Livereview: Black Sabbath - Soundgarden

20. Juni 2014, Zürich – Hallenstadion
By Kissi – All Pics by Rockslave
 
Immer wieder gibt es sie, diese Konzerte, an welche man einfach gehen muss. Konzerte, einem gesellschaftlichen Ereignis gleich. Dass der Gig von Black Sabbath, den Urvätern harter Gitarrenmusik, am 20. Juni im Zürcher Hallenstadion ein ebensolcher werden würde, das war der ganzen Rock- und Metal-Schweiz schon von Vornherein klar. Alles andere als gesichert war dagegen die Qualität dieses historischen Moments. Wie würden sich Tony Iommi, Geezer Butler und allen voran Ozzy „the Prince of fucking Darkness“ Osbourne schlagen? Und würde sich das Hallenstadion, Grillwetter und Schweizspiel schürten die Befürchtung, überhaupt füllen? Geldgetriebene Demontage einer Legende oder die ultimative Götterdämmerung, um nichts weniger ging es. Doch lest selbst.

Soundgarden

Als Erstes beantwortete sich die Frage nach der Besucherzahl. Nicht ganz, aber doch beinahe ausverkauft war das Zürcher Hallenstadion und bereits um 18:30 Uhr, eine halbe Stunde vor offiziellem Konzertbeginn, war die Halle überraschend gut gefüllt. Schön zu sehen, dass sich trotz einiger vor dem Stadion hochgehaltener überschüssiger Tickets wenige hatten von der an diesem Abend stattfindenden WM-Partie Schweiz-Frankreich abhalten lassen. Das fand auch Chris Cornell, Frontmann der an diesem Abend den Opener gebenden Soundgarden. Dieser verwechselte bei seiner ersten Ansage nach den grusslos runtergeschmetterten Grunge-Klassikern «Searching with my good Eye Closed» und «Spoonman» die Schweizer Nati zwar mit dem FC Zürich, seine gute Laune aber schien ehrlich. Ebenfalls wiederbelebt, ebenfalls seit Jahrzehnten nicht mehr in der Schweiz zu Gast (vom Auftritt am Greenfield-Festival eine Woche vorher abgesehen), verströmte auch deren Gastspiel rock-historische Exklusivität. Zumindest galt dies für all jene Besucher, die Grunge nicht als jenen Musikstil verteufeln, welcher den klassischen Heavy Metal Mitte der 90er von den grossen Bühnen verdrängt hatte. Ob es diese weitverbreitete Fehlinterpretation der Riff-Geschichte war oder doch der eher matschige Sound, der das Publikum nicht wirklich mit dem Quartett aus Seattle warmwerden liess, sei dahingestellt. Jedenfalls konnte sich Cornell, stimmlich immer noch grandios, in Sachen Sympathie-Bekundungen – er erinnerte u.a. an ihren ersten Auftritt in der roten Fabrik und bezeichnete die CH-Alterno-Rocker Young Gods als eine seiner Lieblingsbands – noch so ins Zeug legen: Mehr als gut gelaunten Höflichkeits-Applaus gab es für Soundgarden an diesem Abend nicht. Einzig beim balladesken Über-Hit «Black Hole Sun», den auch Grunge-Hasser im Schlaf, ob sie wollen oder nicht, mitsummen können, steigerte sich die Stimmung kurz, um danach wieder gen Gleichgültigkeit zu fallen. Gut möglich, dass ein traditionellerer, metallischerer Support-Act auf mehr Goodwill gestossen wäre. Gut möglich aber auch, dass auch dieser aus einem ganz einfachen Grund gescheitert wäre: nicht Black Sabbath zu sein.

Setliste: «Searching with my good Eye closed» - «Spoonman» - «Rusty Cage» - «Outshined» - «Black Hole Sun» - «My Wave» - «The Day I Tried To live» - «Jesus Christ Pose» - «Fell On Black Days» - «4th Of July».


