Livereview: Queensrÿche

29. Oktober 2013, Aarburg – Moonwalker Club
By Rockslave
Wer als Fan harter Mucke auch die progressive Seite mag, kommt keinesfalls an Queensrÿche vorbei. Die Frage ist nur, von welchen Jahrgängen wir ausgehen. Meiner Generation war es halt vergönnt, die Anfänge und die Blütezeit der Amerikaner aus Seattle mitzuerleben. Wer aber zwanzig Jahre jünger ist, also zum Beispiel den Jahrgang 1984 trägt und damit just dann auf die Welt gekommen ist, als ein Album mit dem Titel «The Warning» veröffentlicht wurde, dürfte erst in der Phase um die Jahrtausendwende herum auf die Geoff Tate & Co. gestossen und nicht wirklich begeistert gewesen sein. Die einstige Supergroup war kompositorisch in eine Sackgasse geraten und versuchte zunächst mit einem reichlich uninspirierten Nachfolger des Jahrhundert-Epos «Operation Mindcrime» wieder Boden gut zu machen. Das gelang nicht, warf aber immerhin eine kultige Festival-Tour ab, wo gleich beide Epen am Stück durchgespielt wurden. Besserung trat erst 2009 mit «American Soldier» ein, doch der erhoffte Neuanfang wurde es nicht, zumal sich dann die Band mit Geoff und/oder umgekehrt überwarf. Folge davon war der unvermeidliche Split im Frühsommer 2012 und die Tatsache, dass es zur Zeit zwei Combos mit dem gleichen Namen gibt. Wie lange noch, werden Anwälte erst im nächsten Jahr entscheiden. Bis dahin sind/waren beide Gruppe live unterwegs und gemessen an den aktuellen Alben ist der Ur-Sänger immer noch Lichtjahre weg von dem, was den Erfolg der ersten vier Alben begründete und steht eh irgendwie schon eine Weile neben den Schuhen!

Queensrÿche

Schon die erste Ankündigung im Frühling versetzte die Anhängerschaft in helle Aufregung: Queensrÿche kommen in den Aargau, genauer ins Städtchen Aarburg und gastieren für das einzige Schweizer Konzert im „Moonwalker Club“! Man musste sich wirklich zuerst ein paar Mal die Augen reiben, um das glauben zu können. Wobei es aber nicht so ist, dass nicht schon andere Szene-Grössen wie Nazareth oder Uriah Heep sowie viele andere bekannte Bands und Musiker dagewesen wären. Seattles Finest hätte man aber nicht wirklich hier erwartet. Dass man sich dann aber promobedingt noch ein paar Monate gedulden musste, schmälerte die Freude nicht im Geringsten, im Gegenteil. Anfangs Juni kam ja die neue erste Scheibe der Ära Todd La Torre auf den Markt und man wollte zuerst in der Heimat die Werbetrommel dafür richtig schlagen, respektive die ganze Sache entsprechend pushen. Ende Oktober war es dann aber endlich soweit: Todd und seine neuen Band-Buddies Michael Wilton (g), Eddie Jackson (b), Scott Rockenfield (d) und Parker Lundgren (g) enterten die Bühne des ausverkauften Moonwalker zu Aarburg und das anwesende Publikum wurde in der Folge Zeuge einer regelrechten Wiederauferstehung. Ein erster Blick auf die Setliste liess Altfans jetzt schon frohlocken, denn der Opener war in der Tat «Queen Of The Reich»!! Das musste man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen, denn wie lange hatte man den Oberkracher nicht mehr live zu Gehör bekommen?! Es war wirklich geschichtsträchtig, was da gerade losgetreten wurde. Die Band spielte von Anfang an tight auf und Todd La Torre gab sich dabei nicht die kleinste Blösse. Dass dieser seinem Vorgänger weitgehend ähnlich ist, darf getrost als die gleiche glückliche Fügung bezeichnet werden, wie sie Judas Priest zwischen 1997 und 2003 mit Tim „Ripper“ Owens fanden. Ich stand die ganze Zeit über direkt vor der Bühne (in dieser Location gibt es nämlich keine Abschrankungen) und so stand die ganze Band näher bei den Fans als jemals zurvor in der Schweiz. Ich musste mir wirklich schier in den Hintern kneifen um mich zu vergewissern, dass ich nicht am Träumen war. Und nun gab es kein Halten mehr und selbst das Fehlen einer Support-Band war schon jetzt absolut kein Thema mehr.

«Speak» und «Walking In The Shadows» gingen ebenso runter wie Öl. Die Tour, die unter dem Banner „Return To History» lief, zeigte eine Band, die wieder mit massig Freude spielte und einen Sänger, der als Fan nun seine Lieblingssongs gleich selber performen kann. Vom 84er Kult-Debüt «The Warning» kamen nicht weniger als sechs Songs, also gleich zwei Drittel des ursprünglichen Original-Albums! Da meine Trommelfelle im Verlauf der Jahre „etwas geschädigt“ wurden und ich seitdem einen „Mini-Tinnitus“ spazieren fahre, gibt es für mich eigentlich keine Gigs mehr ohne entsprechend eingesetzten Ohrschutz. Bei «Warning» musste ich aber wieder einmal eine Ausnahme machen und alles so zu sagen in mich aufsaugen. Headbangend in der vordersten Reihe und lauthals den Refrain mitsingend…, was gibt es Schöneres für einen Metalhead?! Es war einfach nur genial und die Fans gingen ab wie ein Zäpfchen. Das neue selbstbetitelte Studioalbum kam natürlich auch zu Ehren und dabei zeigte sich, dass dieses Material schon ganz ordentlich daher kommt und sich gut inmitten all der Klassiker anstellte. Von «Operation Mindcrime» hätte man natürlich gerne noch etwas mehr gehört, aber das war zu erwarten, dass hier nur ein paar Perlen zum Zuge kommen werden, wobei es letztlich dann doch immerhin vier waren. Die Frage zum Schluss stellte sich also, was «Empire» abwerfen und ob «Silent Lucidity» dabei sein würde oder nicht. Letzteres war schliesslich schnell beantwortet, da die erste Reihe ja einige der Bühnensetlisten direkt vor sich liegen hatte. Mir persönlich hat eine der besten Rock-Balladen dieses Planeten schon irgendwie gefehlt, aber mit «Take Hold The Flame» wurde das begeisterte Aarburger Publikum noch ein letztes Mal aus der Reserve gelockt und dann war das Ganze nach etwa 105 Minuten leider bereits vorbei. Was blieb, war die Gewissheit, dass man soeben dem überzeugenden Aufbäumen einer Legende beiwohnen durfte und noch lange daran zurück denken wird. Das Tourshirt wird dieses einzige Schweizer Konzert dieses Jahres in die Welt hinaus tragen und es bleibt zu hoffen, dass wir die Jungs bald wieder sehen und hören werden. A propos Sound: Es brauchte zuerst eine gewisse Zeit, bis es wirklich passte, doch dann war alles in Butter und meine Ohrstöpsel „leider“ mehrheitlich trotzdem wieder drin.

Setliste: «Queen Of The Reich» - «Speak» - «Walk In The Shadows» - «The Whisper» - «En Force» - «Child Of Fire» - «Warning» - «X2 (Intro)» - «Where Dreams Go To Die» - «Midnight Lullaby (Intro)» - «A World Without» - «Guitar Solo (Michael Wilton and Parker Lundgren)» - «The Needle Lies» - «NM 156» - «Roads To Madness» - «Fallout» - «My Empty Room» - «Eyes Of A Stranger» - «Empire» -- «Jet City Woman» - «Take Hold Of The Flame».