Musikjournalist zu sein ist ein Hobby, welches vor allem Spass macht!
Umso mehr, wenn man für einen kritischen CD-Kommentar noch Lob
einheimsen kann. Wenn die Band einen beim anschliessenden Auftritt auch
vor halb leerer Halle fast wegbläst und schliesslich sogar eine
Einladung für die Pre-Listening des Nachfolgewerks ins Haus fliegt, dann
ist das Glück
endgültig perfekt. Dass der Ort des Vorhörens dabei eine Bier-reiche
Stadt ist, in die man es in seinen 25 Länzchen noch nicht geschafft hat,
erleichtert den Entscheid zusätzlich, die Einladung anzunehmen.
Und so nahm ich die lange Zugfahrt nach München auf mich, um von einem
gut gelaunten Emergency Gate Bassisten Mario abgeholt zu werden. Nach
ausgiebig Schlaf und einem anschliessenden Interview mit den Emergency
Gate-Kumpels Dreamscape durfte natürlich eine Führung zu den
touristischen Hotspots der Bayern-Metropole nicht fehlen. Metallische
Höhepunkte waren dabei der Teufeltritt in der Frauenkirche und das Hard
Rock-Café, welches vis-à-vis des berühmten Hofbräuhauses liegt. Aber
eigentlich ging es ja an diesem Wochenende um Musik! Und diese gab es am
frühen Abend im Dreamscape-Studio in Form des brandneuen Emergency
Gate-Albums "Rewake", welches erst Ende Januar 2009 erscheinen wird.
Der Eröffnungstrack „Double Suicide“ machte auch gleich klar, dass
Emergency Gate nicht mehr 100% dieselben wie auf ihrem Debut-Album
Nightly Ray sind. Hörte man darauf noch einen eigenständigen, schwierig
einzuordnenden Heavy Metal, hat sich die Combo nun dem
Melodic-Death-Metal zugewendet. Wobei auch diese Bezeichnung nur als
wage Orientierungshinweis dienen kann. Denn Emergency Gate haben ihre
Unberechenbarkeit beibehalten, wie der weitere Verlauf der Scheibe
beweisen sollte. Der Grund dessen liegt in der Mannschaft, die zum
grossen Teil
ausgewechselt wurde. Am markantesten ist dabei der der neue Gesang, der
nun von Ex-Suidakra Gitarrist und Mitsänger Matthias Kupka gesponsert
wird. Zurück zum Eröffnungssongs: Ein heiseres „Rock’n’Roll-Rebell“
leitet „Double Suicide“ ein, worauf eine sehr komplexe, ja fast
chaotisch anmutende Strophe folgt. Erst im Refrain wird der Song wieder
geradlinig, worauf ein Gitarrensolo. Nach einem weiteren Refrain ist das
Lied bereits zu Ende. Schnörkelloser und weniger böse, ja schon fast
fröhlich rockt „Slave“ los, welches im Mittelteil ruhiger und im Refrain
von Leadgitarren getragen wird. Wurde bis jetzt vor allem eher gekeift
als gesungen, beginnt „…Of Stars And Drifting“ mit fast klarem Gesang
und schleppend, bevor es an Tempo zunimmt und zum flotten Death-Rocker
mutiert. Song Nummer Quattro heisst „Next In Line“ und ist ein sehr
düsterer Stampfer, welcher mit tiefen, dann wieder mit cleanen Vocals
gespickt ist. Nicht zu vergessen sind dabei die vielen elektronischen
Einschübe, die den Sound vielfältiger, und beim ersten Hören nicht ganz
fassbar machen.
Verwirrung stiftet anschliessend „Unbeing“. Ein Song, der mit einer
Akkustik-Klampfe ruhig beginnt, und bei dem man nie weiss, was als
nächstes kommt. Irgendwie hat man immer das Gefühl, dass er im nächsten
Augenblick losrockt oder Gesang einsetzt. Nichts davon passiert, denn „Unbeing“
ist ein reines Instrumental, welches für das Album nicht geplant war und
spontan von Urgitarrist Vlad geschrieben wurde. Zu einem kleinen Hit
könnte sich „Gold & Glass“ mausern, ein Lied mit Elektro-einleitung,
welches leicht poppig, aber schwer einzuordnen abgeht. Ebenso viel
Potential liegt in der Double-Bass-Attacke „The Purpose“, die sich
Filmsoundtrack-artig und mit gedoppeltem Gesang in die Hirnrinde
einfrisst. Beim ersten Hördurchgang weniger spektakulär wirkt da schon
„Trust In Me“, es klingt entfernt rock’n’rollig und verbreitet gute
Laune, soweit dies mit gekeiftem Gesang überhaupt möglich ist.
Überraschung Numero zwo erreicht mit „Remains“ die Ohren. Oder wer würde
schon von einer Melodic-Death-Metal-Kapelle eine rauchige, leicht
epische Blues-Hard-Rock-Ballade erwarten? Machte bisher Sänger Matthias
Kupka bei den harten Songs mit verzerrtem und cleanem Gesang eine gute
Falle, erzeugt er mit seiner kratzigen und doch weichen Stimme jetzt
endgültig Gänsehaut und lässt einem vor Erfurcht vor den Boxen knien.
Dieser Sänger scheint schlicht alles singen zu können!
Nach dieser neuen Erfahrung kann man sich mit „Elementor“ wieder
zurücklehnen und wird vorerst vor weiteren Überraschungen verschont.
Wiederum treibt der Song gut nach vorne, baut vor allem im Mittelteil
mit Geisterstimmen Spannung auf und leitet so hervorragend zum
zweitletzten Song über. „Live v2.0“ ist schnell, sehr dynamisch, und hat
neben einem coolen Gitarren-Solo einen Mitsingrefrain, welcher erstmals
mächtige Chöre einsetzt. Zum Schluss gibt’s mit „Lullaby“ noch den
letzten stilistischen Schock.
Ruhig
und mit einer Schlaflied-Melodie wird man durch die rauchige, cleane
Stimme Kupkas ans Ende der Scheibe begleitet, wo man gerne den Knopf zum
noch einmal Hören drücken würde. Dies geht aber leider bei einer
Pre-Listening nicht. Mist!
Emergency Gate sind sich trotz Musik-Stil- und Mannschaftswechsel treu
geblieben. Wiederum schaffen sie es zu verwirren. Gitarrist Vlad: „Wir
wollen eigentlich keinen eigenen Musikstil kreieren. Primäres Ziel war
es, etwas härter zu werden und uns dabei auf unsere eigene Art
auszudrücken.“ Die Aufnahmen dauerten fast 9 Monate, wobei das
Schlagzeug innert 27 Stunden eingetrommelt wurde. Auch der Gesang war in
8 Tagen ziemlich fix eingetütet, da sämtliche Songs bereits standen, als
Kupka zur Band kam. Bassist Mario Lochert bezeichnet seinen Sänger denn
auch als Idealfall. Ob die Songs allerdings der von den Musikern
gewünschten Qualität entspricht, ist nach nur einem Hördurchgang
schwierig zusagen, da einige Lieder schlicht zu komplex sind, um beim
ersten Mal abschliessend beurteilt werden zu können. Das Potential ist
aber erkennbar. Bleibt noch die Frage, ob das
Melodic-Death-Metal-Publikum die stilistischen Eskapaden von Emergency
Gate mitmacht. Mehr werden wir wohl nach der Tour im Vorprogramm von
Kreator, Caliban und Eluveitie im Frühjahr wissen. Ich freue mich
darauf!
Hier gibt es mehr zu Emergency Gate
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