Erinnert ihr Euch noch an die Geschichte des alten
Metal-Heads, der ziemlich genau vor einem Jahr Iced Earth auf der
«MTV Headbangers Ball»-Tour sah und ihm die restlichen Bands
ziemlich am Allerwertesten vorbei gingen? Auch dieses Jahr sollte der
ergraute Metal-Freak einer seiner alten Helden hautnah erleben.
Nämlich Bobby «Blitz» Ellsworth, zusammen mit seinem Abrisskommando von
Overkill. Das schmucke Rahmenprogram um die New Jersey-Thrasher
interessierte den Freak nicht die Bohne, und so wurde es für den
80iger Metaller eine ziemlich lange Wartezeit, bis er sich den
Klängen seiner Helden hingeben konnte.
Deserted Fear
Als Erste standen die Deutschen von Deserted Fear auf der Bühne. Es
war für die Ohren unseres Fans gar nicht einmal eine so schlechte
musikalische Baustelle, denn zumindest gegen Ende des Gigs schienen
die groovigeren Parts zu überwiegen und liessen die Beine im Takt
mitwippen. Was unserem Storyhelden aber gar nicht behagte, war das
Gegurgel und das gekeifte Geschrei von Shouter Manuel Glatter. Das
Quartett liess seine Dismember-liken Songs mit einer Urgewalt
erklingen, dass sich nur ganz Wenige daran erfreuten. Grundsätzlich
schien die Zusammenstellung der Bands viele Fragen offen zu lassen. Startete
mit Deserted Fear doch ein astreiner Death Metal Vertreter mit
runtergestimmten Gitarren und bangenden Haaren. Somit eine Truppe, die
sicherlich die Wenigsten begeistern konnte und für die Fans der
beiden Haupt-Acts eher eine Belustigung war. Der Vierer war zwar bemüht,
versuchte mit lockeren Sprüchen das Publikum aus der Reserve zu
locken und liess den Rhythmus zwischen Blast-Speed und metallischem
Groove erklingen. Viel blieb jedoch trotzdem nicht hängen, und so
verstummte der Applaus sehr schnell. Entpuppte sich das Publikum
bei Deserted Fear als eine ziemlich überschaubare Menge, füllte
sich das Z7 zu Insomnium zusehends…
Insomnium
Die finnischen Melodic Death Metaller erinnerten stark an diese
verspielten, mit Pink Floyd durchtränkten Suizid-Melodien. Mit
wehenden Haaren, einer sympathischen Art und teils ruhigen und
folkloristischen Sounds zogen Insomnium viel mehr Leute, als noch
Deserted Fear. Unserem Banger gefielen die Finnen bedeutend besser,
da sie es verstanden, leicht einprägsame Melodien zu schreiben, die
einen gewissen Wiedererkennungsgrad besitzen. Dass unser Held dabei
gleich zum Fan mutieren würde, wäre dann doch zu viel des Guten. Aber
nach dem Brutal-Brocken von Deserted Fear war der Insomnium-Sound
eine gute Abwechslung, und heimlich ertappte sich unser Metal-Held dabei,
wie er sich an Momente von Sentenced erinnerte. Dass die Finnen an
diesem Abend die Schweiz als besseres Publikum als die Franzosen
betitelten, hatte sicher etwas Sympathisches, aber auch irgendwie
etwas Vorhersehbares. Was würde die Band wohl am kommenden Abend in
Deutschland sagen…? Fazit für den Banger: "Ein Song klingt wie der
andere, besitzt sphärische Momente und macht Laune". Eine Laune, die
aber schnell wieder verklingt, auch wenn der Applaus um einiges
lauter war als bei Deserted Fear. Trotzdem sollte der absolute
Höhepunkt noch folgen, und das war nicht nur in den Augen unseres
Overkill-Freaks seine Lieblingsband…
Overkill
Erstaunlicherweise fühlte sich das Z7 bei Overkill sehr gut und
leerte sich nach deren Performance auch gleich wieder. Es ging
vielen so wie unserem Story-Helden, welche den weiten Weg nur unter
die Räder nahmen, um Bobby (Gesang), D.D. (Bass), Derek (Gitarre),
Dave (Gitarre) und Neutrommler Jason Bittner zu sehen und danach
gleich wieder die Rückreise anzutreten. Mit «Mean, Green, Killing
Machine» startete der Fünfer getreu dem Motto: "Vollgas! No
bullshit" das Set. Mit welcher Wucht die Jungs ihr Material ins Z7
pfefferten, sucht Seinesgleichen, auch wenn man weiss, dass Bobby
kurz vor seinem 60. Wiegenfest steht. Ein ganz wichtiger Bestandteil
ist neuerdings Trommler Jason Bittner, der von Flotsam And Jetsam
den Weg zu Overkill fand. Mit einer unglaublich präzisen Schlagkraft
donnerte er den Beat ins Z7 und liess dabei seinem Donnerfuss ebenso
viele Freiheiten, wie seinen Snare- und Becken-Schlägen. Mit D.D.
