Mat Sinner ist ein umtriebiger
Musiker. Einer, der sich neben Primal Fear, Sinner, Voodoo Circle auch
mit dem Grossunternehmen «Rock Meets Classic» einen sehr guten Namen
erschaffen hat. Sind es nicht diese Bands, mit denen der Deutsche unterwegs
ist, dann steht er als Produzent oder Inhaber von "Level 10" im
Mittelpunkt. Erzählen andere, dass sie für und von der Musik leben, so ist das
bei Mat der absolute Lebensinhalt.
Aber einer, der viel
abverlangt und sich selber auch an Grenzen führt. Für die kommende «Rock Meets
Classic»-Tour stehen neben den Black Star Riders (Thin Lizzy)-Members
Scott Gorham und Ricky Warwick, Midge Ure (Ultravox), Dan McCafferty
(Nazareth), Andy Scott und Pete Lincoln (The Sweet), Steve Walsh
(Kansas), Joey Tempest (Europe) und auch als Special Guest Doro Pesch
mit der Mat Sinner Band und dem Prager Symphonieorchester auf der Bühne.
Was es alles braucht, bis das Orchester und die Band mit bekannten
Sängern auf die Bühne geht und welchen Tribut das Ganze fordert, erklärte
der singende Bassist im folgenden Interview.
MF: Wie probt ihr für die bevorstehenden «Rock Meets Classic»-Konzerte?
Mat: Das ist ein langer Prozess. Bis Mitte November versuche ich die
Setliste zu finalisieren. Dann steht ein Meeting mit unserem «inner
circle» des Teams an. Dabei werden die Arrangements ausgearbeitet und die
Show konzipiert. Darauf wird alles in Noten erstellt, für die einzelnen
Musiker. Mit diesem Notenwerk reisen wir nach Prag, um dort drei Tage
lang mit dem Orchester zu proben und die Tonarten, die Zusammensetzung
des Orchesters und die Arrangements zu überprüfen. Daraus entstehen
Verbesserungs-vorschläge, es wird korrigiert und die finalen
Vorbereitungen getroffen. Darauf probt nur die Band vier Tage lang, dann zwei
Tage die Band zusammen mit dem Orchester und am Schluss kommen für zwei
Tage die Solokünstler (Sänger) und proben mit dem kompletten Ensemble.
Dann fahren wir zur ersten Show, spielen eine Showprobe am Nachmittag
und abends steht das erste Konzert auf dem Plan (grinst). Kompliziert?
MF: Es klappt ja immer und dies sehr gut!
Mat: Mittlerweile spielen wir die achte Tour. Wir haben eine harte
Lernphase hinter uns, wissen aber nun was wie funktioniert. Auch wenn
jede Tour eine neue Herausforderung ist, da jeweils zu 90% neue Künstler auf
der Bühne stehen. Die kennen das noch gar nicht und haben ihre eigenen
Vorstellungen und Ideen. Aber die lassen sich dann auch von uns
überzeugen.
MF: Du hast den Lernprozess angesprochen,
was hast du dabei alles gelernt?
Mat: Du musst auf jeden
Fall die klassischen Musiker mit ihrer Art und Weise Musik zu spielen,
mit der anderen Spielart der Rock'n'Roller so verbinden, dass beide
Parteien Spass haben. Das musst du lernen (grinst). Du kannst nicht
irgendwelche Leute auf die Bühne stellen und davon ausgehen, dass es
funktioniert. Alle Beteiligten müssen lernen, wie so etwas zusammenpasst
und es über einen gewissen Zeitraum entwickeln lassen. Da immer wieder
neue Leute dabei sind, auch im Orchester… Menschen verändern sich. Wir
hatten nie die Chance zweimal die gleiche Orchesterbesetzung zu haben.
