Viele Schweizer Fans von Metallica werden sich wohl noch mit
Grausen an das Schlammfestival 2010 im St. Gallischen Jonschwil
erinnern, sofern sie dabei waren. Viel Positives blieb da nicht
zurück und sowas in der Grössenordnung wird wohl auch nie mehr am
gleichen Ort stattfinden. Das letztjährige «Sonisphere Festival» in
Basel war insgesamt besser, endete aber diesmal aus Sicht des
Veranstalters in einem finanziellen Desaster, was für die dritte
Ausgabe nicht unbedingt Gutes verhiess.
Wie dem auch sei, die diesjährige Veranstaltung wurde nach
Yverdon les-Bains, ans Ende des Neuen-burgersees, verlegt. Auf dem
Gelände der ehemaligen Expo '02 wurde die dritte Ausgabe realisiert,
notabene für nur einen einzelnen Tag. Angesichts der errichteten
Infrastruktur hätte man aber meinen können, dass hier eine ganze
Woche lang was los ist. Die Ausgabe 2012 bestand in der Schweiz aus
insgesamt sechs Bands, wovon mit dem Headliner Metallica, Motörhead
und Slayer drei Bands wie schon 2010 im Billing standen. Ergänzt
wurde das Ganze mit den Schweizern Eluveitie, denen Gojira und
Mastodon folgten. Als Erstes stand aber erstmal die gemütliche Reise
nach Yverdon, entlang dem Neuenburgersee, an. Tinu und meine
Wenigkeit taten dabei gut daran, den Weg etwas früher unter die
Räder zu nehmen. So klappte die Park- und Ride-Geschichte vor Ort
vom Parkplatz neben der Autobahn hin zum Konzertgelände einwandfrei,
was etwas später offenbar nicht mehr der Fall war. (rsl)
Eluveitie
Allerdings befanden wir uns um 15.00 Uhr, als die Schweizer
Folk-Metaller pünktlich die Bühne bestiegen, noch ein gutes Stück
weg von einem der Eingänge. Somit konnte ich das Fotographieren der
ersten Band des Tages gleich abhaken, was mir, bei allem Respekt für
den aktuell erreichten Erfolg von Chrigel Glanzmann und seiner
Truppe, nicht gross was ausmachte. Auf dem Gelände angekommen,
brauchten wir dann eine Weile, um uns zu orientieren, was hier wo
ist, allem voran natürlich das Pressezelt. Dieses stellte sich dann
aber als VIP-Zelt heraus, während das eigentliche Pressezentrum
ausserhalb des Geländes eingerichtet worden war. Dem Vernehmen nach
schlugen sich Eluveitie als erste Band des Tages ziemlich wacker und
nicht wenige Fans ärgerten sich, dass sie es nicht rechtzeitig auf
den Beginn ins Gelände rein geschafft hatten. (rsl)
Gojira
Die französischen Extreme-Metaller hatten in Yverdon-les-Bains quasi
ein Heimspiel, was unsereins jedoch nicht hinter dem Ofen hervor
locken konnte. Sprich Hunger und Durst waren nach der über zwei
Stunden andauernden Fahrt klar grösser und so gaben wir uns halt
während dem Auftritt von Gojira den lukullischen Genüssen hin. Das,
was wir Luflinie etwa 50 bis 60 Meter davon entfernt dennoch
mitbekamen, klang in meinen Ohren etwa gleich wie Mnemic, die vor
zwei Jahren auch im Vorprogramm von Hetfield & Co. standen.
Musikalisch wurde ein thrashig anmutendes, mehrheitlich ziemlich
schnell gespieltes Einerlei geboten, das nicht wirklich von Belang
war. Da der Sound dann halt eher breiig denn druckvoll rüber kam,
hörte sich das Ganze halt ziemlich rasch wie ein grosser, starrer
Hassklumpen an. Dies, wie gesagt, mehr aus der Ferne und kann vor
Ort etwas besser gewesen sein. Allerdings frage ich mich schon, ob
so ein hitloses Gedresche auf so einem Anlass überhaupt was her
gibt. Sowas wäre im Z7 viel besser aufgehoben. Sei's drum, auf jeden
Fall konnte ich nun gestärkt dem Auftritt von Mastodon entgegen
sehen. (rsl)
Mastodon
Meine ersten Begegnungen mit den amerikanischen (Prog-)
Sludge-Rockern waren bislang mit sehr wenig Interesse verbunden.
