Interview: Samael
By Toby S.
Nach der im Vorab erhältlichen Single „Antigod“ war es nur eine Frage der Zeit, bis die welschen Jungs ihr nächstes Werk auf die geneigte Hörerschaft loslassen würden. Das Ergebnis sowie die Bewertung zu „Lux Mundi“ ist in der neuesten Ausgabe der CD-Kritiken nachzulesen – gut und schön, aber ohne Zusatzinformationen ist dies nur halb so spannend. Deshalb trafen sich Vorph (VO), XY und die bereits seit zwei Interviews bekannte Delegation der Metal Factory zum Gespräch, um herauszufinden, was denn genau hinter dem Konzept von „Lux Mundi“ steckt und welche Bedeutung die neue Herangehensweise an die Sounds hat.

MF: Vorph, XY, danke euch, dass ihr da seid und euch für dieses Interview Zeit genommen habt.

VO: Kein Problem.

MF: Euer neues Album heisst ja „Lux Mundi“, was soviel heisst wie „Licht der Welt“. Warum habt ihr euch für solch einen Titel entschieden und wieso ist er auf Latein?

VO: Nun, das ist ja aus der Bibel entnommen, die Kirche sollte ja quasi das Licht der Welt sein, und mit all dem, was sie getan hat, mit all den Verschleierungen und bewussten Täuschungen, da ist nichts Positives mehr an der ganzen Sache. Es gibt nichts mehr für dich selbst, du kannst es selber ja gar nicht mehr sehen, weil sie dich davon abhalten. Also sind die Leute selbst das Licht der Welt, da ist nichts mehr, was ihnen sagt, das sei richtig oder falsch. Es gibt da auch einige Songs auf dem Album, welche dem Titel sehr nahe stehen, zum Beispiel „Let My People Be!“, „Luxferre“ oder auch „The Truth Is Marching On“. Aber wir haben jetzt kein Konzept-Album erstellt, es gibt einfach einige Lieder, die dem Albumtitel sehr nahe kommen.

MF: Man könnte es allerdings schon als Konzeptalbum sehen, gerade wenn man den Grundfaden der Anti-Religiosität nimmt, der Song „Antigod“ ist ja ein deutliches Statement gegen jegliche Religion und das Christentum.

VO: Gut, das kann man effektiv so sehen. Es ist mehr allgemein gemeint, und es gibt eigentlich zwei Songs, die sich effektiv gegen die Religion wenden: „Antigod“ und „Shadow Of The Sword“. Aber da sind noch weitere Lieder, die sich zwar im Grundgedanken gegen die Religion wenden, aber in einem anderen Kontext, da ist beispielsweise ein Song über Krieg, dann wiederum einer über die Spiritualität in Verbundenheit mit der Natur, „Pagan Trance“ – es ist nicht so, dass wir jetzt nur ein Thema hätten, wir behandeln viele verschiedene Themen.

MF: XY, bist du beim Erschaffen des Sounds irgendwelche neue Wege gegangen oder war es mehrheitlich so wie immer?

XY: Generell war ja eigentlich nichts Besonderes im Spiel, wir sind alles wie immer angegangen, nur mit dem Unterschied, dass jetzt hier wieder mehr wert auf das Orchestrale gelegt wurde. Das ganze Album wird ja davon beherrscht und auch angetrieben. Der Rest des Prozesses war so wie immer, aber wir haben uns diesmal einfach mehr Zeit gelassen, da wir ja schon relativ früh mit dem Schreiben begonnen haben, und so kam eines zum anderen.

MF: „Lux Mundi“ erscheint ja mehr zur ‚Linie’ von Samael gehörend, nicht so wie „Above“, welches ganz klar für sich selber steht.

VO: Wir wollten ja auch hiermit einen Neuanfang wagen, und es ist immer so eine Frage, wie sich das dann anhören würde. Wir haben aber effektiv nicht darauf geschaut, dass unser neues Album jetzt quasi sich wie in einer Reihenfolge mit den Vorgängern befindet, sonst wäre es ja kein Neuanfang gewesen. Wir haben uns einfach die Zeit genommen, die wir gebraucht haben, also ohne Deadline. Und als es dann schlussendlich fertig war, dann, tja, dann war es eben fertig (lacht).

