Obwohl sich mein musikalischer
Geschmack in den letzten zwanzig Jahren stets in eine tolerantere
Richtung entwickelt hat, kann man nicht davon sprechen, dass ich nun so
zu sagen posthum doch noch zu einem Helloween-Fan geworden bin. Dennoch
gefielen mir die letzten Studio-Werke deutlich besser, was ja in meinem
Fall einen Quantensprung bedeutet. Dieser fand mit Grave Digger schon
vor einer ganzen Weile statt und wird künftig aber weder mit Blind
Guardian noch mit Running Wild in Sachen Teutonen-Metal eine weitere
Fortsetzung finden. Die letzte Bemerkung traf leider auch für die
brasilianische Vorband Shadowside zu, die unter dem Strich keinen
wirklich guten Eindruck hinterliess. Ganz anders erging es
erwartungsgemäss Gamma Ray, die immer noch locker fähig sind, ein
Mörderbrett aufzufahren. Im Mittelpunkt stand natürlich primär Boss Kai
Hansen, der gesangstechnisch einen erfreulich guten Abend einzog.
Darüber hinaus war man auf der „Hellish Rock Part II“ Tour als “Very
Special Guest” klassifiziert, was einen stündigen Set ermöglichte. Kein
Wunder, konnten Helloween danach locker aus dem Vollen schöpfen und
lieferten ihrem Publikum eine satte Headliner-Show ab, die sich
gewaschen hatte. (rsl)
Shadowside
Was bei der ersten Band des Abends hingegen gleich mal negativ auffiel,
da (für eine Support-Band) wirklich beinahe erdrückend, war zunächst
das riesige Backdrop mit dem Schriftzug. Das schürte natürlich gewisse
Erwartungen, die mit Dani Nolden als überaus ansehnliche Frontfrau, das
sei vorweg genommen, trotzdem nicht erfüllt werden konnten. Musikalisch wusste
ich zwar eigentlich schon, was weitgehend auf mich zukam, denn auf
meinem iTunes tummeln sich immerhin deren erste zwei Alben «Theatre Of
Shadows» (2005, 2007 re-released) und «Dare To Dream» (2009, 2010
re-released). Das bisher neueste Werk trägt den Titel «Inner Monster
Out», hat schon fast zwei Jahre auf dem Buckel und ist mir bislang
nicht wirklich zu Ohren gekommen. Nichtsdestotrotz stürmte der
Südamerika-Vierer zunächst behende die Bühne des Z7, um wie die
Feuerwehr los zu legen. Spätestens ab dem dritten Song nahm die
Gleichförmigkeit der Songs jedoch sprunghaft zu und die Qualität des
Gesangs insgesamt laufend ab, respektive verharrte auf gleichem Niveau.
Obwohl die Ausstrahlung der Brasilianer grundsätzlich positiv war, kam
eigentlich, bis auf etwas Höflichkeitsapplaus rein gar nichts beim
Publikum davon an. Das sprach letztlich Bände und auch wenn Shadowside
noch drei Stunden gespielt hätten, wäre nach dem letzten Ton kaum bis
gar nichts hängen geblieben. Handwerklich wars absolut in Ordnung, der
Sound jedoch viel zu breiig und die gute Dani klang in den oberen
Regionen ziemlich angestrengt bis mitunter leicht überfordert. Mir
kamen dazu Kobra & The Lotus in den Sinn, die im vergangenen Herbst
in Zürich (Support von Steel Panther) weitgehend mit den gleichen
Problemen zu kämpfen hatten. So blieb unter dem Strich nicht viel
