Livereview: Iron Maiden - Lauren Harris
14. August 2008, St.Jakobshalle Basel
by Kissi – Pics by Rockslave
«Scream For Me Switzerland!» befahl Frontjungfrau Bruce Dickinson und die nicht ganz 10'000 Anwesenden gehorchten dem stimmgewaltigen Briten bis aufs Blut, schrien nicht nur, sondern klatschten, gröhlten, bangten und hüpften auch und das während fast 2 Stunden ohne wirkliche Unterbrüche! Iron Maiden waren wieder einmal in der Schweiz, genauer gesagt in der St. Jakobshalle zu Basel, und was das NWOBHM-Flagschiff an diesem Abend vom Stapel liess, trieb nicht nur mir, der gerade in Maiden-Short und -Shirt aus einem Maiden-Kaffeebecher trinkt, die Tränen in die Augen. «Somewhere Back In Time» lautete dabei das Tour-Motto und Maiden legten somit den Fokus auf die triumphale Zeit mitte der 80er, als man mit «Powerslave», «Somwhere In Time», «Seventh Son Of A Seventh Son» und der Kult-Livescheibe «Live After Death» sowohl in Sachen Konzerte wie auch Songwriting Meisterleistungen vollbracht hatte. Entsprechend überwältigend waren dann auch Setlist und Show, sodass Maiden ein weiteres Mal ihren Status als eine der grössten, wichtigsten, überhaupt besten Metalbands der Welt verteidigten. Doch auch eine solch metallische Meisterleistung rechtfertigte die Wucher-Merchpreise (60.- ein T-Shirt, 30.- für einen Schlüsselanhänger oder 170.- für ein Fussball-Trikot) nicht, auch wenn das Zeug wegging wie warme Semmeln und der Rezensent selbst einem «Powerslave»-Shirt nicht widerstehen konnte. Man ist halt Fan...

Lauren Harris
Genauso ungerechtfertigt war daneben die Vorband an diesem Abend. Wie auf der ganzen Tour und wie auch auf Maidens «A Matter Of Life And Death»-Rundreise eröffnete Steve Harris weiblicher Spross Lauren mit ihrer Kapelle den Abend und dies beileibe nicht zufriedenstellend. Von Papa ganz beeinflusst begann Lauren dabei ihren Auftritt mit dem UFO-Cover «Natural Thing», was stimmlich mal schon überhaupt nicht passte. Zu hoch für ihre Stimme quietschte sich die einzig optisch (lange Haare, hübscher Körperbau, Lederhosen) ansprechende Miss Harris durch den Klassiker. Die tiefer gehaltenen Nummern ihres eben erschienenen Debüts «Calm Before The Storm» hingegen brachte sie ohne grössere Patzer durch. Das Material, welches man irgendwo zwischen Pop-Rock à la Suzie Quatro und The Donnas ansiedeln darf, bestätigte, dass der Apfel halt eben doch manchmal weiter vom Stamm fällt als man will: Zu simpel, zu uninspiriert, schlicht zu belanglos sind Nummern wie «Steal Your Fire», «Get Over It» oder «Like It Or Not». Darunter schienen auch die versierten Mitmusiker des Harris-Nachkommen zu leiden, die in Sachen Performance aber ziemlich locker rangingen und in Sachen Stageacting beherzter und professioneller rüberkamen als ihre Frontfrau, die wohl nicht aufgepasst hatte, als ihr Vater ihr das Geheimnis des Headbangens beibringen wollte. Allen voran Gitarrist Richie schien bei den schnöden Straight-Rockern (oder besser geschrieben -Poppern) völlig unterfordert zu sein und konnte es sich nicht verkneifen, ein Lick nach dem anderen dazwischen zu spielen, was für das Ganze auch nicht gerade dienlich war und gegen Ende sogar richtig auf die Nerven ging, auch wenn der Klampfer wirklich talentiert zu sein scheint. Mag Lauren Harris ihrer Abstammung und ihres Aussehens wegen auch die Traumfrau so manchen Metallers sein; würde die Dame nicht Harris heissen, dann würde sie und ihre Truppe wohl nicht einmal in 500-Leute-Clubs auftreten, geschweige denn auf den Bühnen, die ihre Abstammung sie entern lässt.

