Interview: Scorpions

By Tinu
 
Waren immer erfolgreich.



50 Jahre Scorpions. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Die Hannoveraner sind somit länger im Geschäft, als die meisten ihrer Fans das Licht der Welt erblickten. Sieht man, wie vital sich Rudolf Schenker (67 Jahre, Rhythmusgitarre), Klaus Meine (67, Gesang) und Matthias Jabs (60, Leadgitarre) noch immer auf der Bühne geben, und dies im Vergleich zu Lemmy (70, Motörhead) zieht, ist die körperliche Differenz um Lichtjahre auseinander.

Es ist erstaunlich, wie der Zahn der Zeit kaum am Dreiergestirn der Scorpions genagt hat. Sicher, ohne Pawel Maciwoda (Bass) und James Kottak (Drum Animal) wäre die Band nicht komplett und speziell Mister Kottak trumpft auf der Bühne immer wieder gross auf. Mit dem letzten Studioalbum «Return To Forever», der neuen DVD «Forever And A Day» in welchen die Bandkarriere beleuchtet wird und die soeben erschienenen acht Deluxe Re-Releases («Taken By Force», «Tokyo Tapes», «Lovedrive», «Animal Magnetism», «Blackout», «Love At First Sting», «World Wide Live», «Savage Amusement»), die mit massig vielem Bonusmaterial und Live-DVDs ergänzt wurden, zeigen, dass der Skorpion aktiver denn je ist. Sie reiten nach wie vor auf einer Erfolgswelle, die nicht abzubrechen scheint und welche die Band jung und alt nach wie vor sehr engagiert, rockig und balladesk präsentiert.

Rudolf Schenker nahm sich vor dem Konzert in Zürich Zeit, um ein bisschen über die letzten 50 Jahre zu plaudern. Sieht man den scheinbar einem Jungbrunnen entsprungenen Gitarristen vor sich, denkt niemand, dass er bald auf die 70 zugeht. Wie immer sehr freundlich, auskunftsfreudig und ruhig, stellte sich der Deutsche den Fragen.

MF: Rudolf, in den letzten 50 Jahren wirst du unzählige Interviews gegeben und ebenso viele Fragen beantwortet haben. Gib es trotzdem eine Frage, welche dir nie gestellt wurde, bei der du aber immer gehofft hast, dass sie dir jemand stellt?

Rudolf: Nö, aber sagen wir mal so. Man macht die Interviews anhand von neuen Platten oder der laufenden Tour. Man wird da durchgejagt (grinst). Es gibt Journalisten, die ganz pfiffig sind und gute Fragen stellen, bei denen es auch Spass macht. Andere stellen die normalen Fragen und da kanns durchaus auch mal langweilig werden. Interviews gehören zum Handwerk. Gibst du keine, bist du arrogant, gibst du sie, bist du erreichbar für jedermann. Egal. Es macht Spass und man erfährt zwischendurch auch sehr viel über sich selbst. Hinter jeder Sache gibt es auch eine positive Seite.

MF: Wie kam es zu den neuen Re-Releases?

Rudolf: Ganz einfach! Vor ein paar Jahren stellten wir fest, dass unser Backkatalog, nachdem der Vertrag bei EMI ausgelaufen war, weltweit nicht mehr erhältlich war. In Amerika war dank Universal alles noch im grünen Bereich. So habe ich unseren Manager angehauen und gesagt, dass man da doch was machen muss. Mehrmals haben wir uns mit Dieter Dierks (damaliger Produzent) getroffen, aber irgendwie kam er nicht in die Pötte. Unser damaliger Manager Peter Amend hat sich ein paar Angebote angeschaut. Darunter befand sich auch jenes von BMG. Hartwig Masuch (BMG), ein guter Mann, den wir schon lange kennen und der einmal mit seiner Band bei uns im Vorprogramm spielte, ist ein Scorpions-Fan. Wir wollten nicht, dass unsere Alben einfach veröffentlicht werden, sondern mit Leuten zusammen arbeiten, die auch ihr Herzblut rein stecken. Das waren einerseits Hartwig und andererseits SPV. Martin Lanzerath, der bei SPV arbeitet, ist ein Scorpions-Fan, seit er zwölf Jahre alt ist. Zusammen mit seinem Vater hat er unsere «Blackout»-Tour besucht (grinst). Martin hat das Material gesichtet, welches von Dierks kam und hat wahnsinnsviele tolle Sachen gefunden, die man als Bonus-Material verwendete. «Leute, das müsst ihr machen, das ist einfach der Hammer», hat er uns immer wieder gesagt.

