Livereview: Crystal Ball (CD Release Party) - King Sable

10. September 2016, Wetzikon – Hall Of Fame
By Tinu

An diesem sommerlichen Herbsttag sollte die Release-Party des neuen Crystal Ball-Werkes «Déjà Voodoo» über die Bühnenbretter in der «Hall Of Fame» laufen. Der neuste Streich der helvetischen Hardrocker ist wahrscheinlich das bisher beste in ihrer Karriere geworden, und so durfte man gespannt sein, wie sich der Fünfer zum Tourauftakt präsentieren würde. Obwohl als Release-Party angsagt, war die Truppe weit von einer eigentlichen CD-Taufe entfernt. Nix von wegen Schampus über die CD schütten, sondern Crystal Ball spielten ganz einfach zum ersten Mal die neuen Lieder in der Heimat. Deren sieben neue Tracks präsentierte die Combo und machte die Anwesenden hungrig auf «Déjà Voodoo». Wer die neue Scheibe noch nicht hatte, konnte sich gleich ein signiertes Exemplar am Merch-Stand erwerben.


King Sable
Bevor aber Crystal Ball eine tolle Show boten, stand mit King Sable ein interessanter Act auf der Bühne. Ebenfalls aus der Innerschweiz stammend, rockte der Vierer mächtig los. Was sich zu Beginn wirklich noch toll anhörte, verlor aber mit der Zeit etwas von seiner Faszination. Das lag sicher nicht am Schlagzeuger, der eine wirklich wilde Show bot und sich seine Halsmuskulatur warm bangte oder an der Gitarrenpower wie der Stimme von Andy Iten. Es waren die Songs, die mit zunehmender Spielzeit einfach austauschbar und monoton wirkten. Und irgendwie erinnerte ich mich an eine Aussage von Alice Cooper, der beim Interview verlauten liess, dass die heutigen Bands keine guten Lieder mehr schreiben können und viel zu viel in ein Stück packen. Was auch fehlte, war der packende Chorus, der, einmal gehört, nicht mehr aus den Gehörgängen verschwindet. Klingt jetzt vielleicht nach einen Verriss, soll aber einfach darauf hinweisen, dass die Qualitätsunterschiede zwischen Crystal Ball und King Sable schnell ans Tageslicht traten. Der Vierer rockte zwar gekonnt nach vorne, unbestritten, aber die Bühnenperformance wirkte doch etwas hüftsteif, um nicht zu sagen, da hätten die Jungs mehr daraus machen können. Der Zuschauerzuspruch war mengenmässig im Vergleich zu dem, was wenig später bei Crystal Ball im Club stand, um ein Vielfaches kleiner. Also liebe King Sable, lasst eure Melancholie zu Hause, rockt mit mehr Spass in den Backen, und ich bin mir sicher, dass ihr die Clubs der Schweiz im Handumdrehen begeistern werdet. Ist alles gut gemacht, aber irgendwie zu austauschbar, und somit bleibt nach diesem Auftritt viel zu wenig hängen.

Crystal Ball
Dass die Jungs von Crystal Ball alte Hasen sind und wissen, wie man die Konzertbesucher knackt, bewies der Fünfer mit breiten Grinsen im Gesicht. Es war auf der anderen Seite aber auch sehr einfach, die vordersten Reihen mobilisieren zu können. Dass Steven Mageney mit seiner Stimme begeistern kann, hört man auf den Studioscheiben, und wie er seine Shouts gekonnt auf der Bühne bringt, weiss man nicht erst seit diesem Abend. Mit fetten Wumms sorgte Dauergrinser Marcel Sardella für den richtigen Beat und kickte seinen Vorderleuten mächtig in den Allerwertesten. Unterstützt von Bassist Cris Stone legtem die Beiden einen tollen Rhythmusteppich, auf dem sich die Gitarristen Tony Castell und Scott Leach austoben konnten. Es war nicht immer nur Scott, der mit seinen solistischen Darbietungen auf sich aufmerksam machte, sondern auch Tony. Es macht einfach gute Laune, wenn sich die Beiden die Solos zuspielen oder die Doppel-Leads den Raum erfüllen. Hier dürfte das Axt-Duo allerdings noch öfter zusammenstehen. Etwas, das an diesem Abend noch fehlte, sich aber auf den kommenden Konzerten sicher ändern wird. Tony wirkte an diesem Abend ziemlich konzentriert, was ein bisschen zu Lasten seiner ansonsten tollen Bühnenperformance geht. Poste der lockige Mann aber am Bühnenrand, brannte die Bühne.

