Ein
heisser Herbst steht uns bevor. Viele Veranstalter haben in diesen Tagen
ihr Winterprogramm bekannt gegeben. Und schon hören wir wieder die
Stimmen, die sich über zu hohe Ticketpreise aufregen. Viele vergessen
dabei, dass jedes Konzert für den Veranstalter ein Risiko darstellt, und
dass das investierte Kapital erst einmal wieder zurückverdient werden
muss. Roger Wetli wollte wissen, wie die Realität wirklich aussieht und
befragte dazu Reto D'Amelio von Rock-Rainbow.
MF: Reto, wie sieht eine „Milchbuchrechnung“ eines grösseren Konzerts
wie z.B. Beim letzt jährigen Helloween-Kozert in Uster aus?
RD: Vorerst muss ich klar stellen, dass ich einer Schweigepflicht über
Gagen unterstehe, und darum jetzt keine genauen Zahlen nennen darf. Was
ich aber sagen kann ist, dass der gesamte Aufwand. bei ca. 45'000 Fr.
lag. Diese Zahl entsteht durch viele Komponenten, über welche die
meisten Konzertbesucher nichts wissen. Das geht von der Clubmiete, über
die gesamte Technik, PA, Techniker und Licht. Dazu kommen mit einem
ziemlich grossen Teil die Gagen, das Essen für die Bands, welches zum
Teil höhere Ansprüche stellt, und die Hotels für die Bands. Diese werden
auch benötigt, wenn die Bands mit dem Nightliner unterwegs sind. Denn
wenn es im Lokal keine Duschen hat, dann möchten die Musiker ein
Tageszimmer. Und das entspricht dann einem Normaltarif, der gleich hoch
ist wie eine Übernachtung. Weiter kosten die Werbung, die SUISA und vor
allem die Quellensteuer, die man für alle ausländischen Künstler zahlen
muss. Die Quellensteuer ist eine Steuer auf die Einnahmen der
ausländischer Musiker, welche der Veranstalter zahlt. Das sind so die
wichtigsten Sachen, welche so die 45'000 Fr. zusammenstellen. Das sollte
aber keine Abschreckung für Leute sein, die etwas in der Szene machen
möchten. Wichtig ist, dass man ein wohlüberlegtes Budget zur Seite hat.
Weil gerade von den SUISA-Gebühren und den Quellensteuern wissen die
meisten Konzertbesucher nichts, so dass sie bei Erstveranstaltungen
leicht vergessen gehen.
MF: Du sprichst von einer Schweigepflicht die du eingehst. Ist das
mehr eine Art „Ehrencodex“ oder eine Sache, die du mit dem Vertrag
unterschreibst?
RD: Nein, das unterschreibe ich bei jedem Bandvertrag, den ich
abschliesse. Da steht dann, dass keine Dritte Person über die Gagen
informiert werden darf. Die Gagen machen immer ca. 50 – 60% der
Gesamtkosten aus. Also die Gagen sind schon ein grosser Posten. Die
Konzertbesucher sehen in der Regel immer nur die Gagen und die
Eintrittspreise. Daraus könnte man sich einfach errechnen, dass jeder
Konzertveranstalter sich eine goldene Nase verdient. Aber das ist nicht
so, weil Hotels, anspruchvolles Essen, Techniker, PA, Einmietung, etc,
etc, dazukommen.
MF: 45'000 Fr. sind viel Geld. Was für Einnahmequellen gibt es?
RD: Primär mal die Eintritte der Leute, und dann Einahmen durch den
Getränke und Speiseverkauf. Schlussendlich ist es aber immer ein
Würfelspiel und meistens bleibt da nicht viel übrig. Den Gewinn
investieren wir in Schweizer-Bands. Damit die was erreichen können,
braucht es auch Geld. Vor allem die CD-Produktionen, Bemusterungen von
Veranstalter und Presse kosten viel Geld und Zeit.
MF: Gibt es vom finanziellen Aufwand grosse Unterschiede zwischen den
ausländischen und schweizerischen Bands?
