Die
Konzertagentur FreeAndVirgin hat Grund zum Feiern! Seit 35 Jahren
organisiert sie nun bereits Konzerte in der Schweiz und hatte Topacts
wie Metallica, Nickelback oder Aerosmith erfolgreich hierzulande
aufgebaut. Dies muss gefeiert werden. Und zwar mit einem Status
Quo-Konzert am 31. Mai in Winterthur. Anlässlich dieses Jubiläums führte
ich ein sehr ausführliches Interview mit dem Geschäftsführer Stefan
Matthey. Dabei kam neben einem Zeitraffer und der persönlichen,
eindrücklichen Biographie von Mathey auch zur Sprache, warum auch heute
noch Schweizer Bands einen schweren Stand im Ausland haben.
MF: Hallo Stefan. Bevor wir zu Free & Virgin und ihrem 35. jährigen
Jubiläum kommen, möchte ich gerne etwas über dich erfahren. Wie lange
bist du schon dabei?
SM: Ich habe zwischen 15 und 16 Jahren angefangen Konzerte zu
organisieren. Und bin dann bereits mit fast 17 Jahren bei Free & Virgin
gelandet, als so mit 16½. Seither bin ich hier, aber immer wieder in
anderen Funktionen. Heute bin ich irgendwie der Geschäftsführer und
schaue, dass der Laden läuft. Es hat sich vieles in dieser Zeit
geändert, aber das Grundelement ist immer noch das Konzerteorganisieren.
Und das machen wir immer noch. Manchmal erfolgreich, und manchmal
weniger erfolgreich. Aber uns gibt es immer noch.
MF: Hast du eine KV-Lehre gemacht? Oder wie bist du reingerutscht?
SM: Nein, also eigentlich gar nicht. Ich war Briefträger und Konzerte
organisieren war eher so mein Hobby. Und da ich als Musiker nirgends
hingekommen bin, habe ich gemerkt, dass Konzerte veranstalten eher mein
Ding ist. Es war damals eine Zeit mit vielen Anfängen. Zum Beispiel
kamen da gerade Metallica. Das war auch eine der ersten Bands, an deren
Auftritt ich mitorganisiert habe. Metallica spielten hier ihren ersten
Gig in Europa. Das war 1984 im Volkshaus Zürich im Vorprogramm von Venom.
Das war so meine Zeit und der Rest ist dann Geschichte. Also sowohl
meine Geschichte, wie auch die von Metallica. Obwohl Metallica
wahrscheinlich ein wenig erfolgreicher sind als wir. Aber hey, uns gibt
es immer noch. Und wir machen immer noch das, was uns Spass macht, eben
wie auch Metallica. Wir mussten uns sicher auch ab und zu dem Trend
biegen, was Metallica zum Teil nicht, aber zum Teil auch gemacht haben.
Aber ich glaube, dass ich heute immer noch das mache, was mir Spass
macht. Manchmal sicher weniger, als dazumal. Das ist sicher. Ich habe
heute auch andere Prioritäten im Leben. Habe zum Beispiel eine Familie
und Kinder und anderes. Aber ich mache immer noch das, was mir Spass
macht. Und ich glaube ich mache das noch eine paar Jahre, wenn es
weiterhin so wie läuft jetzt.
MF: Welches war dein erstes Konzert, welches du organisiert hast?
SM: Also mein erstes eigenes war mit 16 Jahren ein Blueser aus Los
Angeles Namens Big Jay McNeal. Das war irgendein Boogie-Woogie-Blues
Saxophonspieler dazu mal im Kaufleuten in Zürich, als der Laden noch
gerockt hat. Das war damals noch kein Trendy-Lokal wie heute.
MF: Und danach mit Free & Virgin?
SM: Hm… Das könnte ich nicht mehr sagen. Das waren tausende von Shows
seither. Darum kann ich es nicht mehr sagen. Ich war letzthin aufgrund
der 35 Jahre Free & Virgin im Keller und habe nachgeschaut, was wir
überhaupt alles gemacht haben. Und da hat es massenhaft Künstler
darunter. Wir hatten zum Beispiel Aerosmith. Wir haben wirklich Acts
gehabt, die später riesig geworden sind. Wir hatten früher Dire Straits,
wir hatten Aerosmith, The Clash, Sticks, und, und, und. Aber das sind
tausende von Konzerte und könnte jetzt nicht mehr sagen welches mein
erstes gewesen ist. Aber es wird wohl eine Punkband gewesen sein.
Wahrscheinlich im Kino Walche in Zürich, als man ihn Zürich noch rocken
konnte und es nicht so das Trendy-Zeugs gab.
MF: Ich höre da raus, das Zürich immer so dein Hauptstandort gewesen
ist?
SM: Ja klar. Das war natürlich auch Firmenbedingt. Wir waren immer hier.
MF: Bist du hier auch aufgewachsen?
SM: Ich bin in Zürich aufgewachsen, wohne aber mittlerweile ein wenig
ausserhalb von Zürich, weil ich dieses Stadt-Zeugs nicht mehr brauche.
Aber Zürich war schon mein Hauptwirkungsort. Zürich hat auch früher
wirklich gerockt. All die legendären Punkbands waren halt hier. Im Kino
Walche zum Beispiel haben sehr viele Acts gespielt.
MF: Free & Virgin feiern dieses Jahr ihr 35 jähriges Jubiläum. Also
eigentlich zwei Jahre zu spät. Wieso habt ihr es nicht bereits im 2006
gefeiert?
SM: Das ist uns in irgendeinem Alkohol-Exzess in den Sinn gekommen.
(lacht) Nein. Du musst dich als Veranstalter immer ein Bisschen selber
motivieren. Es war so, dass man immer nur von dieser Euro08 geredet hat
und rum herum hiess es, man müsse mit Veranstaltungen aufpassen. Und um
uns selber zu kicken haben wir einen Aufhänger für uns selber gesucht.
