Livereview: Audrey Horne - '77 - Pet The Preacher

13. Dezember 2014, Oberentfelden – Böröm Pöm Pöm
By Rockslave
 
Obwohl distanzmässig von meinem Wohnort her nicht ab der Welt, hatte ich es bisher tatsächlich noch nie (!) nach Oberentfelden ins "Böröm Pöm Pöm" oder kurz einfach "Böröm" geschafft. Darüber gelesen oder gehört zwar freilich genug, doch die dortigen Gigs gehörten bisher halt überwiegend nicht zu meinen Musts. Doch heute Abend und noch vor Weihnachten sah das nun allerdings anders aus, denn als Headliner spielte an besagtem Ort mit Audrey Horne eine meiner erklärten Lieblingsbands auf. Auch wenn sich das aktuelle Album «Pure Heavy» musikalisch ein wenig von den starken Wurzeln der Norweger entfernt hat, geniessen deren energetische Live-Shows einen exzellenten Ruf. In der jüngeren Vergangenheit verwandelten Sänger Torkjell „Toschie“ Rød und seine Jungs jeweils das Aarauer KiFF in ein Tollhaus und wer die sympathischen wie total fannahen Musiker je erlebt hat, will sich sowas künftig nicht mehr, nein nie mehr entgehen lassen! Als weiteres Zückerchen standen mit den spanischen AC/DC Oldschool-Clones '77 und Pet The Preacher aus Dänemark zwei weitere interessante Bands auf dem Billing. So machte ich mich also auf den Weg in den Aargau.

Pet The Preacher

Dem 70er-Style der Kleider nach konnte man weitgehend nur schon optisch vermuten, welche Musik die Dänen zelebrieren würden. In der Tat haben wir hier es mit einer (mir bisher völlig unbekannten) Band zu tun, die sich dem per eigener Definition „Heavy Stoner Blues“ verschrieben hat. Das lärmige Trio, bestehend aus Christian Hede Madsen (v/g), Torben Wæver Pedersen (b/v) und Christian Von Larsen (d) war eigentlich die ideale Besetzung für die kargen Platzverhältnisse im Börom. Andererseits empfand ich die Premiere in diesem von aussen reichlich unscheinbar wirkenden Gebäude so oder so sehr gelungen. Ein feiner kleiner Club, inmitten von Ateliers und anderen Firmen, indem man sich aber schnell wohl fühlt und der mit entsprechenden Sitzgelegenheiten auch zum Verweilen einlädt. Da dies zu Beginn von einigen Leuten auch wahr genommen wurde, krümelten sich zu Beginn des Konzertes nur gerade ein paar wenige Nasen direkt vor der Bühne herum. Pet The Preacher veröffentlichten ihr aktuelles Album «The Cave & The Sunlight im Frühling und das meiste Material von heute Abend, wenn nicht alles, dürfte ab dieser Scheibe gestammt haben. Eine Setliste gabs nicht, aber der Sound ging ordentlich ab und varierte beim Tempo und der Härte. Andere Bands wie Lonely Kamel oder die frühen Orange Goblin liessen Grüssen, doch Pet The Preacher trugen tatsächlich auch ihre bluesige Seite zur Show, was sie insgesamt deutlich vom zahlreich vorhandenen Einheitsbrei der Stoner-Ecke abgrenzt. Ich fand die Mucke ganz ok, obwohl diese keine wirkliche Stimmung entfachte. Das Nachhören der Studio-Versionen offenbart erst im Nachhinein, dass sich die Landsleute von King Diamond schon noch einen Tick besser hätten verkaufen können, doch die etwas über 35 Minuten waren halt unter dem Strich fast nix und erfahrungsgemäss sehr schnell um!

'77
Die Spanier legten als „from oldschool AC/DC inspired band“ seit der Gründung 2006 eine bemerkenswerte Karriere hin, die von der Live-Aktivität her stark an Airbourne erinnerte. Nicht selten spielte das quirlige Quartett um Armand Valeta (g/v), LG Valeta (lead g/v), Raw (b/backing v) und Dolphin (d) in den vergangenen Jahren jeweils gleich mehrere Konzerte pro Besuch in der Schweiz. Dies oft in kleineren Locations, wo sich ihr Vintage-Sound natürlich am besten entfalten konnte. Grundlage der stets energetischen Auftritte waren die Songs ab ihren Klasse-Alben «21St Century Rock» (2009), «High Decibels» (2011) und zuletzt «Maximum Rock n‘ Roll» (2013). Das Spezielle an '77 ist, dass sie eigentlich die Musik spielen, die AC/DC nach dem Tod von Bon Scott (R.I.P.) nicht mehr geschrieben haben. Dazu kommt, dass man weder auf den Alben noch auf der Bühne je einen einzigen Ton von den Übervätern aus Australien zu hören bekommt. Falls doch, hätte sich die Magie der Truppe aus Barcelona sogleich verflüchtigt. Mit einiger Überraschung stellte ich dann vor Ort fest, dass sich die Nachricht, die ich irgendwann mal vor Kurzem im Netz flüchtig überflog, Tatsache geworden war!

