Livereview: Great White - Shotgun Express - Pleasure Addiction

13. Oktober 2012, Pratteln - Z7
By Tinu
Great White gastierten wieder mal im Z7. Mit ziemlich gemischten Gefühlen wanderte ich nach Pratteln. Nicht weil Neusänger Terry Ilous eine schlechte Wahl ist, nein, denn mit seiner Stammcombo XYZ hat er meine Jugendjahre versüsst, sondern weil ich mir Great White ohne Jack Russell nicht vorstellen konnte.

<< Pleasure Addiction

Bevor ich mir jedoch den weissen Hai genauer ansah, betraten die schrillen Pleasure Addiction die Bühne. Ein Quartett, das sein Leben dem Poser-Rock verschrieben hat. Die Jungs machten ihre Sache sehr gut, versuchten das Publikum zum Mitklatschen und Mitsingen zu animieren und trafen mit ihrem Sound in das Herz der Anwesenden. Auch wenn der Sänger ab und an den falschen Song ansagte und der Gitarrist das Solo bei der XYZ-Coverversion «Face Down In The Gutter» total versemmelte, die Jungs machten Spass. So nahm man dem Guitarplayer auch seine «spezielle» Art auf die Saiten einzudreschen nicht krumm… Ein Hingucker war auch der Trommler, der sich mit einer Krawatte auf die Bühne traute, aber eben, im Poser-Rock ist nun mal alles erlaubt. Gute Vorstellungen einer mit Spass in den Backen agierenden Truppe.

Shotgun Express
Das Bild änderte sich mit den Stuttgarter von Shotgun Express. Auch wenn der Zuspruch der Fans bedeutend grösser war, konnte einem die Bühnen-Präsentation von Sänger Diamond Flow zu viel werden. Seine Verneigung vor Axl W. Rose in Ehren, aber muss dabei gleich die komplette Show kopiert sein? Der rotzige Sleaze-Rock mit einer netten Blues-Schlagseite dieser Vortruppe passte dennoch bestens zum Headliner. Wenn Diamond Flow seinen Bassisten auf die Schulter nahm, ihn spazieren trug, und Gitarrist Johnny Cobra, der mit seinem Posing auf sich aufmerksam machte, zu seinem Solo ansetzte, gab es zumindest in den vordersten Reihen kein Halten mehr. Für mich wirkte das Ganze mit der Zeit zu monoton. Auch wenn Shotgun Express sicher bei Guns n' Roses-Freunden offene Türen einrissen, gefiel mir persönlich der Sound von Pleasure Addiction besser.


Great White
Nachdem Great White dieses Jahr schon mal in der Schweiz gastierten, war ich gespannt, wie sich die Jungs um Gitarrist Mark Kendall im Z7 präsentieren würden. Im Vergleich zu früher spielten die Musiker mehr kleine, aber feine Einspielungen vor einigen Songs und leiteten so von einem Track zum anderen über. Dabei war für mich Keyboarder/Gitarrist/Mundharmonika-Spieler Michael Lardie erneut die zentrale Person. Wie in den frühen Jahren, stand der kleine Mann auf der Bühne mit einem breiten und ansteckenden Lächeln und schien der musikalische Direktor der Band zu sein. Gitarrist und Solist Mark Kendall trat mehr als auch schon in den Vordergrund und brillierte mit seinem feinen und filigranen Spiel. Über das Trommeltier Audie Desbrow, der einmal mehr mit einem unglaublichen Punch seine Vorderleute antrieb, braucht man keine Worte zu verlieren und Neubassist Scott Snyder fügte sich bestens ins Bandgefüge ein, spielte songdienlich und sicher.

Tja, was aber bot Terry Ilous, beziehungs-weise seine eher höhere Stimmlage im Vergleich zum bluesigen Organ von Jack Russell? Bei den ersten Songs musste ich mich noch an die neue Stimme gewöhnen, aber was Mister Ilous bei «Save Your Love» bot, war Gänsehaut pur. Mit welcher Hingabe und mit welchem Gefühl der Shouter diese Ballade sang, war einzigartig. Und zumindest ab diesem Zeitpunkt war für mich das Eis gebrochen. Seine natürliche, schelmenhafte und packende Art das Publikum mitzureissen, bleibt eh einzigartig und mit seinen grellen Pfiffen, die an Saxons Biff erinnerten, weckte der Gestiker mit «Desert Moon» das Z7. «Down On Your Knees» widmete der wie ein spanisch/italienischer Sänger Aussehende allen anwesenden Frauen. Dies, mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Als Terry dann noch mit einem Schweizer Fussballshirt die Bühne betrat, übrigens mit der Rückennummer 69 (!!!), gab es eh kein Halten mehr in der Halle.

Mister Ilous wusste, wie man das Publikum begeistern konnte. Mit «You told me, you love the blues» oder «You're a great crowd, you know that?» fesselte er die helvetischen Fans und servierte ihnen, was sie wollten. Die Dankbarkeit schien kein Lippenbekenntnis zu sein, sondern von Herzen kommend. So filmte der Beau bei «Mista Bone» mit einem Handy eines Fans die Anwesenden im Z7 und versicherte ihnen, dass dies schon bald auf YouTube zu sehen sein würde. «Hey, this is a rock'n roll show!» Auch wenn die Setliste «nur» 13 Songs beinhaltete, spielte das Quintett knapp 100 Minuten. Die Zeit verging wie im Fluge und als nach dem letzten Song («Rock Me») des offiziellen Sets die Band kurz die Bühne verliess, sah man nur in glückliche und grinsende Gesichter.

«This is time for one more song» verkündete Terry. «Come on, your part is; Oh REALLY? – Let's try it again! This is time for one more song! – Oh really (Fans) – No!!! For two!» Mit «Can't Shake It» und «Once Bitten Twice Shy» wurde die Show beendet und 15 Minuten danach stand die komplette Band am Merchandise-Stand und signierte alles, was ihnen unter die Nase gehalten wurde, um dann noch ein abschliessendes Foto zu machen. Bei dieser Aktion wurde auch klar, wer die treibende Kraft in dieser Band für solche Aktionen ist: Mister Terry Ilous.

Es war ein äusserst unterhaltsamer Abend, bei dem Great White noch stundenlang hätten spielen können. So darf man hoffen, dass die Amis bald wieder in der Schweiz gastieren. Tragisch nur, das fast am gleichen Abend Sänger Jack Russell ins Krankenhaus eingeliefert werden musste, und die während der laufenden Amerika-Tour mit seinen Jack Russell's Great White. Der Sänger musste mit einer Darminfektion hospitalisiert werden.…

Setliste: «Desert Moon» - «Lady Red Light» - «Down On Your Knees» - «(I've Got) Something For You» - «House Of Broken Love» - «Save Your Love» - «Low Down» - «Blues» - «Mista Bone» - «Big Goodbye» - «Rock Me» -- «Can't Shake It» - «Once Bitten Twice Shy».