Interview: Royal Hunt

By Tinu
 
Trotz Gefahr nach Japan gereist.



Royal Hunt nahm ich zum ersten Mal wahr, als sie als Support von Gotthard auf deren «G.»-Tour gross aufspielten. Speziell D.C. Cooper trat in Erscheinung mit seinem famosen und sympathischen Auftreten. Der Sänger wechselte nach dem sehr erfolgreichen «Paradox»-Album das Lager, veröffentlichte ein Solo-Album und gründete zusammen mit Alex Beyrodt Silent Force. Nach vier Scheiben war bei dieser sehr talentierten Band für D.C. Schicht im Schacht und sein Weg zurück zu Royal Hunt schien vorprogrammiert zu sein. Nun singt der Amerikaner wieder dort, wo alles begann. Vor dem Royal Hunt-Konzert sass mir der freundliche und gut gelaunte Shouter gegenüber. Erstaunlich dabei war, dass sich Mister Cooper bei persönlichen Fragen auskunftsfreudiger zeigte und das Musikbusiness Musikbusiness sein liess. Doch lest selbst, was D.C. zu berichten wusste.

MF: D.C., wie kams zum neuen Live-Album «Cargo»?

D.C.: Wir wollen uns bei den Leuten in den Ohren und im Gedächtnis behalten. Viele Dinge sind bei uns in Planung und aus diesem Grund macht es Sinn, dass wir mit dem neuen Live-Werk die Wartezeit auf die kommenden Dinge überbrücken. Dass wir dabei das komplette «Paradox»-Album spielen, war auch eine Art Anforderung des Publikums. Schon auf unserer Reunion-Tour spielten wir viele Songs des «Paradox»-Werks, jedoch nicht die komplette Scheibe. Zudem steht der 20. Geburtstag des Albums vor der Türe.

MF: War «Paradox» ein spezielles Album für Royal Hunt? Vielleicht das wichtigste und erfolgreichste Werk von euch?

D.C.: Ja, das ist es. Speziell in Japan ist «Paradox» sehr beliebt. Wenn wir diese Lieder spielen, kommen in mir viele gute Erinnerungen hoch (grinst). Auch wenn wir immer versuchen uns beim Songwriting zu verbessern, verbindet uns mit «Paradox» eine wichtige Zeit. Zusammen mit dem «1996»-Livealbum gehört «Paradox» zu der erfolgreichsten Zeit. Ich stieg damals vor «Moving Target» bei Royal Hunt ein. Von Album zu Album stieg unser Erfolg an und speziell Japan trug dazu bei, dass wir eine tolle Zeit verbrachten. Auf der ganzen Welt konnten wir uns Respekt für unsere Arbeit erspielen. Sprichst du vom wichtigsten Album von Royal Hunt (überlegt lange)… Ich denke, dass für die Leute das «1996»-Live-Album das wichtigste Werk ist. Wir haben lange auf dieses Live-Dokument hingearbeitet und das grosse Finale hört man auf diesen Scheiben. Ich bin mir sicher, dass die Leute da eine gut eingespielte und tighte Band hören, die sehr gut performt und die Leute mit ihrem Beifall dies auch honorieren.

MF: Wie schwierig ist es, unterschiedliche Nationalitäten in einer Band zu vereinen?

D.C.: Damals bei meinem ersten Soloalbum, ich sage bewusst ersten (grinst), war dies noch ausgeprägter als jetzt bei Royal Hunt. Damals hatte ich einen deutschen Keyboardplayer (Gunter Werno), einen norwegischen Gitarristen (Tore Ostby), einen deutschen Gitarristen (Alfred Koffler), einen griechischen Trommler (Kosta Zafiriou) und einen deutsch-amerikanischen Bassisten (Dennis Ward). Zu der Zeit hat sich alles verbunden, weil uns die Musik verband. Ich kann dir nicht mehr sagen, wie viele Konzerte wir spielten, aber dabei spielten die Nationalitäten keine Rolle. Es ist wie es ist und speziell die Musiklandschaft bietet dir heute Möglichkeiten, da kommst du nicht daran vorbei, dich ohne andere Nationalitäten auseinander zu setzen. Bei Royal Hunt sitzen Russen, Schweden, Slowenen und Amerikaner im Tourbus vereint zusammen. Alle wollen das Gleiche und darum spielen andere Mentalitäten keine Rolle.

