Livereview: Deep Purple
12. November, Huttwil - Nationales Sportzentrum
By Rockslave
Seit diesem Sommer sind es nun genau 25 Jahre her, also ein ganzes Vierteljahrhundert, seit ich meine Lieblingsband das erste Mal live (im Zürcher Hallenstadion am 13. Juli 1985) gesehen habe. Damals war ich der festen Überzeugung, dass ich die Jungs nach der unerwarteten Reunion unbedingt sehen muss, bevor wieder was passiert. Bezüglich Deep Purple in der Besetzung Mark II, also mit Ian Gillan, Ritchie Blackmore, Jon Lord, Roger Glover und Ian Paice rumpelte es dann in den 90ern bekanntlich nochmals kräftig im Karton und seit Ende 1993 ist dieses Lineup definitiv Geschichte. Nach der (leider viel zu kurzen) Überbrückung mit Joe Satriani kam sein Nachfolger Steve Morse 1995 an Bord und rettete die Band vor dem sicheren Untergang. Mit der Verpflichtung von Don Airey, der 2002 den Posten des freiwillig abgetretenen Jon Lord übernahm, wurde schliesslich die solide Grundlage geschaffen, dass alle Fans ihre Helden nach wie vor auf den Bühnen der Welt spielen sehen können. Heute Abend erhielt Huttwil im Emmental die grosse Ehre, sich in den Geschichtsbüchern verewigen zu können.

Deep Purple

Es ist ja nicht das erste Mal und prompt war es für den Schweizer Auftritt dieser Tour wieder so, nämlich dass hochkarätige oder zumindest interessante Support-Bands bei uns nicht mit dabei sind. Heuer wären dies unter anderem, zumindest in Deutschland, Marillion gewesen, während in anderen Jahren zum Beispiel Alice Cooper oder auch Gotthard bei unserem nördlich gelegenen Nachbarn mit von der Partie waren. Wie man aber nun dazu kommt, in Huttwil Ritschi, also den Sänger der Schweizer Pop-Band Plüsch (solo) zu bringen, weiss nur der liebe Gott! Obwohl der agile Mundart-Barde soweit "rockte" mit seinen Jungs, war es wohl dem ländlichen Goodwill zuzuschreiben, dass das Publikum ziemlich fair blieb und sich offenbar nicht genötigt fühlte, Tomaten und anderes auf die Bühne zu werfen. Es wurde auf jeden Fall stets höflich applaudiert, aber ich hielt diesen Quark nicht lange aus und musste deshalb ziemlich rasch den Bierstand aufsuchen. Zum Glück war das Ganze nur von kurzer Dauer und die Bühne bald für den Headliner hergerichtet. Um 21.30 Uhr ertönte dann endlich das Intro, das man seit der «Rapture Of The Deep»-Tour kennt. Als Opener wurde «Highway Star» ausgewählt, der im Verlauf der Tour auch schon mal erst gegen Schluss oder gar nicht auftauchte! Bereits bei den ersten Klängen konnte man erfreut feststellen, dass die Band insgesamt und allen voran Ian Gillan von Anfang an überzeugte. Seine zuweilen heisere Stimme war heute Abend bestens geölt und so geriet das nicht so oft gespielte «Hard Lovin' Man» vom 1970er Klassiker «In Rock» bereits zum ersten Höhepunkt! Spätestens bei «Maybe A Leo» wurden auch die letzten Zweifler in Sachen Sound eines Besseren belehrt, denn die Chose kam wie eine Dampframme daher. Der Druck war richtiggehend spürbar und ich habe die Keyboards, das heisst die Hammond-Orgel mit den Lesley-Verstärkern kaum jemals so laut und alles durchdringend gehört, einfach geil! Die optisch sehr gut gefüllte Halle mit rund 4'000 Besuchern kam bereits früh im Set in Stimmung und bejubelte jeden Song ein Stückchen lauter. Nach dem wie immer furiosen «Fireball» packten Deep Purple mit «Silver Tongue» (vom 2003er Album «Bananas») einen mindestens halbwegs überraschenden Tracks aus. In die gleiche Kategorie gehörte «Almost Human» (von «Abandon», 1998), doch ein echtes Ausrufezeichen verdiente sich danach «Lazy», das ich in der Morse-Ära kaum jemals so stark gespielt gesehen und gehört habe! Überhaupt wurde damit der zweite Teil des Konzertes so richtig in Fahrt gebracht und es sollte erfreulicherweise bis zum Schluss anhalten.

