Livereview: Iced Earth - Freedom Call - Metaprism

21. Januar 2018, Pratteln – Z7
By Tinu
Haben wir Iced Earth wirklich schon mal richtig schlecht gesehen? Ich zumindest könnte mich nicht daran erinnern! Man kann durchaus darüber philosophieren, wer denn nun der beste Sänger ist. Matt Barlow, Tim Owens oder Stu Block. Diese nachtfüllenden Diskussionen sind so alt, wie die Frage nach dem Ei oder dem Huhn. Dass Stu eine sensationelle, sehr natürliche und sympathische Performance abliefert und dabei mit einer Mörderstimme gesegnet ist, sollte eigentlich alle Fragzeichen eliminieren. Somit war auch an diesem Sonntagabend klar, dass die Amis um Bandleader Jon Schaffer einen souveränen Gig abliefern werden. Bevor uns aber Iced Earth auf gewohnt harte Art den Allerwertesten versohlten, standen Metaprism auf der Bühne.

Metaprism
Die Engländer wurden 2012 gegründet und haben mit Theresa Smith eine sehr starke Sängerin in den eigenen Reihen, die sich immer wieder mit den bösartigen Growls von Joey Draper duellieren musste. – Man fühlte sich dabei leicht an Amaranthe erinnert – Eine Mischung, die auf den ersten Ton hin ziemlich speziell klingt, sich während des Konzertes aber zu einer wahren Wunderwaffe entwickelte. Theresa machte glücklicherweise auch nicht den Fehler, mit ihren Reizen vom Wesentlichen abzulenken, sondern bot eine sehr natürliche, äussert nette und dankbare Performance. Wer eine solche Stimme hat, muss auch gar nicht davon ablenken! Musikalisch schippern Metaprism in vielen Gewässern. War die Truppe zuerst eher auf der Crossover/Core-Schiene, veränderte sich der Sound zunehmend in eine leicht symphonische und metallene Richtung. Somit bot die Band für jeden etwas, aber eben auch einiges, das vielleicht nicht jedem mundete. Metaprism sind ein musikalischer Farbklecks, den man lieben oder auf die Seite legen mag. ABER! Vielleicht muss man der Truppe aus Bournemouth einfach auch nur mehr Beachtung schenken, dass man sie ins Herz schliesst?!

Freedom Call
Was bei Metaprism schon für einen Lacher (für die einen) oder für ein beschämtes Wegschauen (für die anderen) sorgte, war der mit einer weissen Gesichtsmaske bedeckte Typ, der oben ohne mit einem Badetuch bekleidet über die Bühne tänzelte. Mit seinem übergrossen, aus einem weiteren Badetuch geformten Schwanz schlug er gerne auf die Becken des Trommlers, oder die Musiker ein. Ein Tourabschluss(scherz), denn Metaprism und Freedom Call verabschiedeten sich mit dem Z7-Konzert von dieser Iced Earth Konzertreise, das nicht alle Besucher so lustig fanden. Anyway, die Deutschen von Freedom Call änderten das musikalische Geschehen blitzartig, und anstelle von modernen Grooves dominierte der Happy Metal. Mit einem wie immer gut gelaunten Zeremonienmeister (Sänger Chris Bay). Party pur war angesagt, da das Z7 für Freedom Call immer ein gutes Pflaster ist. Die Doppel-Leads wussten ebenso zu überzeugen, wie die hymnischen Chöre. "Das war ein klasse Applaus! Können wir den nochmals hören? Wir haben uns richtig auf euch gefreut. Ihr seht heute auch wieder saugut aus! Riechen tut ihr auch gut", begrüsste Chris mit einem breiten Grinsen die Anwesenden im Z7. "Wie ihr seht, ist heute Ramy nicht dabei. Er ist leider aus zukünftigen Familiengründen verhindert, und wir wünschen ihm alles Gute dabei! Wir haben einen Ersatztrommler und der kommt von Masterplan", erklärte der singende Gitarrist. Einen Ramy zu ersetzen ist aber etwas Sauschwieriges, und ganz ehrlich habe ich den mit einem roten Bärtchen gesegnete Trommler extrem vermisst. Ansonsten bot der Vierer aber die zu erwartende Leistung, hatte mit der schon fast religiös/fanatisch anmutenden Einleitung zu «Metal Is For Everyone» den Lacher auf seiner Seite und konnte das Publikum bestens auf den bevorstehenden Headliner aufwärmen.

