Livereview: Dirkschneider - Raven

19. Dezember 2017, Pratteln – Z7
By Tinu
Was für eine tolle Konstellation beehrte an diesem Dienstagabend das Z7. Endlich gingen wieder mal zwei tolle Truppen zusammen auf Tour, ohne, dass man sich durch ein bis drei langweilige Vorbands kämpfen musste. Udo Dirkschneider und die Jungs von Raven kennen sich seit dem Zusammentreffen für die Raven-Single «Born To Be Wild» aus dem Jahre 1983. Damals waren die Herren noch jung und geschmeidig, haben bis heute aber kaum was von ihrer Präsenz eingebüsst. Die Engländer und der deutsche Sänger konnten auf eine grosse Fanbasis bauen und lieferten tolle Shows ab, wobei Mr. Dirkschneider mit seiner Truppe ganz klar der Gewinner an diesem Abend war.

Raven
Das Trio aus Newcastle war in den frühen achtziger Jahren bekannt für ihren «atheltic metal». Dass der mittlerweile fast 60-jährige John Gallagher (Bass, Gesang) und sein 57-jähriger Bruder Mark sicherlich nicht mehr so athletisch über die Bühne hüpfen wie damals, ist klar. Trotzdem machte die Band einen agileren Eindruck, als noch in diesem Sommer am "Bang Your Head!!!"-Festival. Mit Ersatztrommler Mike Heller, welcher den nach wie vor aus gesundheitlichen Gründen zu Hause gebliebenen Joe Hasselvander ersetzte, versuchten die Gallagher-Brothers den Spirit der frühen achtziger Jahre ins Z7 zu bringen. Was ihnen auch gut gelang, zumindest das Gitarrensolo erinnerte an die wilden Anfangstage der "New Wave Of British Heavy Metal. Ein Zitat, das aber besser durch einen weiteren Song hätte ersetzt werden können. Was bietet das Trio heute noch? Schnörkellosen Heavy Metal, der seine Wurzeln in England hat. Dabei kreischt und schreit sich John noch immer mit Herzenslust durch die Lieder und hat dank seines Headphones die Bewegungsfreiheiten, welche der Brite braucht. Ständig wechselte er die Seite mit Mark, der wie ein Verrückter über die Bretter tobte, die Saiten aufheulen liess und dabei seine Zunge vor Freude raushängte. Mit seinen Körpermassen stand ein beachtliches Tier auf der Bühne, bei dem die Bühnenbretter erzitterten, wenn er über Selbige schritt.

Die stündige Spielzeit nutzte das Trio sehr gut, spielt eine Setliste, die sich aus Bewährtem und Neuem zusammenstellte. Dabei konnten die neuen Tracks «Destroy All Monsters» und «Tank Treads (The Blood Runs Red)» ebenso überzeugen konnten, wie die alten Klassiker «Hell Patrol», «All For One» oder «Faster Than The Speed Of Light». Interessant, dass «On And On» aus dem Album «Stay Hard» den Weg in das Set fand und dort einen hervorragenden Eindruck hinterliess. Nach «Break The Chain» wurde kurz die AC/DC-Nummer «It's A Long Way To The Top (If You Wanna Rock' n Roll)», zu Ehren von Malcom Young angestimmt, um dann in den Black Sabbath-Klassiker «Symptom Of The Universe» zu wechseln. Wem dies noch nicht genug war, konnte am Merch-Stand T-Shirts, CDs, DVDs und die stinkenden Unterhosen von John kaufen. Raven powerten ohne Ende, duellierten sich mit ihren Gitarren (im wahrsten Sinne des Wortes) und verkündeten, dass sie 2018 zurückkehren würden. Den Alt-Metallern gefiel die Vorstellung und manch leuchtende Augenpaare verrieten, dass man sich in nostalgischen Gedanken sonnte. Raven ist noch immer eine Band, mit der zu rechnen ist, denn auf der Bühne hat das Trio nichts von seinem Flair verloren.

Setliste: «Destroy All Monsters», «Hell Patrol» - «All For One» - «Hung, Drawn & Quartered» - «Rock Until You Drop» - «Guitar Solo Mark Gallagher» - «Tank Treads (The Blood Runs Red)» - «Faster Than The Speed Of Light» - «On And On» - «Break The Chain/It's A Long Way To The Top (If You Wanna Rock'n'Roll)/Symptom Of The Universe» - «Crash Bang Wallop»

