Livereview: Saxon - FM - Raven

02. Oktober 2018, Pratteln – Z7
By Rockslave
Ursprünglich war dieses Tour-Package noch etwas edler bestückt, sprich an der Stelle von FM wären eigentlich Y&T gewesen. Da Mainman Dave Meniketti aber aus gesundheitlichen Gründen schweren Herzens forfait geben musste, brauchte es einen valablen Ersatz. Als die UK Melodic-Rocker von FM bestätigt wurden, wogen die Freude und Skepsis meinerseits zu Beginn etwa gleich viel. Obwohl die Briten im Frühling mit ihrem immerhin elften Studioalbum «Atomic Generation» ein starkes Zeichen setzten, wollte sie im Sandwich zwischen Saxon und Raven nicht wirklich passen. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt! Wie es letztlich heraus kam, könnt Ihr dem untenstehenden Livebericht entnehmen. Was den Headliner angeht, so setzte sich dieser nach dem monströs starken Album «Battering Ram» (2015) und der dazugehörigen Tour mindestens etwas unter Zugzwang, da «Thunderbolt» als Scheibe Nummer 22 (!) nicht ganz auf Augenhöhe liegt. Biff & Co. hatten aber noch nie Mühe damit und es sollte auch diesmal unter dem Strich kaum bis nichts zu bemängeln geben. Dass Raven als erster Support leider nur gerade eine halbe Stunde Spielzeit kriegten, war jedoch übel.

Raven

Gemessen am Alter der Band (Raven wurden 1974 gegründet!) hätten die heutigen Vorzeichen bezüglich der Running Order eigentlich andere sein müssen. Doch obwohl Bands wie Metallica und Anthrax in jungen Jahren im Vorprogramm der Briten standen, kam es erfolgsmässig ganz anders heraus. Die Gründe dafür sind vielfältig und böten genug Gesprächsstoff für einen kompletten Dokumentar-Film. Die Band um die Gebrüder Gallagher, sprich John (v/b) und Mark (g) hat aber nie aufgesteckt und allen Widrigkeiten getrotzt. Die letzte Studiorille «ExtermiNation» kam vor drei Jahren unter die Gefolgschaft und seither sind Raven zu verschiedenen Gegebenheiten immer wieder mal live unterwegs gewesen, unter anderem auch 2017 am «Bang Your Head»-Festival in Balingen (D). Gleichenjahres besuchte man als Anheizer für Udo Dirkschneider das Z7 letztmals. Heuer brauchte das Trio, bei dem Drummer Mike Heller nach Rob Hunter (1979 – 1988) und Joe Hasselvander (1988 – 2018) nun als dritter Schlagzeuger die Arbeit hinter den Kesseln verrichten darf, wiederum keine Anwärmzeit. Da geht es von der ersten Sekunde an stets forsch ab, und wenn man dann nur gerade eine halbe Stunde auf der Bühne verbringen darf, umso mehr. In der gewohnt ruppigrumpligen Art pflügten sich John, Mark und Mike durch den heutigen Kurzset und performten agil wie schweisstreibend zugleich. Vor allem Gitarrist Mark Gallagher malträtierte seine im Einsatz stehenden Saiten-Äxte wie seinerzeit Chris Holmes bei W.A.S.P. – Entsprechend gebraucht sahen die bemitleidenswerten Dinger dann auch aus. Die Auftrittszeit schritt dabei gnadenlos voran und entsprechend schnell war das Konzert vorüber. Beim U.D.O.-Gig dauerte das Ganze immerhin eine ganze Stunde, also gleich doppelt so lange. Vielleicht beim nächsten Mal wieder, wann auch immer das sein wird, und dann mindestens 45 Minuten. Alles andere liegt unter der Würde dieser Kult-Combo!

Setliste: «Destroy All Monsters» - «Hell Patrol» - «All For One» - «Hung, Drawn & Quartered» - «Top Of The Mountain» - «On And On».


FM
Nun wurde es interessant, denn nach der deutlich härteren Vorlage durch Raven mussten deren Landsleute beweisen, dass sich ihr Engagement anstelle von Y&T dennoch auszahlte. Was wohl nicht so viele Leute des anwesenden Publikums gewusst haben dürften, ist, dass FM bisher, trotz dem Break zwischen 1995 und 2007, eine bemerkenswerte Karriere hingelegt haben und mit einigen namhaften Bands der Szene wie Bon Jovi, Thin Lizzy, Europe, Foreigner, Magnum, Status Quo oder Gary Moore unterwegs waren. Getragen wird die fünfköpfige Truppe seit dem Relaunch durch die drei Ur-Members Steve Overland (v/g, Ex-Wildlife), Merv Goldsworthy (b, v, Ex-Samson) und Pete Jupp (d/v, Ex-Samson). Keyboarder Jim Davis stiess in den 90ern dazu und war ab 2007 auch wieder dabei. Ein Jahr später folgte der zweite Gitarrist Jim Kirkpatrick, der somit auch schon eine ganze Dekade in der Band mit dabei ist. Klingt somit nach einem eingespielten Haufen, und das war er dann auch, und wie! Was danach folgte, war eine Lektion in Sachen hochstehendem AOR / Melodic Rock. Obwohl natürlich einige Härtegrade im Vergleich zu Raven fehlten, liessen FM nichts anbrennen und spielten ihre Erfahrung souverän aus. Das mündete schon bald in immer lauteren Applaus durch die sichtlich unterhaltenen Metalheads, die klar in der Überzahl waren. Das kam nicht nur für mich überraschend, sondern für die meisten Besucher des heutigen Konzertabends. Steve Overland, inzwischen auch längst fünfzig gewesen, erinnerte äusserlich etwas an Danny Bowes von Thunder und war gesanglich ebenso sackstark drauf. Nachdem es zu Beginn insgesamt eher lieblicher, das heisst melodischer klang, legte die Band kontinuierlich zu und rockte hinten raus mit sichtlicher Leidenschaft. Das sahen dann zwar letztlich nicht alle Fans so, aber zu dieser erspielten tollen Stimmung brauchte es keine Kommentare mehr. Das Wagnis, wenn es denn überhaupt eines war, wurde zu 100 Prozent belohnt.





