Interview: Subway to Sally
By Kissi
Schon seit über zehn Jahren erfreuen uns die deutschen Mittelalterrocker Subway To Sally mit abwechslungsreichen Tonträgern und energiegeladenen Live-Shows. Anno 2005 veröffentlichten die Berliner ihr nun mehr siebtes Studio-Album namens "Nord Nord Ost" (siehe CD-Reviews Aug 05), welches in Deutschland bis auf Platz 5 der deutschen Album-Charts kletterte und auch in der Schweiz in Massen über den Ladentisch geschoben wurde. Im Zuge der Tour zu jener Scheibe machte das Septett auch im Dynamo in Zürich Rast, wo uns Herr Bodenski, Gitarrist und Texter (der Mann besitzt einen Uni-Abschluss in Germanistik) bereitwillig Auskunft gab, sei es über das neue Album, den neuen Schlagzeuger oder seine persönlichen Musikvorlieben.

MF: Dies ist euer drittes Konzert der "Nord Nord Ost"-Tour. Schon wieder voll im Tour-Trott oder braucht man da erst mal Zeit, sich einzuleben?

B: Ich fühle mich, wie schon wieder Wochen unterwegs! Nee, das geht immer schnell. Man freut sich ja immer, auf Tour zu gehen.

MF: Fazit der beiden vergangenen Gigs? Wie lief's?

B: Man ist am Anfang natürlich immer ein wenig aufgeregt. Denn wir spielen ja eine ganze Menge neuer Lieder, die wir so von Publikum noch nie live gebracht haben und das ganze technische Drumherum... - Komischerweise war das erste Konzert, das war ziemlich ok und dann dachten wir am Tag darauf, dass wir völlig befreit aufspielen könnten und dann ist so viel schief gegangen. So war das zweite Konzert dann, schlechter kann man zwar nicht sagen, aufregender und so sind wir nun ganz guten Mutes, dass es heute cool wird.

MF: Wie steht es mit der Nervosität vor Konzerten? Ist die immer noch da oder hat die der professionellen Routine Platz gemacht?

B: Es ist irgendwie anders, als ganz früher. Ich kenne Lampenfieber und weiss, wie sich das anfühlt mit dem Zittern und dem Kloss im Hals. Diese Art habe ich nicht mehr, die einen so lähmt. Es ist eher so eine Aufgeregtheit, so eine freudige Erwartung. Und das ist bei besonderen Konzerten natürlich immer stärker. Komischerweise in meiner Heimatstadt, mit den eigenen Leuten im Publikum ist das schon speziell. Und Festivals haben natürlich auch ihre eigene Dynamik.

MF: Wie wählt man eigentlich bei euch eine Setlist aus?

B: Gute Frage, weil ich das immer machen muss (nach ein paar Sekunden nachdenklichen Schweigens) - Ich glaube, man will dabei einen Spannungsbogen erzeugen. Zu Beginn musst du die Leute irgendwie an die Hand nehmen, und hineinführen in das Konzert. Das machen wir auf dieser Tour jetzt eher ein bisschen ruhig mit einem grossen, schweren, langsamen Song. Die Leute in die Welt von STS hineinziehen. Die andere Variante wäre natürlich, mit einem riesigen Bumm zu beginnen, was wir auch schon gemacht haben. Danach braucht man dann eine gute Mischung aus Spannung und Entspannung. Man muss ab und zu auch einen Kontrast geben, dass es auch mal ganz ruhig und klein ist und zum Ende macht man halt die Party, oder versucht es zumindest. Das wären, meiner Meinung nach, so die Hauptkriterien.

MF: Ruhig und langsam sind gerade gute Stichworte für eure aktuelle Platte "Nord Nord Ost". Man könnte sagen, sie ist tiefer, emotionaler geworden, als vor allem eure letzte, ziemlich brachiale Scheibe "Engelskrieger" (2003). Wie kommt das?

B: Das hat sicher auch etwas mit den Themen zu tun, die darauf behandelt werden. Mit der Befindlichkeit, in der die Band selber war. Man vertont ja, glaube ich, immer die jeweilige Situation, das eigene Leben, das man gerade führt. Das findet in der Musik und in den Texten dann auch Ausdruck und "Engelskrieger" ist deswegen so ruppig, weil es in einer sehr turbulenten Zeit entstanden ist. Durch den 11.09. wurden wir natürlich alle verstört, die ganze Welt war geschockt und die Platte wurde, da sie gleich danach entstand, stark davon beeinflusst und ohne dieses Thema direkt anzusprechen, floss einfach diese Kaputtheit, diese Verstörtheit mit ein. Was Menschen sich antun können, auch im Kleinen und das musste dann auch in der Musik umgesetzt werden. Und auf der neuen Platte ist alles wieder viel privater, persönlicher, wo es um eigene Empfindsamkeiten, um Verletzlichkeit, um Depression und Liebe geht. Um verlorene, wieder gefundene oder erfüllte Liebe und darum ist die Platte wohl wieder elegischer geworden."

