Livereview: Krokus - Sideburn
30. November 2006, Pratteln Z7
By Rockslave
Was hat der Bandname Krokus in den letzten paar Jahren nicht alles ertragen müssen. Nicht wenige sagten spätestens nach dem Ausstieg von Gründungsmitglied Fernando von Arb voraus, dass es ab jetzt mit dem einstigen Schweizer Rock-Flagschiff nur noch ganz bergab gehen kann. Casting-Guru von Rohr, der eigentlich gescheiter wieder seinen Bass umschnallen sollte, anstatt absolut nervend in der Öffentlichkeit rumzusülzen, goss mit seinen träfen Sprüchen laufend frisches Öl ins Feuer. Mittlerweile sind wir ja etwas schlauer, die Szene mit "Hellraiser" um ein klasse Rock-Album reicher und auch live kracht es wieder oder immer noch gewaltig. Seit dem Neuzuzug von Mandy Meyer und vor allem Stefan Schwarzmann agiert die Band powervoller denn je. Sei es im kleineren Rahmen eines Alpenrock House oder der Monsterbühne in Balingen. Wie sich die neuen Songs neben den alten Klassikern präsentieren, konnte auf der laufenden "Hellraiser"-Tour begutachtet werden. Als (ewiger) Support fungierten Sideburn, die Krokus 1995 bei "To Rock Or Not Be" noch als Genocide begleiteten. Dessen inzwischen leicht geänderte Ausrichtung noch mehr in Richtung von Angus Young & Co. passte meiner Meinung nach nicht zwingend als Support des heutigen Abends.

Sideburn
Eins muss man ihnen auf jeden Fall lassen: Sie wirken (seit 20 Jahren!) stets echt, geben alles und wer sie dieses Jahr als Anheizer von Def Leppard im Zürcher Volkshaus gesehen hat, weiss, dass die Truppe echt Arsch treten kann. Ob sich diese Stimmung heute Abend wiederholen lässt? Rein von der Optik her mussten Sideburn mit dem Ausstieg von Gitarrist David Pariat zwar einen Rückschlag hinnehmen, der dieses Jahr aber spielerisch durch Boris gleichwertig wett gemacht wurde. Darum ging es dann mit dem Opener "Get That Way" gleich volle Kanne los. Sänger Roland Pierrehumbert spielte sogleich seine Routine aus und poste mit seinen Kollegen um die Wette. Auch "Crocodile" und "Slave To The Core" gerieten ordentlich, nur das Publikum wollte nicht so recht. An der Band lag es mit Sicherheit nicht, aber irgendwie war die Meute noch nicht richtig wach. Das änderte sich dann bis zum Schluss kaum wesentlich. Das Rose Tattoo Cover "Rock'n'Roll Outlaw" holte dann erwartungsgemäss noch ein paar Kohlen aus dem Feuer, was auch nicht weiter verwunderlich war, denn die Verneigung vor den kultigen Aussies war mehr als würdig. Insgesamt sah man eine routinierte Show, die aber bei Weitem nicht an den vom Volkshaus rütteln konnte. Ohne die Live-Qualitäten von Sideburn mindern zu wollen, fand ich sie heute Abend nicht unwiderstehlich. Ausserdem hätte man das stilistische Wagnis eingehen sollen, einer unbekannteren (Schweizer) Band einen Aufritt vor dem Krokus Publikum zu gewähren. Wie gesagt: Solider Gig, aber diesmal keine Meisterleistung.

Set-Liste: "Get That Way", "Crocodile", "Slave To The Core", "Gangster Lover", "Trouble Maker", "Nostalgic", "Never Kill The Chicken", "Rock'n'Roll Outlaw", "Voodoo Girl", "Gasoline" & "Hell On Wheels".

