Livereview: Killswitch Engage - All That Remains
                             Warship - Outcry Collective
15. Juni 2009, Alte Börse, Zürich
By El Muerte
Die Alte Börse in Zürich war mir bis anhin eine völlig unbekannte Konzert-Location. Aufgrund des zentral in der Nähe des Sihlquais gelegenen Standortes stellte sich die Anfahrt aufgrund der 'Baustelle Zürich' als äusserst kompliziert heraus - Ich wäre wirklich extremst froh, wenn GPS-Systeme in Zukunft Baustellen erkennen und Alternativ-Routen planen könnten. Nichtsdestotrotz kriegten wir die Anreise dennoch pünktlich hin, und stellten uns knapp nach der Türöffnung in die ordentlich angewachsene Schlange rund ums Gebäude. Am Eingang gab's dann das erste Augenbrauenhochziehen: Laut Info-Schild befand sich der Konzert-Saal im vierten-Stock des Gebäudes. Na meinetwegen, einmal mit Schwung die gefühlten 500 Stufen hochgehechtet, und da war er dann: Der wohl am höchsten eingerichtete Konzertsaal von Zürich. Über eine überraschend grosse Fläche breitete sich ein zuerst unüberschaubares Wirrwarr an Gängen und Räumen aus, die für alle möglichen Zwecke wie Bar, Toiletten, Merch-Raum und Eingangsbereich genutzt wurden. Zwar kam das ganze etwas steril rüber, aber mit ein wenig Engagement könnte dieser Club tatsächlich eine Menge Charme verbeiten.

Outcry Collective
Kurz nach unserem Eintreffen stieg dann mit Outcry Collective die Überraschung des Abends auf die Bühne. Die Band hatte offensichtlich einfach Spass daran, die anwesenden 50 Nasen zu rocken, und schmetterte ohne grosse Gefühlsdusselei ihre an eine Mixtur aus Refused und Down erinnernde Mucke in die Runde. Während der Drummer sein kleines Kit nach allen Regeln der Kunst verhaute, stieg Fronter Steve Sitkowski gleich beim ersten Song auf die Barrikade, und liess es sich auch nicht nehmen, den direkten Kontakt mit dem Publikum zu suchen. Die anwesenden Leute waren von der frischen Attitüde schnell angetan, und spendeten der Band nach jedem Song kräftigeren Applaus. Der Band blieb zwar knappe dreissig Minuten für die Show, davon wurde aber fast jede Sekunde effektvoll eingesetzt - In der Kombination mit Shirts für 12.- Franken also klar ein netter Mittelfinger an all die dicken Hosen da draussen.

Warship
Dermassen positiv überrascht machte ich mich daran, Warship auf mich wirken zu lassen - Auch hier eine komplett unbekannte Band, die nur darauf wartete, ihre Mucke auf die mittlerweile auf etwa 90 Besucher angewachsene Meute loszulassen. Die Band setzte im direkten Vergleich zu Outcry Collective auf etwas komplexere Strukturen, während sich ihr Sänger zwischendurch auch noch an ein kleines Drumset setzte, um den Songs einen tribal-mässigen Touch zugeben. Der Gig startete auch hier überraschend fett, aber Warship vermochten leider 'nur' auf der Instrumentalen Ebene zu überzeugen. Während die Songs oftmals schwierig zu verfolgen waren, fehlten dem Fronter klar die passenden Stimmbänder. Die Band gab dennoch zwar alles, aber für einen erneuten Achtungserfolg war die Ausgangssituation dann doch etwas zu wiedrig.

All That Remains
Mit All That Remains stieg dann der erste wirklich bekannte Act des Abends auf die Bühne der Alten Börse. Das Publikum war mittlerweile auf gut 200 Nasen angewachsen, und drängte während des ersten Songs urplötzlich Richtung Bühne - erst in diesem Moment wurden die Kapazitäten der Location klar ersichtlich. Zwar fiel durch einige Luken im Dach immernoch etwas Tageslicht in den Saal, ansonsten konnten All That Remains aber als erste Band des Abends auf die volle Lichtshow setzen. Die Band gab sich von Beginn weg extremst tight und routiniert, ob der technischen Versiertheit musste allerdings die Show ein wenig leiden - Mit Ausnahme von Fronter Phil Labonte blieb der bewegungstechnische Ausdruck über die vollen 50 Minuten extremst limitiert. Der Qualität der Performance vermochte dies jedoch nix entgegenzusetzten, die Band schien noch einmal eine Runde weiter gewachsen zu sein: Sämtliche Instrumente wurden überraschend filigran bedient, während Phil mit seinen dynamischen und breitgefächerten Vocalstilistiken unnachlässig für Höhepunkte sorgte. Das Publikum dankte es der Band mit ordentlich Bewegung und Euphorie, während der Pit selber unter'm Strich dann doch noch etwas auf Sparflamme köchelte. Als am Ende der Show dann noch der Überhit 'This Calling' ausgepackt wurde, stand wie so oft vor Killswitch die Frage 'Kann das überhaupt noch getoppt werden?' im Raum…