MF: Irgendwie scheint es aber doch so, dass jetzt das neue Album quasi alle Elemente eurer Vorgänger-Alben in sich vereint.

VO: Das kann sehr gut sein, keine Frage. Aber es war niemals beabsichtigt. Als wir uns neu orientiert haben, wo wir eigentlich stehen und was wir machen wollten, da nahmen wir einfach, was wir hatten, und mit diesen Ideen haben wir dann gearbeitet.

MF: Du hast vorhin schon erwähnt, dass das Album jetzt im Generellen gegen Religion steht, und du hast dabei den Song „The Shadow Of The Sword“ erwähnt. Kannst du ein wenig genauer erläutern, was dahinter steckt?

VO: Es ist so gedacht, dass dieser Song quasi erläutert, wofür Religion im Allgemeinen steht und um was es dabei eigentlich geht. Ich habe dabei versucht, alles, was ich in meinem Kopf zu diesem Thema hatte, einfliessen zu lassen. Schlussendlich geht’s darum, dass man versucht, ein elendes Leben zu führen, nur damit es im Jenseits dann besser wird. Ich bin mir selber nicht mal sicher, ob alles einen Sinn ergibt, in meinem Geist schon, aber ich weiss nicht, ob ich es auch so rüberbringen kann. Es geht ja auch die Bigotterie der Bibel und alles, was damit zusammenhängt. Leute geben anderen Leuten vor, wie man den ‚richtigen’ Weg beschreitet, sie sagen ihnen, was sie tun sollen und was nicht. Ich selber sage ja keineswegs, was richtig und was falsch ist, ich gebe nur das wider, was eigentlich allgemein bekannt sein sollte, ich renne also quasi offene Türen ein mit diesem Thema. Das ganze Album ist ja gegen Religion gerichtet, aber nicht mehr in der Art wie früher, als wir das auch schon gemacht haben – damals waren wir jünger und zorniger. Man entwickelt sich ja auch weiter, und geht somit die Thematik auch anders an. Aber man merkt, dass Religion wieder zurückkommt, in all seinen Extremen, und ich kann dieses Geschwafel nicht mehr hören – deshalb wollten wir hiermit auch eine Art Statement von uns gegen diese Entwicklung geben.

MF: Lasst uns ein wenig übers Artwork reden. Bei der Single „Antigod“ wurde ja mit dem doppelten Pentagramm die typische Samael-Stimmung ausgedrückt, während auf dem Album selber gemäss Aussagen auf der Homepage und im Newsletter der erste Eindruck von Licht in einem Auge zu sehen ist.

VO: Also alles was ich wollte, war, dass das Cover eigentlich schwarz in schwarz hätte werden sollen, also mattschwarz und glänzendes Schwarz. Das mit dem Auge war die Idee von Patrique (welcher seit längerer Zeit die Cover für Samael entwirft, Anm. d. Verf.). Wir haben’s uns angeschaut und haben’s dann genommen. Es macht schon Sinn. Ursprünglich war ja die Idee von schwarz in schwarz, so dass man das Logo und alles erst sieht, wenn Licht darauf scheint, aber so stimmt’s eben auch: Je mehr Licht darauf scheint, desto mehr sieht man, und das ist dann wiederum die Verbindung zum Titel selbst. Es ist aber auch eine Metapher für das Leben, je mehr Licht man sieht, desto klarer sieht man den Pfad des Lebens vor sich.

MF: XY, da war doch auch noch ein Remix auf der EP drauf, warst du wiederum dafür verantwortlich?