Saxon

Die britische Metal-Institution mag insgesamt nicht so erfolgreich wie Judas Priest oder Iron Maiden geworden sein, aber gemessen an zig hochkarätigen Alben seit dem Debüt von 1979 und gefühlt endlosen Konzerttourneen in Europa und Übersee brauchen sich Saxon vor gar niemandem zu verstecken. Die treue Fanbase ist längst zahlreich, auch wenn das Konzert von heute Abend nicht ausverkauft war. Man konnte sich aber so oder so auf eine wiederum fette Show freuen, die stets den Anspruch stellt, den Fans ein paar neue Tracks schmackhaft zu machen und gleichzeitig nie mit zeitlosen Klassikern zu geizen. Wie oft, ging dem Opener zur Tour des aktuellen Albums «Thunderbolt» ein Intro («Olympus Rising») voraus und setzte den nachfolgenden Titelsong gleich voluminös in Szene. Beindruckend war dabei, wie die ganze Band mit Leichtigkeit den Schalter umzulegen vermochte und von Anfang an Vollgas gab. Dass Frontmann Biff hierbei ohne Mühe schon einige scharfe Screams raus haute, zeugt von Können und Professionalität, was sich beim galopp-ierenden «Sacrifice» in wunderbarer Art und Weise fortsetzte. Nach dem epischen «Nosferatu (The Vampires Waltz)», dem zweiten neuen Song, wurde das Rad der Zeit ins Jahr 1980 zurück gedreht und der Gashahnen zu «Motorcycle Man» voll auf gedreht! Wenn man bedenkt, dass dieser Klassiker langsam aber sicher auf die Vierzig zugeht und immer noch frisch wie seinerzeit performt wird, lässt einen schon in Ehrfurcht erstarren. Überhaupt haben Saxon nach einem leichten Knick in den 90ern in den 2000er-Jahren wieder laufend zugelegt, was mitunter im granatenstarken Vorgängeralbum «Battering Ram» (2015) mündete und heuer bei «Thunderbolt» auf Augenhöhe wiederholt wurde.

Diese Abrissbirnen vor dem Herrn wiesen Heerscharen von aufstrebenden Jungbands brutal in die Schranken. Der Jugend gehört zwar die Zukunft mit Sicherheit, aber ohne die Szene-Ikonen der letzten vier Dekaden, und dazu gehören Biff & Co. zu 100%, würden sich alle im kompositorischen Nichts verlieren. Und Leute, Peter „Biff“ Byford wird am 15. Januar 2019 nicht 48, sondern 68 Jahre (!) alt. Was dieser geborene Frontmann, zusammen mit seiner verlässlichen Hintermann-schaft, noch imstande ist abzuliefern, sucht Seinesgleichen. Der vielgehörte Spruch, dass es partout keine schlechten Saxon-Shows gibt, traf auch bei diesem x-ten Auftritt im Z7 wieder voll ins Schwarze. Ein Blick auf die unten aufgeführte Setliste genügt um zu erkennen, welches fast zweistündige Metal-Spektakel in Pratteln geboten wurde. Nebst der Ode an Lemmy Kilmister (R.I.P.) mit «They Played Rock And Roll», inklusive kurzem Original-einspieler mit Lems Stimme (die so auch auf dem Album zu hören ist) war vor allem «The Eagle Has Landed» als erste Zugabe einfach nur gigantisch. Es fehlte lediglich die legendäre Bühnen-Deko mit dem Licht-Adler, und wenn man nach all den Jahren überhaupt etwas bemängeln könnte, dann vielleicht das Festhalten an «Wheels Of Steel». Da gäbe es diverse bessere Alternativen, aber das gehört wohl in die gleiche Liga wie «Smoke On The Water» von Deep Purple. Seien wir deshalb grundsätzlich froh und hoffen, dass uns Saxon in dieser bestechenden Form noch ein paar Jährchen bei möglichst guter Gesundheit erhalten bleiben werden. Der zum Glück vollständig wiedergenesene Nigel Glockler kann ein Lied davon singen. Mit dem wie gewohnt tight gespielten «Denim And Leather» ging der Schweizer-Gig der «Thunderbolt»-Tournee 2018 würdig zu Ende.

Setliste: «Olympus Rising (Intro)» - «Thunderbolt» - «Sacrifice» - «Nosferatu (The Vampires Waltz)» - «Motorcycle Man» - «Predator» - «Strong Arm Of The Law» - «Battalions Of Steel» - «Power And The Glory» - «Solid Ball Of Rock» - «The Secret Of Flight» - «Dallas 1 PM» - «They Played Rock And Roll» - «And The Bands Played On» - «747 (Strangers In The Night)» - «Sons Of Odin» - «Crusader» - «Princess Of The Night» -- «The Eagle Has Landed» - «Heavy Metal Thunder» --- «Wheels Of Steel» - «Denim And Leather».