Killswitch Engage
Die Antwort darauf lieferten Killswitch Engage nach einer ca. 30-Minütigen Umbaupause gleich selber: Aber klar doch! Denn die Band vereint nicht nur mal eben alle Stärken von All That Remains, sondern schmeckt das Ganze noch mit einer fetten Portion Durchgeknalltheit, wilder Energie, und einer ganzen Liste an Hitgranaten ab. Zwar stieg die Band wie schon letztes Mal im Rohstofflager mit dem etwas quer groovenden Song 'A Bid Farewell' in die Show ein, ansonsten wüsste ich aber überhaupt nicht, was ich ihnen vorwerfen könnte: Drummer Justin Foley trieb das restliche Quartett unnachgiebig an, während Gitarrist Joel und Bassist Mike mit ganzem Körpereinsatz dabei waren, Fronter Howard Jones den etwas ruhenden Pol gab, und Gitarrist Adam nach wie vor das Zentrum des Geschehens bildete. Ansagen wie 'Hello, we're Killswitch Engage, and we're here to drink all your beer and to sniff all your girlfriends a-h*les' gehörten dabei zum Standartvokabular, desweiteren widmete er einen Song dem besten Körperteil der Mädels da draussen, dem 'Wizzard's Sleeve' (O-Ton), und wurde nicht müde, dazwischen wie von Hornissen gestochen auf der ganzen Bühne rumzurennen. Dass die Band dazwischen dem Publikum unablässig Übersongs wie 'Rose Of Sharyn', 'The Last Serenade', 'In The Arms Of Sorrow', oder 'Life To Lifeless' in die Gehörgänge ballerte, versteht sich von selbst. War die Stimmung bei All That Remains bereits mehr aus ausgelassen, so kochte sie bei KSE von Beginn weg komplett über - Der Pit verwandelte sich in eine gut gelaunte Meute an Akrobaten, während der Rest des Saals Zeile für Zeile mitsang. Höhepunkt war dabei wie schon so oft zuvor die Überhymne 'The End Of Heartache', die fast sämtliche Besucher der Band aus vollen Kehlen entgegenschmetterte. Zwar kassierte ich zur Wall Of Death bei 'Rose Of Sharyn' eine hübsche Faust auf's Ohr, ansonsten hielten sich die Aggressionen aber erfreulicherweise in Grenzen - Würden Killswitch Engage etwas seriösere Shows bieten, wäre es wohl bei weitem nicht die gleiche Situation. Irgendwann nach knapp 70 Minuten war dann auch der Zugabeteil vorbei, und obwohl die Band wohl von der Bühne steigen wollte, begann das Publikum nach dem Dio-Cover 'Holy Diver' zu schreien - ein Wunsch, der zuerst von Adam mit dem Anfangs-Riff und darauf von der sichtlich überrschten Band mit dem restlichen Song quittiert wurde. Schön zu sehen, dass sich die Band für sowas nicht zu schade ist.

Setlist: A Bid Farewell, Darkness Falls, Fixation On The Darkness, Still Beats Your Name, Take This Oath, Life To Lifeless, Starting Over, Rose of Sharyn, This is Absolution, Arms of Sorrow, My Last Serenade, My Curse, The End Of Heartache, Holy Diver

Übrig bleibt unter'm Strich die Gewissheit, dass Killswitch Engage nach wie vor beinahe im Alleingang die Speerspitze des Metalcore verkörpern, und dies wohl noch eine Weile tun werden - Bleibt abzuwarten, in welche Richtung die neue Scheibe schlägt. Die Alte Börse selber hatte diesen Einstieg in die Metalwelt unterdessen wirklich gut überstanden, wobei der Sound generell dann doch ziemlich höhenlastig und aggressiv daher kam. In wie fern der anwesende Ex-Celtic Fröstler Martin Eric Ain bei der Organisation die Finger drin hatte, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis.

Und zu guter Letzt noch ein überraschendes Statement von Outcry Collective, die am Ende des Abends bereitwillig am Merch-Stand Auskunft gaben: Scheinbar war der Gig in Zürich der bestbesuchte der ganzen Tour… Geht da etwa ein Wandel durch den Metalcore?