Livereview: Moonsorrow - Týr - Crimfall - Hamferd
19. November 2011, Dietikon - soundDock 14
By Natalia N.
In dem kleinen, aber gemütlichen Club soundDock 14 fand der Auftritt von vier Bands gegen Ende November statt, welcher im Rahmen der "Dead Tyrants Tour" stattfand. An jenem Abend bekamen die Zuhörer die Möglichkeit, das Schaffen von zwei relativ jungen Bands kennen zu lernen, nämlich das der färöischen Doomster Hamferd und das der finnischen Symphonic/Power/Viking/Folk Metal-Band Crimfall. Dann traten Týr (Hamferd's Landsleute) auf, die Progressive/Folk Metal spielten. Später in der Nacht bot die Band Moonsorrow ihr Programm an. In der letzten Zeit ist diese Band unter den Pagan/Black Metal-Fans kultisch geworden. Alle Konzert-besucher bekamen die Möglichkeit, die Welt des alten, heidnischen, skandinavischen Glaubens zu erleben und die Kraft des antichristlichen Protests zu empfinden, die sich im Schaffen der Tournee-Headliner – der Band Týr und Moonsorrow – widerspiegelt.



Hamferd

Der Abend begann mit dem Debüt der Band Hamferd. Im Jahre 2010 liess die Band ihre erste EP «Vilst er sídsta fet» herausgeben. Der Klang ihrer Musik machte einen sehr guten Eindruck und ist für die Fans von Paradise Lost sowie My Dying Bride besonders interessant. Auf der Bühne schufen Hamferd die Atmosphäre einer religiösen Messe, umso mehr, weil die Lyrik ihrer Lieder in den traditionellen, färöischen Psalmen wurzelt und weil die meisten Keyboard-Partien wie eine Orgel klingen. Alle Musiker trugen elegante schwarze Anzüge mit Krawatten und weisse Hemden, als ob sie bei einem Begräbnis wären. Die Keyboard-Anlage war mit schwarzem Samt bedeckt, als ob es Teil einer Kathedrale wäre. Dadurch, dass die Bühne nur mit weissem Licht beleuchtet wurde, sah der Auftritt noch festlicher aus. In einem Moment erlöschte das ganze Licht, die Musiker falteten ihre Hände zum Gebet und begannen zu beten, die Köpfe nach unten gesenkt. Die grösste Aufmerksamkeit zog Sänger Jón Hansen auf sich. Beim Singen wechselte er rasch vom derben Growlen zum Opernbariton oder sogar zum Tenor. Obwohl die Band als erste auftrat, war der Klang gut abgestimmt und alle instrumentalen Partien waren gut zu hören. Schliesslich gelang es der Band, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und am Ende ihres Auftrittes entstand ein ganz dichter Zuhörerkreis vor der Bühne.

Crimfall
Einen richtigen Folk-Klang bot an jenem Abend die finnische Band Crimfall an. Die musikalischen Stücke dieser Band enthielten sehr viele Geigepartien, die sehr fein klangen, besonders in Kombination mit den opernnahen Gesangpartien von Helena Haaparanta, die rauhe Stimme von Mikko Häkkinen bewirkte einen interessanten Kontrast zu Helenas Gesang. Helena und Mikko sahen auf der Bühne zusammen sehr eindrucksvoll aus. Ab und zu war ihr Auftritt dramatischen Theaterepisoden nahe, zum Beispiel: Während des Auftrittes näherte sich Mikko hin und wieder Helena an und fasste recht aggressiv ihre langen Haare von hinten, sodass sie ihren Kopf leidenschaftlich zurückwerfen musste. Was die Posturen, die Gesten und die durchbohrenden Blicke anbelangte, so konnte sich diese Band mit einer dramatischen Theatertruppe messen. Ebenso aktiv war auch der geistige Anreger der Band, Komponist und Autor von allen Orchestrierungen, Gitarrenspieler Jakke Viitala, der ab und zu seine Arme leidenschaftlich ausbreitete oder ein theatralisiertes Duo mit dem Bassisten zusammen darbot. Es sei erwähnt, dass die Bandteilnehmer wunderbare Theaterkostüme anhatten, die lederne Lumpen alter Wanderer imitierten.

Setliste: «Neothera Awakening (Intro)» - «The Crown Of Treason» - «Frost Upon Their Graves» - «Ascension Pyre» - «Wildfire Season» - «Silver And Bones».