Wir haben bereits vor einigen Jahren festgestellt, dass die Leute nicht
die Konzert-Billete kaufen, weil jetzt der Matthey oder der Sprenger
dahinter steckt, oder weil Raphaela die Werbung und Tarja das Büro
macht, sonder dass sie es wegen dem Act kaufen. Wir haben uns auch nie
in den Vordergrund gedrängt. Ich meine, es ist ein Job wie jeder andere
auch. Wir organisieren jetzt halt Konzerte, du schreibst, ein anderer
verteilt die Post und ein weiterer arbeitet als Schreiner. Wir machen
das um Geld zu verdienen und vor allem auch zum Überleben und um unsere
Kinder und uns selber zu ernähren. Jetzt fanden wir aber, dass wir mal
was für uns machen sollten. Und dann sahen wir, dass wir bereits 37
Jahre alt werden und wussten, dass wir das jetzt nicht gross an die
Glocke hängen können. Das interessiert eh niemanden und „35 Jahre“
klingt auch besser. Und so haben wir mit der Planung begonnen.
MF: Also schlicht um euch selber zu motivieren?
SM: Ja, in erster Linie. Und zweitens hat man sich so mal mit sich
selber auseinander gesetzt. Ich war zu dem Zeitpunkt wieder mal im
Keller und war erstaunt, als mir bewusst wurde, wie lange ich das
bereits mache. Und was ich bereits alles promotet habe. Denn das war im
Grunde nie wichtig für mich. Ich kann dir ja nicht einmal sagen, welches
mein erstes Konzert mit Free & Virgin gewesen ist. Wir haben so viel in
so vielen verschiedenen Stilrichtungen promotet … Aber es hat wirklich
gut getan, mal in den Keller zu gehen und zu sehen, was ich hier
überhaupt mache und was ich schon gemacht habe.
MF: Du hast das erste Metallica-Konzert in der Schweiz angesprochen.
Wie war das damals?
SM: Das war sensationell. Die waren damals eine der lautesten Bands. Und
das im Vorprogramm von Venom. An der Hauptband waren aber nicht sehr
viele Leute interessiert. Man wusste, dass Metallica eines der kommenden
Dinger sind. Denn bis dahin wurden bereits Demos herumgereicht.
MF: Aber das war zu einer Zeit, als erst knapp Kill `em All draussen
war?
SM: Ja. Es war wirklich zu den ganz frühen Anfangszeiten. Vorher kannte
man sie von gewissen Demos. Man wusste aus den bereits existierenden
Metal-Magazinen wie dem Metal-Hammer, was da kommt. Die
Underground-Szene war dazumal riesig. Und man wusste, dass da irgendwas
kommt, was sicher Wegweisend für die nächsten paar Jahre sein wird. Dass
das 20 oder 30 Jahre halten würde, wusste man aber noch nicht. Aber man
wusste, dass das im Metalbereich sicher was Neues ist. Es gab da vorher
zwar schon Exciter oder Anvil, welche auch in dieser Stilrichtung
gingen, aber Metallica haben das Zeugs damals an den Mann gebracht. Und
darum hat zu der Zeit auch jeder über dieses Konzert geredet. Und der
Rest ist Geschichte. Ich meine 100 Millionen verkaufte Platten, ja…
MF: Das Konzert war also ebenfalls eindrücklich?
SM: Ja klar. Ich meine ja auch heute noch, dass die Vorbands generell
nicht so gut beim Publikum ankommen, weil sie entweder schlechte
Soundeinstellungsbedingungen haben, oder sie vorher keinen Soundcheck
machen dürfen. Das war früher so, und gilt auch heute noch. Und Venom
haben die Geschichte natürlich breit geschlagen, weil sie auch gemerkt
haben, dass sie mehr so der Spinal Tap-Groove hatten und eher ausgelacht
wurden.
MF: Wirklich, also schon 1984?
SM: Ja, natürlich. Und zum Glück hatten sie Metallica als Vorgruppe
dabei. Weil die haben meiner Meinung nach die Leuten an die Shows
gebracht. Und das war schon ein Highlight.
MF: Im August bringt ihr Mettallica wieder in die Schweiz. Liegt das
auch an einer Beziehung, welche ihr mit der Band aufgebaut habt?
SM: Also es ja nicht so, dass wir uns immer an Weihnachten treffen und
so. Das auf keinen Fall. Aber man kennt sich einfach und Metallica ist
halt noch eine Band aus dem alten Strickmuster, welche mit ihren
Promotern in den jeweiligen Ländern gewachsen ist. Wir sind also
wirklich durch die Hölle mit dieser Band gegangen. Also mit ihnen schon
weniger als mit anderen Bands, weil Metallica eigentlich von Anfang an
erfolgreich waren. Aber wir sind wirklich Stück für Stück mit Metallica
gewachsen. Und wir haben mit ihnen alles gemacht. Vom eigenen Volkshaus
bis ins Sportzentrum Greifensee, ins Basler Joggeli Stadium und
zwischendurch immer wieder im Hallenstadium. Wir gehen diesen August
nach Jonschwil und die Band kommt nächsten Jahr schon wieder ins
Hallenstadion. Also natürlich ist da was entstanden. „Freundschaft“ ist
aber das falsche Wort. Es ist mehr eine Business-Kollegialität wo man
sich auch gegenseitig schätzt und sie vor allem schätzen, was wir für
sie in der Schweiz gemacht haben.
MF: Läuft das denn über die Band selber oder mehr übers Management?
SM: Es ist primär schon das Management. Aber bei Metallica ist immer
noch derselbe Manager dabei. Der Peter Mensch. Und das ist auch
derjenige, der die Band dazumal… also er hat sie nicht entdeckt. Aber
ich denke, das ist der richtige Manager für die Band. Wie Doc McGhee von
Mötley Crüe. Also einer der zum richtigen Zeitpunkt das richtige gemacht
hat. Ich glaube, dass die weichen für Metallica in den 80er Jahren
gestellt wurden, und nicht heute. Heute profitieren sie einfach von
ihrem Ruhm aus den 80er Jahren. Heute sind Metallica auch schon fast
kult. Wenn man das Wort überhaupt brauchen darf.
