Livereview: Rock Meets Classic
 (Ian Gillan/Steve Lukather/Chris Thompson/Robin Beck/Jimi Jamison)
13. Januar 2012, Sursee - Stadthalle
By Rockslave
Was mal als Idee aufkam und flugs in die Tat umgesetzt wurde, hat sich mittlerweile zu einem festen Event gemausert, der offenbar immer mehr Zustimmung findet. Die Kombination zwischen Klassik und Rock ist ja an sich nichts Neues, aber immer eine Frage der Umsetzung. Fakt ist auch, dass es durchaus ein Zielpublikum gibt, das notabene mit dieser Musik aufgewachsen ist, respektive diese in jungen Jahren kennen und lieben gelernt hat. Was liegt da näher, als eine dezentere, sprich nicht so heftige Form zu suchen, die es gar fertig bringt, auch laufend mehr junge Fans zu erreichen, die dabei nicht selten auch ihre Eltern mit im Schlepptau haben. Für mich war es nach 2010 (am gleichen Ort wie heute Abend) und letztes Jahr in Basel bereits die dritte «Rock Meets Classic» Night. Abermals (wie 2011) war Deep Purple Frontmann Ian Gillan als quasi Headliner verpflichtet worden. Begleitet wurde er heuer von Jimi Jamison (Ex-Survivor), Robin Beck, Chris Thompson (Ex-Manfred Mann's Earth Band) und Steve Lukather (Toto). Somit fand meine letztjährige, abschliessende Bemerkung in Sachen Lineup so zu sagen Gehör. Das Ganze wurde musikalisch wiederum vom gleichen Klassik-Orchester und der Mat Sinner Band eingerahmt. Mit von der Partie war natürlich auch wieder Gitarrist Alex Beyrodt, der so zum zweiten Mal allabendlich seinem Idol Ritchie Blackmore frönen durfte.

Intro / Auftakt mit dem Orchester
Pünktlich um 20.00 Uhr gingen die Lichter in der komplett bestuhlten und dem Vernehmen nach ausverkauften Halle aus. Das "Bohemian Symphony Orchestra Prague" unter der Leitung von Bernard Fabunjan ging in Stellung und brachte erstmal einen Ausschnitt aus Maurice Ravel's «Bolerò», das fliessend in den Van Halen Smasher «Jump» überging. Die Leadvocals übernahm ein mir bislang unbekannter Typ namens Sascha Krebs, der nebst schauspielerischen Fähigkeiten und Engagements als Sprecher vor allem viel Erfahrung als Musical-Darsteller hat. Den Guitar Solopart hatte Oliver Hartmann inne, der nebst seiner eigenen Band ja auch bei Avantasia mit dabei ist und auf der RMC-Tour somit der Sidekick von Alex Beyrodt sein durfte. Das Ganze hörte sich soweit noch recht flott an, aber dass die Wahl des Openers auf «Jump» fiel, überraschte doch etwas. Die Orchesterversion schlug sich jedoch tapfer und machte Appetit auf den weiteren Verlauf des Programms.

Songs: «Bolerò» - «Jump».

Jimi Jamison
Die Ouvertüre des Starreigens oblag dem ehemaligen Frontmann von Survivor, der, wie alle anderen Gäste des Abends, durch Bassist Mat Sinner angesagt wurde. Als erster Song erklang «Burning Heart», ein bekannter Hit, der zum Film «Rocky IV» geschrieben wurde und 1986 in der Schweiz gar eine Nummer 1 absetzte. Nachdem Jimi seine Stimmbänder relativ rasch auf Betriebstemperatur bringen konnte, konnte er seine immer noch tadellose Gesangsstimme voll aktivieren. «Didn't Know It Was Love» von 1988 kam darauf ebenso gut und das mit akustischer Gitarre untermalte «The Search Is Over» (1984) liess keinen Zweifel darüber aufkommen, wie guter Melodic Pop Rock daher kommen muss. Survivor wurden eigentlich in der öffentlichen Wahrnehmung lange Zeit auf ihren Überhit «The Eye Of The Tiger» reduziert. Dabei ging zumindest in Europa etwas unter, was für eine geile Melodic Rock Band das mal war. Eine weitere Stärke von Survivor waren/sind Herzschmerz-Balladen vom Feinsten und so eine brachte Jimi mit «The Search is Over». Zur Überraschung und Freude des bereits gut gelaunten Publikums kam Herr Jamison von der Bühne runter und zog singend eine Runde durch den bestuhlten Bereich der Halle. Als letzter Song kam dann natürlich das allseits erwartete "Auge des Tigers" (übrigens auf dem Soundtrack von Rocky III zu finden) und sorgte für den ersten Grossapplaus dieses Events.