XY: Das ist während den Mixing-Sessions passiert, es ist einfach eine andere Art, an den Song heranzugehen, mehr Industrial-mässig. Das habe ich ja schon mehrmals gemacht, und es ist immer wieder interessant, zu sehen, wie sich das so entwickelt. Eben, mehr in Richtung Industrial, beinahe schon so eine Art Trance-Track. Wie gesagt, die Konzentration lag mehr auf dem Metal- und Orchesterteil, also war dies wie eine Art Experiment – wieder einmal (lacht). Einfach eine total andere Herangehensweise wie sonst, und das macht es eben spannend, zu sehen, wohin das führt.

MF: Die live-gespielten Songs auf der EP waren ja auch weniger poliert wie auf dem Album „Solar Soul“, direkter und auch aggressiver. War diese Neuinterpretation so wuchtig gewollt oder mehr instinktiv?

XY: Auf dem Album selber damals hatten wir einen anderen Mischer, der zwar einen guten Job gemacht hat, aber im Endeffekt war es dann schon beinahe zu poliert. Jetzt kann man auch eher die raue Wirkung der Songs erleben, was natürlich ein Erlebnis für sich darstellt.

VO: Den Job hat er damals wirklich gut gemacht, keine Frage, aber zum jetzigen Sound hätte es einfach nicht gepasst. Das haben wir eben damals schon live gemerkt, und das hat sich dann logischerweise auf dem neuen Album niedergeschlagen. Jetzt stimmt es eben auch im Gesamten.

MF: Da muss man nichts mehr hinzufügen. Ein weiterer interessanter Track ist ja „Mother Night, der sehr langsam, beinahe bedächtig ist, und wie eine Art ein Geheimnis für sich enthält. Was war die Idee dahinter?

VO: Das war eigentlich die Ballade schlechthin, die wir für „Lux Mundi“ geschrieben haben. Das Ganze ist weicher, kurviger, und ich habe keine Ahnung, ob dieser Song live funktioniert. Es ist aber auf jeden Fall spannend, ihm zuzuhören.

XY: Das war auch vom Mixing her eine interessante Sache, den Song eben ruhiger, relaxter zu gestalten.

VO: Das ist so, ich meine, da gibt es keine brutalen Parts mittendrin oder so, sondern es ist ruhig, dann wieder mit mehr Tempo, dann wieder ruhiger, wie gesagt: kurvig. Aber ohne grossartige Überraschungsmomente, das war noch wichtig. Wir wollten ja nicht wie eine Thrash Metal-Band sein, die zuerst mit Akustik-Gitarren hantiert und dann brachial mit derben Riffs losbrettert, sondern die ganze Atmosphäre sollte eben in sich geschlossen bleiben.

MF: Genauso interessant ist ja auch „The Truth Is Marching On“. Man könnte sich leicht vorstellen, um was es da geht, aber ich würde es doch noch gerne von euch selber erfahren.

VO: Nun, der Titel an sich ist selbsterklärend. Ich meine, es gibt meiner Meinung nach nicht so etwas wie DIE Wahrheit an sich, aber sie ist es definitiv wert, gesucht und gefunden zu werden, für jeden von uns individuell. Und was auch immer geschieht, es wird immer nach der Wahrheit gesucht werden, deshalb steht der Titel auch für sich selbst. Der ist übrigens verändert worden vom Gospel „His truth is marching on“, und die Idee dahinter ist, dass niemand die Wahrheit für sich beanspruchen kann. Ich persönlich glaube nicht an die Wahrheit als solches als ein fixes Ding, und eben deswegen kann niemand sagen, dass die Wahrheit ihm gehört oder dass er die Wahrheit verkündet.

MF: Das ist effektiv ein gutes Statement, das man so stehen lassen kann. Wir sind ja auch schon wieder am Ende des Interviews angelangt, gibt es etwas, dass ihr den Metalheads da draussen und speziell natürlich den Lesern der Metal Factory mitgeben möchtet?

XY: Grüsse an alle Metalheads!

VO: Yeah, und man sieht sich auf Tour im September, wir haben zwar noch keine Daten zur Hand, aber das kann man auf der Homepage erfahren!

MF: Ok, super. Danke euch beiden vielmals!

VO: Keine Ursache, war wie immer nett, mit dir zu plaudern.


Unser Toby (mitte) mit Samael >>>