Livereview: Airbourne - Taking Dawn
19. März 2010, Zürich - Volkshaus
By Kissi (ksl) & Rockslave (rsl)  - All Pics by Rockslave
Es ist eine gefährliche Sache, gleich mit der ersten Scheibe internationalen Erfolg zu haben und von gestern auf heute zum inoffiziellen Nachkommen einer Legende wie AC/DC ernannt zu werden. Grosse Erwartungen kommen mit solchen Lobeshymnen einher. Zwar ist es erst das dritte Album, welches bekanntlich über Ruhm oder Tod einer Band bestimmt, doch schon Airbourne's Zweitling «No Guts. No Glory.» wurde mit Spannung erwartet und konnte dabei für viele das Niveau des gefeierten Debüts «Runnin' Wild» (2007) nicht wirklich halten. Dennoch war das Volkshaus zu Zürich praktisch ausverkauft, als das australische Quartett um Gitarrist und Schreihals Joel O'Keeffe im Rahmen ihrer Weltrundreise Halt machte, um auch den Schweizern zu zeigen, was man unter der Bezeichnung «Rock mit Eiern» zu verstehen hat. Mit etwas Schweiss, Alkohol und reichlich Testosteron wirkten dann auch die neuen Songs alles andere als substanzlos und Airbourne gaben dem Fan genau das, was er erwartete. Bevor man sich davon aber überzeugen konnte, galt es zuerst noch übersteigertes Selbstbewusstsein "Made in Las Vegas" zu überstehen. (kis)

Taking Dawn

Es ist immer wieder sehr interessant, wenn nach einer CD-Review einer mir (und anderen) zuvor unbekannten Band auch gleich dessen Live-Debüt in unserem Land ansteht. So geschehen bei den vier Burschen aus der Spielerstadt Las Vegas, die heute Abend für Airbourne eröffnen durften. Die soweit ansprechende Vorlage des Tonträgers schraubte die Erwartungen schon mal in schwindelerregende Höhen. Ich fragte mich echt, ob die Jungspunde fähig sind, diesen glatt polierten Super-Sound ihres Erstlings auch nur annähernd auf die Bühne zu bringen, denn zu Szene-Grössen wie Nickelback besteht noch ein ziemlich grosser Abstand. Dass dem wirklich so ist, wurde einem schon bald einmal klar, denn trotz der rotzfrechen Attitüde wurde mit ziemlich aufgesetztem Gebaren agiert. Vor allem Sänger/Gitarrist Chris Babbitt schien wie auf Crack zu sein und glaubte allen Ernstes, er sei mindestens so cool wie Ex-Skid Row Frontsau Sebastian Bach. Doch dieser Schuss ging gewaltig nach hinten los! Der Rest der Truppe kam zwar deutlich sympathi-
scher rüber, aber erstaunlicherweise offenbarte vor allem Leadgitarrist Mikey Cross einige Mühe, seine Licks fehlerfrei runter zu zocken. Die Rhythmus-Abteilung mit Bassist Andrew Cushing und Drummer Alan Doucette gefiel da schon besser und wenn mindestens etwas Lobenswertes zu erwähnen ist, dann waren es die töften Backing-Vocals aller Musiker, die bereits auf dem Tonträger positiv auffielen. Des Weiteren wirkten die Songs halt ziemlich gleichförmig und mangels griffiger Melody-Lines blieb kaum was hängen. Ein Umstand, der die Spreu sofort vom Weizen trennt. Das Publikum machte eher gute Miene zum bösen Spiel, doch das nervöse Getue und Rumgehample von Frontkasper Babbitt wirkte je länger, je lächerlicher. Die meisten Ansagen und Sing-a-longs verpufften im Nichts. Die Amis verkauften sich in Anbetracht der zumindest aufnahmetechnisch brillanten CD «Time To Burn» unter dem Strich ziemlich schlecht. Darum war auch kaum jemand traurig, als sich der überwiegend dürftige Support des Abends nach gut einer halben Stunde wieder vom Acker machte. (rsl)

