Livereview: Flying Colors - Beardfish

14. September 2012, Pratteln - Z7
By Rockslave
Wie wenn der konzertmässige Overkill in den letzten Jahren nicht sonst schon böse Überhand genommen hätte, sind in der letzten Zeit neue Formationen entstanden, wovon die einzelnen Musiker meist allesamt Hochkaräter sind. Transatlantic, Adrenaline Mob, Chickenfoot, Black Country Communion oder jetzt eben Flying Colors glänzen vorab mit grossen Namen, die aber neben ihren Stammbands scheinbar locker zu weiteren musikalischen Höhenflügen fähig sind. Was Flying Colors angeht, so sieht die Kurzform so aus: Morse, McPherson, Morse, LaRue sowie Portnoy und die einzelnen Bands in der richtigen Reihenfolge so: Deep Purple/Dixie Dregs, Alpha Rev, Spock's Beard, Dixie Dregs sowie (Ex-) Dream Theater. Resultat dieser Zusammenkunft, respektive -arbeit ist das selbstbetitelte Debüt-Album, das im Mix mindestens etwas von der jeweiligen Herkunft der einzelnen Bandmitglieder ausstrahlt und sonst als gehobene Rockmusik bezeichnet werden kann. Deutlich schräger kamen dafür Beardfish aus Schweden rüber, die als Support auf diese Tour gebucht wurden und unterschiedliche Reaktionen auslösten.

Beardfish

Obwohl mir die Stilecke Retro-Prog nicht gänzlich unbekannt ist, hatte ich bisher noch nie was von den Schweden gehört oder wahr genommen. Immerhin schon seit 2001 aktiv und mit mit sieben Alben (!) am Start. Heuer kam ja «The Void» heraus, die mir jetzt in der aktuellen Ausgabe einer führenden deutschen Metal-Publikation nur deshalb auffiel, weil ich zu diesem Konzert ging. Zentrale Figur der Band ist Rikard Sjöblom, der nebst dem Leadgesang auch das Keyboard bediente und zweitweise auf die zweite Gitarre wechselte. Ebenfalls auffällig benahm sich Bassist Robert Hansen, der kurioserweise nur Socken tragend auf die Bühne kam. Das erlaubte ihm zwischendurch Bewegungen auszuführen, die etwas von Michael Jackson's (R.I.P.) berühmtem Moondance hatten. Zumindest sah das Ganze etwas schräg aus und genau so kam auch die Musik von Beardfish daher. Zu Beginn eher ruhig gehalten und von fluffigproggigen Orgelklängen dominiert, nahm die Intensität laufend zu, was sich im erstaunlich variantenreichen Gesang von Rikard ausdrückte, der zwischendurch, auch optisch, an den Schauspieler/Musiker Jack Black erinnerte. Als dann gar einmal Growls ausgepackt wurden, riss der ohnehin schon dünne rote Faden vollends. Dazu geisterte mir halbwegs ein anderer Name als Vergleich durch den Kopf, den ich auf Nachfrage bei einem Kollegen/Musiker bestätigt sah: Frank Zappa (R.I.P.)! Dieser tauchte bei der Recherche über Beardfish dann tatsächlich als einer der massgebenden Einflüsse (neben Gentle Giant) auf. Wer sich mit Zappa auskennt und diesen mag, kam heute Abend im überraschend gut gefüllten Z7 (600 Leute im Vorverkauf) sicherlich auf seine Kosten. Mir persönlich gefiel es zu Beginn ganz gut und danach, als die Stile und Songs in Überlänge ausuferten, blieb mehr oder weniger bloss das zweifellos hochstehende Können der Musiker an ihren Instrumenten übrig. Das sah das Publikum mehrheitlich ebenso, das zwischendrin zwar kaum bis gar nicht aus der Reserve zu locken war, am Schluss der Lieder jeweils aber kräftig applaudierte. Das Gezeigte hinterliess bei mir allerdings keine Lust auf einen Tonträger, was für sich selber spricht.


