Livereview: Europe - Black Star Riders

25. November 2017, Pratteln – Z7
By Tinu
Was für ein toller Konzertabend! Endlich wieder ein Line-Up, welches sich sehen lassen kann und neben einem tollen Headliner einen grandiosen Support präsentierte. Mit Europe standen Black Star Riders auf der Bühne, welche die Anwesenden mit einem tollen 70 Minuten-Gig sehr gut anheizen konnten. Auch wenn die Fans mehr oder weniger nur wegen den einstigen Platin-Rockern im Z7 standen, so konnten die Jungs der Black Star Riders mehr als nur einen Achtungserfolg verbuchen und liessen den Euphorie-Pegel in die Höhe schiessen.

Black Star Riders
Es war nicht nur der Verdienst von Scott Gorham (Gitarre), dass BSR an diesem Abend einen wirklich sensationellen Gig ablieferten. Nein, denn der ergraute Meister an den sechs Saiten hielt sich dezent zurück und überliess das Feld seinen jüngeren Mitmusikern. So konnte sich auf der linken Seite Bassist Robbie Crane (ehemals Ratt) nach Herzenslust austoben und schüttelte sein Haar im Rhythmus. Als gäbe es kein Morgen, trumpfte Gitarrist Damon Johnson (ehemals Alice Cooper) gross auf. Animierte die Fans, suchte immer den direkten Kontakt zu ihnen und grinste sich einen Wolf ins Gesicht. Damon war an diesem Abend klar die Antriebsfeder neben dem singenden Gitarristen Ricky Warwick (ehemals The Almighty). Ricky verkörperte den Rocker mit Staub unter den Fingernägeln, aber auch den feinfühligen Entertainer, der mit einer unglaublichen Hingabe die ruhigeren Parts sang. Die Triple-Gitarren-Power schoss Riffs und solistische Glanzleistungen am Laufband ins Publikum und wurde vom selbigen zurecht abgefeiert. Black Star Riders waren eine Macht auf der Bühne und sich dennoch bewusst, dass die Anwesenden zu 90% nur wegen dem Headliner den Weg ins Z7 fanden. Trotzdem ging ihr Rezept auf, um sich in die Herzen der Besucher zu spielen. Das war kein neues, sondern ein altbewährtes, sehr authentisch und begeisterte mit Hingabe.

Ricky liess nichts aus. Er ist ein Meister seines Faches, sang hervorragend, mit viel Kraft in den Stimmbändern und poste wie ein Gott. Auf der Bühne sah man gestandene Musiker, die sich in ihren vorherigen Bands die Sporen abverdienten und viel Lehrgeld zahlten. Die Herren brauchen nichts, was von den musikalischen Fähigkeiten ablenkt, sondern lieferten auf einer spartanisch eingerichteten Bühne eine Rock-Show ab, welche jeder Band, die nach ihnen auftritt, das Leben schwer macht. Schon mit dem Eröffnungstrio «All Hell Breaks Loose», «Finest Hour» und «Heavy Fire» zündete der Fünfer ein Feuer, welches durch niemanden zu löschen war. Dabei tropften die irischen Soundelemente, Thin Lizzy lassen grüssen, aus jeder Note und mit «Soldierstown» kochte das Publikum kurz vor dem Siedepunkt. Erstaunlicherweise wurde BSR sehr viel Licht gewährt, welches immer wieder das grosse Gewichtheber-Cover auf dem riesigen Backdrop beleuchtete. Mit «Dancing With The Wrong Girl» zogen die Riders einen weiteren Knaller aus dem Ärmel, um mit dem Thin Lizzy-Cover «Jailbreak» alle zu begeistern. Plötzlich schien auch für die Letzten klar zu sein, welcher Klassiker von Scott mitkomponiert wurde.

Damon, Robbie und Ricky hüpften auf der Bühne herum und hatten sichtlich Spass am Gig. Auch wenn Neu-Trommler Chad Szeliga (ehemals Black Label Society) optisch eher in eine Nu-Metal Truppe passt, so verrichtete er einen vorzüglichen Job hinter seinen Fellen und Becken. Es war ein geiler Gig einer tollen Truppe, die mit «Whisky In The Jar» den zu erwartenden Schlusspunkt setzte. Die Spielfreude kannte keine Grenzen, Ricky riss das Publikum mit, Damon und Scott sind das Evangelium der Rock-Gitarristen und nach diesem Auftritt fragte man sich zurecht, ob Europe hier noch einen draufsetzen können?!

Setliste: «All Hell Breaks Loose» - «Finest Hour» - «Heavy Fire» - «Testify Or Say Goodbye» - «Soldierstown» - «Before The War» - «Dancing With The Wrong Girl» - «When The Night Comes In» - «Jailbreak» - «Ticket To Rise» - «Cold War Love» - «The Killer Instinct» - «Kingdom Of The Lost» - «Bound For Glory» - «Whisky In The Jar».