MF: Stimmt schon. Man geht sie wie auch Iron Maiden schauen, weil sie
Metallica sind und nicht wegen St. Anger.
SM: Nein, also logisch nicht. Und ich glaube, dass das neue Album
sowieso erst nach dem Schweizer Konzert erscheinen wird. Natürlich
wartet man gespannt auf das neue Album weil St. Anger nicht so das Wahre
war. Aber das ist eine Band… Also wir verkaufen die Tickets wie warme
Weggli und alle unsere Erwartungen wurden bereits jetzt übertrumpft. Wir
haben schneller mehr Billette verkauft, als je zuvor. Und das will was
heissen. Das heisst also nicht, dass die Band überhaupt nicht mehr
beliebt ist. Ich glaube, die Band ist soweit, dass ihre neuen Alben
nicht mehr wichtig sind. Ein neues Album ist zwar nice to have, aber es
ist nicht mehr der Grund, warum die Leute an ihre Konzerte gehen.
MF: Also für mich ist das Album vor allem ein Grund, damit sie
endlich wieder mal in der Schweiz ein Konzert spielen.
SM: Ja klar. Und sie gehören zu den Top10 Rockbands weltweit, wenn man
das gesamte Segment anschaut. Und im Metal-Bereich gibt es jetzt nichts
grösseres, welches mehr Leute zieht als Metallica.
MF: Ich möchte jetzt einen kleinen Jahrzehnte-Rückblick durchführen.
Wir lassen die 70er Jahren draussen, weil du da nicht dabei warst. Ist
das recht so?
SM: Ja, das ist mir recht. (lacht)
MF: Damit musst du mir nicht die Erinnerungen anderer erzählen. Was
machten für dich die 80er Jahre aus?
SM: Natürlich sehr viel Rock. Ich komme selber aus der Metal-Ecke. Da
gab es Bands wie z.B. Testament. Ich habe gerade gestern mit deren
Manager diskutiert. Das ist auch so eine spät 80er-Band, oder ev. Mitte
80er sogar. Und diese Bands kommen jetzt alle wieder. Es ist lustig. Wir
hatten dieses Jahr bereits Overkill, die gibt es auch immer noch, ebenso
wie Metallica. Und dann gibt es andere aus dem Nicht-Metal-Bereich,
welche auch noch immer wieder kommen. Es war also eine super Zeit für
mich.
MF: Ihr habt zwischen 1987 und 1995 das „Out In The Green“-Festival
organisiert. Wieso habt ihr euch als Veranstalter von den Openairs
zurückgezogen?
SM: Das ist einfach zu beantworten. 1995 realisierten wir, dass wir an
dem Open-Air innerhalb diesen 9 Jahre wirklich alles hatten, was man
haben konnte. Also z.B. Elton John, und alles was Top war. Und wir haben
realisiert, dass der Aufwand und der Ertrag für eine solche Kiste in
keinem Verhältnis zu einander standen. Ich meine es war damals das
grösste Festival in der Schweiz. Und das wollten wir einfach nicht mehr.
Wir wollten nicht ein ganzes Jahr lang arbeiten, um dann vielleicht ein
Bisschen Geld zu verdienen oder wenn es schlecht geht noch Verluste
einzufahren. Ich glaube auch, dass die Zeit für solche Festivals heute
vorbei ist. So was könntest du heute auch nicht mehr in dieser
Musikkonstellation machen. Also z.B. einen Elton John und einen Slash am
gleichen Tag innerhalb von drei Stunden auf der gleichen Bühne zu haben.
Das kann man heute nicht mehr. Das goutiert kein Festival-Promoter und
das Publikum will es auch nicht mehr.
MF: Das heisst, ihr müsstet für das Ticket 300 Fr. verlangen?
SM: Ja genau. Und die Bands wollen auch nicht mehr zusammen spielen.
Heute ist das ein knallhartes Geschäft. Wenn du Metallica hast, dann
sagen die ganz genau, wen sie als Vorgruppe haben und wie lange die
spielen können und noch vieles mehr. Früher hattest du als
Konzertveranstalter noch mehr Einfluss darauf.. Du bist da zum Zahlen
und zum schauen, dass die Bands ein Sandwich oder schlicht ihr Futter
erhalten. Aber sicher nicht zum Auswählen, wer im Vorprogramm von
Metallica spielen darf. Und das ist das, was um 1995 bereits angefangen
hat. Und wir wollten deshalb gar nichts mehr machen.
MF: Ist das auch der Grund, wieso Lauren Harrys jetzt auch immer bei
Iron Maiden als Vorgruppe dabei ist?
SM: Also dort handelt es sich wohl um eine familieninterne
Angelegenheit. Wahrscheinlich kommt sie selber nicht weiter und tritt
darum im Vorprogramm von Iron Maiden auf. Ich glaube es würde gar
niemand kommen, wenn sie selber Touren würde. Und ich würde das als Iron
Maiden wahrscheinlich auch so machen. Also wenn du sowieso überall eine
volle Hütte hast, musst du nicht noch Geld für einen Support in die
Hände nehmen, welchem du Infrastruktur zur Verfügung stellen musst. Du
hast eine eigene Tochter, die ein wenig singen kann und vielleicht für
die einen noch ein Bisschen gut aussieht. Ich glaube bei diesen Bands
ist es als Support sowieso scheisse. Alle Leute wollen sowieso nur Iron
Maiden oder Metallica sehen. Und entweder ist etwas Gutes vorher, dann
ist es okay, und sonst ist es halt ein Scheiss. Aber eine einfache
Geschichte ist das sicher nicht.
