Livereview: Korpiklaani - Die Apokalyptischen Reiter - Unleashed
                                   Alestorm -  Ex Deo - Swashbuckle
19. September 2009, Pratteln Z7
By Kissi & André - Pics by André
Es ist eine Erfolgsgeschichte ohnegleichen. Innert zwei, drei Jahren hat sich die Paganfest-Tour zu einer festen Grösse in der europäischen (und kurz darauf auch amerikanischen) Konzertlandschaft gemausert. Anfänglich ausschliesslich für Pagan und Viking Metal-Bands konzipiert öffnete sich das Genre-Spektrum in letzter Zeit, so dass neben den üblichen Trinkhorn-Bangern dieser Tage auch Holzbein-Rocker und Gladiatoren-Mosher auf ihre Kosten kommen. Eines aber ist geblieben: Auch anno 2009 steht der Name Paganfest für einen ganzen Abend energiegeladener Auftritte und einem Publikum in Feierlaune. Egal ob die Todesrömer Ex Deo, die Spasspiraten Alestorm, Unleashed mit ihrem Viking/Death, die unkategorisierbaren Reiter oder die Party-Garanten Korpiklaani, ein praktisch ausverkauftes Z7 feierte sie alle ab, sang lautstark mit oder liess einfach die Birne rotieren. Ob der Name bei solcher Stilvielfalt immer noch passt, das sei dahingestellt. Fakt jedenfalls ist, dass das auch die aktuellste Ausgabe des Paganfests wohl keinen Fan enttäuscht hat nach Hause gehen lassen.

Swashbuckle
Wenn es dann überhaupt Verlierer an diesem Abend gab, dann waren das Swashbuckle. Die Piraten-Thrasher aus New Jersey hatten an diesem Abend nämlich das Pech, vor einer noch ziemlich leeren Halle auftreten zu müssen. Grund dafür war dabei weniger ihr zugegeben etwas rumpelnder Auftritt als vielmehr der fleissigen Konzertgängern leider nicht unbekannte Vorfall, dass die Band früher als auf der Z7-Homepage und dem Ticket angekündigt auf die Bretter steigen musste. Kommt dazu noch eine gleich zu Beginn austeigende Gitarre, so ist der Schlamassel natürlich perfekt. Weder von Wind noch Wetter lassen sich echte Seebären aber unterkriegen, und so thrashten Commodore Redrum an der Klampfe und Captain Crashride hinter den Kanonen, angeführt von Admiral Nobeard sofort mit voller Kraft voraus. Während man musikalisch eher wenig überzeugte (von Melodie scheint bei dem Trio niemand was zu halten), brillierten die amerikanischen Freibeuter mit klugen Sprüchen („Drink beer, fuck bitches!“) und ihren beiden Maskottchen Papagei & Haifisch, welche zu „Cruise Ship Terror“ die wenigen Anwesenden zu Circle-Pits animierten. Eine Band, die durch ihre liebevollen Kostüme und dem Spektakel absolut sehens-, jedoch nicht wirklich hörenswert gewesen ist. (kis)

Ex Deo
Die Recken von Kataklysm haben sich unter dem römischen Banner mit Namen Ex Deo eine zweite Spielwiese erschaffen. Dort können sie gewisse Elemente, die vielleicht bei ihrer Hauptband nicht reinpassen, verarbeiten und sich austoben. Auf ihrem Debutalbum haben sie das Thema des alten Roms aufgegriffen. „Romulus“ heisst das Machwerk und ist wirklich ein kraftvolles Album geworden. Die Bühne im Z7 war mit römischen Dekoartikeln geschmückt, und nach einem Intro kamen die Jungs auf die Bretter. Maurizio war in einer Lederpanzerung gekleidet und mimte den römischen Feldherrn. Vom ersten Ton an war klar: „The Legions Are Marching“. Gewaltig, wuchtig und düster kam das Ganze daher. Das wurde auch vom Licht her gut umgesetzt, obwohl es dort ein paar Probleme gab, bei denen gewisse Einsätze etwas verpasst wurden. Musikalisch ist das Projekt sicher weniger rasend als die Hauptcombo, aber nichtsdestotrotz ist die gewohnte Kraft und Power da. Die Jungs haben einfach eine unheimliche Tightheit, und ein kompaktes Zusammenspiel daraus resultiert dann ihre Power. Die Band wurde gut gefeiert, aber nicht gerade frenetisch. Der Sound war einfach schleppend, düster und theatralisch gewaltig, wie wohl auch das alte Rom zu seiner Zeit war. An dem Auftritt gab es nicht wirklich was auszusetzen. „Veni, Vidi, Vici“, würden die alten Römer wohl dazu sagen. (and)