Songs: «Burning Heart» - «Didn't Know It Was Love» - «The Search is Over» - «I Can't Hold Back» - «Eye Of The Tiger».

Robin Beck
Wer dachte, dass die kleine Sängerin mit der grossen Stimme irgendwie nicht hierhin passt, hatte wohl bloss «First Time», ihren einzigen, grossen Hit von 1988 im Kopf. In der Tat musste sie deswegen mit dem Nimbus eines "One Hit Wonders" leben. Die Frau von House Of Lords Frontmann James Christian hat aber seit 1979 bis 2007 sieben Alben veröffentlicht und dabei mehrheitlich lupenreinen AOR abgeliefert. Robin kam freudestrahlend und mit aufgesetztem Hut auf die Bühne und legte mit «Hide Your Heart» ab dem zweiten Album «Trouble Or Nothin'» (1989) los. Ihre schöne, kräftige Stimme kam glasklar rüber und ihre Ausstrahlung war echt beeindruckend. Es folgte «Tears In The Rain» (ebenso von 1989) und auch dieser Song erfüllte alle Anforderungen an einen schönen Rocksong. Hierzu schälte sich dann eine gross gewachsene, blonde und sehr nett anzuschauende Geigerin aus dem Orchester heraus und solierte zwischen Oliver und Alex. Inzwischen ohne Hut intonierte Robin dann beim dritten Song bereits ihren Überhit und spätestens jetzt hatten dann auch die letzten Besucher heraus gefunden, wo sie die Frau Beck hintun mussten. Hierzu erreichte die Stimmung im Publikum den Höhepunkt und man hätte sehr gerne noch mehr davon gehabt, doch nach etwas mehr als nur einer Viertelstunde war das Gastspiel der sympathischen Amerikanerin auch schon wieder vorbei. Dies kam eigentlich einer leisen Enttäuschung gleich, denn in Europa hatte Robin Beck klar mehr Erfolg als in der Heimat einheimsen können.

Songs: «Hide Your Heart» - «Tears In The Rain» - «First Time».

Chris Thompson
Ein guter Teil des Publikums der «Rock Meets Classic» Tour 2012 dürfte sich wohl speziell auf den ehemaligen Frontmann der Manfred Mann's Earth Band gefreut haben, so auch ich! Und dies sogar ausgesprochen, denn meine letzte (Konzert-) Begegnung mit Chris geht zurück bis ins Jahr 1986, wo Manfred Mann und seine Jungs noch das Hallenstadion in Zürich auszuverkaufen vermochten! Seither hat sich die unabdingbare Charakterstimme in den letzten Jahren trotz ein paar Solo-Alben und weiteren Szene Engagements in der öffentlichen Wahrnehmung eher rar gemacht, wenn man mal von ein paar Live-Auftritten mit einer eigenen Tourband und den Studio-Credits für die MMEB-Alben «Soft Vengeance» (1996) «2006» (2004) absieht. Der Zahn der Zeit nagte augenscheinlich auch an Herrn Thompson, der aber grundsätzlich sehr fit wie agil wirkte und eigentlich bloss kein Haupthaar mehr spazieren führt. Bevor dieser nun die Bühne in Sursee betrat, intonierte das Orchester noch die «Peer Gynt Suite», die brav von den Sitzplätzen aus beklatscht wurde. Viel lauter fiel der Applaus natürlich aus, als Chris vor das Mikrophon trat. Als er dann aus voller Kehle die bekannte Melodie von «The Voice» anfing zu singen, schauten sich einige Leute verdutzt an und sagten sich (wie ich) "hey, das ist doch der Hit von John Farnham"! Chris konnte sich wohl jeweils ein verstecktes Grinsen nicht verkneifen und nahm gleich nach dem Lied Stellung dazu, indem er die allgemeine Verwunderung sogleich auflöste. Wer sich über diesen Song wundere, den doch John Farnham vor langer Zeit (1986) mal gesungen habe, nehme zur Kenntnis dass dieser eben aus seiner Feder stamme! Als dann Keyboarder Jimmy Kresic das bekannte Orgel-Intro von «Davy's On The Road Again» anfing zu spielen, musste man bloss noch die Augen schliessen und hatte sofort das legendäre MMEB-Album «Watch» von 1978 vor dem geistigen Auge. Da kamen gleich wohlige Erinnerungen an manche Jugend-Disco auf, und der gute Chris hatte es voll drauf, zappelte auf der ganzen Bühne rum und trieb sein Publikum fortwährend an. «Blinded By The Light» animierte zum Mitsingen und Alex Beyrodt lieferte ein paar feine Soli dazu ab. Kaum war der Kult-Sänger auf Betriebstemperatur, verkündete der legendäre Rausschmeisser «The Mighty Quinn» leider bereits das Ende des Parts mit Chris Thompson. Knapp an Zeit, aber hammergeil. Danach gab es eine Pause von rund 30 Minuten, die an sich nicht zwingend nötig gewesen wäre, aber kollektiver Harndrang und aufmunitionierte Verpflegungsstände begrüssten diese.