MF: Wie läuft bei euch das Songwriting ab? Es ist ja bekannt, dass Ingo (Hampf, g) die Musik und du die Texte schreibst. Was entsteht zuerst: Text oder Musik?

B: In neun von zehn Fällen entsteht zuerst der Text. Es kommt auch mal vor, dass Ingo zuerst das Instrumentale macht, aber dann hat er doch schon eine Grobfassung, eine Idee im Kopf. Bei "Feuerland" von der neuen Platte war das so. Da kam er mit der fertigen Musik und dem Refrain und ich als Texter musste dann die Story nur noch ausschmücken, in den Strophen. Das kommt immer wie häufiger vor. Früher war das nicht so: Da legte ich einen Stapel Texte hin und Ingo hat sich dann die, welche ihm gefielen, bearbeitet."

MF: Auf "Nord Nord Ost" verwendet ihr zum ersten Mal ein Orchester. Mit Namen das Babelsberger Filmorchester. Das Orchester hat ja schon mit verschiedenen Bands zusammen gearbeitet. Wie seid ihr darauf gekommen?

B: Wir wussten zuerst gar nicht, dass zum Beispiel Xandria, die ja aus einer ganz anderen Richtung kommen, auch mit ihnen zusammen arbeiteten. Aber es ist sicher auffällig, dass wir in einer Welt leben, wo dieses Opernhafte sehr beliebt ist, mit all diesen Frauenstimmen im Metal und den Orchestern. Das ist eine sehr pathetische Welle, die da gerade rollt. Bei uns war der Grund eher, dass Ingo (Hampf) zum ersten Mal wirklich Produzent war und er hat halt einen Drang zum Bombastischen. Er konnte nun alles ausleben, was ihm so im Kopf rumspukte und echte Streicher sind natürlich immer besser als Keyboard-Arrangements."

MF: Kann man damit rechnen, dass man das Orchester auch live mit euch bestaunen darf?

B: Nein! Es ist einfach zu teuer. Dann könnte man viele Locations gar nicht mehr nutzen oder man müsste eine ganz elitäre Sache aufziehen und nur vier, fünf Shows spielen, aber das ist nicht unser Ding.

MF: Welcher Song wird als zweite Single auf die Vorabnummer "Sieben" folgen? Ist das schon festgelegt?

B: Das steht alles noch ein wenig in der Schwebe.

MF: Wie wird das entschieden?

B: Das ist immer schwierig, weil man da einfach in so gewisse Prozesse und Strukturen eingebunden ist, denen man sich nicht entziehen kann. Man muss das ja auch mit der Plattenfirma abklären. Es geht ja nicht unbedingt um den Song, sondern auch, was will man noch drauf packen, will man noch mal ein Video drehen, was zwar eigentlich eher lästig ist...

MF: Drehst du nicht gerne Videoclips?

B: Ich steh' nicht gerne vor der Kamera. Aber wir haben auch noch nicht so viele (Videos) gemacht, also hab' ich auch nicht so viel Erfahrung.

MF: Die Sache mit den Plattenfirmen scheint ja bei STS schwieriger zu sein, ihr habt ja schon mehrmals euer Zuhause gewechselt. Sind STS eine anstrengende Band für Plattenfirmen?

B: Also wir haben schon gewechselt und sind aber auch schon gewechselt geworden, innerhalb von BMG und Universal auch einmal, und das war dann keine Liebesbeziehung, sondern eine Zweckheirat. Nach "Engelskrieger" hatten wir unseren Vertrag erfüllt und es wurde nicht verlängert. Dann wurden wir sofort von Nuclear Blast angefragt, und wir haben zugesagt und fühlen uns da auch pudelwohl.

MF: Neben der Plattenfirma habt ihr ja auch den Mann hinter dem Drumkit erneuert, da euer alter Schlagzeuger David genug vom Bandleben hatte. Das Album hat dann (Ex-H-Blockxx) Trommler Martin Kessler eingespielt. Weswegen seid ihr nicht bei ihm verblieben?