Da sind Lehrer und Studenten dabei, welche die besten Anstellungen in
den grössten Orchestern der Welt bekommen. Die sind dann weg! So hat man
immer die neue Herausforderung, die neuen Leute schnellstmöglich zu
integrieren. Das ist nicht einfach. Aber hey… Das ist «Rock Meets
Classic»!
MF: Hat dich dies überrascht, dass Musiker
nicht gleich Musiker heisst?
Mat: Gehst du sehr
unvoreingenommen an die Sache ran, lernst dabei selber, dann überrascht
dich nichts. Du musst nur darauf vorbereitet sein, dass es etwas Neues
ist. Das ist ja nicht so, wie wenn sich vier Typen im Jugendraum treffen
und Rock'n'Roll spielen (lacht). Da sind ganz andere Dinge zu beachten,
wie Tonarten, Lautstärke, das Zusammenspiel, Timing und das Einzählen.
Das Orchester ist eine andere musikalische Welt, und die muss man
akzeptieren. Davon lernen und das Ganze zusammenführen. Dann, macht's
richtig Spass!
MF: Stellst du die jeweiligen Songs der
Sänger selber zusammen oder mit den jeweiligen Künstlern?
Mat: Natürlich muss man die Sänger fragen. Das sind Stars und man
kann einem Star nicht mit einem festen Konzept überrumpeln, das geht
nicht. Man muss sich ganz klar kollegial besprechen. Ich habe Ideen und
manchmal werden die zu 100% umgesetzt. Bis jetzt hatte ich höchstens
einmal mit einem Künstler eine Diskussion. Ich hätte den Track gerne
gespielt, aber der Sänger war der Meinung, dass er den aus den und den
Gründen nicht singen kann. Dann wird ein Kompromiss gefunden. Das
gibts, aber wir sind uns in den meisten Fällen einig.
MF: Wie ist damals bei dir die Idee mit «Rock Meets Classic» entstanden?
Mat: «Rock Meets Classic» bestand schon in einer abgeänderten
Version. Von der Agentur, mit der ich nun auch zusammenarbeite. Das
Problem war, dass der Chef der Agentur kein Musiker ist. Er kann zwar
organisieren, aber ihm fehlte der musikalische Gegenpart. Wir trafen uns,
haben über das Konzept gesprochen und ich fand die Idee spannend. Wir
versuchten die Idee auszuarbeiten, was sich sehr schnell gut
entwickelte. Die Idee «Rock Meets Classic» ist so alt, wie die Rockmusik
selber, das muss keiner erfinden. Der Unterschied ist unser Konzept,
dass wir versuchen möglichst attraktive Classic Rocksänger oder
Instrumentalisten in einen Event zu packen und den Leuten drei Stunden
lange eine tolle Zeit geben. Das ist unser Konzept, unser Anspruch und
unser eigene Abänderung des Begriffs «Rock Meets Classic». Dabei legten
wir immer Wert darauf, dass das Orchester die Musik, die wir spielen,
auch kapiert und nicht bloss von Noten abspielt. Das ist wichtig!
MF: Wie gross war für dich oder euch das finanzielle Risiko,
mit so vielen Musiker auf Tour zu gehen?
Mat: Das war
nur am Anfang ein Risiko, bis die Veranstaltung etabliert war. Da spreche
ich von den ersten drei Jahren. Danach bekam das Ganze eine gesunde
Fanbase und das Interesse der Veranstalter wurde immer grösser. So wars
einfacher zu kalkulieren.
MF: Wie kam es zu den
Openair-Shows in Wacken und auf dem "Rock Of Ages"?
Mat: Da
wurde schon ewig lang darüber diskutiert. Ich wollte es aber nicht
machen (grinst), weil das für alle Beteiligten nur der pure Stress ist.