Songs: «The Voice» - «Davy's On The Road Again» - «Blinded By The Light» - «The Mighty Quinn».

Steve Lukather
Ob nun mit seiner angestammten Band Toto oder als Solo-Künstler ist Gitarrist Steve Lukather, der übrigens auch über eine tolle Gesangsstimme verfügt, ein Schwergewicht der Szene. Darum gebührte ihm der Platz als Co-Headliner dieser Tour ohne Wenn und Aber. Dass ihm in den letzten Jahren seine Solo-Sachen eher mehr Freude bereitet haben als zum ungezählten Mal die immer und immer wieder geforderten Toto-Hits zu spielen, war hier und jetzt kein Thema. Es war sehr wohl klar, was die Leute bei «Rock Meets Classic» erwarteten und sie kriegten es auch! «Rosanna» als grammygekrönter Blockbuster machte den Anfang und dass der etatmässige Primal Fear Shouter Ralf Scheepers, der sonst brav im Chörlein (unter anderem mit Amanda Somerville) stand, die Zweitstrophen sang, war alleine schon ein Bild für die Götter! Mit George Harrison's «While My Guitar Gently Weeps» konnte Steve dann noch sein instrumentales Können als Gitarrist aufblitzen lassen und spielte einfach traumhaft. Dieser bekannte Song wurde ja schon vielen anderen Musikern wie Carlos Santana, Eric Clapton, Jake Shimabukuro (auf der Ukulele!!) oder von The Travelling Wilburys interpretiert. Bei Letzteren spielte ja Prince mal live mit und lieferte ein unglaubliches Solo ab. Oliver bediente dann auch eine akustische Gitarre, während Amanda derweil noch Lead-Vocals beisteuerte. Bei «Africa» gab es dann kein Halten mehr auf den Sitzen und plötzlich stand die Halle wirklich Kopf. Steve Lukather machte dabei gute Miene zum "Bösen Spiel" und zockte die Toto-Evergreens mit Spass und Freude runter. Auch wenn es die Band Toto ja offiziell nicht mehr gibt, wurden noch Live-Auftritte absolviert, zuletzt im Sommer 2011. Das Interesse an und die Beliebtheit von Toto sind immer noch deutlich zu spüren. Die Amis hatten ja den Ruf, bei ihren Konzerten so präzis zu spielen, dass man kaum von der Studio-Version abwich und dazu den perfekten Sound ablieferte. «I'll Be Over You» als exzellente Zuckerballade aus der Mitte der 80er hörte sich zusammen mit dem Orchester schlicht grandios an und war eine perfekte Hommage an die Liebe und das Verliebtsein. Gerade bei dieser Musik von Toto war die Verschmelzung mit dem Klassik-Orchester optimal und man hätte so noch manchen, weiteren Hit gerne gehört. Doch die Zeit war begrenzt und darum markierten die ersten Piano-Klänge von Jimmy Kresic und dem unsterblichen Riff von «Hold The Line» bereits den Höhepunkt und Schluss zugleich. Die Stimmung hierzu war ausgelassen und es wurde auch kräftig mitgeklatscht. Die weiblichen Leadvocals bestritt die rassige Tiffany Krikland, die, wie Amanda Somerville, auch schon letztes Jahr mit dabei war. Der eigene Auftritt von Steve Lukather war nun vorbei, doch er sollte schon bald wieder auf der Bühne stehen.

