Livereview: Deep Purple

15. Juli 2013, Zürich – Live At Sunset
By Rockslave
Bevor im Herbst dann die «Now What?!» Hallentour los geht, beehrte der Altherren-Club namens Deep Purple die Schweiz gleich mit zwei Konzerten, quasi im Voraus. Das Erste fand in der schönen Kulisse des „Live At Sunset» in Zürich statt und vier Tage später stand ja der eigentlich obligate Besuch in Montreux auf dem Programm. Wer hätte das gedacht, dass Ian Gillan und seine Jungs es tatsächlich nochmals fertig bringen, ein neues Studio-Album in den vordersten Chart-Rängen zu platzieren?! Während es bei unseren nördlichen Nachbarn zur Spitze gereichte, freute man sich bei uns natürlich ebenso über die hervorragende Silbermedaille. Das bedeutete, dass das neue Studio-Werk auch hierzulande eine breite Basis der Altfans und gleichzeitig viele neue Anhänger zu mobilisieren vermochte. Obwohl sich unter den „Die-Hard“-Fans mitunter angeregte Diskussionen in Sachen pro und kontra ergaben, muss man «Now What?!» eigentlich schon nur von der Produktion her als unentbehrlich bezeichnen. Bei sehr angenehmen Sommerwetter zelebrierte der Rock-Dinosaurier eine mehr als nur gute Show auf dem Zürichberg, die allerdings viel zu wenig neues Material enthielt.



Deep Purple

Nach über 30 Jahren an Konzertbesuchen und fast auf den Tag 28, seit ich meine erklärte Lieblingsband das erste Mal im Hallenstadion live sah (nämlich am 13.07.85 und natürlich in der legendären Mark II-Besetzung!) hing tatsächlich noch der Reiz eines zum ersten Mal besuchten Events in der Luft. Das Festival gibt es schon eine ganze Weile (seit 1996) und in diesem Rahmen spielten in den letzten Jahren zumeist keine extrem lärmigen Bands. Dennoch brachten Jeff Beck, ZZ Top, Toto, Foreigner oder Meat Loaf in der Vergangenheit durchaus rockige Klänge auf den Zürichberg hinauf. Heuer waren also, neben Sting, Mark Knopfler und Gianna Nannini, erfreulicherweise Deep Purple gebucht worden und da Montreux leider auch dieses Jahr für mich nicht in Frage kam, nahm ich den Weg auf den Berg nahe Dübendorf hinauf noch so gerne unter die Räder. Vor Ort angekommen, sah man schon bald, dass hier alles etwas edler als an anderen Freiluftveranstaltungen aussah. Das fing schon mal damit an, dass im Eingangsbereich ein Cabriolet des einen Festival-Sponsors Jaguar zu bewundern war. Auf dem Weg ins Gelände überreichten darauf hübsche junge Frauen den ankommenden Besuchern ein feines Mandel-Gebäck…, den „Julius Bär“ so zu sagen. Müssig zu erwähnen, dass hier gerade der Name eines weiteren Sponsors gefallen ist. Die überwiegende Klientel, die sich hier am „Live At Sunset“ tummelte, würde man so entweder an einem Golfturnier oder Pferderennen auch antreffen. Da Kleider in der Tat Leute machen, waren die sich zahlenmässig klar in der Minderzahl befindenden echten Rockfans ebenso schnell in der Menge auszumachen. So entstand letztlich eine interessante Mischung an Konzertbesuchern, die mir als Rezensenten des Anlasses insgesamt zu dekadent erschien. Was allerdings das Catering anging, so wischten dessen Vorzüge fast alle Ressentiments umgehend wieder vom Tisch! Das entschädigte dann auch gleich dafür, dass es heute Abend, wie zuvor schon und überhaupt, keine Support-Band gab.