Die Valeta-Brüder haben nämlich den Verlust ihrer einstigen Rhythm-Abteilung hinnehmen müssen. Das heisst im Klartext, dass sich gleich die halbe Band vom Acker gemacht hat, da man sich, wie so oft in diesem Business, offenbar in Geldfragen nicht einig wurde. But the show must go on und so wurden im Verlauf des Abends die neuen Members Guillem Martinez (b) und Andy Cobo (d) vorgestellt. Vor allem Letzterer passt optisch überhaupt nicht dazu und schien zudem noch sehr jung zu sein. Dies hinderte ihn freilich nicht daran, seinem Vorgänger in irgendetwas nach zu stehen. Power und Timing konnte auch Andy bieten und doch hatte man einfach das Gefühl, dass mit diesem neuen Line-Up nicht mehr die gleiche Band auf der Bühne stand. Obwohl die Darbietung an sich wenig Kritik zum Anlass gab, fehlte mir ein schlicht die Spritzigkeit von früher, wie sie aktuell zum Beispiel von Dynamite oder Hardbone an den Tag, respektive die Nacht gelegt wird. Nichtsdestotrotz wurde das „Böröm“ kräftig gerockt, als wollten '77 demonstrieren, dass man sie jetzt und auch künftig (noch) nicht abschreiben soll. Das nächste Album, nota bene das erste mit der neuen Formation, wird dann wohl oder übel über das „Sein“ oder „Nichtsein“ eine gewichtige Rolle inne haben. Heute Abend stand jedoch der Spass mit dem besser als vorher antizipierenden Publikum im Vordergrund und das war auch gut so. Dennoch schwang etwas Wehmut mit im Wissen darum, dass der Spirit der ersten drei tollen Scheiben so gut wie sicher nicht mehr freigesetzt werden kann.


Audrey Horne
Die einen nennen es „künstlerische Freiheit“, die anderen wiederum deklarieren dies als Entwicklung einer Band. Hierbei konkret angesprochen ist das aktuelle fünfte Studio-Album «Pure Heavy», das im vergangenen Frühherbst das Licht der Welt erblickt hat. Nicht dass man hier etwa von einem Ausfall sprechen muss, aber insgesamt fehlt es etwas an der Spritzigkeit, die die älteren Alben ausgezeichnet hat. Der Song «Out In The City» zum Beispiel, zu dem ja das witzige Video mit den den Bandmembers nachempfundenen Puppen gedreht wurde, überraschte mit seiner stark an Thin Lizzy angelehnten Ausrichtung. Dennoch sind die Trademarks der Norweger nach wie vor auszumachen und über die ganze «Pure Heavy»-Scheibe gesehen hat es immer noch genug Fleisch am Knochen. In diesem Fall jammere ich in der Tat auf hohem Niveau, weil es letztlich auch Geschmackssache ist. Auf der Bühne verfliegen solche Zweifel jedoch ziemlich schnell, denn kaum da angekommen, ist umgehend der Teufel los. Das traf an diesem Abend auch für das Böröm zu, dessen ordentlich zahlreiches Publikum schon bald in den Bann der Norweger gezogen wurde. Toschie als geborener Entertainer brauchte nicht lange, bis die Fans überwiegend aktiv antizipierten und den Rest besorgten seine Bandkumpels mit ihrem ebenso energiereichen Stage-Acting. Neben dem stets unentwegt Grimassen schneidenden Espen Lien am Bass, waren es einmal mehr die beiden Sixstringers Ice Dale und Thomas Tofthagen, die wieder alle Register des posierenden Gitarrenspiels zogen, ja regelrecht zelebrierten!

Die dazu ausgewählten Songs der aktuellen Tour deckten dabei interessanterweise nur die letzten beiden Alben ab. Lediglich der absolut unverzichtbare Oberkracher «Blaze Of Ashes» schlug ein kleinen Steg in die Vergangenheit. Dadurch fehlten somit einige ältere Tracks der Frühphase, doch das Material von «Youngblood» (2013) ist durchgehend stark und bei den neuen Sachen braucht es halt ein paar Umläufe mehr, damit diese ihre zweifelsfreie Wirkung auch entfalten können. Seit je her ist zudem bekannt, respektive man hat es jeweilen an den Konzerten so erleben können, dass es kaum eine andere Combo auf der Welt gibt, für die der Begriff „fannah“ nicht nur eine geflügelte Worthülse ist. Sprich zuerst ging Toschie singend mitten ins Publikum rein und später folgten dann auch Ice und Thomas. Inmitten ihrer abfeiernden Fans wurde eine Riesenparty angezettelt und ohne irgendwelche übereifrige Security hatten alle Anwesenden einen Heidenspass daran! Mir selber gefiel dieser Auftritt ganz gut, was zuletzt auch etwas mit der wirklich einladenden Location des „Böröm“ zu tun hatte, die für Livebands im Clubrahmen geradezu geschaffen, das heisst ideal ist. Härteres Geballer müsste man mal als Vergleich dazu in Sachen Sound halt mal antesten. Kommt Zeit, kommt Rat sagt der Volksmund und für mich fühlte sich der heutige Anlass wie vorgezogene Weihnachten an. Bleibt nur zu hoffen, dass Audrey Horne in den kommenden Jahren nach wie vor ganz vorne in der Oberliga mitmischen. Wäre sonst extrem schade!

Setliste: «Wolf In My Heart» - «Holy Roller» - «Youngblood» - «There Goes A Lady» - «Volcano Girl» - «Out Of The City» - «Tales >From The Crypt» - «Pretty Little Sunshine» - «Into The Wild» - «Show And Tell» - «Blaze Of Ashes» - «Straight Into Your Grave» -- «Redemption Blues» - «Waiting For The Night» - «This Ends Here».