Ohne grosse Verbesserungen wollte er das Ganze so veröffentlichen, damit die Leute auch sehen, wie sich etwas entwickeln kann. Einige dieser ausgegrabenen Perlen sieht man nun als Bonus auf diesen acht Re-Release-Scheiben. Alle anderen Firmen wollten die CDs als Midprice veröffentlichen. Es wäre schade und würde den Alben nicht gerecht werden, mit diesem Bonusmaterial als Midprice in den Regalen zu verstauben. Aus Gold würdest du dann Kupfer machen. Deshalb war für uns klar, es muss aufgemotzt werden, mit teilweise neuem Mastering, neu gemischt und dann muss das zu einem normalen Verkaufspreis in den Läden stehen. BMG zusammen mit Martin und SPV haben da tolle Produkte hinbekommen. Es war auch eine gute Idee, nicht jede Scheibe einzeln veröffentlicht wurde, sondern alle zusammen. In Japan kamen die ersten Vier zeitgleich und die restlichen Vier folgen noch. Da sind wir mit den ersten Vier in die Top 20 Charts eingestiegen und in Deutschland mit sogar sechs Alben. Hat man Leute, die mit Freude und guten Ideen an eine solche Aufgabe heran gehen, dann macht das Spass. «Comeblack» entstand 2011, weil eine neue Generation auf der «Farewell»-Tour die Konzerte besuchte. Da standen Kids in der ersten Reihe, die waren noch gar nicht geboren, als «Blackout» veröffentlicht wurde und nun konnten sie die alten Scheibe gar nicht kaufen. So entschieden wir uns, für «Comeblack» ein paar Hits neu aufzunehmen, damit diese junge Generation die Songs auch kaufen kann. Die Nachfrage war dann so gross, dass wir uns an die acht Re-Releases wagten. Wir sind absolut happy.

MF: Sind echt geil geworden, Kompliment!

Rudolf: Ja, danke!

MF: Folgen noch weitere Alben?

Rudolf: Wir müssen zuerst schauen, wie dieses Projekt zusammen mit BMG und SPV weiter geht. Es besteht nach wie vor reichlich Material, das wir verwenden könnten. Momentan haben wir eine dreifache Belastung. Der Film, die letzte Scheibe und die Wiederveröffentlichungen sind relativ nahe beisammen veröffentlicht worden. So standen immer wieder Interviews an. Das zusammen mit diesem hohen Level auf der Bühne zu stehen, ist eine starke Belastung. Da muss man schon aufpassen, dass dieses Niveau bestehen bleibt.

MF: Gab es bei euch jemals einen Anflug einer Krise?

Rudolf: Krisen kommen immer dann zu Stande, wenn die Musik, wie in den 90er-Jahren, nicht mehr so angesagt war, wie sie mal war. Das hat man bei Iron Maiden gesehen, als Bruce ging, wie auch bei Judas Priest. Da gibt es dann drei Möglichkeiten. Die Band auflösen, Augen zu und durch oder experimentieren. Das Letzte haben wir gemacht und wussten nicht, wo die Band steht. Der grosse Vorteil für uns war, dass wir schon in den 80er-Jahren den asiatischen Markt für uns öffneten. So erhielten wir in den 90ern, als es nicht so einfach war für uns und keiner wusste wo es lang geht, 20-mal Platin in Thailand und 10-mal Platin in Malaysia sowie Indonesien. Darum konnten wir noch immer in grossen Stadien spielen. Wir mussten uns nicht mit diesen ganzen Grunge- und Alternative-Bands herum schlagen. Jeder dachte zu wissen, wohin die Reise geht. Man hat mit den neuen Technologien experimentiert und Drum-Loops eingebaut. Endlich war da mal ein Trommler, der auf den Punkt spielt und das Timing halten konnte (grinst). So mussten dann auch wir Gitarristen präziser spielen. Dass so andere Songs und Arbeitsmittel zur Verfügung standen, war klar.

Heute gibt es eh nur noch Sound-Designer, weil die Band nicht mehr im Studio steht. So! Ich hab immer gesagt: «Leute, der Rock kommt wieder! Er kommt immer wieder mit dem Twist.» Was immer kommt, es führt alles zum Ursprung zurück. Findet man Leute, wie die beiden Schweden Martin Hansen und Mikael Nord Anderson (Produzenten der letzten beiden Studioscheiben)… Er ist auch ein Scorpions-Fan der ersten Stunde und wurde mit «In Trance» infiziert. Die haben, wie wir auch, über die Berliner Philharmoniker und «Acoustica» gemerkt, dass die Scorpions geiles Material schrieben und dass wir vielleicht auch bei diesem Sound bleiben sollten. Das Hin und Her und mal ein bisschen mehr elektronisch warfen wir über Bord. Das geschah schon bei «Unbreakable». Dann genossen wir nochmals die amerikanische Welt mit Desmond Child («Humanity – Hour 1») und wollten dann wieder bei uns im Studio arbeiten. Zusammen mit Mikael und Martin kam nochmals eine Portion Frischblut rein. Dank der «Farewell»-Tour und YouTube sahen die Leute, was bei uns auf der Bühne abgeht. Wenn wir dann in der Nähe spielen, wollen uns die Menschen sehen.