MF: Gibt es Lieder, welche dir besonders am Herzen liegen?

D.C.: Vom neuen Album «Devil's Dozen»? «Until The Day», den spielen wir auch auf dieser Tour, wird wohl für immer einer meiner absoluten Lieblingssongs sein. Ein sehr emotionales Stück, bei dem ich mich stark hinein fühlen kann. Ich fühle dieses Lied, weil viele Dinge mich an persönliche Sachen erinnern. Wenn ich die Textzeile «…I miss you every day…» singe, spricht dies aus meinen tiefsten Herzen, wenn ich dabei an meine Familie, meine Kinder, Freunde die gestorben sind und Freunde denke.

MF: Wie schwer ist es, mit einer Truppe wie Royal Hunt zu überleben?

D.C.: Zu überleben (lachend)? Ohhhhh… Das ist schwer zu beantworten. Das Business, das Marketing, der Markt für Musik ist heute völlig scheisse. Es gibt so viele Idioten, die sich für die grössten Rockstars halten, weil sie in den Charts vertreten sind, aber überhaupt kein Talent haben. Alles was sie können, ist von einem Takt aus der Konserve zu leben. Da spreche ich nicht von Neil Peart, der mit seinem Drum die verrücktesten Dinge anstellt. Zu Hause in der warmen Stube am Computer einen Song zu kreieren ist das Eine. Diesen aber Abend für Abend auf einer Bühne zu performen etwas ganz Anderes. Nimm Taylor Swift… Sorry, aber sie ist in meinen Augen kein Artist. So jemand nennt Bob Ezrin, einer der talentiertesten und erfolgreichsten Produzenten, talentlos. Scheisse, was soll das? Da läuft in der Musikszene etwas völlig schief (redet sich völlig in Rage). Jedem dieser angeblichen Künstler sage ich nur: «Komm auf die Bühne, sing meine Songs und performe Abend für Abend, dann werden wir sehen, wo den Talent ist!» Nimm Freddie Mercury, der stand jeden Abend auf der Bühne und verwandelte das Publikum mit seiner unglaublichen Performance in ein Tollhaus. Geht heute einer dieser Dödel von der Bühne und behauptet von sich, wie toll er war…

Komm schon, ihr seid vielleicht reich geworden, aber mit Kunst hat dies nichts am Hut. Darum, wir versuchen am Leben zu bleiben und immer unser Bestes zu geben. Meine Familie hat mir noch nie ein Ultimatum gestellt, dass ich die Band verlassen muss. Aber hey, wenn ich meine Rechnungen nicht mehr bezahlen kann und der Kühlschrank leer bleibt… Ich weiss nicht was kommen wird! Vielleicht passiert so was am Ende dieser Tour, ich habe keine Ahnung. Ich versuche den Spirit und das Talent, welches mir Gott gegeben hat, sinnvoll zu nützen und einzusetzen. Da muss ich höllisch auf meine Stimme aufpassen, weil diese mein Kapital ist. Vielleicht singe ich bald in einem Gospelchor. Wenn mir dies gefällt, keine Ahnung was passieren wird. Wir werden sehen. Dieses Problem haben aber nicht nur Royal Hunt. Die meisten Bands sitzen im gleichen Boot und durchleben die gleiche Situation. Es ist verdammt schwierig geworden. Darum, bleib am Ball. Wir versuchen mit jedem Album den nächsten Schritt zu machen. Ich kann… Ich bin… Wie soll ich das erklären? Es ist grossartig, was ich in meiner Karriere schon alles erlebte und erreichte. Auch was in meinem Leben passierte. Ich könnte in der Ecke auf meinen Tod warten, aber das passt nicht zu mir. Schaue ich zurück, war es nicht immer leicht, aber es gab grossartige Momente in meiner Karriere. Trotzdem gibt es viele Musiker und viele talentierte Sänger, die das Gleiche wollen wie ich. Es gibt auch viele Manager, die dir das Blaue vom Himmel versprechen (lacht). Aber hänge nur einmal drei Wochen in den Seilen, da wird dir sehr schnell klar, dass von nichts gar nichts kommt oder von viel in der Regel viel weniger. Ich fühle mich lebendig auf der Bühne und da will ich auch weiterhin hingehören. «That's my life!»