als rhythmische Unterstützung am Bass, hat Jason einen sehr
erfahrenen Mann in Sichtweite. Die Gitarrenfront hat an
schneidenden Elementen nichts verloren, sondern lässt noch immer die
Kreissäge aufheulen. Speziell Dave soliert sich dabei in den siebten
Himmel. Die Riffs schnitten das Z7 feinsäuberlich in kleine Blöcke
und hinterliessen keine Gefangenen. Vor ihnen dirigierte Bobby,
neuerdings mit einem Schnurrbart, mit seinem kreischenden Gesang die
Fans nach Belieben. Seine mechanischen Bewegungen gehören zu seiner
Performance wie das Amen in der Kirche. Mit «Rotten To The Core»
stieg der Lärmpegel im Z7 ins Unermessliche und zeigte, welche Power
und Animationskraft dieser Song heute, nach über 33 Jahren, noch
immer hat.
"You still out there? No pussies you
motherfucker", krächzte der Sänger mit einem breiten Grinsen ins Z7
und liess die Stimmung überkochen. Mit «Electric Rattlesnake» und
dem umverwüstlichen «Hello From The Gutter», welches von einer
gnadenlosen und voranpeitschenden «Wrecking Crew»-Version abgelöst
wurde, sorgten dafür, dass alle, ausnahmslos alle, sich glückselig
in den Armen lagen. "Danke schön meine Freunde, alles klar?", wollte
Mister Ellsworth in fast akzentfreiem Deutsch von seinen Fans
wissen, um das Z7 anschliessend als "second home" von Overkill zu
bezeichnen. «Goddamn Trouble» und «Ironbound»,
mit
einem unglaublichen akustischen Mittelpart und fantastischen
Doppel-Leads, sorgten für ein weiteres Freudenfeuer unter den Fans,
bevor der Hassbolzen «Elimination», mit einem aufgepeitschten Derek
("what a crazy motherfucker!") an der Gitarre für grosses Aufsehen
sorgte. Diese Nummer wurde nochmals eine Spur schneller vorgetragen,
als auf Tonträger und ebnete den Weg für das abschliessende «Fuck
You».
Overkill waren der eigentliche Headliner und mussten
mit einer Spielzeit von knapp 55 Minuten leider viel zu früh von
der Bühne. Wer auch immer die Konstellation zusammenstellte… Für die
Fans war es ein Schlag ins Gesicht, dass Die US-Boys nicht als
letzte Truppe auf die Bühne stiegen. So spielten die Cavalera-Boys
vor mindestens einem Drittel weniger Publikum auf… Zumindest unser
Overkill-Maniac verliess nach Overkill sehr zufrieden das Z7,
interessierte sich nicht die Bohne für den «Affen-Thrash», wie er
den Sound von Return To Roots "liebevoll" nannte und bekam an diesem
Abend nach einer längeren Wartezeit, was er wollte, nämlich eine gehörige
Portion US-Thrash.
Return To Roots Es
ist ja schon eine komische Geschichte. Da streiten sich die ach so
familiären Jungs von Sepultura, dass zumindest Max (Gitarre, Gesang)
und Igor (Schlagzeug) nichts mehr mit ihrer alten Truppe zu tun
haben wollen und gehen dann doch unter dem Banner «Max And Igor
Cavelera Return To Roots» auf Tour, um sich mit Songs ihrer alten
Combo nochmals ein paar Dollars zu verdienen. Lustig auch die Story,
dass Max vor dem Konzert den zwei bis drei Autogrammsammlern zuerst
alles signieren wollte, bis seine Holde ein zünftiges Veto
einreichte und bestimmt sagte:
"NO
SEPULTURA STUFF!" Was man davon halten soll, muss jeder für sich
selber entscheiden. Zumindest in meinen Augen eine mehr als nur
fragwürdige Aktion. Aber wie heisst es so schön? Hinter jedem
erfolgreichen Mann steht eine starke Frau. Danke Gloria!
Völlig bekifft bestiegen dann die Brasilianer die Bühne, um sich dem
kompletten «Roots»-Album hinzugeben. Logisch wurde das Material mit
einer Ur-Gewalt runtergedonnert. Logisch hatten die Sepultura-Fans ihre
helle Freude daran. Logisch haben die Lieder, sofern sie einem gefallen,
nichts von ihrer Magie verloren. Aber auf der Bühne stand alles
andere als eine Band, sondern eher der bescheidene Versuch eines
ehemaligen Sepultura-Members mit seinem Bruder und zwei Musikern
eine Legende am Leben erhalten zu wollen, die mittlerweile längst viel
geileres Material abliefert. Diese Meinung schien aber kaum jemand
zu teilen, denn das Publikum hüpfte und kreischte zu den
Tribal-Takten bis zum Schluss und gab sich einem grüngedunsteten
Rausch hin. Trotzdem war das Element "Band" frappant. Mit Overkill
stand eine Einheit, eine Macht auf der Bühne, während «Return To
Roots» ein Projekt ist, bei welchem sich ein Musiker mit nicht ganz
fremden Federn schmückte (mit denen er nichts mehr zu tun haben
DARF!), und so einen mehr als nur faden Beigeschmack hinterliess.
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