MF: Das heisst, dass man es auch als gute Vorband schwierig hat?
SM: Also ich glaube es geht auch anders, wenn die Konstellation stimmt.
Ich mag mich an Metallica 2004 im Letzigrund erinnern. Die hatten
Slipknot als Vorband.
MF: Okay, aber Slipknot waren auch schon damals ziemlich gross…
SM: Ich glaube, die hatten nicht Paradise Lost als zusätzliche
Vorgruppe, sondern Lost Prophets. Und da stimmte es. Da war die
Konstellation richtig. Aber oft musst du irgendeine knorkige Vorband
hören… Ich meine, du gehst ja nicht wegen den Vorbands. Also in den
wenigsten Fällen. Es ist nice to have, wenn es eine gute Vorband hat.
Aber jetzt da… Der andere Punkt ist, dass man ohne Vorband auch
Diskussionen auslöst.
MF: Kommen wir zu den 90er Jahren. Du hast diesbezüglich schon
gewisse Schwierigkeiten mit den Festivals erwähnt. Wie ist es mit den
Hallenkonzerten gelaufen?
SM: Also für uns sehr gut. Wir hatten Bands wie Midnight Oil oder Inxs,
welche brillante Zahlen geschrieben haben. Halt auch ein Bisschen weg
vom Rock. Klar, Rock hat es immer in irgendeiner Form gegeben, auch den
Hard Rock. Aber man hat dort auch den Wandel gespürt. Pearl Jam kamen
damals, und, und, und. Es war für uns eine super Zeit. Wir mussten uns
anders orientieren, musikalisch als auch marketingtechnisch. Wobei man
das damals noch nicht als so wichtig gesehen hat. Aber es war auch eine
gute Zeit, auf jeden Fall. Aber sicher nicht so wie die 80er Jahre.
MF: Was heisst marketingtechnisch?
SM: Marketing war ein Wort, welches man früher nicht so gekannt hat. Ich
komme ja selber eher aus der musikalischen Ecke. Heutzutage siehst du
keiner mehr bei den Plattenfirmen, der aus dem musikalischen kommt. Die
haben heute alle eine Marketing-Ausbildung. Das kannte man früher gar
nicht. Früher war die Rechnung einfach. Die Band kommt und du musst so
und so viel Gage zahlen und dafür musst du so und soviel Leute haben.
Und dafür musst du Werbung machen. Und Werbung hiess springen. Heute
gibt es ganz andere Werkzeuge an marketingtechnischen Sachen, wo du
Kombinationen mit irgendwelchen Kommunikationsanbieter machen kannst.
Das gab es früher gar nicht. Früher hatten wir mal Camel dabei und
später Marlboro. Das hat sich einfach gewandelt. In den 90er Jahren hat
das ein Bisschen angefangen. Auch mit dem Sponsoring. Rock wurde ganz am
Anfang der 90er Jahre ein wenig interessant, obwohl sich der klassische
Rock bereits am Wandeln war. Aber übergreifende Bands wie Status Quo,
Deep Purple, Scorpions und all das Zeugs wurden auf einmal interessant.
Und man begann Geld bei den Veranstaltern und bei den Bands zu
investieren. Das hat sicher auch damit zu tun, dass diese 90er Jahre
nicht so rockig wie die 80er Jahre waren.
MF: War es denn musikalisch auch für dich selber interessant. Oder
war das der Punkt wo du realisiert hast, dass Free & Virgin halt auch
ein Job ist?
SM: Nein… Ja, na klar ist es ein Job. Aber ich finde es hatten alle
Zeiten interessante Sachen, welche neu waren und man entdecken musste.
Auch heute noch. Und das ist eigentlich auch unser Job. Wir leben ja nur
von den Ticketverkäufen. Das heisst, dass wir auch gute Bands raus in
den Handel stellen, damit die Leute merken, dass das geil ist und sie es
sehen wollen müssen. Genauso wie auch die Label verkünden müssten, dass
die und jene Platte draussen ist und man sie unbedingt anchecken sollte.
Je mehr gute Produkte du hast, je mehr gute Bands du bringen kannst,
desto einfacher ist unser Job. Wir sind Marktabhängig, ohne Zweifel. Das
war in den 90er Jahren so, in den 80er, heute und wird auch noch in 10
Jahren so sein. Wir sind Marktabhängig, wir müssen wissen, auf welche
Bands wir künftig setzten müssen. Ich sehe das z.B. an Megadeth, die
heute vorbei sind. Das wissen wir. Das ist bei uns mittlerweile eine
Club-Band. Die letzte Tour ist in ganz Europa geflopt. Wir kamen gerade
noch so mehr oder weniger raus. Wir haben die Band aber anders als die
anderen eingeschätzt. Overkill war mal eine grosse Band, tourt aber
immer noch. Da musst du einfach ein Gespür dafür entwickeln. Und das
wird auch in Zukunft so sein.
MF: Kommen wir noch zu den 2000er Jahren.
SM: Ebenfalls super. Da kam sehr viel neues Zeug. Auch da gab es wieder
einen Wechsel mit all diesen Majors und mit kleineren Labels und mit
ganz anderem. Das Live-Segment kam wieder stärker. In den 90er fiel das
Live-Segment eher so ein Bisschen nach hinten ab. Anfangs dieses
Jahrhunderts merkte man, dass das Live-Zeugs wieder kommt. Die
Musikindustrie geht eher wieder ein Bisschen zurück. Wie gesagt, du
musst dich immer anpassen. Das ist ein ständiges Anpassen und ein
wissen, was gerade geht und was nicht. Und das wird immer so sein. Die
90er Jahren waren cool, hatte zwei coole Geschichten im
Nicht-Rock-Bereich, welche wir erfolgreich promotet haben.
MF: Das wäre gewesen?
SM: Das war die ganze Teeny-Welle. Die war für uns riesig.
MF: Also sind die Backstreet Boys über euch gelaufen?