Erwähnenswertes übrig, obwohl die Chose ab Tonträger besser
abschneidet! (rsl)
Gamma Ray
Ich weiss, dass ich in gewissen Dingen ein
Ewiggestriger und sturer wie festgefahrener Metalhead bin, aber mit
Gamma Ray verbinde ich vor allem die guten alten Zeiten, wo noch ein
gewisser Ralf Scheepers (Primal Fear) in Diensten von Chef Kai Hansen
stand. Das entsprechende Debüt-Album hiess «Heading For Tomorrow», kam
ganz zum Ende der 80er heraus und lief bei mir in Dauerrotation. Fast
zehn Jahre
später erschien mit «Powerplant» nochmals ein währschaftes Brett, das
ebenso geschätzt wurde und mir mitunter wenigstens etwas die
melodisch-speedige Ecke schmackhafter machte. Trotz dem meist flotten
Gebolze gibt es in der Musik von Gamma Ray auch immer wieder
tonnenschwere Breaks und die stilistische Nähe zu Judas Priest in den
90ern. Irgendwann verlor ich aber das Interesse, da es auch immer
wieder mal Lineup-Wechsel gab. Bis 2001 eschienen die neuen Alben
jeweils immer nach zwei Jahren, bis es dann bis 2005 dauern sollte, als
«Majestic» den Faden wieder aufnahm. Wirklich Neues war es ja nicht,
aber stets eigen und geprägt von Kais Gesang und Spiel. Was den Gesang
angeht, der ja stets mit ordentlich Schmackes daher kommt, lässt einem
bei jedem Konzert fragen, ob Herr Hansen jeweils erkältet oder, wie
heute Abend, ziemlich fit ist! So war es denn nach dem langweiligen
Support höchste Eisenbahn, dass Qualität Einzug hielt. Die aktuelle
Tour stand quasi unter dem Patronat der neuen Live-Rille
«Live-Skeletons & Majesties» und der brandneuen EP «Master Of
Confusion». Den Auftakt machte zu meiner Freude das etwas angejahrte
«Anywhere In The Galaxy», das aber gleich voll rein knallte. Auch das
nachfolgende «Men, Martians And Machines» machte keine Gefangenen und
zeigte die Hamburger gleich im besten Licht. Während sich Schlagzeuger
Michael Ehré ja erst seit letztem Jahr die Ehre gibt, sind die
restlichen drei Musiker schon über fünfzehn Jahre zusammen. Das merkte
man der tighten
Performance von Beginn weg an und das übertrug sich sogleich in die
bestens gelaunte Meute vor den Bühne, die ordentlich abging. «The
Spirit» verlangte Kai dann alles ab und das ja gleich zu Beginn. Neuere
Songs wie «Empathy» und «To The Metal», als Accept lastiger Titeltrack
des bislang letzten Studio-Albums von 2010, liessen die Matten der
Headbangers nochmals heftig kreisen. Gerade zuvor wurde die alte
Helloween-Schote «Future World» regelrecht abgefeiert. Leider verging
die Zeit, immerhin eine ganze Stunde, dennoch viel zu schnell. Gerne
würde ich Gamma Ray deshalb wieder einmal über die volle Distanz sehen.
(rsl)
Setliste: «Anywhere In The Galaxy» - «Men, Martians And Machines» -
«The Spirit» - «Gamma Ray (Birth Control cover) » - «Master Of
Confusion» - «Empire Of The Undead» - «Empathy» - «Rise» - «Future
World (Helloween Cover)» - «To The Metal» -- «Send Me A Sign».