Airbourne
Hatte man den plastikschillernden Las Vegas Strip endlich hinter sich gelassen, dauerte es die übliche halbe Stunde, gefüllt mit im Volkshaus eben so lange dauerndem Bierholen, bis das Licht unter Johlen und begleitet vom wohlbekannten «Terminator»-Intro diesmal in Australien wieder anging. Erinnert man sich zurück an den letzten, schweisstreibenden Auftritt der Aussies in der Schweiz im Rohstofflager, so war das Erste, was einem auffiel, die vergleichsweise grosse Bühne. Bestückt mit der obligatorischen Marshall-Verstärker-Wand und einem Banner mit ausscherenden Trucks drauf war die perfekte Kulisse gegeben für eine solide Rock-Show, welche mit «Raise The Flag» vom neuen Album «No Guts. No Glory.» eingeleitet. Ob es daran lag, dass der Bandzweitling gerade mal seit zwei Wochen über den Ladentisch ging oder der Song eher nur von durchschnittlicher Qualität ist, für das Publikum schien die Show erst mit dem nachfolgenden «Hellfire» richtig loszugehen. Ob bei neuen Nummern wie «Chewin' The Fat» oder schon bekannten Songs der Marke «Diamond In The Rust», Airbourne machten keine Gefangenen und boten auf der Bühne genau dasjenige Bild, welches die Fans sehen wollten: Basser Justin Street bangend am linken, als Pendant Klampfer David Roads am rechten Bühnenrand, beide angetrieben vom strammen Drumming Ryan O'Keeffe's und dazu natürlich Front-Pilot Joel mit feuchtem Brusthaar und einem solchen Überschuss an Testosteron, dass die Girlies in der ersten Reihe (mutmasslich) Gefahr liefen, geschlechtsumgewandelt zu werden. Vier Jungs vom Pub um die Ecke, welche gerade so gut auch im Publikum hätten stehen können; das ist der Charme, den Airbourne ausmacht und der trotz eindrücklicher Lightshow und wechselnder Banner auch an diesem Abend wieder rüberkam.

«Blonde, Black And Beautiful» oder auch «Get Busy Livin'» machten indes klar, dass auch das Album Nr. 2 seine Hits aufweisen kann, welche zukünftig wohl in keinem Live-Set mehr fehlen werden, auch wenn Smasher wie «What's Eatin' You», «Cheap Wine & Cheaper Women» und «Girls In Black» deutlich stürmischer mitgesungen und -geklatscht wurden. Bei Letzterem war dann für Joel auch die Zeit wieder gekommen während dem Solo zu verschwinden, um plötzlich auf dem Mischpult wieder aufzutauchen und dann in bester Angus Young-Manier solierend durchs Publikum zu rennen. Ist zwar nicht mehr neu der Gag, aber immer wieder sympathisch, was auch die euphorischen Reaktionen der Fans bezeugten. Die Verschnaufpause in Form der etwas lockereren aktuellen Single «No Way But The Hard Way» mit seinem eingängigen Refrain kam gerade recht. Mit «Heartbreaker» wurde aber gleich wieder angezogen und es war der fulminante Gröhl-Stampfer «Too Much, Too Young, Too Fast», welcher das reguläre Set unter tosendem Applaus beendete. Die «Airbourne»-Chöre, welche darauf folgten, waren vorprogrammiert, genauso wie das baldige Wiedererscheinen des Quartetts. «Runnin' Wild», der Titel der ersten Zugabe, wurde dabei wortwörtlich in die Tat umgesetzt: vier Durchgeknallte von Down Under auf der Bühne vor einem tobenden Mob, allesamt zusammen gleich verschwitzt. Die Gitarren kreischen, die Drums knallen zusammen mit dem Bass, das ist Rock'n'Roll, für welchen man gerne aufsteht. «Stand Up For Rock'n'Roll» muss so von Joel O'Keeffe gar nicht erst gefordert werden, auch so werden Hände in die Höhe gerückt was das Zeug hält, ob nun der Herr O'Keeffe einem mit Bier aus der aufgeschlagenen Dose noch stärker durchnässt als man sowieso schon ist. Damit dann letzten Endes gar kein mehr Gras bzw. keine Häärchen mehr in den Gehörgängen wachsen, gab es zum Ende hin noch eine Abrissbirne in Form des schnellen «Blackjack» und fertig war eine homogene, vor Kraft strotzende Rock-Show, wie man sie von international erfolgreichen Bands nur noch selten zu Gesicht, bzw. Ohren bekommt. Vielleicht ist es nicht nur das dritte Album, welches darüber entscheidet, wie die Zukunft einer Band aussehen wird, sondern auch der Moment, in welchem eine Truppe vom kleinen, heimeligen Club in eine grössere Location wechselt. Wäre dem so, dann hätten Airbourne mit ihrer straighten Show im Volkshaus diesen Prüfstein auf jeden Fall bestanden, auch wenn O'Keeffe nach wie vor nur selten mehr als zwei Sätze zum Publikum schrie. Die Warm-up-Party zum Sonisphere-Festival, an welchem Airbourne den Headliner geben werden, ist als Pflichttermin jedenfalls schon dick angestrichen im Kalender. (kis)

Setlist: «Raise The Flag» - «Hellfire» - «Chewin' The Fat» - «Diamond In The Rough» - «Blonde, Bad and Beautiful» - «Get Busy Livin'» - «Girls In Black» - «What's Eatin' You» - «Born To Kill» - «Cheap Wine & Cheaper Women» - «No Way But The Hard Way» - «Heartbreaker» - «Too Much, Too Young, Too Fast» -- «Runnin' Wild» - «Stand Up For Rock'n'Roll» - «Blackjack».