Livereview: Pure Inc. - Tempesta
05. Dezember 2008, Sedel Luzern
by Roger W.
Luzern bezeichnet sich gerne als Rock City! Allerdings, so wird nach dem Konzert von Pure Inc. und Tempesta klar, gilt dies nicht für alle Spielarten des Rocks. Denn der Publikumsaufmarsch an diesem Abend war doch eher mager. Umso mehr freute es, dass sich sowohl Tempesta und vor allem Pure Inc. nicht beirren liessen, und grosse Spielfreude zeigten. Gerade letztere waren durch die kurz vorher absolvierte Europa-Tournee im Vorprogramm von Jorn Lande bestens eingespielt, und machten klar, dass sie es eigentlich verdienen würden, vor frenetischen Massen abgefeiert zu werden. An diesem Abend, mussten sie aber den Umständen entsprechend deutlich kleinere Brötchen backen.

Tempesta
Dank einem Autonavigationsgerät hatten Tempesta den Sedel sicher gefunden und standen pünktlich auf der Bühne. Mitten in den Aufnahmen zum neuen Album, schien die Band das Abrocken richtig zu geniessen. Vom künftigen Silberling wurde aber noch nichts gespielt. Dafür konzentrierten sich Tempesta lieber auf den aktuellen Longplayer „Fulltime Joker“ und bauten hie und da eine Coverversion ein. „Pain“ eröffnete den Reigen und machte gleich klar in welche Richtung der Auftritt gehen würde. Modern-Rock war angesagt, mal rhythmisch hard rockig, dann wieder groovig und meist mit einer Lead-Gitarre, welche einem in einem warmen Ton Geschichten erzählen wollte. Sänger Reto Thalmann führte durch die Songs und sang zusammen mit Gitarrist Pascal Fuchs und Bassist Ruedi Kälin die Backing Vocals so überzeugend, dass mancher das Gefühl hatte, das Gehörte käme direkt ab Band bzw. CD. Eine kurze Rückfrage nach dem Auftritt schaffte aber Klarheit. Der besagte Bassist bestand heute seine Feuertaufe mit bravour und dürfte den Tempestas in dieser Form wohl noch lange erhalten bleiben. Als Höhepunkt stellte sich schliesslich „Opposite“ heraus. Der Song wird schon seit der selbst produzierten Platinum-CD immer wieder in verschiedenen Versionen aufgenommen und gespielt. Am heutigen Abend flechtete Pascal Fuchs gekonnt das göttliche Gitarren Solo vom Pink Floyd-Klassiker „Comfortably Numb“ ein. Einfach grandios! Anschliessend konnte nur noch der obligate „Whiskey In The Jair“ in der Metallica-Version folgen. Insgesamt war es ein ordentlicher Auftritt, der allerdings durch die nun folgenden Pure Inc. deutlich in den Schatten gestellt wurde.

Pure Inc.
Eigentlich braucht es ja nicht viel, um auch vor wenig Leutchen zu überzeugen. Eine Handvoll guter bis genialer Songs, einen Bass- und eine Gitarre inklusiv Verstärker, ein Schlagzeug, ein Mikrofon und ein paar Menschen, die nicht nur diese Instrumente beherrschen, sonder auch gut miteinander auskommen. Natürlich hilft es, wenn man bereits ein paar Konzerte hinter sich gebracht hat und somit eingespielt ist. Eine der grössten Stärken von Pure Inc. an diesem Abend war aber, dass das ganze nicht nur ordentlich klang, sondern auch sehr unterhaltsam und spontan aussah. Wenn Sänger Gianni seine Faxen mit Gitarrist Sandro trieb, ihn bei den Ansagen leicht provozierte oder eine kurze Bierpause einlegte, dann vergas man wirklich den Alltag. Das Set konzentrierte sich auf das neue Album „Parasites And Worms“ und brachte Aggressoren wie „The End“ oder „Serenade Of Aggression“ neben ruhigeren Songs à la „Home“. Das Publikum nahm die Musik zurückhaltend aber trotzdem wohlwollend auf. Auch ältere Lieder wie „I’m A Rolling Stone“ und vor allem „Fear My Eyes“ schafften es bis nach Luzern. Über Giannis übermenschliches Organ muss sowieso nicht mehr diskutiert werden. Und als die Band zum Schluss noch den Led Zeppelin-Klassiker „Immigrand Song“ zum Besten gab, wurde eindrücklich klar, dass man so was nur von wenigen Schweizer-Sängern so überzeugend vorgetragen bekommt. Natürlich war das Publikum auch bei Pure Inc. eher prüde und verhalf dem Konzert damit nicht zu einem Jahreshighlight zu werden. Nimmt man aber das Bühnengeschehen für sich alleine, so schäme ich mich nicht dieses rare Prädikat zu vergeben. Fürs nächste Mal wünsche ich mir wieder eine Bombenstimmung, wie sie im 2006 im Vorgprogramm von Motörhead im Volkshaus war. Man darf ja träumen.

Playlist: The End, Evenmore, Saviour, BLVD. Jam, I’m A Rolling Stone, Carrie’s Alone, Home, Darkened Glow, Raise Hell, Drowning In Your Blood, … Serenade Of Aggression, The Last Remaining Song, Fear My Eyes, Immigrant Song