MF: Du hast schon oft Japan erwähnt, wie wichtig ist dieses Land für euch?

D.C.: Japan war für uns über all die Jahre unglaublich wichtig. Der japanische Markt und die Fans waren immer sehr loyal zu uns. Trotzdem versuchten wir immer auch andere Kontinente oder Märkte für uns gewinnen zu können. Seit meinem ersten Kontakt haben mich die Japaner sehr warm empfangen. Ich habe vieles mit ihnen geteilt. Mein Leben ist nicht ein komplett offenes Buch, aber ich weiss, dass die Japaner es mögen, weil sie ein Teil von dir sein können. Sie respektieren es, wenn du dein Leben mit ihnen teilst. Darum versuchte ich immer gute Gespräche mit ihnen zu führen, so gut es eben geht mit all den sprachlichen Barrieren. Als die Band 1995 auf dem Weg nach Osaka war, spielten wir einige Akustik-Shows. Diese wurden im Radio übertragen. Wir spielten in der Stadt, in welcher das Erbeben alles zerstörte und die Plattenfirma warnte uns da aufzutreten, weil sie es für zu gefährlich einstuften. Wir sahen es aber als unsere Pflicht da zu spielen und den Menschen mit der Musik wieder Hoffnung zu geben. Viele Leute fanden dies super und zollten uns nach dem Konzert auch Respekt dafür, dass wir auftraten. Sie waren überrascht, dass wir trotz der bestehenden Gefahr uns nicht abhalten liessen, für sie zu spielen. Viele Dinge funktionierten damals nicht mehr, wie der Bullet-Train, der nicht mehr die ganze Strecke fuhr. Ich sah viele Areas, welche mit Blut getränkt waren oder eingestürzte Konstruktionen vom Flugzeug aus. Als wir landeten, sahen wir den ganzen Schaden aus der Nähe. Für uns war es aber wichtig, für die Leute da zu sein, da sie auch immer für uns da waren.

MF: Welche Story verbindet Judas Priest und dich?

D.C.: Ich weiss, dass ich zu den letzten vier Anwärtern für den Job als Nachfolger von Rob Halford im Rennen war. Mein guter Freund Tim «Ripper» Owens bekam den Job (grinst). Bis heute habe ich keine Ahnung, wieso ich den Job nicht erhalten habe. Das sind alles diese alten Storys… Komm die nächste Frage (grinst).

MF: Ich bin sicher, du kannst ein Lied wie «The Final Countdown» singen…

DC (lachend): …ja…

MF: …sicher kannst du auch einen Song wie «Painkiller» singen. Macht es dich traurig, dass du nie der Sänger einer grossen, erfolgreichen Band warst?

D.C.: Nein, denn ich denke was damals mit der Nichtberücksichtigung als neuer Judas Priest-Sänger passierte, wohl so sein musste, weil ich zum damaligen Zeitpunkt noch nicht die Qualitäten hatte wie heute. Wenn ich sehe, dass nach zwei Studio- und zwei Live-Alben Rob wieder zurück zu Priest kam, wäre meine Zeit bei dieser grossen Truppe eh begrenzt gewesen. Dann da zu hören, dass ich der Sänger war, der Rob Halford ersetzt um wieder durch Rob Halford ersetzt zu werden… Für mich war es wichtig, einen eigenen Status zu erarbeiten. Nicht den eines anderen Sängers zu ersetzen. Schau dir Tim «Ripper» an (lacht), der danach wieder zu einer Band stiess um von seinem Vorgänger ersetzt zu werden. Heute stehe ich wo ich bin und bin glücklich damit. Klar könnte es anders sein. Wäre ich glücklicher? Keine Ahnung!

MF: Wann hast du begonnen zu singen?