Black Sabbath
Als dann nämlich zum zweiten Mal an diesem Abend das Licht ausging, hätte man meinen können, ein komplett ausgewechseltes Publikum vor sich zu haben. Dass Ozzy noch vor dem ersten Ton unsichtbar das Publikum anfeuerte, es wäre gar nicht nötig gewesen, denn als Tony Iommi, Erfinder des Heavy Metals, das erste schleppende Riff von «War Pigs» dröhnen liess, stand die Halle Kopf. Nun waren sie endlich hier, nach Jahrzehnten der Live-Abstinenz auf Schweizer Bühnen: Black Sabbath! Denn auch wenn Iommi mit anderen Frontern, allen voran Ronnie James Dio (R.I.P.!) immer mal wieder hierzulande gastierte, so schleckt es doch keine Geiss weg, dass es die originale Formation aus den 70ern mit Ozzy am Mikro war, welche alle, wohl wirklich alle Bands direkt und noch viel mehr indirekt beeinflusst hatte, die auf diesem Planet verzerrte Gitarren lärmen lassen.

Diesem Umstand schien sich das Gros der über 10'000 Anwesenden bewusst zu sein und zwar noch mehr als ich erwartet hätte. Zwei Wochen vorher schon hatte ich Sabbath am Sweden Rock Festival gesehen, doch während dort einzig die grossen Hits wie «Iron Man» oder das auch dieses Mal als Zugabe gebotene «Paranoid» richtig bejubelt wurden, blieben im Hallenstadion auch während nicht ganz so bekannten Nummern wie «Under the Sun / Every Day Comes and Goes», dem Rausschmeisser von «Vol. 4» (1972), oder Songs vom neuen Album «13» die Hände in der Höhe. Wem diese überschäumende Euphorie sichtlich am Besten gefiel: Ozzy Osbourne. Allen seiner zugegeben etwas sehr häufigen Aufforderungen zum Mitklatschen, -singen, -Händeschwingen wurde unumwunden Folge geleistet, was dieser nicht nur mit debilem Dauergrinsen, sondern auch dem einen oder anderen Kübel Wasser gen Publikum dankte.

Ein Leichtes wäre es, an dieser Stelle darüber herzuziehen, dass der selbsternannte Fürst der Finsternis so finster nicht mehr wirkt, wie er da über die Bühne tappt, mit manchmal schon fast apathischem Blick. Und natürlich gilt es anzumerken, dass Ozzy bei Weitem nicht mehr alle Töne sauber trifft. Doch gilt es auch zu bedenken: Dieser Typ lebt seit fast einem halben Jahrhundert den Rock'n'Roll wie kein anderer (ausser Lemmy vielleicht), hat sich alles reingepfiffen, was es an Substanzen auf der Welt gibt und steht dennoch noch immer auf der Bühne. Und macht dabei gar keine so schlechte Figur. Dabei ist es vor allem neueres Material wie «Age of Reason» oder «End of the Beginning», welche Ozzy stimmlich etwas überfordern, während er Perlen wie «Into the Void» oder «Snowblind» ganz passabel intoniert.

Musikalisch gar keine Schwierigkeiten hatten hingegen die beiden anderen Originalmitglieder, welche Ozzy auf der schlichten Bühne (soll heissen: Verstärker-Wände), in deren Hintergrund ein riesiger Screen das Geschehen angereichert mit passenden Video-Collagen bzw. Animationen wie z.B. Regen während «Black Sabbath», flankierten: links Geezer Butler, welcher noch immer eindrücklich energisch die vier Saiten seines Basses beackerte und zwar ebenso flink wie kraftvoll, was er wie zu erwarten im Einstieg zu «N.I.B.» zeigen konnte, dessen Bass-Intro um einen kurzen Solo-Teil verlängert wurde. Auf der anderen Seite: Tony Iommi, der Grossmeister des Riffs. Abgeklärt und über alle Zweifel erhaben liess dieser seine Gibson SG ein legendäres Lick nach dem anderen aus den Verstärkern jaulen und zwar wie eh und je ohne dabei mit der Wimper zu zucken. Schön übrigens auch, wie Ozzy seinen beiden Mitstreitern Tribut zollte: Als das Publikum nach den ersten Songs spontan in «Ozzy! Ozzy!»-Chöre ausbrach, antwortete dieser zuerst mit der Aufforderung zu «Tony! Tony!»- und dann mit «Geezer! Geezer!»-Chören.