Týr
Ich glaube, dass ich den Auftritt von der Band Týr noch lange nicht vergessen werde. Und zwar nicht nur weil sich die Musiker als hochqualifizierte Gitarrenspieler zeigten, während ihres Auftrittes sehr aufrichtig waren und gut aufeinander abgestimmt spielten, sondern auch, weil sie für das Konzert ihre absoluten Hits ausgewählt hatten, die nicht anders als Ohrwürmer zu nennen sind. Manchmal schien es, als ob die Refrains von «Shadow of Swatstika» und «Take Your Tyrant», aber auch die Melodie der langsamen Metal-Ballade «Evening Star» immer noch in meinen Ohren klängen. Die Set-Liste bestand halb aus den Liedern aus dem neuen Album «Flames Of The Free», das dieses Jahr herausgegeben wurde, und halb aus den Liedern aus dem Album "By The Light Of The Northern Star», das 2009 erschien und zum Wendepunkt für das Schaffen der Band geworden war. Wie bekannt, eben seit diesem Album begannen Tyr, schnelle und sehr melodische Lieder in den besten Power Metal-Traditionen zu komponieren. Aus ihrer Vergangenheit spielten Týr nur «The Rage Of The Skullgaffer» und «The Hunt», das zu ihrem früheren Album «Ragnarok» gehört. Eines von diesen Liedern, und zwar das instrumentale «The Rage Of The Skullgaffer», ist ein neoklassisches Gitarrensolo, in dem sich Frontmann, Sänger und Gitarrenspieler Heri Joensen und Solo-Gitarrenspieler Terji Skibenaes vereinigten. Dieses Gitarrensolo ist dem Spiel von Yngwie Malmsteen ähnlich. Jedoch war es eben der Gitarrenspieler Terji Skibenaes, dessen Auftritt besonders stark beeindruckend war. Seine progressive Spielweise und die freie Benutzung von Modulierungseffekten (was für den Prog Rock typisch ist) waren und bleiben auch heute noch die Würze von Týr. Trotz alledem haben alle Auftritte das höchste Lob verdient. Der Bass in Kombination mit den Schlagpartien klang richtig überzeugend und kontrastierte mit den wunderbaren Melodien. Der geistige Anreger der Band, Frontman Heri Joensen, vereinigte alle und drückte alle Wünsche der Wikinger von den färöer Inseln aus. Diese Wünsche sind allen schon lange bekannt – sie wollen die christlichen Dogmen loswerden, was Heri vor dem Lied «Trondur i gotu» auch mitteilte. Aber die Stimme von Heri klang recht leise. Es war zu sehen, dass sowohl das Singen als auch die Kommunikation ihm viel schwerer als das Gitarrenspiel fiel. Vielleicht lag es an der gegenwärtigen Jahreszeit oder an der Flasche Wodka, die Heri allen Anwesenden demonstrierte und vor die Trommelanlage stellte, wo die Flasche gut zu sehen war. Aber der Auftritt der Band wurde von der schwachen Hauptgesangpartie nicht so sehr verdorben. Der Gitarrenspieler Terji und der meisterhafte Bassist Gunnar sangen mit Heri fast ständig mit. Ausserdem darf man den starken Zuhörerchor nicht vergessen, der in die einfachen und leicht zu behaltenden Refrains fast sofort einstimmte.

Setliste: «The Lay Of Thrym» - «ShadowOf Swatstika» - «Flames Of The Free» - «By The Light Of The Northern Star» - «Trondur i gotu» - «Take Your Tyrant» - «The Rage Of The Skullgaffer» - «The Hunt» - «Evening Star» - «Northern Gate» - «Hall Of Freedom» - «Hold The Heathen Hammer High» - «By The Sword In My Hand».

Moonsorrow
Die Konzert-Headliner Moonsorrow hatten das für sie typische Make-Up aufgelegt – sie waren ‚mit Blut beschmiert’. Wahrscheinlich symbolisiert solch ein Make-Up das Blut der christlichen Missionare, die mit ihren Predigten die heidnischen Stämme zum Christentum zu bekehren suchten. Eben von solch einer misslungenen Missionserfahrung hatte der Band-Frontman, Bassist und Sänger Ville Sorvali, lebhaft auf Englisch erzählt, bevor die Band «Köyliönjärven jäällä» spielte. «Was machten die Bewohner mit dem Bischof?» rief Ville am Ende seiner Erzählung. Und er gab selbst die Antwort in einer leidenschaftlichen Stimme: «Sie ermordeten ihn!» Während des Auftrittes hob Ville einige Male sein Amulett – Mjöllnir (Thors Hammer), der an seinem Hals hing - nach oben, zahlreiche Helden der skandinavischen Mythologie erwähnend. Ville schien in Schwung zu sein, weil er viel sprach und oft lächelte. Zum Beispiel bemerkte er patriotisch, dass die Band eines ihrer langsamsten Lieder – «Raunioilla» – spielen wird, weil alle Finnen langsame Leute sind. Begonnen hat die Band Moonsorrow mit dem neuen Lied «Tähdetön», welches das in diesem Jahr herausgegebene Album eröffnete. Jedoch, nachdem dieses frische Lied gespielt worden war, wurden darauffolgend eher alte Alben akzentuiert, wie zum Beispiel «Suden Uni», «Voimasta ja kunniasta» und «Kivenkantaja», die 2001 und 2003 erschienen waren. Die Zuhörer unterstützten die Musiker heftig. Obwohl Moonsorrow ihre Lieder auf Finnisch sangen, gab es Stellen, wo man mit der Melodie mitschreien oder mitheulen konnte. Darum hatte Ville auch gebeten, bevor die Band ihren Hit «Sankaritarina» spielte. Wahrscheinlich war es für viele Zuhörer kein erstes Mal, dass sie ein Konzert von Moonsorrow besuchten, denn sie unterstützten diese Idee enthusiastisch. Das summende und mit der Musik schaukelnde Publikum wurde zu einem einheitlichen Ganzen. Die Musiker waren gut eingespielt und sangen fast in vollem Bestand. Von rechts und von links sangen die beiden Lead und Rhythm-Gitarrenspieler mit Ville mit. Der lange und magere Gitarrenspieler Mitja Harvilahti spielte schöne Soli, und der andere Gitarrenspieler Janne Perttilä kam hin und wieder ins Zentrum zum Mikrophon und sang Refrains mit Clean-Stimme. Der charismatische, bärtige Janne spielte in den Konzerten der Band schon lange statt des Vetters von Ville, Henri Sorvali, der dazu auch noch bei Finntroll spielt. Es muss zugegeben werden, dass der reiche Klang der rauen Atmosphäre der uralten Welt ohne tasteninstrumentale Partien von Markus ‚Lord’ Euron nicht zu erreichen ist. Moonsorrow haben mit diesem Auftritt wieder einmal ihren Stand als extrem fähige und talentierte Musiker bewiesen!

Setliste: «Tähdetön» - «Sankarihauta» - «Raunioilla» - «Köyliönjärven jäällä» - «Jotunheim» - «Sankaritarina» - «Kuolleiden maa» - «Matkan lopussa».