Flying Colors
An sich hatte ich mir ernsthaft vorgenommen, mir die neue selbstbetitelte CD vor dem Konzert ein paar Mal rein zu pfeifen, aber bei all der Menge an Scheiben, die es sonst noch anzuhören gibt, kein leichtes Unterfangen. So kam ich also völlig unbelastet ins Z7 und kannte demnach praktisch keinen Ton, geschweige denn einen Song des Headliners. Das hat bekanntlich Vor- und Nachteile. Interessant war zudem zu sehen und zu hören, wie man die Setliste bei nur einem Album gestaltete. Zudem stand die berechtigte Frage im Raum, ob sich durch die Anwesenheit von Steve Morse ein gewisser und im Kanton Aargau (!) wohnhafter Roger Glover verpflichtet fühlen würde, abermals, wie zuletzt bei der Purple-Coverband Purpendicular (wo Ian Paice ja hinter den Kesseln sass), wiederum als Gast aufzutauchen. Und ja..., natürlich kam Roger auch dieses Mal und mischte sich ungezwungen unter die Leute, ohne aber aufzutreten, leider. Der stets freundliche Bassist liess sich dann geduldig ablichten, als er entsprechend erkannt wurde. Derweil musizierte sein Bandkollege auf der Bühne und das ganz ordentlich. Zu Beginn wirkte das Ganze jedoch noch etwas zu behäbig, nahm dann aber bald einmal die nötige Fahrt auf. Was sich jedoch bald als Highlight heraus kristallisierte, waren die optimal harmonierenden Mehrfach-Stimmen im Sinne der Backing Vocals. Wenn man nun nur ein einzelnes Album am Start hat, drängen sich nebst den eigenen Songs unweigerlich auch ein paar Cover-Versionen auf. Nicht unerwartet so geschehen, fanden unter anderem Dixie Dregs («Odyssey»), Dream Theater («Repentance») und Spock's Beard («June») Einzug in die Setliste. In der Nachlese kam jetzt zudem aus, dass das neue Werk komplett gespielt wurde, wenn auch in anderer Reihenfolge. Ganz zu Beginn gab es noch ein kleines vermeintliches Verstärkerproblem zu lösen, denn der Opener «Blue Ocean» wurde jäh unterbrochen und zweimal angespielt. Des Rätsels Lösung ist indes einfach, denn das Album fängt in der gleichen Art und Weise an! Obwohl die Chose noch recht fluffig daher kam, dauerte es eigentlich bis zu «Forever In A Daze», ehe das Konzert so richtig Fahrt aufnahm.

Das galt auch für Steve Morse, der sich gefühlsmässig etwas Zeit zum Warmspielen ausbedingte und danach in altbekannter Manier los legte. Aus der Nähe betrachtet konnte der Purple-Axeman sein Alter (58) allerdings nicht ganz verbergen und man mag es wirklich kaum glauben, dass der gute Steve seinen Vorgänger, den "Man in Black", mittlerweile vor 17 Jahren (!) ersetzt hat. Der auffälligste Musiker am heutigen Abend war aber nicht etwa Mike Portnoy, obwohl sich dieser einige Male mit Ansagen direkt ans Publikum wendete, sondern Bassist Dave LaRue, der neben seinem ohnehin erfreulich gut hörbaren Instrument durch filigranes (Finger-) Spiel auffiel. Zu seinen an sich viel zu kurzen Solo-Parts hätte sich Rhythmus-Monster Portnoy ruhig mal einklinken können. Das hätte bestimmt gegroovt wie Anton, doch auch so blieben einem die offensichtlichen Fähigkeiten des ehemaligen Dixie Dregs Bassisten nicht verborgen. Dennoch gab es meiner Meinung nach Licht und Schatten während diesem Konzert, dem notabene ersten Auftritt dieser Formation auf Schweizer Boden. Immer besser gefiel mir zunächst mal Sänger Casey McPherson und auch Kult-Keyboarder Neil Morse lieferte bei "seinem Spock's Beard" Song «June» amtlich ab. Wer allerdings für meinen persönlichen Geschmack das livehaftige Singen, wie bei «Fool In My Heart» und «Repentance» eher sein lassen sollte, ist Drum-Master Portnoy. Schlagzeug spielen kann er definitiv besser und sollte es eher dabei bewenden lassen. Die letzten drei Songs des Abends, inklusive dem 12 Minuten-Epos «Infinite Fire» als einzige Zugabe liessen das Z7 dann nochmals mehrheitlich erzittern. Bevor Flying Colors die Bühne das erste Mal verliessen, zeigte das ruhige «Everything Changes» ein letztes Mal auf, welche Bandbreite diese neue Supergroup abdeckt. Unter dem Strich konnte man nach gut 100 Minuten Spielzeit ein grundsätzlich positives Fazit ziehen. Was aber fehlte, war ein wahrnehmbarer Druck der ganzen Band mit unwiderstehlichem Zug nach vorne. Trotz gutem Songmaterial klang es zwischendurch mindestens etwas selbstverliebt. Die Gesamtbilanz bewegte sich aber klar im grünen Bereich und mal schauen, wie die Geschichte weiter gehen wird.

Setliste: «Intro» - «Blue Ocean» - «Shoulda Coulda Woulda» - «Love Is What I'm Waiting For» - «Can't Find A Way» - «The Storm» - «Odyssey» - «Forever In A Daze» - «Hallelujah» - «Better Than Walking Away» - «Kayla» - «Fool In My Heart» - «Repentance» - «June» - «All Falls Down» - «Everything Changes» -- «Infinite Fire» - «Outro».