinn. Eine Scheibe vollständig auf 70er zu trimmen macht für mich keinen Sinn. Riotgod sind zwar von den 70ern inspiriert, gleichzeitig aber auch von den 80ern, den 90ern und den letzten Jahren.

MF: Genug vom Einfluss der Vergangenheit, sprechen wir über die Zukunft: Bald geht es für dich ja schon wieder mit Monster Magnet auf Tournee.

Bob: Schon am 7. November werden wir die «Dopes To Infinity»-Tour beginnen. Dauern wird diese bis Mitte Dezember.

MF: Ihr werdet «Dopes To Infinity» in voller Länge spielen...

Bob: Yeah! Das ganze Album plus natürlich noch eine ganze Reihe anderer Songs. «Dopes To Infinity» ist ja schon eine etwas ältere Platte und damals waren Alben noch nicht so lange, hahaha... Nein, das wird sehr cool werden, ich liebe die Scheibe, auch wenn ich damals leider noch nicht bei Monster Magnet war.

MF: Und danach kommt die Riotgod-Tour!?

Bob: Genau! Über die Feiertage werde ich zu Hause sein und in meinem Studio arbeiten, bevor wir dann endlich das Material von «Invisible Empire» auf die Bühnen bringen können. Ich hoffe, dass wir zuerst einige Termine in den Staaten spielen können, bevor es dann, wie schon zu Beginn gesagt, im Februar nach Europa geht, hoffentlich für drei Wochen anstelle der geplanten zwei. Und wenn alles klappt, komme ich danach ein zweites Mal nach Europa und zwar mit Bitchwax. Dort sind wir gerade am Schauen, fix ist da aber noch nichts. Dann werden wir an einem neuen Monster Magnet-Album arbeiten, dann wieder Bitchwax und schon ist wieder Sommer. Mit welchen Bands ich dann auf welchen Festivals auftreten werde kann ich noch nicht sagen. Hoffentlich schaffen wir es aber, im August dann wieder mit Riotgod zu touren.

MF: Wie ist es dir möglich, alle diese Bands unter einen Hut zu bringen?

Bob: Ich nehm das Telefon nicht ab, hahaha... Dazu bin ich ja auch noch ein Fulltime-Produzent mit einem voll ausgerüsteten Studio, welches ich nur schliesse, während ich auf Tournee bin. Ansonsten komme ich manchmal von Europa zurück und am nächsten Tag habe ich eine Band im Studio.

MF: Würdest du dich als Workaholic bezeichnen?

Bob: Wahrscheinlich bin ich das, ja. Aber wieso sollte ich nicht? Ich mache Musik... kannst du dir etwas Besseres vorstellen? Mein Haupteinkommen mache ich mit Touren, aber mein Studio mit dem Namen «Pantellavision» läuft auch nicht schlecht.

MF: Hast du in den letzten Tagen gerade eine Band produziert?

Bob: Eine junge, klassische Rockband hier aus der Gegend namens Lords Of Mercy, die ich jetzt noch fertig mixen muss. Hier in der Gegend finden sich viele gute, junge Bands.

MF: Dann kommen wir zur letzten Frage: Was wolltest du während einem Interview schon immer einmal sagen, hattest aber noch nie die Gelegenheit dazu?

Bob: Hmm... Da fällt mir jetzt gerade gar nichts ein. Ich spreche eigentlich gerne über das, was ich tue und das haben wir jetzt ja gemacht. Ich mache einfach Musik und will, dass auch andere Leute Freude daran haben. Die Musik ist eigentlich wichtiger, als das, was ich darüber denke. Also hört euch lieber die Musik als mein Gerede darüber an oder kommt an die Konzerte, hahaha...

MF: Am 8. Dezember werden die Schweizer wieder die Gelegenheit haben, dich zu sehen und zwar mit Monster Magnet. Bob, Danke für das Gespräch!

Bob: Yeah! Kommst du auch?

MF: Ich denke schon.

Bob: Cool! Dann sehen wir uns ja dann.