Europe
Und ja, sie konnten es. Das lag an diesem Abend nicht nur an Frontmann Joey Tempest, sondern in erster Linie an Gitarrist John Norum, der völlig entfesselt aufspielte und den Anschein machte, dass er von einem anderen Stern stammte. Dass er trotzdem irdischer Natur ist, war dem Umstand zu verdanken, dass er beim Einstieg von «Prisoners In Paradise» ziemlich daneben griff. Ansonsten zauberte der Gitarrero Leads und Riffs aus seinen Saiten, die Ihresgleichen suchen. Alleine die Vorstellung bei «Love Is Not The Enemy» (endlich wieder in der Setliste!), dem Instrumental «Vasastan» (Gary Moore mit «The Loner» lässt grüssen) und meinem Favoriten «Wasted Time» war ein Ohren-schmaus der ganz besonderen Art. Klar war Mister Tempest der Chef im Ring. Einer, der weiss, wie man die letzten Reserven des Publikums aktiviert und mit seinem legendären weissen Mikrofonständer um sich wirbelt, dass er zu einer Gefahr für seine Mitmusiker wird. Von der ersten Sekunde an hatten die Schweden die Fans auf ihrer Seite, und der Applaus mit ohrenbetäubender Lautstärke manifestierte den Siegeszug von Europe. Nach den beiden neuen Tracks «Walk The Earth» und «The Siege» wurde gleich mit «Rock The Night» das Hitpotenzial aus den goldenen achtziger Jahren gezündet. Nach wie vor sind es bei der Masse die Lieder der Erfolgsalben «The Final Countdown» und «Out Of This World», welche den Fans die lautesten Reaktionen entlockten. Aber auch Material auf der Pre-Ära dieser beiden Scheiben oder das teils modernere und siebziger Jahre lastigere Neu-Material fand den Weg in die Herzen der Anwesenden. Alleine die Hymne «Last Look At Eden» besitzt ein Flair, dem sich niemand entziehen kann, auch wenn der- oder diejenige nur auf «Carrie» - «Cherokee» oder «The Final Countdown» wartete.

Auf «Carrie» mussten die Anwesenden allerdings vergebens warten. Auch «New Love In Town» wurde aus dem Set gestrichen. Dafür erklang nach Jahrzehnten wieder mal «Prisoners In Paradise», eine Ballade, die immer noch nichts von ihrem Reiz verloren hat, aber leider immer im Schatten von «Carrie» stand. Wie schnell die Herren den altbekannten musikalischen Weg verlassen können, bewiesen sie mit dem anschliessend gespielten «Firebox». Ein Stück, welches die neue Seite der einstigen Hair-Rocker zeigt, die aber nicht etwa schlechter ist. Genau die Mischung aus alten und neuen Liedern sowie Sounds macht Europe heute zu einer der interessantesten Truppen, die nicht nur alte, sondern auch viele neue und junge Fans zieht. Es war vor genau ziemlich einem Jahr, als die Nordländer den 30-jährigen Geburtstag ihres millionenfach verkauften «The Final Countdown»-Werkes feierten und dazu in Zürich aufspielten. Das muss wohl auch der Grund sein, dass «Danger On The Track» den Platz im Set beibehalten hat. Zusätzlich stiessen «Riches To Rags» und «Wasted Time» neu dazu. Songs, die man schon lange nicht mehr gehört hat. Mit «War Of Kings» wurde das grosse Finale eingeläutet. «Superstitious» mit einer kleinen Reggae-Einlage in Form von «No Woman No Cry» und das von Beginn weg geforderte «Cherokee» beendeten einen fulminanten Set, der immer wieder mit kleinen, teils schweizerdeutschen Ansagen von Joey garniert wurde. Am Schluss kam, was kommen musste, das wohl bekannteste Keyboard-Intro aller Zeiten. Mit «The Final Countdown» wurden die letzten Reserven mobilisiert. Die Fans schrien sich glückselig und letztmalig die Stimmbänder heiser, und die Band trumpfte gross auf. Neben Joey und John ist mit John Levén ein ruhiger und souveräner Bassist in der Truppe, der mit Trommler Ian Haugland einen unglaublichen Teppich vorlegte. Wie wichtig Keyboarder Mic Michaeli ist, wissen wir nicht erst seit «The Final Countdown». Mic zeigte einmal mehr, dass man mit gekonnt eingesetzten Keyboards ein unglaubliches Flair und Feeling erzeugen und somit einer Band ein Chamäleon-artiges Gesicht verleihen kann.

Europe kamem, sahen und siegten. Trotz Black Star Riders, die einen sensationellen Gig ablieferten, liessen sich die Schweden nicht an die Wand spielen. Wo andere Bands kapituliert hätten, trumpften Europe gross auf und hinterliessen ein völlig zufriedenes Publikum. Bitte mehr davon!

Setliste: «Walk The Earth» - «The Siege» - «Rock The Night» - «Love Is Not The Enemy» - «Last Look At Eden» - «Prisoners In Paradise» - «Firebox» - «Keyboard solo Mic Michaeli» - «Sign Of The Times» - «Vasastan» - «Girl From Lebanon» - «Election Day» - «Turn To Dust» - «Danger On The Track» - «Drum Solo Ian Haugland» - «Riches To Rags» - «Wasted Time» - «War Of Kings», «Superstitious/No Woman No Cry/Superstitious» - «Cherokee» - «The Final Countdown».