SM: Die Backstreet Boys liefen bei uns gewaltig. Wir hatten jeden
Teeny-Act bis auf Take That. Wir haben also Konzerte für Worlds Apart,
Caught in The Act und wie die alle geheissen haben organisiert. Das war
eine super Zeit mit Hallenstadion und grösser. Wir haben im Letzigrund
mit den Backstreet Boys gespielt, und, und, und. Und dann anfangs 2000
haben wir gemerkt, dass es wieder ein paar spannende Geschichten im Rock
hat. Also dass hier eine neue Epoche beginnt, welche durchaus
interessant ist.
MF: Was sind so die Herausforderungen für die nächsten Jahre?
SM: Ich glaube, dass das ganze myspace- und youtube-Zeugs, also die
ganze neue Generation sicher einen Vorteil hat. Es läuft wieder mehr in
der Szene. Mit der Musikindustrie, welche zusammen gesackt ist. Und die
Bands haben jetzt gemerkt, dass sie wieder Tourneen spielen müssen, wenn
Geld verdienen wollen. Da muss man sehr aufpassen, dass man die
richtigen Bands rauspickt um damit Geld verdienen zu können. Weil es so
viele Bands hat, welche auf Tour sind. Was wir machen ist ja nicht
Kultur. Es ist nicht unser Philosophie Kultur an den Mann zu bringen.
Also schon auch, aber nicht auf unsere Kosten. Und ich glaube, das wird
so die Schwierigkeit in dem ganzen Kuchen an neuen Bands sein. Jede Band
hat natürlich mit Myspace ein unglaubliches Potential ihre Musik zu
verbreiten. Und da musst du als Veranstalter einfach fähig sein, dass
richtige raus zunehmen.
MF: Wie filtert ihr diese Bands raus? Bist du selber oft auf Myspace
oder habt ihr da eure Spitzel?
SM: Wir haben keine Spitzel. Also ich meine, das ist mein Job. Ich muss
schauen, was so läuft. Manchmal hat man Glück. Bei Mika war ich zum
Beispiel einer der ersten, der überhaupt realisiert hat, dass es den
überhaupt gibt. Gut das ist jetzt nicht Rock. Ich habe gerade mit einem
französischen Promoter diskutiert. Der hatte vor 2 Wochen 44'000 Leute
in Paris. Vor zwei Jahren hat noch niemand nach ihm geschrieen. Und das
ist auch das Spannende an meinem Job. Das ich immer wieder neues Zeug
finden muss.
MF: Wie informierst du dich? In Magazinen, im Internet…?
SM: Ich mache das sicher noch nach der klassischen Art. Ich kenne
einfach sehr viele Leute, auch im amerikanischen Bereich. Mit denen rede
ich immer wieder. Und es gibt im Metalbereich nach wie vor zum Beispiel
diese Leute von Metalblade. Diese Leute von diesen kleinen Labels sind
einfach immer noch am Puls der Zeit. Da hat es Bands wie z.B. As I Lay
Dying oder Killswitch Engage, so die neue Generation. Und ich denke,
dass in diesem Bereich noch einiges gehen wird.
MF: Free & Virgin sind ja keine reine Konzertagentur. Was macht ihr
sonst noch?
SM: Also das Kerngeschäft ist die Konzertagentur. Wir haben noch einen
Promozweig. Das heisst wir machen den ganzen Promobereich für die Toten
Hosen und die Ärzte in der Schweiz, was die Platte betrifft. Wir machen
viele Event- und Firmen-Geschichten. Aber der Kernbereich ist schon das
Promoten. Also so als Promoter vom Club bis ins Stadion, aber auch
musikalisch vom Jazz über den weiss der Geier was bis zum Rock.
MF: Das heisst ihr macht für die Ärzte das, was eine Plattenfirma
sonst tut. Ihr verschickt Promos und seit dafür zuständig, dass die
Plattenläden die CDs erhalten?
SM: Hm… nein. Das ist das 360°-Modell, welches jetzt immer mehr kommt.
Madonna ist bei einem Konzertveranstalter, welcher jetzt auch ihre
Platten und ihr Merchandise verkauft. Und das ist das, was irgendwann
mal gross kommen wird. Und ob du jetzt draussen im Markt Konzerte
bewirbst oder du jetzt sagst, dass da ganz neue eine Hosen-Platte
draussen ist, ist eigentlich 1:1 dasselbe. Wenn die Leute wissen, dass
eine neue Hosen-Platte im Laden steht, dann geht der Fan sie holen. Wenn
er es nicht weis, kauft er sie nicht. Und das gleiche ist bei uns mit
dem Ticketing. Wenn wir In Flames im Volkshaus haben und die Leute das
nicht wissen, dann gehen sie nicht. Und da haben die Bands teilweise
realisiert, dass das eigentliche das gleiche ist. Und wenn du dann
natürlich einen Partner hast, welcher den Livebereich ebenfalls betreut,
dann hast du alles in einem Sack.
MF: Wie läuft das denn bisher mit der Aufteilung?
SM: Bis jetzt läuft das so, dass die Plattenfirma Platten und wir unsere
Billet-Geschichten verkaufen.
MF: Das scheint mir ziemlich unkoordiniert, also dass sowohl die neue
Platte wie auch das Konzert etwa gleichzeitig kommen?
SM: Ja, natürlich gibt es solche Sachen. Bei In Flames ist es z.B. cool.
Da ist die Platte draussen und wir kommen jetzt mit dem Konzert. Aber
natürlich ist es das Beste wenn eine Platte kommt, in welcher die
Tournee-Daten stehen und es nur eine Promo gibt, welche läuft. Aber da
sind Theorie und Praxis in unserem Business meistens weit auseinander.
