Livereview: Dream Theater

27. Januar 2014, Zürich - Volkshaus
By Roger W.
Das Traum Theater lädt zum Träumen ein! So oder ähnlich könnte man den Abend beschreiben, den die amerikanischen Progressiv-Metal-Götter im altehrwürdigen züricherischen Volkshaus gestalteten. Seit dem letzten Besuch ist viel passiert. Neben dem neuen schlicht „Dream Theater“ betitelten Studioalbum ist mit „Live At Luna Park“ auch ein hochwertiges Live DVD/CD-Paket erschienen. Zudem feiert die Band heuer den 20. Geburtstag ihres dritten Album Awake und das 15-jährige Jubiläum des Konzept-Werkes „Scenes From A Memory“. Viele Gründe sprachen also für den Zürich-Trip. Dass das Volkshaus ausverkauft war, kann als gutes Zeichen gewertet werden und lässt hoffen, dass die Prog-Metal Helden beim nächsten Mal in einer grösseren Halle noch mehr Fans verzaubern werden.

Der Abend begann jedoch erstmal mit einer gewissen Verwirrung. Angekündigt war nämlich eine namenlose Supportband. Dream Theater hatten aber neben das „Along For The Ride-Tour“-Schildchen noch ein “An Evening With Dream Theater“-Schriftzug gesetzt. Wir erinnern uns: Bereits vor einigen Jahren hatte die Band unter diesem „An Evening with…“-Banner drei stündige Konzerte gespielt. In den letzten Jahren waren es dann „nur“ noch circa zwei Stunden. Was nun galt, wurde mir bei der Überreichung des Fotopasses mitgeteilt und liess mein Fan-Herz gleich höher schlagen: Keine Vorband, dafür viel, viel Dream Theater! Um es gleich vorweg zu nehmen: Es dauerte fast drei Stunden - und das ohne explizite Keyboard-, Gitarren- oder Schlagzeugsoli! Also drei Stunden pur mit Dream Theater-Liedern!

Eine weisse Leinwand versperrte den Zuschauern den Blick auf die Bühne. Als die Lichter gelöscht wurden, erschien darauf eine kleine filmische Zeitreise, bei der sämtliche Albumcovers in chronologischer Reihenfolge gezeigt wurden. „The Enemy Inside“ führte anschliessend direkt ins Geschehen. Das Bühnendekor war einem städtischen Hinterhof nachempfunden, wobei über der gesamten Breite im oberen Bereich Filmeinspielungen oder Live-Aufnahmen vom gerade aktuellen Konzert gezeigt wurden. Der Fokus wurde dabei oft auf die Fingerfertigkeiten von Gitarrist John Petrucci und Keyboarder Jordan Ruddess gelegt. Apropos Fokus: Die ersten eineinviertel Stunden gehörten mehrheitlich dem neuen Album. Davon wurde neben dem bereits erwähnten „Enemy Inside“ das Instrumental „Enigma Machine“, „The Looking Glass“ und das ruhigere „Along For The Ride“ gespielt. Der Abschluss gehörte aber dem epischen „Breaking All Illusions“ vom Vorgänger-Album „A Dramatic Turn Of Events“. Dieses sorgte besonders bei den Gitarren-Soli für Gänsehaut. Es wäre für jede andere Band der perfekte Schluss für ihr Konzert gewesen. Nicht aber für Dream Theater. Sänger James LaBrie kündigte dem erstaunten Publikum an, dass sie sich lediglich für eine 15-minütige Pause zurückziehen würden. Dazu wurde auf der Leinwand ein Countdown aufgeschaltet.

Wer jetzt aber zum Bierholen oder aufs WC ging, hatte verloren. Denn nach etwa der Hälfte der Pause schaltete der Countdown auf ein unterhaltsames Filmchen um. Hier tauchten die Dream Theater-Musiker mal als Superhelden auf, mal als selbstironische Selbst-Veräppelung oder auch mal bei Backstage-Aufnahmen. Dazu wurden immer wieder YouTube-Filmchen von Dream Theater Covers gezeigt.

Aber eigentlich war man ja für das Original da. Und dieses schickte sich an, für noch einmal eineinhalb Stunden aufzuspielen. Dazu erwähnte James LaBrie die beiden Geburtstagsalben. Wären Dream Theater dabei so verfahren wie beim Jubiläum von „Images And Words“, als sie das ganze Album gespielt hatten, würden wir der Band wohl heute noch gebannt lauschen. Ein Kompro-miss musste also her, und so gab es mit „The Mirror“, „Lie“, „Lifting Shadows Off A Dream“, „Scarred“ und „Space Dye Vest“ zuerst fünf Songs vom Awake-Album zu hören. Nur meine beiden CD-Highlights „Voices“ und „The Silent Man“ blieben aussen vor, was aber definitiv nur eine Klagen auf sehr hohem Niveau ist. Die Songreihenfolge folgte einer eigener Dramaturgie und machte durchaus Sinn. So war es auch toll, dass Dream Theater den Jubiläumsreigen mit dem 23-minütigen „Illumination Theory“ vom neuen Album unterbrachen. Für die Amerikaner dabei ungewöhnlich ist, dass sie das längere von einem Symphonie-Orchester aufgenommene, filmmusikartige Intro komplett ab Band brachten und dieses lediglich mit einer geschmackvollen Lichtshow bereicherten.

Wie angekündigt, fehlte danach aber noch ein Jubilar. Und auch hier bewies die Band ein Händchen für Originalität, in dem sie den Bandhit und berechtigen Setlisten-Dauergast „The Spirit Carries On“ nicht spielte. Dafür gab es mit „Overture 1928“, „Strange Déja Vu“, „The Dance Of Eternety“ und Finaly Free” gleich vier nicht mehr so oft gezockte Perlen von „Scenes Of A Memory“. Die Band war nach exakt zwei Stunden und 45 Minuten glücklich, aber am Ende. Und so spendete das dankbare, aber insgesamt etwas ruhige Publikum herzlichen und ernst gemeinten Applaus. A propos höflich: Wer die Band im Volkshaus mit der unglaublichen „Live At Luna Park“-DVD-Aufnahmen vergleicht, stellt fest, dass sich Dream Theater in Zürich insgesamt zurückhaltender verhielten. Das Dauergrinsen bei Trommler Mike Mangini fand man nur bei genauem Hinschauen. Ebenso musste man die Gesichter der Musiker schon sehr genau studieren, um die gehörte unglaubliche Spielfreude auch zu sehen. Diese Tatsache schmälerte das Erlebnis an „unserem“ Konzert aber nicht wesentlich und so werden die Volkshaus-Besucher bereits jetzt gespannt auf den nächsten Dream Theater-Termin warten – und dann mindestens je drei weitere Bekannte mit ans Konzert schleppen.

Setliste:
Act I: «The Enemy Inside» - «The Shattered Fortress» - «On The Backs Of Angels» - «The Looking Glass» - «Trial Of Tears» - «Enigma Machine» - «Along For The Ride» - «Breaking All Illusions».

Act II: «The Mirror» - «Lie» - «Lifting Shadows Off A Dream» - «Scarred» - «Space-Dye Vest» - «Illumination Theory».

Zugaben: «Overture 1928» - «Strange Déjà-Vu» - «The Dance Of Eternity» - «Finally Free».