Livereview: Europe - King King

01. Oktober 2018, Zürich – Komplex 457
By Tinu
Europe beehrten die Schweiz nochmals auf ihrer «Walk The Earth»-Tour und gastierten in Zürich. Da, wo die Schweden vor mehr als 31 Jahren (31. Januar 1987) das Hallenstadion noch locker füllten und sich vor dem ersten Klang einem Bombardement von Plüschtieren und Rosen ausgesetzt sahen. Was folgte, war eine "Reinigung" der Stage, bevor Sänger Joey Tempest, damals noch mit einer flotten Dauerwelle gesegnet, und seine Jungs allen zeigten, dass sie zu den besten Live-Bands der Welt gehören. Noch heute ist die Stage die Wohlfühl-Oase und Europe beweisen noch immer, dass sie bedeutend härter erklingen können, als mit dem Millionen-Hit «The Final Countdown».

Die Engländer von King King spielten im Vorprogramm. Sorry, aber von ihnen hörte ich nur gerade den ersten Song, und dann verschwand ich zur Audienz bei Joey. Augen- und Ohrenzeugen sprachen nach dem Königs-Gig von einer Truppe, die zwar ganz okay war, aber kaum was bewegen konnte.

Europe zeigen mittlerweile zwei Gesichter. Das eine ist das, welches sich die meisten Besucher an diesem Montagabend wünschten. Jenes mit den Hits von «The Final Countdown» und «Out Of This World» und das andere mit der bedeutend erdigeren und rockigeren Ausrichtung der letzten Studioscheiben. Auf der einen Seite standen die Ladys mit ihren mittlerweile erwachsenen Töchtern, die sich an den Hits erfreuten und auf der anderen Seite die Europe-Fans, die Songs der Sorte «Rock The Night» ebenso abfeierten wie «Pictures» oder «War Of Kings». Das Quintett ist eine reinrassige Rock-Truppe, auch wenn der Keyboard-Teppich noch immer an ihren Schuhen klebt. Aber wenn man genau hinhört, weiss man auch, dass alleine das Gitarrensolo bei «The Final Countdown» eine wahre Offenbarung ist. Verantwortlich dafür, der sehr introvertiert wirkende John Norum, der sich meist nicht viel bewegt, dafür Klänge aus seinem Instrument zauberte, die allen ein breites und anerkennendes Lächeln ins Gesicht zauberten. Es ist und bleibt traumhaft, wenn das Instrumental «Vasastan» erklingt, oder sich John bei «The Siege», «Last Look At Eden», «Firebox» oder «Scream Of Anger» austobt. Immer wieder ein Highlight ist das schnelle «Hole In My Pocket».

Namensvetter John Levén verrichtete an den vier dicken Saiten einen souveränen Job. Aber auch der Bassist steht eher im Hintergrund und überlässt das Feld dem Alleinherrscher auf der Bühne. Der Mann mit dem sagenumwobenen weissen Mikrofon-Ständer – Joey Tempest. Der Shouter ist einer der grössten Entertainer im Musikbusiness. Wenn der 55-jährige über die Bühne wirbelt, benötigt er Platz. Mit breitem Grinsen und akzentfreiem Schwyzerdütsch begeisterte er das Zürcher Publikum. Er animierte ohne Pausen, warf sein Mikrofon in die Höhe, um es sicher wieder zu fangen und beschenkte einen jungen Fan in der ersten Reihe mit einem Plektrum. Stimmlich ist der Schwede eine Bank, trifft jeden Ton und weiss genau, wann der Zeitpunkt reif ist für das Mitsingspiel. Auch wenn das Publikum in Pratteln vor knapp elf Monaten um einiges euphorischer reagierte, es schien den Sänger nicht zu beeindrucken. Joey trieb unentwegt an und bedankte sich immer wieder beim Publikum für die Unterstützung in den letzten, fast vierzig Jahren. "Hallo Züri! Ah das isch dr Wahnsinn!", grinste der Nordländer und hatte sichtlich Freude am Gig. Die Jungs gehen unbeirrt ihren Weg und sind sich dessen bewusst, dass sie eigentlich Songs aus "nur" drei Alben spielen müssten, um den Mob zum kollektiven Ausrasten zu bringen. Aber! Die Herren stehen zu dem, was sie komponierten. Die letzten Alben «Bag Of Bones», «War Of Kings» und «Walk The Earth» sind der Weg, welchen Europe gehen wollen und weiterhin gehen werden, und davon lassen sie sich keinen Millimeter abbringen.

Mit Ian Haugland am Schlagzeug, der sich vom Publikum nach seinem solistischen Ausflug feiern liess (sorry, lieber einen Song mehr spielen, dafür das Drumsolo weglassen!) und Keyboarder Mic Michaeli wird eine Truppe komplettiert, die sich seit der Reunion (2003) wieder zu einer Einheit zusammengefunden hat. Hier steht eine Band auf der Bühne, welche diesen Namen noch zu recht tragen darf. Egos sind hier völlig fehl am Platz. Man überlässt Joey den Raum, den er benötigt, um zu wissen, dass die Truppe ohne die eigene Leistung auseinander fallen würde. Spielt man Lieder wie «Scream Of Anger», «GTO» oder «Superstitious», verbindet man die alten mit den neueren Europe, ohne dass dem Publikum auffällt, dass die Jungs damals schon mit «Superstitious» zeigten, welche Rockwurzeln unter ihren Fingernägeln klebten. Die Schweden boten erneut eine absolut geile Vorstellung, auch wenn die Anwesenden bei den neueren Tracks verhaltener reagierten. Der einzige Wermutstropfen im Komplex war einmal mehr der "bescheidene" Sound. Ansonsten war es ein Konzert, das ich mit vielen positiven Erinnerungen verliess!

Setliste: «Walk The Earth», «The Siege», «Rock The Night», «Hole In My Pocket», «Prelude (Intro)», «Last Look At Eden», «Pictures», «Firebox», «Ready Or Not», «Turn To Dust», «Sign Of The Times», «Vasastan», «GTO», «Carrie», «Nothin’ To Ya», «Drum Solo Ian Haugland», «Scream Of Anger», «War Of Kings», «Superstitious» - «Cherokee», «The Final Countdown»