Die Jungs spielten sehr tight auf und auch die neuen Songs erklangen, als wären sie alte Evergreens. Die Setliste passte, auch wenn die ganz alte Crystal Ball Zeit völlig ignoriert wurde, was in meinen Augen jedoch ein minimaler Fehler war. Lieder wie «Lay Down The Law», «Savage Mind» oder «Dance With The Devil» haben auch heute noch ihre Berechtigung. Ganz abgesehen davon, ob sie nun von dieser Truppe im Studio eingespielt wurden, oder nicht. Schlussendlich bleiben sie aber ein zeitliches Dokument von Crystal Ball. Auch für die Geschichts- bücher war die Reaktion eines weiblichen Fans auf die Frage von Steven, ob das Publikum heiss hätte. Die Antwort der Dame: sie zog kurzerhand ihr Shirt aus und stand ab da in einem mit Nieten bestücken BH am Absperrgitter!

Als sich Cris Bass kurz verabschiedete, nutzte Mister Mageney die spielfreie Zeit dazu, den Anwesenden zu erzählen, dass sie nicht nur die neue CD am Merch-Stand kaufen könnten, sondern auch viele andere Dinge und sich die Band kurz nach der Show dort einfinden wird. Was die Truppe dann auch tat und sich so der eine wie die andere ihr Autogramm oder ein Foto mit der Band holen konnten. An diesem Gig gab es letztlich kaum was zu bemängeln. Auch nicht das Aussteigen des Basses von Cris, weil die Jungs ganz natürlich und locker mit dieser Situation umgingen. Vielleicht hätten Crystal Ball die beiden langsameren Songs nicht direkt nacheinander spielen sollen, aber ansonsten bestach die Truppe mit einer unglaublichen Authentizität. Cool war einmal mehr, dass nach der Einleitung von Marcel (mit «I Love It Loud» von KISS) die komplette Band mit Standtoms bewaffnet auf der Bühne stand und so ein von Crystal Ball mittlerweile bekanntes, aber noch immer cooles Showelement präsentierte. Mit jedem Schlag auf die Toms leuchtete diese hell auf und so ergab sich auf der verdunkelten Bühne einen zusätzlicher toller Effekt.

Es war ein guter Auftakt, auf dem sich aufbauen lässt. Das Set war gespickt mit Power und tollen Songs. Das Publikum, das sicher mehr hätte sein dürfen, feierte das Quintett ab. Der Sound drückte ohne Ende, bloss das Licht liess die Jungs ab und zu ein bisschen im Dunkeln stehen. Jammern auf einem hohen Level nennt man das aber. Man darf nun auf die kommenden Konzerte (zusammen mit Shakra) gespannt sein, denn zumindest dieses Konzert in der «Hall Of Fame» verdient das Prädikat "sehr geil". Es war eine richtig mitreissende Rockshow, die zwar nicht perfekt, aber verdammt lebendig und mit viel Spass versehen war. Und diese beiden Attribute passen noch immer besser zu einer hart rockenden Show, als bloss den Ansatz zu haben, perfekt und deshalb kühl zu wirken. Kompliment meine Herren!

Setliste: «Intro» - «Director's Cut» - «Dr. No Hell» - «Suspended» - «Back For Good» - «Time And Tide» - «Gods Of Rock» - «Never A Guaranty» - «Liferider» - «Walk Thru Time» - «Home Again» - «Drum-Solo with Toms» - «Powerflight» - «Break Of Dawn» - «Hold Your Flag» - «He Came To Change The World» - «Hell-Vetia» - «Mayday» - «Deja Voodoo» - «Paradise» - «Anyone Can Be A Hero».