Alestorm
Direkt aus dem Kolosseum ging’s dann mit Alestorm wieder zurück auf hohe See. Hatten die Schotten in der Vergangenheit live nicht gerade die besten Referenzen erworben (zu unpräzise!), konnten das Trio um den feixenden Steuermann Chris Bowes an diesem Abend alle vorherigen Eindrücke revidieren. Tight und energisch wurde mit „The Quest“, dem Opener ihres Zweitlings „Black Sails At Midnight“ in die gleichzeitig dreckige und bombastische Welt von Säbeln, Augenklappen und Kanonenkugeln eingetaucht, und schon beim folkigen „Wenches And Mead“ hatte man das langsam ziemlich volle Z7 in der Tasche. Optisch zwar weniger Piraten-like (alle oben ohne), dafür umso rumgetränkter im Sound animierten die Briten mit Songs wie „Nancy The Tavern Wench“, „That Famous Ol' Spiced“ oder “Kheelhauled“ die Anwesenden zum Schunkeln und Johlen. Davon angesteckt gesellten sich auch die beiden Swashbuckle-Maskottchen auf die Bretter, und selbst Admiral Nobeard liess es sich nicht nehmen, während „Over The Seas“ aufzutauchen. Dass man sich dem mitgröhlkompatiblen Sound Alestorms nach ein paar Bierchen nicht mehr erwehren kann, ist zwar schon seit ihrem Debut „Captain Morgan's Revenge“ klar geworden, doch live hatten es die Jungs bis anhin noch nie hingekriegt, dermassen abzuräumen. Nicht zuletzt durch die Eingliederung ihres neuen Bassisten Gareth Murdoch, welcher agil und druckvoll aufspielt, wurde das wohl bewerkstelligt. Mit dem rasanten „Captain Morgan's Revenge“ und dem singalong-provozierenden „Wolves Of The Sea“ fand so ein fulminanter Raubzug viel zu früh sein Ende, nach welchem erstens klar wurde, dass das Duell der Piraten-Metaller ganz klar von Alestorm gewonnen wurde und zweitens die schottischen Freibeuter nach diesem Gig nicht wenige neue Crew-Mitglieder für weitere Schandtaten gefunden haben werden. (kis)

Unleashed
Das gute an der Zusammenstellung der Bands in diesem Billing war die Abwechslung. Fröhliche Bands übergaben das Mikro der ernsten Fraktion und anders herum. An vierter Stelle war es an der Zeit, wieder einmal die härtere Fraktion zu Wort kommen zu lassen. Mit den schwedischen Unleashed kam eine seit 20 Jahren bestehende Old School-Death Metal-Band zum Zug. Es gab zwar Stimmen, die sagten, dass sie nicht wirklich ins Billing passten, aber ich bin da etwas anderer Meinung. Sie selber bezeichnen ihren Stil als Viking/Death Metal, und auch, was die Texte anbelangt, ist das purer, ernster Pagan und Viking. Dank ihrer langjährigen Erfahrung boten sie eine solide und professionelle Show. Double Base und Riffs boten einen harten, mal schnellen und mal auch bedächtig schleppenden Unterboden, der mit der harten Stimme von Johnny kraftvoll ergänzt wurde. Die Band hatte sichtlich Freude daran, wieder mal auf Schweizer Boden zu spielen und jagten Hit um Hit in die gut vorgeölten Gehörmuscheln der Zuschauer. Auch ihr Stageacting war routiniert: Es wurde gebangt und gerockt. Man merkte deutlich, dass es Einige in den Fanreihen gab, die mit dem Death Metal des schwedischen Hammer-Battalions nicht warm wurden, und die Reihen lichteten sich etwas. Gut, es kann auch daran liegen, dass es wirklich heiss in der Halle war und sich viele nach bereits 3 Acts mal frische Luft und Getränke gönnen wollten. Mit „Death Metal Victory“ beendeten sie einen wirklich guten und satten Gig standesgemäss und machten Platz für die nächste, eher lustige Formation. (and)