RD: Es gibt unterschiede. Die Gagen sind bei Schweizer Bands generell
tiefer als bei Ausländischen. Was viele Leute dabei nicht sehen ist,
dass man dieselben Lokale für grosse und auch kleine schweizer- und
ausländische Bands buchen muss. Dort ändert sich am Preis nichts. Die
tieferen Gagen einheimischer Künstler sind aber auch gerechtfertigt.
Denn für eine Band, die in kurzer Zeit an vielen Orten in der Schweiz
spielt, kann man schlicht nicht die Eintrittspreise verlangen, die man
eigentlich bräuchte. Und so ist das Risiko bei schweizerischen und
ausländischen Bands etwa gleich gross. Die Gesamtkosten bleiben
natürlich tiefer, bringen dafür auch weniger Besucher, so dass sich das
Verhältnis in etwa anpasst.
MF: Das Risiko bei Schweizer Bands ist also generell höher, weil sie
hier mehr Auftritte haben?
RD: Ja genau.
MF: Du hast gesagt, dass du nebenbei noch Bands CD-Produktionen
ermöglichst und promotest. Kannst du uns mehr darüber verraten?
RD: Gewisse Bands, für welche wir das Booking machen, unterstützen wir
finanziell. Das sind vor allem Gruppen, die nicht sehr viel Geld auf der
Seite haben. Wobei wir ehrlich gesagt auch nicht viel überschüssiges
Kapital haben. Aber wenn wir Gewinne machen setzten wir es da wieder gut
ein. Schön wäre es, wenn wir so wieder Sachen wie früher Celtic Frost
aufleben könnten.
MF: Siehst du dich in diesem Bereich denn mehr als Bank oder als
Label?
RD: Wir machen eigentlich ein bisschen alles. Wir vertreiben aber die
CDs nicht selber. Wir sind primär eine Booking-Agentur, die versucht,
seine Bands zu vermitteln, und das natürlich auch zu einem gerechten
Preis. Weil Bands wie Requiem und Konsorten sollten auch ihren
entsprechenden Preis haben, da das etwas vom Besten ist, was wir in der
Schweiz haben. In solchen Fällen sind wir bereit einer Band eine Tour zu
finanzieren, damit die rumkommen oder damit die Werbung für sich, und
bei Requiem auch für die Schweiz im härteren Metal-Sektor machen können.
MF: Ein anderes wichtiges Thema sind Gagen für kleine Bands. Gibt es
da Richtwerte, was eine solche Gruppe verlangen kann?
RD: Eine Verallgemeinerung ist schwierig. Meine Philosophie ist die,
dass eine Band immer so viel verlangen kann, wie sie Leute bringt.
Schlussendlich finanzieren die Fans, welche die Band sehen wollen, die
Band. So muss man das sehen. Wenn eine Band keine Leute bringt, dann
will sie schlicht keiner hören. Und das ist einfach die Realität, die
viele Leute nicht sehen. Klar es gibt viele Bands die gut sind, und
trotzdem keine Leute ziehen, dass ist dann aufgrund einer
Marktübersättigung. Also wenn an den Wochenende zu viel los ist. Der Fan
muss sich mittlerweile an vielen Wochenenden zwischen 10 – 15 Events
entscheiden. Bands die dann fast jedes Wochenende spielen, gehen da
natürlich ein wenig unter. Die Philosophie ist aber schon so, dass man
einer Band, die 200 Leute bringt, oder wie Requiem, die jedes mal sicher
120 Fans anziehen, etwas zahlen kann. Die Rechnung geht dann auch auf
beiden Seiten auf. Mit einem gewissen Teil der Eintritte wird natürlich
der restliche Aufwand gedeckt und ein Teil geht an die Band. Da muss man
schon ehrlich sein und halt auch die Konsequenzen ziehen, falls es nicht
klappt. Also wenn eine Band keine Leute bringt sollte sie sich was
einfallen lassen oder auflösen. Es ist hart, ist aber nun mal so.
Einschränken kann man sich’s auch, wenn man zu viel spielt, oder zu
viele Feinde im privaten Umfeld hat. Das wirkt sich dann alles auf die
Band aus.