Songs: «Rosanna» - «While My Guitar Gently Weeps» - «Africa» - «I'll Be Over You» - «Hold The Line».

Ian Gillan
Man hält es fast nicht für möglich, aber im kommenden Sommer wird der Frontmann von Deep Purple 67 Jahre alt und dann werden es unfassbare 40 Jahre (!!) her sein, seit in Tokyo Aufnahmen für eines der bekanntesten und besten Live-Alben ever, nämlich «Made In Japan» ent-standen. Deep Purple begleiten mich schon seit meiner Jugend, sind meine erklärte Lieblingsband und hätte mir jemand im Juli 1985 im Hallenstadion bei der Reunion-Tour den heutigen Tag voraus-gesagt, hätte ich das sicher nicht geglaubt. Und nun stand ich also da und durfte mit meiner Kamera Tuchfühlung zu einem meiner Lieblingsmusiker aufneh-men. Das war schlicht "priceless" und wird dereinst mal, sollte ich meine eigenen Memoiren verfassen, mit Bestimmtheit erwähnt. Ian Gillan sah man sein Alter indes überhaupt nicht an, präsentierte sich rank und schlank und war top drauf. Auch das gesamte Orchester war nach dem zuvor intonierten Intermezzo mit «Childs Anthem» wieder bereit und die beiden Gitarristen, im Speziellen Alex Beyrodt, waren ebenfalls ready, und so wurde der Headliner-Lokomotive mit «Highway Star» tüchtig eingeheizt. Natürlich höre ich die Band lieber alleine, aber Deep Purple haben ja unlängst in Montreux wieder demonstriert, dass sich ihre Musik überzeugend mit einem klassischen Background umsetzen lässt. In diesem Genuss kam auch das «RMC-Publikum in Sursee. Mit «Knocking In Your Backdoor» und «Perfect Strangers» folgten zwei Klassiker, die ebenso gut in Szene gesetzt wurden. Allerdings waren die künstlichen Synthie-Klänge von Jimmy Kresic meilenweit von einer echten Hammond entfernt, doch damit musste man halt leben. Ian Gillan's Stimme war an diesem Abend in guter Form und er bestens gelaunt. So witzelte er jeweils etwas herum und verabreichte den Fans ein Müsterchen seines britischen Humors. Doch lieber hörte man ihn singen und das gelang mit der Kult-Ballade «When A Blind Man Cries» vorzüglich. Alex Beyrodt durfte hierzu dann ein weiteres, feines Solo anbringen. Mein persönliches Highlight war allerdings klar «Woman From Tokyo», wo ich zu geschlossenen Augen und Millimeter-Gänsehaut in andere Sphären abdriftete. Überhaupt einer meiner Lieblingssongs von Purple, der live in voller Länge erst in der Ära Steve Morse ab 1995 Tatsache wurde. Ritchie Blackmore spielte auf der 93er-Tour jeweils nur den Anfang und ging dann immer über zu «Paint It Black». Auch wenn der "Man in Black" nicht leibhaftig zugegen war, so verströmte Alex dessen Spirit mit entsprechenden Posen und Soli in rauen Mengen. Zu «Hush» war dann definitiv der Bär los in der Stadthalle und manch ein anwesender Fan von Gotthard wird sich dabei wehmütig an die letzte Tour mit Steve Lee (R.I.P.) erinnert haben, als dieser Song am gleichen Ort performt wurde. Nicht fehlen durfte zum Schluss natürlich der Jahrhundert-Smasher «Smoke On The Water», zu dem sich alle Protagonisten des heutigen Konzert-Abends gemeinsam auf die Bühne begaben und aus voller Kehle mitsangen. Steve Lukather spielte dabei die Leads und es fiel mir sofort auf, dass er das Hauptriff, wie es Herr Blackmore seinerzeit vorgemacht hatte, mit zwei Fingern zupfte und das Ganze deshalb genau so daher kam, wie es musste. Das Fazit zum Schluss fiel überraschend positiv aus und das Fortbestehen dieses erfolgreichen Events hängt nun ganz davon ab, ob sich künftig weitere Acts mit entsprechendem Palmares finden werden.

Songs: «Highway Star» - «Knocking At Your Backdoor» - «Perfect Strangers» - «When A Blind Man Cries» - «Woman From Tokyo» - «Hush» - «Smoke On The Water».