Meistens kommt die Platte verspätet, weil die Jungs zu lange im Studio
waren. Wir haben als Veranstalter über die Jahre gelernt, es so zu
akzeptieren, wie es nun mal ist. Wir schauen, dass wir die Billete
verkaufen, weil wir davon und nicht von den möglichen tausenden
verkauften Platten einer Band leben. Wir leben wirklich nur vom
Ticket-Buying.
MF: Aber eine Plattenfirma merkt die Ankündigung eines Konzertes ja
auch in den CD-Verkäufen.
SM: Ja, aber da gibt es auch einen weiteren wesentlichen Unterschied zu
den 90er Jahren. Es gibt heute keine Patent-Rezepte mehr. In den 80er
und 90er Jahren konntest du sagen, dass eine Band, welche 10'000 Platten
verkauft, dann 1'000 Konzert-Besucher ziehen wird. Damals galt das 10%
Rezept.
MF: Man sah das ja letztes Jahr in Finnland, als mehrere
Metallica-Alben nach einer Konzert-Ankündigung wieder die Album-Charts
Spitzenplätze belegten.
SM: Das sicher. Aber das ist auch wieder Marktverschieden. Bei uns
konntest du in den 80er und 90er Jahren sagen, dass 10% der
Plattenkäufer an die Konzerte kommen. Heute haben wir mit As I Lay Dying
900 Leute. Die verkaufen aber keine 9'000 Platten. Die verkaufen nicht
einmal 1'000 Platten in der Schweiz. Also kann man das heute nicht mehr
so werten. Man muss da ein Gefühl dafür entwickeln, wann man mit was
kommen muss.
MF: Akutelle organisiert er zwischen 80 und 100 Konzerte pro Jahr.
Wie viele davon kann man im Sektor Hard und Heavy einordnen?
SM: Im Moment sind es ziemlich viele, sicher so um 60 – 70%. Aber das
ist auch Marktabhängig. Wir hatten zum Beispiel letztes Jahr ein Jahr wo
wir die grössten Konzerte mit Tokio Hotel und den Fantastischen Vier
hatten. Und dieses Jahr schreiben wir die grössten Konzerte mit Iron
Maiden, Metallica und den Toten Hosen. Also wir sind wirklich eine
Konzert-Agentur und keine Rock-Agentur. Aber rein schon aufgrund unseres
Backgrounds sind wir eher Rock-Orientiert.
MF: Als grosse Konkurrenz gibt es in der Schweiz noch Goodnews. Wieso
laufen diese grossen Acts jetzt über euch? Also von Metallica wissen wir
es ja bereits, aber wie sieht es bei Iron Maiden aus?
SM: Die waren nicht immer eine unserer Bands, aber jetzt in den letzten
8 Jahren schon. Das ist auch eine Band, welche unsere Arbeit in der
Schweiz goutiert. Und das wir es recht machen. Und darum sind die bei
uns.
MF: Wie ist euer Verhältnis zu Good News?
SM: Das ist okay. Konkurrenz belebt ja generell das Geschäft, und das
ist auch bei uns so. Sie haben einen Exklusiv-Vertrag mit dem
Hallenstadion, was für uns nicht immer wahnsinnig lustig ist.
MF: Heisst das, dass ihr keine Konzerte im Hallenstadion veranstalten
dürft?
SM: Doch schon. Aber wir müssen mit ihnen dann einfach teilen. Und das
ist nicht immer so lustig. Vor allem wenn es Bands sind, an welche wir
von Anfang an geglaubt und nach oben bugsiert haben. Nightwish war z.B.
so eine, an welche niemand geglaubt hat. Und als wir gesagt haben, dass
wir mit denen ins Hallenstadion gehen, haben alle gelacht. Und gesagt:
„Spinnst du eigentlich, das mit dieser neuen Sängerin zu machen!“ Nun,
diese Band hat im Endeffekt an diesem Abend vor noch nie so vielen
Leuten in der Schweiz gespielt. Ob das mit dieser Band weiterhin so
laufen wird, kann ich nicht sagen. Aber dazumal stimmte es einfach. Und
da ist es halt nicht so einfach, wenn du mit Überzeugung mit gewissen
Produkten kommst. Es ist es halt was anderes, als wenn du mit Timberland
oder Robin Williams kommst. Du kommst mit einem Rock-Projekt, für
welches, wie soll ich sagen, Akzeptanz ist das falsche Wort, aber
irgendwie das Verständnis für diese Art von Musik nicht so da ist.
MF: Das mit dem Hallenstadion verstehe ich noch nicht richtig. Also
wenn ihr im Hallenstadion etwas macht, zahlt ihr einen gewissen
Prozentsatz an Goodnews?
SM: Nein es ist so, dass jedes Hallenstation-Konzert ein Coproduktion
ist. Also eine 50:50-Produktion zwischen uns und der Firma Goodnews.
MF: Und Metallica könnt ihr dieses Jahr für euch alleine machen, weil
es nicht im Hallenstadion stattfindet?
SM: Genau.
MF: Wir kommen zu den letzten Fragen: Ihr baut auch Künstler in der
Schweiz auf. Wie muss man sich so einen Aktionsplan vorstellen?
SM: Also ich glaube das Kerngeschäft von uns und der Musikbranche ist
und bleibt ein guter Song. Egal welche Stilrichtung das ist. Eine Band,
die keine Songs hat, wird nie funktionieren. Im Rockbereich, würde ich
mal sagen, und das ist unser Vorteil, muss man eine Band Live lancieren.