Du bekommst eine Umbaupause wie eine fünfköpfige Rockband, hast aber
fast 60 Leute auf der Bühne, und jede einzelne Linie und jedes einzelne
System muss funktionieren. Da wurde in dieser kurzen Zeit
übermenschliches geleistet und… Das ist Ungesund! Dies als permanente
Institution auf Festivals zu bringen, kann man nicht umsetzen, da macht
man sich nur kaputt! Wir haben für 2016 viele Angebote auf dem Tisch
gehabt und haben alle abgelehnt. Das ist eine zusätzliche Belastung für
das ganze System, die nicht einfach nur auf einer Arschbacke aufgebaut
ist. Schön, wenn die Veranstalter uns auf ihrem Festival haben, was auch
dementsprechend erfolgreich war. Das Feedback für den Wacken-Auftritt
war unfassbar gut! ABER! Im Endeffekt machen wir uns da alle kaputt. Der
Veranstalter sieht dies nicht ein, welcher Aufwand und welche Kosten sich
da ergeben. Mit all den Proben, den Hotelkosten und was sich sonst
noch alles anhäuft. Das ist ein Aufwand, der nicht vergleichbar ist, wie
wenn eine Band mit ihrer Crew anfährt. Anstelle dieser zwölf
Mann-Geschichte sind es bei uns locker mal hundert Leute! Das ist a) ein
finanzieller Aufwand und b) für alle Beteiligten ein Ultrastress. Im
Sommer hatten wir diese zwei Auftritte, bei dem wir aber fast den
gleichen Aufwand haben, als wenn wir einen Monat auf Tour sind (grinst).
Das ist für alle Beteiligten heftig und muss auch bezahlt sein.
MF: Viele Musiker sagen, dass sie für die Musik leben,
du machst es! Wo holt sich Mat neben «Rock Meets Classic», Primal Fear,
Sinner, Voodoo Circle und dem Produzieren anderen Bands die Energie
und die Erholung her?
Mat: Ich habe meine Freizeit und meine Inseln. Da kann ich mich
zurück ziehen und Kraft sammeln. Das war aber in den letzten Wochen
unmöglich. Zum Zeitpunkt als es mit der Primal Fear Promotion los ging,
gab es für mich keine Freizeit mehr. Zeitgleich startete die
Vorbereitung für «Rock Meets Classic». Da waren die letzten sechs bis
acht Wochen ganz schön heftig. Ein Musiker wünscht sich immer genügend
Promotion zu haben. Bekommst du einen Interviewplan, der zwei Wochen
dauert und dir keine Freizeit zulässt, dann ist dies schon harter Tobak.
Jeder, der dich interviewen will, hat Interesse an dir und dem Produkt
und dementsprechend musst du kommunikativ nett sein (grinst). Es geht um
deine Platte und deine Promo. Wenn du eine Frage zum 800. Mal hörst,
musst du sie trotzdem nochmals nett beantworten. Der Typ, der sie gerade
stellte, kann nix dafür, dass 800 vor ihm dieselbe Frage schon gestellt
haben (grinst). Manchmal ist das schon ganz schön heftig. Ich prügle
mich nicht um Interviews.
MF: Wärst du manchmal froh, es
wäre alles ein bisschen ruhiger?
Mat: Dafür muss ich
selber sorgen! Ich werde gnadenlos Prioritäten setzen müssen, damit ich
auch weiterhin kreativ auf diesem Level arbeiten kann, auf dem ich mich
wohl fühle. Dann muss ich einfach auch mal "nein" sagen. Kann ich dann
etwas nicht machen, auf das ich aber Bock hätte, dann muss ich ehrlich
zu mir sein und sagen, dass ich nicht auf allen Hochzeiten tanzen kann.
Ich muss Prioritäten setzen, um weiterhin kreativ auf diesem
qualitativen Level arbeiten zu können, das ich mir auch vorstelle.
Mache ich es allen recht, werde ich es einem nicht recht machen können,
und das bin ich selber.
MF: Besten Dank fürs Interview,
und ich wünsche dir genügend Zeit für dich!
Mat: Danke
dir!
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