Studio-Bericht: Charing Cross ausgehorcht
By Roger W.
Irgendwo in den flachen Hügeln, rund um den Sempachersee im Kanton Luzern, liegt ein Nest Namens Neuenkirch. Ausserhalb davon gibt es einen Bauernhof, der einen Teil seiner kalten Räumlichkeiten einer Schweizer Hard Rock/Heavy Metal-Band vermietet. Ihr Name: Charing Cross. Ihre Mission: Die Schweiz bald mit ihrem ersten Longplayer zu erobern. Ob dies gelingen kann, klärte für euch euer Metalfactorianer Roger W. ab.

Es ist kalt an diesem 2. Januar im neuen Jahre 2007, und selbst die Gasheizungen, die die Band in ihrem Bandraum aufgestellt haben, können nur wenig dagegen ausrichten. Der Raum ist spärlich eingerichtet und durch Spanplatten in drei Teile unterteilt. In einem steht, abgetrennt vom restlichen Aufnahmeraum, das Schlagzeug. Im grössten Raum sind die Gitarren- und Bassverstärker an der Wand entlang aufgestellt. In einer ca. quadratmetergrossen Box befindet sich ein Mesa-Gitarrenverstärker, über den alle Aufnahmen laufen. Im Raum davor befindet sich ein Mischpult und an den Wänden aktuelle und alte Bandfotos, daneben auch eingerahmt eine alte CD, die noch mit einem anderen Sänger eingespielt wurde und heute nicht mehr verkauft wird. In der vorderen Ecke ein Tisch, der zum Diskutieren, aber nicht zum Rumhängen einlädt. Ganz klar, hier wird gearbeitet.

Anwesend sind Gitarrist und Aufnahme-Verantwortlicher Andy Dormann und Bassist Markus Flury. Aufgenommen wird heute leider nicht. Dafür bekomme ich sämtliche 12 Tracks zu hören, welche auf dem voraussichtlich ‚We Are Charing Cross’ getauften Album landen werden. Davon sind die ersten 7 bereits fix im Kasten und warten nur noch auf den Endmix. Wem man diesen anvertrauen will, steht noch nicht ganz fest.

Final Day’ startet den Reigen mit metallischem Gehämmer, welches man Metallrohren entlockte und rockt schön nach vorne los. Der Soloteil beginnt bei diesem Song, der wahrscheinlich auch das Album eröffnen wird, mit einem Akkubohrer. Mit ähnlich schrägen Ideen folgt ‚Broken’. Eine Kuhglocke wird in diesen Zwitter zwischen Hard Rock und Heavy Metal integriert, und in der Mitte hört man einen Sprecher. „In der heutigen Zeit hat man kaum noch Zeit für etwas“, meint Andy, „‚Ain’t No Time’ wird der zukünftige Soundtrack dazu sein.“ Stilistisch geht dieser in Richtung Melodic Metal und erinnert durch Peter Hochulis Stimme an Edguy. Zwischendurch blitzen sogar Rhapsody Of Fire-Anleihen auf. Bis auf drei Songs, die auf dem Album landen werden, befinden sich alle anderen schon länger im Live-Repertoir von Charing Cross. Nicht so ‚Kick Ass Rock’n’Roll’. Dieser ist erst im Studio entstanden und beginnt mit einem Lachen von Schlagzeuger Tom, welches durch Zufall aufgenommen und später in den Song integriert wurde. Musikalisch ist der Titel Programm. Mit 6:30 Minuten der längste Song ist die epische Ballade ‚Long Time Ago’, bei welcher man im Refrain mit Streicher-Einsätzen experimentiert. ‚Vanished Memory’ befindet sich bereits seit 1½ Jahren im Liveprogramm von Charing Cross und wirkt durch die Zwischenshouts der Band sehr hart. Ein guter Song zum Headbangen ist danach ‚Palace Of Fate’, welcher sowohl Flüsterteile wie auch Shouts beinhaltet.

Die ersten sieben fertig aufgenommenen Songs wirken kompakt, überraschen aber bis auf die ersten beiden kaum. Andy stört das wenig: „Wir wollen mit diesem Album den Rock nicht neu erfinden. Zu viele Experimente vermeiden wir bewusst, achten dafür aber darauf, dass wir die Songs auch live umsetzen können. Will heissen: Wer etwas auf der Platte macht, muss dies dann auch live reproduzieren können. Ehrlichkeit ist uns wichtig.“ Und so klingen dann auch die restlichen Lieder, die mir zum Teil noch in groben Rohfassungen vorgespielt werden. ‘Burn The Sun’ oder ‘Reach for The Sky’ (der Name ist allerdings noch nicht definitiv) stampfen los. ‚Can’t Have It All’ bietet radiotauglichen, keyboardgetragenen Hard Rock und wirkt auch noch ohne Gesangsspuren und Gitarrensolo sehr interessant. ‚Forever Rocking’ kennen die Fans noch von der allerersten Charing Cross-CD. Ebenso ‚Voices From Deep Inside’ welches an keinem Konzert fehlen darf. Und das finale ‚Going Down’ ist metallisch und der erste Song, den die Band mit Peter Hochuli am Gesang geschrieben hat.

Die Aufnahme zu ‚We Are Charing Cross’ begannen Anfang Juli im eigenen Studio mit gemietetem Mischpult und PC-Programm. Benutzt wird Cubase. Ziel ist es, bis im Frühling mit dem Endmix fertig zu sein. Die fertige CD soll aber vorerst nicht zum Verkauf an die Fans gepresst werden, sondern erstmal an Labels, Presse und Veranstalter verschickt werden. „Unser Hauptziel ist es, damit ein Label zu finden“, meint Andy. Solange wie Tempesta mit dem Release von ‚Fulltime Joker’ gewartet haben, wollen sie sich aber nicht gedulden. „Wenn wir innerhalb von einem Jahr kein Angebot bekommen, bringen wir die Scheibe eben wieder in Eigenregie raus.“ Wann immer auch ‚We Are Charing Cross’ erscheinen wird, Hard Rock- und Heavy Metal-Fans dürfen sich auf diesen Tag schon heute freuen.