Setlist Freedom Call: «Union Of The Strong», «United Alliance», «Freedom Call», «Hammer Of The Gods», «Master Of Light», «Warriors», «Land Of Light», «Metal Is For Everyone»

Iced Earth
Die Amis stiegen mit dem neuen Track «Great Heathen Army» ein und zeigten sofort wer der Chef im Ring ist. Mit einer unglaublichen Präzision an den Gitarren (Jon Schaffer und Jake Dreyer) schnitten Iced Earth feinsäuberlich kleine Linien in das Gemäuer des Z7. Vielleicht ist das Gitarrenduo von Judas Priest noch eine Spur filigraner, aber was die Rhythmusarbeit von Jon und Jake anbelangt, gibt es in der heutigen Zeit keine vergleichbare Truppe. – Man kann Jon als den Malcom Young des Metals bezeichnen! – Ohne grosse Pause stiegen Sänger Stu und seine Mannschaft mit dem übermächtigen «Burning Times» in die nächste Nummer ein. Alleine der Drumpart von Brent Smedley – und nein es gibt keinen anderen Trommler für Iced Earth, er ist die perfekte Wahl! – riss weitere Löcher in die Grundmauern des Konzertsaals. Durch den Titeltrack des vorletzten Werkes «Dystopia» wurde der Eröffnungsdreier abgeschlossen. Mit einem zufriedenen Lächeln nahm Mister Schaffer den grossen Applaus zu Kenntnis, um das weitere Geschehen getrost Stu zu überlassen. Interessanterweise sprach der Shouter an diesem Abend weniger mit dem Publikum als auch schon. Trotzdem bedankte er sich bei den «brothers and sisters of Metal» für das Erscheinen an diesem Abend und wusste, dass der Metal "still alive" ist. Mister Block krönte seine hervorragende Performance mit unglaublichen Screams. Wo andere Sänger nach Luft japsen, haut er nochmals einen fetten Schrei raus und genoss den Applaus sichtlich. Mit Jake an der Gitarre hat der Fünfer einen extrem geilen Ersatz für Troy Seele in die Band geholt. Auch wenn Jake noch ein bisschen introvertiert wirkt wenn er zu seinen Sololäufen ansetzt, spürt man das Tier in seinen Adern. Bassist Luke Appleton war wie immer ein Aktivposten, der genau wusste, wann er sich präsentieren musste und wann nicht. In dieser Konstellation sind Iced Earth kaum zu schlagen. Dies auf eine sehr sympathische Art, die weit weg von irgendwelchen Starallüren ist.

Mit «I Died For You» hat der Fünfer einer von vielen Hits in der Hinterhand. Genau hier liegt aber auch das ganz grosse Problem begraben. Iced Earth haben in den vergangenen dreissig Jahren so viele Klassiker geschrieben, dass schon lange kein Platz mehr für alle in der Setliste ist. Dass von den beiden vorherigen Studio-Alben «Dystopia» und «Plagues Of Babylon» gerade ein Song gespielt wurde, spricht einerseits für die Qualität des neuen Werkes «Incorruptible» (daraus wurden sechs Lieder gespielt!), trägt andererseits aber auch den Wermutstropfen, dass Tracks wie «V», «Boilling Point», «Cthulhu», «If I Could See You» oder «Peacemaker» auf der Strecke bleiben. Ganz zu schweigen vom eigentlichen Schlusspunkt in Form von «Iced Earth», der erneut in der Setliste fehlte. Dafür spielte der Fünfer mit «Prophecy», «Birth Of The Wicked» und «The Coming Curse» die «Something Wicked This Way Comes»-Trilogie. Ein erhabener Moment, wie auch «Last December» vom «Burnt Offerings»-Werk.

Mit Propellerbanging (Stu), der dreier Gitarren-Posing-Front am Bühnenrand und einer unglaublichen Spielfreude verging die Zeit wie im Flug. Unter die Haut ging auch der herzliche Dank von Jon an Stu und sein Dabeisein bei Iced Earth, kurz bevor Mister Schaffer einmal mehr «Stormrider» sang. Dies war auch die Einleitung zur Frühphase der Band, welche mit den beiden weiteren «Night Of The Stormrider»-Perlen «Angels Holocaust» (was für eine Wucht, Energie, Urgewalt und Präzision) und «Travel In Stygian» ergänzt wurde. Und als ob dies nicht schon genug gewesen wäre, schossen Iced Earth noch «Clear The Way» aus den Saiten, das fast zehn Minuten lange Opus der neusten Scheibe, um dann mit «Watching Over Me», mit fantastischen Fangesängen (!!!), ein Konzert zu beenden, das schon jetzt zu den Highlights dieses noch sehr jungen Konzertjahres gehört. Auch wenn der Gig am letztjährigen Sweden Rock Festival (in der Kürze liegt die Würze) nicht ganz erreicht wurde, sind Iced Earth auf diesem Level sehr schwer zu schlagen und eine bilden eine unglaubliche Macht. Die Jungs haben erneut die Türe zum Metal-Olymp weit aufgeschlagen und stehen schon mit mehr als nur einem Bein bei den ganz grossen Helden wie Iron Maiden oder Judas Priest.

Setlist Iced Earth: «Great Heathen Army», «Burning Times», «Dystopia», «Black Flag», «Seven Headed Whore», «I Died For You», «Vengeance Is Mine», «Brothers», «Last December», «Raven Wing», «Prophecy», «Birth Of The Wicked», «The Coming Curse», «Stormrider», «Angels Holocaust», «Travel In Stygian» - «Clear The Way (December 13th 1862)», «Watching Over Me», «Ghost Dance (Awaken The Ancestors) - Outro»