Dirkschneider
Die ganz grosse Attraktion folgte dann aber mit Dirkschneider. Die Combo, bestehend aus Sänger Udo Dirkschneider, Bassist Fitty Wienhold, Schlagzeuger Sven Dirkschneider, Gitarrist Andrey Smirnov und Neugitarrist Bill Hudson, zerlegte an diesem Abend das Z7 fein säuberlich in seine Einzelteile. Was das Quintett an diesem Abend bot, war eine Metal-Show, die sich gewaschen hatte. Udo spielte (angeblich) zum allerletzten Mal seine Accept-Klassiker. Dabei gab es zum letzten Auftritt im Z7 nur ganz wenige Song-Überschneidungen. Ansonsten liess Dirkschneider selten oder noch nie gespielte Hits aus dem Hause Accept erklingen. Was zuerst nach einem sehr mutigen Unterfangen aussah, entpuppte sich als eine Setliste, die auch ohne die "grösseren" Klassiker wie «Up To The Limits», «Son Of A Bitch» - «Loosers And Winners» - «Restless And Wild» oder «Living For Tonite» völlig zu überzeugen wusste. Dafür grub die Truppe tief in der Mottenkiste und entstaubte solche Perlen wie «Aiming High» (Wahnsinn!), «Another Second To Be» (wahrscheinlich noch nie gespielt) oder «Russian Roulette» (Oberwahnsinn!). Auch Nummern wie «Fight It Back», «Stone Evil» oder «X-T-C» überzeugten von der ersten Sekunde an und hinterliessen begeisterte Fans. Dabei überzeugte nicht nur Andrey mit seinen Gitarrenkünsten, sondern auch Bill, der bewies, dass er nicht nur die Lieder von Circle II Circle spielen kann. Dem neuen Mann wurde sehr viel Freiraum eingeräumt, und so sah man den Brasilianer immer wieder am Bühnenrand, wie er mit tollem Posing seine Solos rausknallte. Gänsehaut gab es in den Momenten, wenn beide Gitarristen zusammen solierten. War es beim Solo von «Fast As A Shark» oder der kurzen, gemeinsamen Einleitung zu «X-T-C». Das sind solche Momente, in denen selbst Solo-Hasser mit leuchtenden Augen und offenen Kaubalken verzückt zusehen und zuhören.

Udo war einmal mehr gesanglich absolut top. Was der 65-jährige noch immer bietet, sucht Seinesgleichen. Wie gewohnt mit wenig Ansagen, dirigierte der Deutsche durch das Set und animierte zu Mitsingspielchen. Mit fein eingestreuten Pyros wurde den Liedern ein zusätzlicher Augenschmaus verliehen. Speziell bei «Russian Roulette» hatten die Feuersäulen eine unglaubliche Wirkung, wie auch bei «Protectors Of Terror». Die Bühne war mit zwei Laufstegen und vielen Lichtern sehr gut dekoriert. Dies gab der Saitenfraktion immer wieder die Möglichkeit, dass sie Accept-like bei den Solos und den Refrains vorne standen, während sie Udo das Feld bei den Strophen überliessen. Und irgendwie war an diesem Abend in Dirkschneider mehr Accept drin, als heute in Accept selber… Auf der Bühne stand eine Einheit. Keine Egos, keine Alphatierchen, die sich gegenseitig den Platz streitig machten, sondern jeder zu seiner Zeit seinen Part bekam. Diese positive Energie schwappte sofort ins Publikum über, was dazu führte, dass schon nach dem Opener «The Beast Inside» laute Udo-Rufe im Z7 erhallten. Die bereits erwähnte mutige Setliste beinhaltete mit «Can't Stand The Night» und «Amamos La Vida» zwei ruhigere Parts, die sich bestens in das Set integrierten. Hier konnten die beiden Gitarristen einmal mehr zeigen, welches kreative Potenzial und handwerkliche Geschick in den Fingern steckte.

Im Zugabeblock liess Dirkschneider ebenso wenig, sprich nichts anbrennen. Mit dem unverwüstlichen «Princess Of The Dawn» und den dazugehörenden Fangesängen, dem bebenden «Metal Heart», dem mit dem berühmten «Heidi-Heido-Heida» eingeleiteten «Fast As A Shark» und dem ultimativen «Balls To The Wall» beendete das Quintett einen Siegeszug, der Seinesgleichen sucht. Wie gesagt, die Setliste war mutig ausgewählt, bewies aber, welche verborgenen Schätze und Klassiker Accept immer in der Schatzkiste liessen, bis nun Dirkschneider alles ans Tageslicht brachte. Schade eigentlich, dass dies die letzte Vorstellung in der Schweiz gewesen sein soll, denn die Accept-Tracks funktionieren noch immer am besten, wenn sie von der Originalstimme vorgetragen werden. Somit wünscht man sich neben U.D.O.-Konzerten auch kommende Gigs von Dirkschneider…

Setliste: «Fire (Intro - Arthur Brown)» - «The Beast Inside» - «Aiming High» - «Bulletproof» - «Midnight Mover» - «Slaves To Metal» - «Another Second To Be» - «Protectors Of Terror» - «London Leatherboys» - «Fight It Back» - «Can't Stand The Night» - «Amamos La Vida» - «Stone Evil» - «Breaker» - «Hard Attack» - «Love Child», «Objection Overruled» - «X-T-C» - «Russian Roulette» - «Princess Of The Dawn» - «Metal Heart» - «Fast As A Shark» - «Balls To The Wall» - «U Can't Touch This (Outro – MC Hammer)»