B: Bei ihm war es etwa dasselbe, wie mit unserem alten Schlagzeuger. Er wollte lieber als Studiomusiker arbeiten, denn wenn du dich an eine Band bindest, ist es einfach ein Fulltime-Job, der einen nicht allzu viele Freiheiten lässt. Wir haben Martin natürlich schon gefragt, aber es ging auch zeitlich nicht, da er schon ein Tour-Angebot mit einer anderen Band angenommen hatte und wir suchten ja auch jemanden, der fest in die Band einsteigen mochte.

MF: Und den habt ihr gefunden, nämlich in Simon Michael...

B: Das war schon schwierig, aber wir haben da ziemlich Glück gehabt und sind nun vollkommen glücklich mit Simon.

MF: Woran sich die Musikjournalisten bei eurer Band immer schwer tun, ist die endgültige Stildefinition von STS. Wie bezeichnest du eure Musik? Mittelalter, Gothic oder Neue Deutsche Härte?

B: Es ist klar, dass ich jetzt sage, dass wir von allem ein wenig sind. Also bei NDH glaube ich nicht dran, dass sich dieser Ausdruck wirklich durchsetzten kann... Ich denke wir sind eher eine Gothicband mit speziellen Instrumenten, vom Theatralischen her. Wir schreiben ja nicht Songs für die Instrumente, sondern schreiben erst mal Songs, wo wir zwar die Geige als ständiges Instrument im Hinterkopf haben, dennoch aber nicht an spezielle Instrumente denken, drum kann man uns schlecht als Mittelalterband bezeichnen.

MF: "Eisblumen" (von "Nord Nord Ost") ist ja auch der perfekte Gothic-Song. Mit dem Refrain "Wir sind wie Eisblumen, wir blühen in der Nacht..."

B: Ja, das war auch die Idee, mit dem Bild der Eisblumen, wobei die ja heute gar niemand mehr kennt. Das ist für mich auch eine Kindheitserinnerung..."

MF: Bei anderen Bands kann man ja die Einflüsse klar heraus hören. Gibt es auch Vorbilder oder Idole von Subway To Sally? Was hörst du privat für Musik?

B: Ich interessiere mich sehr, was so los ist in der Musikszene und beobachte auch alles. Das geht von Hartem..., jetzt, wo wir bei Nuclear Blast sind, bekomme ich natürlich von dort immer Scheiben in die Hand gedrückt, wie Mnemic oder Raunchy, so progressiv hart. Ich höre aber auch mal Ruhiges wie Nora Jones, man muss sich ja nicht immer anbrüllen lassen. Das ist aber nicht Musik, die mich beeinflusst, sondern das höre ich einfach, wenn die Stimmung passt, die Gefühlslage widerspiegelt. Beim Autofahren läuft dann auch mal ein Klassiker, wie Led Zeppelin oder so, das kommt immer gut.

MF: Was schallt aus den Tourbus-Boxen?

B: Gar nichts, dort ist es immer sehr ruhig, nachdem man den ganzen Tag mit Musik zu tun hatte, sehnt man sich nach etwas Ruhe. Das ist der Trugschluss, wenn man in einen Klub kommt, läuft da Musik und nach dem Konzert läuft wieder Musik, das kann dann schon mal nerven. Im Bus schauen wir oft DVDs.

MF: Wie sieht die Zukunft von STS aus. Nach der Tour wird wohl zuerst mal Pause anstehen, oder?

B: Eine kurze Unterbrechung wird's schon geben, das aber erst im Januar. Dieses Jahr gibt's jedoch keine spezielle Weihnachts-Tour, ist auch nicht nötig, da wir ja jetzt in der Show schon die Kälte thematisieren. Wir haben danach vor, im Frühling eine Unplugged-Tour zu machen und da wir uns da schon etwas Spezielles überlegen, wird das auch wieder Vorbereitungszeit benötigen. Und dann kommen schon wieder die Festivals..."

MF: Hoffentlich dann auch wieder in der Schweiz, vielleicht vermehrt...

B: Da sind wir dran. Jetzt sind wir ausverkauft habe ich gerade gehört und das können wir jetzt vergrössern. Wir konnten auch nicht alles aufbauen, wir mussten die Lightshow komplett improvisieren, die Crew hatte noch ziemlich Stress. Und ohne Fotograben kann man auch nicht allzu viel Pyros abfackeln, da mussten wir auch abspecken. Ihr müsst halt noch ein anderes Mal in unsere Show kommen.