MF: Du hasst bereits erwähnt, dass wir in diesem Herbst sehr viele
Konzerte haben. Wie ist das Verhältnis unter den Veranstalter? Herrscht
da eine harte Konkurrenz oder pflegt man da einen freundschaftlichen
Umgang?
RD: Bis jetzt geht das eigentlich gut. Z.B. habe ich am Back To Rock
Festival mit deren Veranstalter kommuniziert und ihm ein Feedback
gegeben, worüber er sehr froh war. Wenn man da vielleicht noch ein
bisschen mehr untereinander kommunizieren würde, wäre das sicher eine
gute Sache. Im Undergroundsektor, wo wir viele Sachen machen, ist es
aber schon so, dass man sich abspricht. „Kannst du schauen, dass du an
diesem Tag nichts machst?“ und so. Das Verhältnis ist also schon
kollegial. Eine Zusammenarbeit ist aber vielfach schwierig, weil jeder
aus Idealismus einfach sein Ding durchziehen möchte. Das finde ich auch
richtig so. Aber so grosse Konkurrenz mit Streit gibt es nicht. Solange
man gegenseitig an den anderen Events Werbung für sich machen kann, sehe
ich da kein Problem.
MF: Reto, du organisierst mittlerweile seit 3½ Jahren Konzerte. Gibt
es da DAS Erlebnis, an welches du dich noch lange erinnern wirst?
RD: Für mich persönlich sind Helloween eine meiner absoluten
Lieblingsband, und das seit beinahe 15 Jahren. Oder Necrophobic. Ich war
natürlich immer bestrebt auch Bands zu buchen, hinter denen ich zu 100%
stehen kann. Also Bands, die ich selber gerne sehen möchte, und die
vielleicht schon lange nicht mehr in der Schweiz aufgetreten sind. Mit
Ausnahme von Helloween halt. Gerade im Black Metal gibt es viele Bands,
die es nie geschafft haben, in die Schweiz zu kommen. Da war ich immer
dran, um die hierher zu holen. Und damit auch Leute zu bedienen, die
diese Musik ebenfalls schon lange hören, die es aber nie geschafft
haben, ihre Lieblinge live zu sehen. Eindrücklich war z.B. als mir der
Helloween Sänger Andy Deris letztes Jahr in meiner Küche gesagt hat,
dass er sehr zufrieden sei. Das war dann schon eine Ermutigung und ein
Grund weiterzumachen und nicht aufzugeben. Als wir angefangen haben,
haben alle Leute prophezeit, dass wir zwei, drei Konzerte organisieren,
und danach wieder aufgeben würden. Heute sind wir 3½ Jahre dabei und das
mach schon stolz. Mein Charakter lässt es auch nicht zu, da einfach
aufzugeben, weil ich lieber weiterkämpfe. Klar hatten wir auch unsere
Tiefs, bin ich da gestanden und habe mir gedacht, dass es das nicht mehr
sein kann. Aber das waren sehr kurze Momente. Es gab also deutlich mehr
positive Erfahrungen die uns ermuntert haben.
MF: Was sind deine Zukunftswünsche?
RD: Ich hoffe, dass Kai Hansen (Sänger von Gamma Ray) sehr gut gelaunt
ist an unserer Veranstaltung und dass ihm alles passt. Und das andere
ist, dass die Fans nach diesem Interview verstehen wie die
Eintrittspreise entstehen, und dass dieses Thema jetzt für eine Zeit
ruhen gelassen wird. Ich gehe auch oft selber an fremde Anlässe, zahle
den Preis und schaue noch nicht mal wie viel es kostet, da ich weiss was
dahinter steckt. Ich möchte dass die Leute das auch sehen und dann nicht
mehr nur denken, dass diese Band ja nicht so viel kostet. Es gibt
einfach immer wieder die gleichen Diskussionen, die mich nerven. Die
Leute sollen lieber helfen, dass unsere Szene anläuft. Denn im Moment
ist es schon sehr gut, und wenn jeder miteinander redet und Werbung
macht, dann werden die Veranstaltungen auch gut laufen. Und wenn die gut
laufen, kann man sich auch überlegen, ob man mit den Ticketpreisen
zurückgehen kann weil man mit den Massen rechnen kann. Das Wünsche ich
mir.
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