Krokus
Auf diesen Auftritt war ich gespannt wie ein Flitzebogen in dem Sinne, wie sich die guten, neuen Songs von "Hellraiser" neben den alten Klassikern schlagen werden. Das dachten sich offensichtlich auch einige Hundertschaften, die an diesem Abend den Weg ins Z7 gefunden hatten. Dass dabei der Altersdurchschnitt eher ab 25 aufwärts war, überraschte nicht wirklich, obschon es auch zahlreiche junge Fans im Publikum gab. Da ich bereits Besitz der Setliste war, das heisst des Konzertes im Berner Bierhübeli vom 16.11.06, wusste ich eigentlich schon ziemlich genau, welche Songs gespielt werden sollten. So kam es dann, dass ich die erste Triplette (mit ausschliesslich neuem Material), darunter den Titeltrack als Opener aus dem Fotograben begutachten konnte. So richtig los ging es eigentlich erst mit einer explosiven Version von "Long Stick Goes Boom" und spätestens mit einem weiteren Oldtime-Classix namens "Bad Boys, Rag Dolls" brachen die Dämme. Die Band zeigte sich agil und spielfreudig, ein Bild, das die neue aktuelle Formation erst seit ein paar Monaten bietet. Weniger gut war hingegen der Sound, der mindestens von meinem Standort aus (Mitte der Halle, etwa 3 - 4 Meter vor dem Mischpult) ziemlich basslastig und dadurch völlig breiig daher kam. Zwischendurch hörte man Mandy's Klampfe kaum bis gar nicht! Leider änderte sich das mehr oder weniger bis zum Schluss nicht wesentlich. Das war natürlich schade, zumal sich zusätzlich ein ziemlich nervender Brumm-Ton breit machte und wie wenn das nicht schon genug gewesen wäre, streikte bei "Angel Of My Dreams" das Mikrophon des "Maltese Falcon". Marc und seine Hinterleute brachte das freilich nicht aus dem Konzept und so zockten Krokus munter weiter. "Midnight Fantasy" empfahl sich derweil als zukünftiges Zugpferd im Live-Set, während mir die neue Interpretation (mit Mandy's Intro) vom Übertrack "Screaming In The Night" abermals und definitiv nicht mundete. Das kriegt(e) Fernando von Arb klar besser hin. Ohrenbetäubend, sprich total übersteuert, wurde die Power von "Spirit Of The Night" in einem undifferenzierten Phon-Angriff regelrecht verballert, schade! Das Publikum ging soweit ordentlich mit, aber eine Mega-Stimmung war nicht auszumachen. Das war fünf Tage zuvor in Marc's Heimat Malta wohl anders. Das Konzert ansich war ohne Zweifel top, aber ich hatte schon deutlich bessere Auftritte (notabene mit dem jetzigen Line-Up!) gesehen. Nichtsdestotrotz konnte man aber sehen und hören, dass die Schweizer Rockmaschine Nr.1 immer noch bestens geschmiert ist und gehörig Power in den Knochen hat. Ob es allerdings in der nächsten Zeit (nach 1982) zu einem neuerlichen Auftritt im Hallenstadion kommen wird, kann derzeit nicht schlüssig beantwortet werden. "Eat The Rich" als letzte Zugabe zeigte nach etwas mehr als 105 Minuten auf jeden Fall eindrucksvoll, warum der Bandname Krokus auch mit dem leicht veränderten Logo immer noch sehr hell im helvetischen Rock-Himmel aufleuchtet..., Rock'n'Roll tonight..., wie wahr!

Set-Liste: "Hellraiser", "Too Wired Too Sleep", "Hangman", "Long Stick Goes Boom", "Bad Boys, Rag Dolls", "Midnight Fantasy", "Fight On", "Screaming In The Night", "Spirit Of The Night", "American Woman", "Angel Of My Dreams" "Easy Rocker", "Rock City" "Rock'n'Roll Tonight", "Celebration", "Headhunter", "Bedside Radio" & "Eat The Rich" (anstelle von "Rocks Off"!).