D.C.: Das war im Auto von meinem Vater (lacht). Meine erste Band hatte ich mit 14 Jahren. Mein Gitarrist und ich waren dabei die treibende Kraft. Die erste Truppe tauften wir Excalibur. Wir wollten alles sprengen und die Grössten sein (lacht). Dabei traten wir an «Sweet Sixteen Partys» auf, um die Mädels abzukriegen (grinst). Da kamen dreissig Mädels und wir wussten, wir habens geschafft, wir sind verdammte ROCKSTARS (lacht)! Es folgten viele Truppen und wir spielten, mal dies und mal das. Die Türe wurde mir dann mit Royal Hunt geöffnet. Das in einer Zeit, in welcher Bands wie Nirvana und Green Day die Charts eroberten. In New York konntest du mit Rock oder Metal keinen Plattenvertrag mehr bekommen . Alle Plattenbosse waren der Meinung, dass dieser Sound völlig aus der Mode gekommen war. Wahrscheinlich auch dank des Wissens, dass ich knapp als neuer Judas Priest-Sänger gescheitert war, wurden Bands auf mich aufmerksam.

MF: Konntest du ab dann all deine Träume als Musiker verwirklichen?

D.C.: Kannst du? Klar kannst du (grinst). Sicher, alles was du mitnehmen kannst, ist, wie wenn sich dein Traum verwirklicht. Die Frage ist nur, wie lange willst du mitmachen und wie lange willst du dein Herz dieser Sache widmen? Bloss damit du deine Träume verwirklichen kannst? Der Titelsong meines neuen, noch unveröffentlichten Soloalbums beschreibt dies sehr gut. Darin gehts um die Linie, die wir überqueren. Du machst einen Schritt und hinterlässt im Sand deinen Abdruck. Alles was danach kommt, basiert auf dem was du schon getan hast. Du machst den nächsten Schritt, überquerst wieder eine Linie, hinterlässt deine Spur und so weiter.

MF: Was war für dich in der Vergangenheit wichtig und was ist es heute?

DC (überlegt lange): Wow, was für eine interessante Frage… (Überlegt noch länger) Weisst du, in meiner Vergangenheit erlebte ich meine Familie immer sehr nahe und dabei stand mein Fun im Vordergrund! Dabei tat ich viele Dinge um zu (über-) leben. Heute habe ich meine eigene Familie, habe zwei Kinder und muss die Miete fürs Haus, das Auto und viele andere Dinge bezahlen. Diese Prioritäten verändern vieles. Die Vergangenheit dient dazu, die Vergangenheit sein zu lassen und daraus zu lernen. Manchmal ist es schwer, sich von der Vergangenheit zu lösen. Ich glaube, das gibt den Sinn deiner Frage wieder und ist eine gute Antwort darauf.

MF: Was machst du in deiner Freizeit?

D.C.: Die verbringe ich mit meinen Söhnen, welche dreizehn und elf Jahre alt sind. Die Zeit des Fischens kommt bald (grinst). Dann steigen wir auf unsere Fahrräder und packen an einem See die Fischrute aus. Ich vermeide es, viel TV zu schauen (grinst).

MF: Was sind die Pläne für die Zukunft?

D.C.: Am Leben zu bleiben (lacht). Diese Tour mit Royal Hunt zu geniessen. Das ist momentan das Grösste. Wir haben eine 33-stündige Busreise vor uns, und ich habe noch keine Ahnung, wie ich da ein Auge zubekommen soll (grinst). Dann freue ich mich auf mein Zuhause und meine Familie. Ich arbeite an einem neuen Soloalbum, die Musik ist fertig. Auch die Vocals sind für einige Lieder schon beendet, aber ich renne dem Geld hinterher. Es ist noch kein Label da, welches dieses Album veröffentlichen will. Die Offerten, die ich bis jetzt bekam, hätten nicht einmal das Budget für die Schlagzeugaufnahmen gedeckt (lacht). Keine Ahnung, was da passieren wird. Ich schaue mich nach einem neuen Management um und nach Leuten, die mich unterstützen. Ist jemand da draussen, der mich unterstützen möchte, tretet mit mir in Kontakt. Ich kann den ganzen Businesskram nicht alleine erledigen. Dazu bin ich die falsche Person und brauche Unterstützung.

MF: Besten Dank fürs Interview!

D.C.: Thank you Sir!

MF: Alles Gute für die Zukunft und viel Glück…

D.C.: …das wünsche ich dir auch!