Du hast zwar sehr viele Medien wie Print-Medien. Und davon ist 20Minuten
sicher das Beste Beispiel. Wenn du heute als Medienpartner mit einer
jungen Band in der 20Minuten bist, dann hast du bereits gewonnen. Dann
hast du sie schon lanciert. Weil das ist einfach das Magazin, welches
die Leute in der gesamten Schweiz irgendwo täglich lesen. Und es driftet
halt nicht spezifisch auf irgendeine Szene ab. Wenn es eine Band da rein
schaffst, dann hast du im Prinzip schon gewonnen, und musst es schaffen,
da anzuknüpfen. Im Rockbereich hast du auch sehr viel, was gar nicht
erst am Radio gespielt wird. Womit es sehr schwierig ist, die Leute zu
erreichen. Weil die Leute es gar nicht erst sehen oder nicht hören. Denn
mit einer Foto allein hast du noch keine CDs verkauft. Aber da gibt es
heute auch unendlich viele Plattformen, auf welche du zur Aufbauarbeit
zurückgreifen kannst. Aber das Kernelement ist und bleibt ein guter
Song. Und wenn du es schaffst, andere Leute mit diesem Song zu
überzeugen und du damit Patchwork machen kannst, dann funktioniert es. .
MF: Wie versucht ihr diesen Song in einem Heftchen zu verkaufen?
SM: Das ist immer so das Schwierige daran.
MF: Ich meine der Song besteht aus Tönen und im Heftchen hat man nur
Bilder…
SM: Das ist eben das Problem. Das ist uns auch in vielen Geschichten
nicht gelungen. Ich meine, als Leser ist es nett über eine Band zu
lesen, von welcher man nicht weis wie sie klingt. Aber ob man dann mal
nachhört, ist eine andere Frage. Da haben wir das richtige Rezept noch
nicht gefunden. Und das ist eigentlich auch das Schöne an unserem Job.
Dass man immer wieder überlegen muss, wie man das Produkt richtig an den
Mann bringt.
MF: Da müsste man schon fast interaktiv in das Paper einen Song
einbinden.
SM: Ja schon. Damit die Leute dass nicht nur sehen, sondern auch hören
könnten. Aber das lustige ist eine andere Tatsache: Du kannst wirklich
alles machen für eine Band machen, und trotzdem ist es nicht garantiert,
dass es auch funktioniert. Also jedes Konzert oder jede Lancierung eines
Künstlers ist wirklich wie ein Gang an die Börse. Du weist vorher nicht,
ob das funktioniert. Okay, bei Metallica haben wir es gewusst. Bei
Slayer weist du es auch. Auch bei In Flames bist du auf der sicheren
Seite.
MF: Ich habe mir auch schon gesagt, dass, hätte ich genug Geld, ich
die Rolling Stones engagieren würde. Weil ich da sicher gehen könnte,
dass ich keinen Verlust schreibe…
SM: Stimmt schon. Aber es gibt sehr wenige, bei welchen du das sagen
kannst und bei welchen du die Garantie hast, dass sie so und so viele
Leute ziehen. Gerade auch im Rockbereich.
MF: Welche Bands haben dich in den letzten Jahren enttäusch?
SM: Da gibt es tausende. Da gibt es… hm…
MF: …also das gehört einfach auch zum Tagesgeschäft?
SM: Ja, klar. Es ist das Tagesgeschäft. Ich muss täglich darüber
studieren, welche Band der nächste Hype ist und wie ich diesen Hype an
den Mann bringen kann. Wieso kommen die Leute jetzt ausgerechnet zu
diesem Hype, den ich im Moment cool finde und gehen nicht zu jemand
anderem? Das ist das, was ich so das ganze Jahr lang durchziehe.
Natürlich sind wir mit Metallica in einer Superfunktion. Wir können die
ankündigen und danach einfach warten, bis die Wiese voll ist. Und die
ist jetzt dann bald voll. Also bereits Monate im Voraus. Wir können es
dann durchführen und alle werden Freude haben. Aber es gibt sehr viele
Bands, bei welchen man wirklich arbeiten muss. Auf der anderen Seite ist
es auch schön, wenn du siehst wie Rock wieder vermehrt akzeptiert wird.
Der breite Rock auch. Ich meine z.B. Bands wie Nickelback, welche wir
ebenfalls in der Schweiz aufgebaut haben. Wir haben damals mit ihnen im
Abart angefangen und nächstes Jahr werden wir sie im Hallenstadion
spielen lassen. Eine Band, welche mit einer Single bald mal ein ganzes
Jahr ist den Charts ist. Von einer Band, über welche vor ein paar Jahren
noch alle gelacht haben. „Ja, ja schon gut. Die spielen wir sicher nicht
im Radio!“ Das ist schon noch spannend.
MF: Was muss eine Schweizer Band machen, damit sie bei euch
reinkommt?
SM: Keine Ahnung.
MF: Muss sie sich von euch entdeckt werden lassen?
SM: Also der Schweizer Markt ist nicht so unsere Geschichte. Und zwar
ganz einfach, weil wir uns darum nie gekümmert haben. Wenn wir eine
Schweizer Band platzieren können, dann machen wir es. Ich glaube, jede
Schweizer Band sollte ja nicht einen Manager an Land ziehen, sondern
sich selber Managen und dann kommen sie am weitesten. Weil das Schicksal
einer Schweizer irgendjemanden in die Hände zu geben, der ihnen
verspricht, sie jetzt zu weiss ich was zu machen, ist Bullshit. Also das
gibt es fast nicht mehr.
MF: Das heisst, sie sollen die Kontakte selber aufbauen und es dann
so versuchen?
SM: Klar. Denn so spürst du auch, wo du stehst. Ich persönlich finde
nach wie vor, dass es ziemlich beschämend ist, dass die erfolgreichste
Schweizer Band ever immer noch Krokus ist. Obwohl ich vielleicht einer
der wenigen bin. Wir haben nie eine Band weitergeschafft als Krokus.
Also Plattenverkaufstechnisch. Da gibt es Bands wie Lovebugs, etc.
welche meiner Meinung nach schon längst weiter sein sollten. Weil du
denen jetzt wirklich nicht anhörst, dass sie aus der Schweiz kommen.
MF: Die sind einfach Schweizweit bekannt, aber ausserhalb nicht.
SM: Das schon. Aber sie können nicht mal schweizweit Krokus das Wasser
reichen was die CD-Verkäufe von dazumal betrifft.
