DARK STAR -
HR Gigers Welt
Mit Hans Ruedi „H.R.“
Giger ist im Mai diesen Jahres einer der grössten bildenden Künstler
seiner Zeit von uns gegangen. Der Dokumentarfilm „Dark Star - HR Gigers
Welt“, der ab 23. Oktober in ausgewählten Kinos zu sehen sein wird,
zeigt den somit in seinen letzten Lebensmonaten zwischen Juni 2013 und
März 2014.
Die
Fertigstellung erlebte Giger nicht mehr, er stürzte in seinem Haus die
Treppe hinunter und erlag seinen Verletzungen. In diesem Wissen ist denn
auch gleich die erste Szene des Films, in der man Giger sieht, tragisch:
sie zeigt den etwas gebrechlichen, alten Mann von 73 Jahren, langsam
eben diese Treppe hinaufsteigen. Die knarrenden Stufen zeugen vom nicht
minder hohen Alter des Hauses, das er mit seiner Familie bewohnt.
Eigentlich sind es drei Häuser, Nr. 1, 2 und 3, die den Lebensraum
Gigers bilden, und regelrecht selbst zu einer seiner Kreaturen geworden
sind. Dunkle Räume, überall hängen Gigers Werke, stehen seine Statuen
und Plastiken, Regalbretter biegen sich unter den Last von unzähligen
Bücherbergen, Skizzen, Papieren. Der Garten wurde von Giger selbst in
eine Geisterbahn für Erwachsene umgestaltet, eine kleine Bahn fährt
durch Tunnel mit seinen dämonischen Frauenfiguren und leidenden Föten.
Dies ist das Innerste von Gigers Welt, in der er selbst wie ein dunkler
Stern den Mittelpunkt bildet.
Daher der Titel des Dokumentarfilms,
dessen unglaublich sensible und detailverliebte Kameraführung die
Atmosphäre dieser Welt perfekt einfängt. Der Film zeigt mehr den
Menschen Giger als den Künstler, der trotz seines Alters, seiner
Schwäche und seiner kratzenden Stimme, trotz der Langsamkeit seiner
Bewegungen immer noch charismatisch, sympathisch und fast schon rührend
sensibel wirkt. Man erfährt nach und nach seine Lebensgeschichte, lernt
seine Kunst kennen und was hinter den düsteren, teils verstörenden und
dennoch oft so schönen und ästhetischen Darstellungen steckt.
Überraschend ist, wie wenig Giger mit seinen Bildern und Figuren gemein
hat, wie unähnlich er ihnen ist. In einer der ersten Szenen des Films
zeigt er einen menschlichen Schädel, den er als sechsjähriger von seinem
Vater, der Apotheker in Chur war, erhalten hat und sagt: „Den Tod in die
Hände zu nehmen ist eine unangenehme Sache. Also habe ich den Schädel an
eine Schnur gebunden und hinter mir her gezogen, wenn ich die Strasse
entlang gegangen bin. Ich wollte zeigen, dass ich keine Angst vor dem
Tod habe.“ Angst war denn auch einer der Hauptantriebe für Gigers
Schaffen, er hatte oft Albträume und durch die Abbildung dieser
schrecklich Bilder hoffte er, Kontrolle darüber zu bekommen. Diese
sensible Seite des Künstlers wird im Film sehr schön gezeigt. Wunderbar
sind z.B. die Szene mit Katze Müggi, die Giger heiss und innig liebt,
sehr traurig diejenige, wo er vom frühen Selbstmordtod seiner ersten
Ehefrau erzählt. Sieht man Giger an der Arbeit, so hat man fast das
Gefühl, dass eine verborgene Macht seine Hand leitet, die nicht von
dieser Welt kommt, und für die er nur das visuelle Sprachrohr ist. Die
Zeitkritik, die in Gigers Arbeit steckt, wird auch erst bei genauer
Betrachtung deutlich, klarer tritt hervor, wie er die Abgründe
menschlichen Seins, menschlichen Denkens portraitiert und die
Faszination der Finsternis, der Dunkelheit einfängt.
Für Metalheads
sehr interessant ist sicherlich auch die Rolle, die Giger für Celtic
Frost und vor allem für Tom Gabriel Fischer gespielt hat, oder besser
gesagt, welche Beziehung die beiden hatten. Fischer erzählt, dass er
über das Telefonbuch Gigers Adresse herausfand und ihm eine krakelige
Nachricht schrieb, was ihm und den anderen Mitgliedern von Celtic Frost
seine Kunst bedeutete. Giger rief ihn an - übrigens kurz nachdem er den
Oscar für Alien bekommen hatte - und sagte, er sehe die Verbindung
ebenfalls. Daraus entstand eine enge Bindung, Fischer arbeitete bis zu
Gigers Tod auch als sein Assistent und die beiden verband eine tiefe
Freundschaft und gegenseitiger Respekt.
Besonders
hervorzuheben ist noch die wirklich sehr gute Filmmusik, die nicht zu
dominant aber auch nicht zu zurückhaltend ist, und die Stimmungen
wunderbar unterstreicht. Die Filmemacherin selbst, Belinda Sellin, kommt
nie zu Wort, es wird nicht kommentiert oder gefragt. Der Film nimmt
unaufdringlich am Leben eines unglaublich talentierten und einzigartigen
Künstlers teil und lässt den Zuschauer einen kurzen Einblick in sein
grosses Werk, sein bewegtes Leben und sogar seine feinfühlige Seele,
seinen feinen Humor, haben. Gegen Ende sagt Giger: „Ich glaube nicht,
dass nach dem Tod nochmals etwas kommt. Das wäre unangenehm.“ und „Was
ich sehen wollte, habe ich gesehen, was ich machen wollte, habe ich
gemacht. Ich bin mit mir zufrieden.“ Mit diesen Worten darf man eine
Welt, der man so viel hinterlassen hat, auch verlassen.
Meiner Meinung
nach ist dieser Film ein absolutes Muss, auch wenn man nur bedingt
kunstinteressiert ist, denn Giger gibt einem viel mehr mit, als nur die
blosse Darstellung.
Weitere Infos auf:
http://www.darkstar-movie.com
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