Bleibt noch Tony Clufetos. Der neue Mann in den Sabbath-Reihen, nachdem sich die anderen mit Original-Drummer Bill Ward überworfen hatten und Rage Against The Machine-Drummer Brad Wilk «13» hatten eintrommeln lassen, haute wie ein Derwisch auf seine durchsichtige Küche ein und liess Sticks, Haupt- und Barthaar gleichermassen durch die Luft wirbeln. Das strotzte vor Kraft, war tight und souverän, mehr aber nicht. Das mag allzu puristisch, allzu retro-versessen klingen, doch meiner Meinung nach kommt das straighte Power-Drumming Clufetos', der Ozzy auch auf seinen Solo-Tourneen begleitet, einfach nicht an Bill Ward's verschliffenes, dennoch unglaublich hart groovendes Rhythmusgefühl heran. Mit dieser Einschätzung schien ich aber in der Minderheit zu sein, denn als Clufetos bei einer ansonsten grandiosen Version von «Rat Salad» sein Drum-Solo raushauen durfte (auch in der Original-Aufnahme gibt es eines), von um ihn herum platzierten Scheinwerfern gekonnt in Szene gesetzt, tobte die Halle.

«We Love You!», schrie Ozzy an diesem Abend mehr als einmal ins Mikro und das Hallenstadion liebte ihn und die ganze Band zurück. So standen spätestens bei «Iron Man» auch alle, die eigentlich auf ihren Plätzen sitzen sollten, und mit dem einer Mehrheit wohl doch nicht wirklich bekannten und dennoch abgefeierten «Dirty Woman» vom eher durchzogenen 76er-Album «Techical Ecstasy» und einem alles niedermähenden Riffsturm namens «Children of the Grave» verschwanden die Herren von der Bühne. Als es dann an die Zugabe ging traute ich meinen Ohren nicht: Iommi liess wirklich das donnernde Anfangsriff von «Sabbath Bloody Sabbath» aus den Boxen krachen! Ekstatisch liess ich meine Birne kreisen, doch war meine Freude nur von kurzer Dauer, brach Iommi durch gleich wieder ab, um dann doch mit «Paranoid» das Ende zu bringen, das alle erwartet hatten.

Dass danach der Jubel und die «Sabbath»-Chöre noch eine gefühlte Viertelstunde lang anhielten, nützte leider auch nichts mehr und viele unsterbliche Hits wie eben «Sabbath Bloody Sabbath», «Electric Funeral» oder «Sweet Leaf» blieben ungespielt. Doch wer will sich schon beschweren. Rund zwei Stunden hatten Ozzy, Tony und Geezer gezeigt, was Heavy Metal ist und woher er kommt. Eine Götterdämmerung war das und ein unglaublicher Moment Rockgeschichte, keine Frage. Oder, um eine andere Frage zu stellen: Wer hat's erfunden? Black fucking Sabbath!

Setliste: «War Pigs» - «Into The Void» - «Under The Sun / Every Day Comes And Goes» - «Snowblind» - «Age Of Reason» - «Black Sabbath» - «Behind The Wall Of Sleep» - «N.I.B.» (Intro mit Bass-Solo Geezer Butler) - «End Of The Beginning» - «Fairies Wear Boots» - «Rat Salad» (mit Drum-Solo Tommy Clufetos) - «Iron Man» - «God Is Dead?» - «Dirty Woman» - «Children Of The Grave»
Zugabe:  «Paranoid» (mit dem Riff von «Sabbath Bloody Sabbath» als Einleitung).