MF: Nicht?
SM: Nein, tut mir leid.
MF: Wie sieht es dann mit dem DJ Bobo aus?
SM: Also Bobo schon.
MF: Gut, der ist halt keine Band…
SM: Der ist keine Band. Aber jetzt rein im Rockbereich. Da gibt es
nichts. Da gibt es kein… nix. Natürlich hatten Celtic Frost in Amerika
einen Achtungserfolg. Aber das steht in keinem Verhältnis zu Krokus.
Also mein Geschäftspartner hat ja Krokus während den erfolgreichsten
Amerika-Zeiten gemanagt. Das kannst du gleich vergessen. Die haben in
ihrer Karriere immerhin 10 Millionen Platten verkauft.
MF: Ich höre da raus, dass du das Gefühl hast, dass das Potential in
der Schweiz da wäre?
SM: Natürlich! Aber ich glaube, dass das in der Veranlagung der
Schweizer liegt. Wir haben dieses Cervelat-Denken. Was nicht im eigenen
Land zum Propheten wird, hat ausserhalb keine Chance. Und so sehen uns
die Aussenstehenden eben auch. Es hat jetzt diese Pressegeschichten
gegeben wegen dieser Luzerner Band The Delilahs. Da hat ein deutscher
Labelchef gesagt, dass die Schweizer eben verwöhnt sind. Und das hat
schon etwas. Der Schweizer ist auch extrem schnell mit sich selbst
zufrieden und findet, dass es so schon okay sei. Wenn du aber in der
Musikbranche wirklich durchstarten willst musst du eben durch die harte
Schule. Wie früher. .Ich glaube, dass es da nichts anderes gibt. Ich
meine Krokus haben auch in jeder Garage gespielt.
MF: Liegt der Grund nicht darin, dass unser Land gegen aussen zu
schlecht vermarktet wird. Ich meine, nimm mal Finnland. Mittlerweile
wird fast alles gekauft, was von da raus gebracht wird.
SM: Ja, weil wir das auch nie in diesem Sinne gepflegt haben. Ich meine
wie das ganze Metal-Zeugs aus Finnland. Und mittlerweile fängt es ja
auch im Pop-Bereich an. Das hat dort eine gewisse Historie. Wenn du
irgendwo in einem Metal-Heftchen etwas über die Schweiz liest, dann ist
es über Gotthard oder Krokus, oder vielleicht jetzt noch über Cataract
oder noch ein Bisschen über Celtic Frost, obwohl die sich ja erst
kürzlich wieder aufgelöst haben. Aber ansonsten findet dort die Schweiz
überhaupt nicht statt. Das meiste über was ich in letzter Zeit gelesen
habe, war immer über Krokus oder Gotthard. Und das kann es nicht sein.
Ich meine wir haben so viele Bands, welche eine gewisses Potential
haben. Da hatten wir früher mehr Aufmerksamkeit von aussen. Ich kann
mich noch an die Coroner-Zeiten erinnern, das war eine coole Zeit. Und
das gibt es einfach in diesem Sinne nicht mehr.
MF: Kommen wir zu letzten Frage. Was sind deine Wünsche für die
Zukunft?
SM: Das es so weiter geht. Ich meine wir haben z.B. einen super Herbst,
welcher kommt. Mit Slayer, mit Slipknot, mit In Flames, mit Bullet For
My Valentine und all dem Zeugs und ich glaube, dass es gut wird.
MF: Noch was anderes letztes. Normalerweise kommst du ja nicht so an
den Ticketverkäufer direkt ran. Hast du eine Botschaft oder einen Wunsch
an die Ticketkäuferinnen und Käufer?
SM: Ja. Sie sollen einfach möglichst viele Tickets von unseren Konzerten
kaufen. (lacht) Nein, also es ist schon so wie du sagst. Wenn du in
diesem Geschäft drin bist, verlierst du ein Bisschen den Bezug zu den
Leuten, die dir schlussendlich dein Essen bringen. Und das ist der
Ticketkäufer. Da gibt es viele Diskussionen über verschiedene Themen.
Ticketpreise ist eines davon. Aber auch die Qualität von gewissen
Konzertorten, welche dann die Besucher antreffen in Form vom Sound, von
der Securitas und, und, und. Das ist für mich schon auch sehr wichtig.
Und darum lege ich auch viel Wert darauf, dass das gut kommt. Weil
irgendwann… Aber ich muss auch sagen, dass das Thema mit den
Ticketpreisen eines ist, auf welches ich nicht gerne einsteige. Weil du
hast z.B. vorhin bereits die Rolling Stones erwähnt, für welche der
Ticketpreis auch wirklich nicht die allergeringste Rolle spielt. Ich
meine, diese Billete haben 200 bis 300 Fr. gekostet und da bist du
schlussendlich im hintersten Ecken gestanden und durftest mit dem
Fernglas nach vorne starren und damit ein kleines Männchen sehen. Und da
spielt es keine Rolle.
MF: Das sieht man auch bei den Iron Maiden T-Shirts. 50 Fr. ein Stück
und das Zeugs wird gekauft wie blöd.
MF: Ja genau. Bei Metallica haben wir einen Ticket-Preis von 86 Fr.
Damit kommen wir in allen Foren relativ gut an. Weil alle erwartet haben
die Tickets würden 120 Fr. und mehr kosten. Ich hatte mich, als wir U2
2002 in der Schweiz gemacht haben, mit meinem Partner fast geprügelt,
weil ich gesagt habe, dass 70 Fr. zu teuer sei und er meinte, dass wir
im Gegenteil noch viel höher gehen sollten. Und wir hätten
schlussendlich viel höher gehen sollen. Also heute ist es halt so wie
auch sonst im Leben, das eine gewisse Qualität was kosten darf. Und das
ist im Rockbereich ebenfalls so.
MF: Vielen Dank fürs Gespräch.
SM: Ich danke ebenfalls.
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