Bühnentechnisch hatte man nicht allzu viel Firlefanz nach Huttwil gekarrt. Ausser den Stageamps und wallenden, hinten aufgehängten Tüchern sowie ein paar Lichttraversen gab es nicht viel zu sehen. Und da Ian Gillan nicht wie zumeist barfuss unterwegs war, konnte man sich den sonst in diesem Zusammenhang benötigten, filzteppichartigen Bühnenüberzug sparen. Den Rest der Optik besorgte das Trockeneis, das immer wieder mal und wenn, relativ üppig zum Einsatz kam. In die gleiche Kategorie fiel, wie schon erwähnt, der Hammer-Sound, der ja sowas von nach vorne schob (zumindest da, wo ich stand, also etwas in der Nähe des Mischpultes, das heisst etwas vorne links davon), dass es eine wahre Freude war. Nicht immer waren die Keyboard-Soli von Don Airey nach meinem Geschmack, doch diesmal spielte er ein paar neue Parts, vermischt mit bekannten Elementen und nicht zu ausufernd. Die Überleitung zu «Perfect Strangers» gelang jedenfalls gut und liess immer noch Gänsehaut-Feeling aufkommen. Das Prädikat "sackstark" konnte anschliessend auch dem Klassiker «Space Truckin'» verliehen werden. Nach einer (etwas zu) kurzen Jukebox-Einlage von Steve Morse war der Zuspruch beim ersten Riff von «Smoke On The Water» nahe dem Siedepunkt und die ganze Halle stand Kopf, wobei ja von Anfang an der Bär im Emmental los war. Um 23.00 Uhr ging das tour- und spielfreudige Quintett ein erstes Mal von der Bühne. Als Zugaben folgten noch «Hush» und «Black Night», dem seit ein paar Jahren traditionell ein Bass-Solo voraus geht. Als nach knappen 100 Minuten das Hallenlicht wieder angeht, sind sich die meisten Zuschauer einig, soeben ein begeisterndes Konzert miterlebt zu haben. Ich selber gehe noch ein Stück weiter und ordne diesen Auftritt klar der Top-5 aller bisher gesehenen Gigs zu! In dieser Form kann man sich ein Kürzer- oder gar Abtreten kaum bis gar nicht vorstellen. Und wer weiss, vielleicht war «Rapture Of The Deep», das mittlerweile auch schon fünf Jahre auf dem Buckel hat, nicht das letzte Studio-Album! Hoffen wir es zumindest und der einzige Wermutstropfen war das Nichtzustandekommen eines Interviews, mit dem ich eigentlich fest gerechnet hatte. Den positiven Gesamteindruck konnte dieser Dämpfer jedoch nicht beeinträchtigen und so schliesse ich mich Ian Gillan's "I wanna thaaaaaank you" gerne an und reiche zudem ein persönliches "Purple forever" nach.

Setliste: «Intro» - «Highway Star» - «Hard Lovin' Man» - «Maybe I'm A Leo» - «Strange Kind Of Woman» - «Rapture Of The Deep» - «Fireball» - «Silver Tongue» - «Contact Lost» - «When A Blind Man Cries» - «The Well Dressed Guitar» - «Almost Human» - «Lazy» - «No One Came» - «Keyboard Solo Don Airey» - «Perfect Strangers» - «Space Truckin'» - «Smoke On The Water» -- «Hush (Introducing «Goin' Down»)» - «Black Night».