Die Apokalyptischen Reiter
Grinsen statt Grimmen und Feiern statt Frösteln. Nach der eher anstrengenden Ernstigkeit von Unleashed kletterte die Stimmung sofort wieder in den oberen Bereich des Party-Barometers, denn mit „Wir sind das Licht“ von ihrer letzten Scheibe „Licht“ (2008) entfesselten die Apokalyptischen Reiter einen metallischen Sturm, der bis ans Ende ihrer einstündigen Show nicht abflauen sollte. Egal, ob “Revolution“, „Es wird schlimmer“ oder „Riders On The Storm“, das Publikum wie die Band wirken völlig von der Rolle, sprangen, tanzten und gröhlten mit, was das Zeug hielt (was einmal mit unglaublichen 113 dB zu Buche schlug). Mit ihrem extremen und dennoch melodiösen, poetischen Metal schienen die Weimarer den Nerv des Publikums total zu treffen, was auch auf die Reiter selbst ansteckend wirkte. Der Doktor in seiner Latex-Kluft hielt es selten lange hinter seinem, vom Bühnennebel oftmals völlig verschleierten Keyboard mit Schaukel aus und gab zusammen mit einem stimmlich hervorragenden Fuchs am Bühnenrand den Animator, während Volk-Man am Bass zusammen mit dem neuen Klampfenvergewaltiger Ady die Flanken beackerte. Materialmässig hielt man sich dabei fast ausschliesslich an die kreativen Ergüsse der letzten paar Jahre, einzig das brachial-gewaltige „Licked By The Tongues Of Pride“ von „All You Need Is Love“ (2000) schaffte es aus den alten Tagen ins Set. Natürlich durften bei den Reitern auch die obligaten Showelemente nicht fehlen: Archaischer Percussion-Teil mit Merlin von Eluveitie (Drum-Tech auf der Tour) hinter den Kesseln, eine holde Jungfrau, welche zu den Klängen von „Seemann“ besungen und danach auf einem Gummiboot vom Publikum aus der Halle (!) getragen wurde und aufblasbare, schwarze Gummi-Pferde als Alternative zu den sonst so beliebten Bällen. Dazu noch die Bandhymne „We Will Never Die“, und die absolute „Reitermania“ war perfekt! Natürlich gäbe es noch dutzende Tracks zu spielen, doch der Zeitplan war unumstösslich, und so reichte es danach nur noch für eine kurze Verbeugung und es entstand der Eindruck, dass die Reiter in der Schweiz selten so euphorisch empfangen wurden wie an diesem Abend. Die nachfolgenden Korpiklaani konnten nach diesem metallischen Exzess nur noch blass wirken. (kis)

Korpiklaani
Nach der Reitermania war es an der Zeit, die letzte Band des Abends auf die Stage zu holen. Wem nicht klar war, wer es ist, erkannte es sofort am mit einem grossen Geweih verzierten Mikroständer: Es war Zeit für den Klan des Waldes. Ich fand es passend, dass man als Abschluss etwas Folk Metal geniessen konnte. Schon wenn man den Blick aufs Drumpodest richtete, sah man, um was es ging. Die Finnen hatten wohl Angst, auf der Bühne verdursten zu müssen. Aber sie haben nicht ans Z7-Team gedacht, welches reichlich Gerstensaft für ihre trockenen Kehlen bereitgestellt hatte. Die Waldbewohner stapften mit richtig fettem Grinsen im Gesicht auf die Bühne und legten gleich gut und energiegeladen los. Die Show wurde mit ihrer Single „Wodka“ eröffnet. Sie schöpften aus dem Vollen und boten gute Korpiklaani-Qualität. Was Songauswahl und auch Leistung angeht, konnten sie locker mit ihren fünf Vorgängern mithalten. Sie waren super gut gelaunt, und das sprang auch aufs Publikum über: Es wurde mitgesungen, getanzt und gemosht. Die Haare und die Fäuste flogen nur so durch die Luft, dass es eine wahre Freude war, zuzuschauen. Auch das Grinsen der Bandmember wurde zusehends breiter. Mit Ihrem ‚Gute Laune’-Humpa Metal konnten sie die letzten Kraftreserven aus den Fanreihen rausziehen. Musikalisch gab’s nichts auszusetzen. Dank ihrer Tourfreudigkeit sind sie bestens aufeinander eingespielt und boten ein absolut routiniertes Set. Man läuft natürlich etwas Gefahr, festgefahren zu wirken, aber an diesem Abend hatte ich den Eindruck keineswegs. Bei den ruhigeren Songs merkte man dem Publikum schon an, dass ihnen die Müdigkeit in den Knochen steckte, die Stimmung sank immer etwas ab. Die Band konnte das aber sofort wieder mit den richtigen Party-Songs auffangen. Von Stück zu Stück fing die Stimmung immer mehr an zu kochen. Band und Zuschauer peitschten sich gegenseitig zu Höchstleistungen auf. Gegen Ende tobte der Mob - was will man mehr als amtlicher Feiersound mit harter, treibender Untermalung? Die Waldschrate aus dem hohen Norden wussten einfach genau, wie sie die Leute auch bis zum Schluss mobilisieren konnten. Ein absolut würdiger Abschluss eines wirklich zufriedenstellenden Abends. Horns Up! (and)