Helloween
Die Kürbisse stiegen mächtig mutig in den Set ein. Beinhalteten doch
die ersten zehn Songs nicht weniger als gleich sechs neue Tracks (von
«Straight Out Of Hell»), zwei vom Vorgänger-Werk «7 Sinners» und nur
zwei Klassiker. Das zeugt davon, dass das Quintett sehr auf ihr neues
Material vertraut. Anhand der Zuschauerreaktionen war dieser Schritt
der richtige. Ernteten die Jungs um Sänger Andi Deris doch durchwegs
viel Applaus. Der Shouter bewies einmal mehr seine
Entertainerqualitäten, mit denen er das Publikum sofort in seinen Bann
zog. So ganz nebenbei bemerkt, habe ich Andi noch nie dermassen gut
singen gehört. Das sass jede Note und war es in noch so
schwindel-erregenden Höhen. Seine Spässe, die der Blonde mit Bassist
Markus Grosskopf trieb, gehören mittlerweile ebenso zum guten Ruf eines
Helloween-Konzertes, wie auch seine Ansagen, mit denen er immer wieder
den Lacher auf seiner Seite hatte. Die Gitarrenfront könnte optischer
kaum unterschiedlicher sein. Auf der linken Seite der nicht mehr so
Neue (seit über zehn Jahren in Lohn und Brot bei Helloween) Sascha
Gerstner, der vom Outfit her auch gut zu einer Sleazerock-Truppe wie
Hardcore Superstar passen würde. Auf der rechten Seite, der seit einem
gefühlten Jahrhundert mit der gleichen Frisur auf der Bühne
stehende Michael «Weiki» Weikath, mit Jacket, der Kippe im Mundwinkel
und komischen Grimassen im Gesicht. Die Arbeit an den sechs Saiten ist
aber nach wie vor hervorragend und speziell wenn sich die beiden
duellieren («I’m Alive»), machte es verdammt Spass, da zuzusehen.
Markus an den dicken vier Saiten bleibt der Dauergrinser der Truppe.
Mit einer unglaublichen Spiel- und Posefreude verlieht er der
Vorreitertruppe des melodischen Speed-Metals einen zusätzlichen Glanz,
der von der souveränen und arschtretenden Schlag-zeugarbeit von Dani
perfekt ergänzt wurde. Allerdings hat sein Solo mittlerweile an
Spannung verloren. Die Geschichte damals mit dem Kinderschlagzeug von
Markus, der sich ein kleines Battle mit Dani lieferte, gehört noch
heute zu den lustigsten Momenten einer Helloween-Show. Mister Loeble
ist sicherlich kein schlechter Trommler, aber seine solistische
Darbietung hätte auch kürzer ausfallen können. Somit sind wir aber beim
einzigen Kritikpunkt der aktuellen Helloween-Tour! Der Mitsingpart bei
«Live Now!» bei dem in bester 80er-Jahre Tradition das Publikum
in zwei Hälften geteilt und getestet wurde, welche Seite wohl lauter
singen kann, hat nichts von seiner packenden Art verloren! Ebenso wie
die ollen Hits der Sorte «Eagle Fly Free», «Hell Was Made In Heaven»,
«Power», «Dr. Stein», «I’m Alive», «I Want Out», bei der ¾ von Gamma
Ray auf der Bühne standen und die Uraltkamellen in Form eines Medleys
«Halloween», «How Many Tears» und «Heavy Metal (Is The Law)», das von
Kai Hansen gesungen wurde. – Tja, damals war Mister Hansen noch Sänger
und Gitarrist von Helloween! – Die «Hellish Rock»-Tour Part II hatte
somit ihren Höhepunkt erreicht, der von den tollen neuen Tracks
«Nabataea», «Waiting For The Thunder», «Live Now!», dem neuen
Titeltrack und «Where The Sinners Go» bestens eingeleitet wurde. In
dieser Form sind Helloween kaum zu schlagen und es sollte nun endlich
auch den ewig Engstirnigen und Kiske-Fanatikern klar werden, dass die
Kürbisse ihren Weg konsequent und äusserst erfolgreich gehen. Nicht nur
in den Charts, sondern auch auf der Bühne und da war das Quintett schon
immer am stärksten! (tin)
Setliste: «Wanna Be God» - «Nabataea» - «Eagle Fly Free» - «Straight
Out Of Hell» - «Where The Sinners Go» - «Waiting For The Thunder» -
«Steel Tormentor» - «Drum Solo Dani Loeble» - «I’m Alive» - «Live Now!
» - «Hold Me In Your Arms» - «Falling Higher» - «Hell Was Made In
Heaven» - «Power» -- «Are You Metal?» - «Dr. Stein» --- «Halloween/How
Many Tears/Heavy Metal Is The Law (with Kai Hansen) » - «I Want Out
(with Gamma Ray)».
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