So stiegen Ian Gillan, Roger Glover, Ian Paice, Steve Morse und Don Airey Punkt 20.30 Uhr auf die Bühne, die unten auf der Eisbahn aufgebaut war und noch eine eigenwillige Halbrund-Form besass. Lichtmässig war es natürlich für ein solches Konzert grauslig, da viel zu hell, aber immerhin machte die untergehende Sonne dem Festivalnamen alle Ehre. Ob man das für den komplett bestuhlten und bis zu 170 Franken teuren Anlass auch so sah, sei mal dahin gestellt. Auch wenn zu Beginn des Konzertes noch der eine oder andere Stuhl nicht belegt war, dürfte man schon im Bereich von „sold out“ gelegen haben, was etwa rund 2000 Leute bedeutete. Obwohl die Bühne den entsprechenden Überzug aufwies, kam Ian Gillan für einmal nicht barfuss daher. Als die Musiker ihre Plätze einnahmen, brandete schon mal ein angenehm lauter Applaus auf. Da die Instrumente und Amps noch recht weit vorne standen, war ich im Fotograben fast auf Tuchfühlung mit und der Band näher als jemals zuvor. Der Opener «Fireball» zeigte dann von Anfang an allen Schlagzeugern, wie genial und unerreicht das Spiel von Ian Paice immer noch ist und auch bleiben wird. Mit «Into The Fire» und «Hard Lovin’ Man» folgten darauf zwei Perlen von «In Rock» (1970) gleich hintereinander. Kaum aus dem Fotograben raus, nahm ich «Vincent Price» irgendwie gar nicht recht wahr und wenn ich die Setliste nicht gesehen hätte, wäre ich nicht mal sicher gewesen, ob der erste von insgesamt drei neuen Songs im Set überhaupt gespielt worden ist. Wie dem auch sei…, die Band zockte ihren Set völlig relaxt runter und das sitzende Publikum taute mit fortlaufender Zeit immer mehr auf. Die Lautstärke war allerdings mit maximalen und anwohnerbedingten 93 dB viel zu leise und liess immer wieder mal etwas Power vermissen. Da passte «All The Time In The World» dann allerdings bestens rein und der Platz zwischen «Contact Lost» und «The Well Dressed Guitar» hätte nicht besser ausgewählt werden können.

Bereits vor dem Konzert war mir aufgefallen, dass vorne am Bühnenrand der ganze Text von «Above And Beyond» auflag. Das deutete zumindest darauf hin, dass Ian Gillan beim neuen Material womöglich noch nicht so ganz textsicher ist und bei Bedarf nachschauen kann/muss. Dennoch erstaunte mich dieser Umstand, da der Purple-Frontmann ja keinesfalls mit Ozzy Osbourne in Sachen fehlendem Erinnerungsvermögen gleichzustellen ist. Seis drum, denn beim betreffenden Song hielt sich Ian nicht ausschliesslich in der Nähe der Blätter am Boden auf. Das Konzert entwickelte sich auf jeden Fall prächtig und die Stimmung war sehr gut, wenn auch nicht gerade euphorisch. Trotz aller Freude meinerseits, an diesem lauen Sommerabend ebenfalls anwesend sein zu können, fiel mein Fazit zur Darbietung zunehmend ernüchternd aus. Der ganzen Chose fehlte spürbar Pepp und das lag nicht nur an der reduzierten Lautstärke. Was in früheren Jahren noch spontan und unvorhergesehen geschah, ist längst einer sich wiederholenden Prozedur gewichen, besonders beim Solo von Don Airey. Auch wenn es verbrieft keinen besseren Nachfolger des unvergessenen Jon Lord (R.I.P.) gibt, so stellt man nach mehreren Konzerten fest, dass praktisch alles immer gleich abläuft und jeder Überraschungseffekt im Keim erstickt wird. Gar unmotiviert agierte auch Steve Morse vor «Smoke On The Water», der früher seine „Juke Box-Einlage“ ausladender und spannender gestaltete. Dass sich dann aber bei diesem unverzichtbaren Klassiker (fast) alle erhoben, klatschten und mitsangen, zeigte immerhin, dass die Begeisterung hierfür nie nachlassen wird. Die beiden Zugaben «Hush» und «Black Night» stimmten zum Schluss auch mich versöhnlich. Deep Purple sind 2013 noch längst nicht altersmüde und ich bin, wie eingangs bereits erwähnt, schon mal gespannt auf die anstehende «Now What?!» Hallentournee, die hoffentlich weitere neue Songs am Start haben wird.

Setliste: «Fireball» - «Into The Fire» - «Hard Lovin’ Man» - «Vincent Price» - «Strange Kind Of Woman» - «Contact Lost» - «All The Time In The World» - «The Well Dressed Guitar» - «The Mule» - «Lazy» - «Above And Beyond» - «No One Came» - «Keyboard-Solo Don Airey» - «Perfect Strangers» - «Space Truckin’» - «Smoke On The Water» -- «Hush» - «Black Night».