Iron Maiden
Wenigstens passte der Albumtitel «Calm Before The Storm», denn was nun folgen würde, kann nicht besser beschrieben werden als ein Orkan. Ein Orkan an Professionalität, Spielfreude, Elan und Perfektion, sei es visuell oder in Sachen Sound. Als «Doctor Doctor» der schon erwähnten UFO, seit Jahren der letzte Track ab Band vor einem Maiden-Gig, aus Richtung der noch in schwarz gehüllte Bühne dröhnte meldete sich schon die erste Gänsehaut an und als darauf gleich die «Powerslave»- bzw. «Life After Death»-Alben einleitende Churchill-Rede («Churchill's Speech») folgte, stand jedes Häärchen von der Haut ab. Der Vorhang fiel und mit einem Knall, namentlich «Aces High», hatte sich die St. Jakobshalle in ein Tollhaus verwandelt, welches erst wieder Minuten nach dem finalen «Hallowed Be Thy Name» ruhig gestellt werden würde. Dass unfehlbare Nummern wie «Two Minutes Two Midnight», «The Trooper» oder «Wasted Years» dabei schon seit Jahrzehnten immer wieder in der Setlist der eisernen Jungfrauen auftauchen, kratzt dabei keinen, nicht zuletzt, da nicht nur die Ohren, sondern auch das Auge bedient wurde und dies so überschwänglich wie schon lange nicht mehr. Neben obligatorischen Einlagen wie Bruce's Soldatenverkleidung während «The Trooper» oder den riesigen, gezeichneten Backdrops und der zwar simpel aussehenden, dafür umso mehr wirkenden Lightshow waren es vor allem die fulminanten Pyros, bei welchen sich Maiden nicht lumpen liessen und die tonnenweise in die Luft geballert wurden (natürlich den Möglichkeiten der Halle entsprechend). Waren es nun gleissend höllische Flammenwände («Number Of The Beast» - gigantische Stimmung, bei welcher der Gehörnte höchstpersönlich aus dem Boden stieg) oder auch kleine Zuckerstöcke auf, neben oder oberhalb der Bühne wie etwa bei «Can I Play With Madness» oder auch «Rime Of The Ancient Mariner». Dieses über 10 Minuten dauernde Epos von «Powerslave» war dann auch eines der Highlights dieser nur aus Highlights bestehenden Show: Von der sowieso in Ägypten-Optik gehaltenen Bühne umrahmt, sorgte ein mit 3D-Effekten angereichertes Schiffswrack-Backdrop für die richtige Atmosphäre. Davor gestikulierte Bruce Dickinson, wie seit Jahren immer noch in stimmlicher Bestform, theatralisch in Umhang und umgeben von perfekten Lichtspielen. Ein Epos für die Ewigkeit, welches gerne wieder mal dargeboten werden dürfte, gerade, wenn Maiden in solcher Form aufspielen. Wie zu erwarten sass jedes Lick, jeder Lauf, jede Bewegung der Truppe, wobei gerade Klampfenkaspar Janick Gers weniger als sonst den Hampelmann machte, dafür Dave Murray umso mehr an Präsenz gewann im Gegensatz zu Adrian Smith, der sich wie gewohnt eher zurückhielt, dafür aber die Saiten tanzen liess. Nach «Powerslave» (natürlich auch riesig) wurden zu «Heaven Can Wait» Fans auf die Bühne geholt, die die Chor-Passagen des «Somewhere In Time»-Klassikers mitintonieren durften. Zwar altbekannt, aber immer wieder unterhaltsam anzusehen. Nicht minder bekannt, dafür umso frenetischer abgefeiert, wurde der finale Triple-Schachzug der eisernen Jungfrauen: Zuerst das unkaputtbare «Run To The Hills», dann «Fear Of The Dark», einziger Song dieses Abends, der nach «Seventh Son Of A Seventh Son» veröffentlicht wurde und halt doch unverzichtbar ist (Steve Harris scheint aus den Reaktionen auf das Weglassen während der «Eddie Rips Up The World»-Tour 05» gelernt zu haben), und dann noch «Iron Maiden», zu welchem der Mumien-Eddie seine bandagierten Klauen über Nicko McBrain's Schiessbude wedelte – da fehlen einem zum Beschreiben schon fast die Worte, ein Problem, welches Mr. Dickinson nicht zu haben schien, laberte er doch mehr als üblich zwischen den Songs. So auch unter anderem, dass jeder Anwesende das nächste Mal doch einfach 2 Freunde mitnehmen solle, dann könne man anstatt in der Halle («private atmosphere» – O-Ton Bruce) einfach im Fussballstadion nebenan rocken. Kleine Verhältnisse für die NWOBHM-Legende hin oder her, nach nur wenigen Minuten stand das Sextett wieder auf der Bühne, um unserem Rockslave und wohl auch vielen anderen mit «Moonchild» (dem sträflich unterbewerteten Opener von «Seventh Son Of A Seventh Son») schier die Hosen nass zu machen. Von der selben Scheibe, bzw. von selbem Kaliber inszenierte man das epische «The Clairvoyant» und das schon erwähnte Finale in Form von «Hallowed Be Thy Name» zerbarst noch den letzten intakten Nackenmuskel, zerstörte inklusive Cyborg-Eddie und Mini-Feuerwerk den letzten Zweifel, dass man gerade die wohl beste Show des Jahres hatte erleben dürfen. Maiden 2008, die auf Maiden vor 20 Jahren machen: der beste Beweis dafür, dass die eisernen Jungfrauen nichts von ihrem Glanz und ihrer Genialität verloren haben. Man ist halt Fan – nach diesem Abend wäre alles andere reine Idiotie.

Setlist Iron Maiden:
«Aces High» – «Two Minutes To Midnight» – «Revelations» – «The Trooper» – «Wasted Years» «The Number Of The Beast» – «Can I Play With Madness?» – «Rime Of The Ancient Mariner» «Powerslave» «Heaven Can Wait» – «Run To The Hills» – «Fear Of The Dark» – «Iron Maiden»
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«Moonchild» – «The Clairvoyant» – «Hallowed Be Thy Name»