Reibung ist immer eine wichtige Sache, auch im Rock'n'Roll! Sind alle gleicher Meinung, kommst du nicht weiter. Da muss jemand sein, der reisst und andere, die mitgerissen werden. Wieso wir schlussendlich nicht so anfällig auf Krisen waren, hat damit zu tun, dass wir in unseren Anfangsjahren lange brauchten, bis wir überhaupt erfolgreich waren. Diesen Status haben wir uns hart erarbeitet. Das Management habe zu einem grossen Teil ich gemacht. Da merkst du, worauf es bei der Musik wirklich ankommt. Auch wenn mich Little Richard und Elvis faszinierten, wollte ich erst nachdem ich die Rolling Stones und die Beatles sah, zur Gitarre greifen. Da waren vier oder fünf Typen, die zusammen Musik spielen. Freunde, die um die Welt reisen. Das wollte ich auch machen. Die Grundlage war, neben dem Umstand ein guter Musiker zu sein, aber auch mit Menschen zusammen zu spielen, die Freunde sind. Letztendlich hat sich das als solides Potenzial heraus gestellt und uns im Endeffekt dazu gebracht, dass die Band bis heute «we build this house on a rock» alles überstanden hat. Ich sehe das auch ein bisschen wie ein Farmer. Früher haben wir alles gesät. Mit genügend Sonne und Regen kannst du nun ernten. Wir freuen uns, dass 80 % der Fans auf Facebook zwischen 16 und 28 Jahre alt sind. Da kann man sagen, wie bei den Stones auch, dass wir drei Generationen vereinen. Fit sind wir auch noch. Das war ja das Problem. Wir fragten uns, was soll werden, wenn wir 67 Jahre sind und noch immer auf der Bühne rumhopsen? Aber es geht und funktioniert. Die jungen Fans wollten uns nochmals sehen und baten uns zu bleiben. Das ist ein gutes Gefühl.

MF: Auf den Re-Releases kommt auch euer alter Schlagzeuger Herman Rarebell wieder zu Wort. Wie ist das Verhältnis zu ihm...?

Rudolf: ...gut. Herman ist Herman (grinst). Damals war es seine Entscheidung, bei uns auszusteigen. In den 90ern hatten wir diese Zerreissproben. Er wollte zu der Zeit lieber in Monaco zusammen mit Prinz Albert eine Plattenfirma gründen. Aber so einfach lief das dann auch nicht über die Bühne. Er hat uns gesagt, dass wenn ein Trommler ihn ersetzen kann, dies nur James Kottak von Kingdom Come ist. Wir spielten zusammen mit dieser Truppe und Van Halen die «Monsters Of Rock»-Tour in den Staaten und konnten so jeden Abend sehen, was James da abliefert und wie geil er spielt. Als Typ passt das auch. Bloss einmal (lacht) hat er einen auf Rock'n'Roll gemacht.

MF: Wie schwer war es damals für euch, als Klaus bei den Aufnahmen zu «Blackout» Probleme mit der Stimme hatte?

Rudolf: Wir waren gerade auf dem Scheidepunkt in Richtung Erfolg. Thema «Weltweite Karriere». Du stehst im Studio und merkst, wie die Stimme bei Klaus immer angeschlagener wird. Das ist eine Scheisssituation! Wenn du deinem inneren Instinkt vertraust, als Erstes auf die Freundschaft baust und auf deinen Sänger wartest… Ich habe ihn früher immer gewarnt, wenn er auf die Bühne ging und gleich mal losschrie. «Klaus, du bist ein Spitzensportler und musst dich aufwärmen.» Das hat er mir nie geglaubt (grinst). So! Seit dieser Zeit macht er seine Übungen und hat auch keine Probleme mehr. Er hält sich so was von fit und seine Stimme ist so was von glasklar! Da kann man sagen, dass Klaus zum richtigen Zeitpunkt eine Lehre bekommen hat. So wird es dann auch zu keiner «Pain», wenn du auf der Bühne stehst, diese hohen Lagen singst, und so haben wir unser Schicksal gut in den Griff gekriegt.

MF: Besten Dank für das Interview, alles Gute und auf bald!

Rudolf: Ja, danke dir!