Viel zu sperrig klang das Ganze irgendwie und zum Beispiel der maue
Auftritt beim «Unholy Alliance» in Winterthur im Winter 2008 (wo sie
allerdings nur zu dritt auftraten) liess meine Aufmerksamkeit
schliesslich ganz verschwinden. Erst mit dem fünften Album «The
Hunter» und vor allem der grandiose
Auftritt am letztjährigen «Sonisphere
Festival» öffnete mir quasi die Augen und Ohren. Dem entsprechend
ging ich als mit einer hohen Erwartungshaltung in den Foto-Pit rein,
der übrigens mit dem extra dafür erstellten "Golden Circle" zusammen
fiel. Mit dem grossen Backdrop im Rücken, das im Stil des Covers von
«The Hunter» gestaltet wurde, kam die vor allem durch den
Bassisten/Sänger Troy Sanders etwas verschroben wirkende Band auf
die Bühne und legte mit Opener «Black Tongue» gleich mal wie die
Feuerwehr los. Leider wurde der agile Einsatz durch den leisen und
druck- wie harmlosen Sound empfindlich beeinträchtigt. Doch Mastodon
hatten leider die Arschkarte des Tages gezogen, denn mehr als die
Hälfte der ohnehin nicht so langen Auftrittszeit wurde aus
unerfindlichen Gründen (?) mit unzähligen Komplettausfällen der
ganzen PA bedacht. Sowas hatte ich an einem Open-Air noch nie erlebt
bisher und auch das mittlerweile zahlreiche Publikum quittierte
diese beschämende Situation mit Pfiffen und Buh-Rufen. Logo waren
auch die Amis nicht sonderlich angetan von diesem nervigen Vorfall
und verabschiedeten sich vorzeitig. Zum Glück habe ich das
innovative Quartett schon einmal unter normalen, viel besseren
Umständen sehen dürfen, denn nach diesem von der Band
unverschuldeten Ablöscher hier wäre sonst nie mehr was relevant
gewesen. (rsl)
Slayer
Die Herren um den singenden Bassisten Tom Araya sind grundsätzlich
eine verdammte Macht. Allerdings auch eine, die mit der Zeit ihr
Flair verliert. Dies liegt garantiert nicht an Gary Holt von Exodus,
welcher den etatmässigen Gitarristen Jeff Hannemann nach wie vor
ersetzt. Gary ist im Vergleich zum eher bodenständigen,
geheimnisvollen und gefährlichen blonden Hünen, das wilde, bangende
Tier auf der Stage. Getreu dem Exodus-Motto «good friendly violent
fun» hat er dem Bühnenbild mehr Leben eingehaucht. Das tut im
Speziellen der eher hüftlahmen Performance von Tom gut. Eines kann
man dem Bassisten aber nicht absprechen: Nach wie vor hat er ein
unglaubliches Charisma, das er ausstrahlt. Eines, wie man es sonst
nur von Gene Simmons (Kiss) kennt. Mit hochgezogener Augenbraue
steht Tom regungslos auf der Bühne und bringt damit seine Getreuen
zum Ausrasten, um den nächsten Song mit einem dämonischen Schrei
anzukünden. Kerry King an der zweiten Gitarre ist und bleibt der
Unnahbare, sich in seiner eigenen Welt befindende, kahlgeschorene
Banger. Mit seiner überdimensionalen Kette, welche an seiner
Lederhose hing, jagte er jedem Gangmitglied Angst ein und wohl
keiner möchte dem Gitarristen im Dunkeln begegnen. Das alles sind
grundsätzlich Dinge, welche eine tolle
Slayer-Show garantierten.
Auch weil Schlagzeuger Dave Lombardo mit einer unglaublichen
Präzision und Wucht die Doublebass Drums gnadenlos in das weite Rund
pfefferte! Aber!!! Und das ist der grosse Kritikpunkt: Auch wenn das
Quartett ein Hitfeuerwerk an diesem Nachmittag in die Menschenmasse
schleuderte, so langsam hat man diese Setliste auch gehört. Die
Magie geht verloren und wer es sich erlauben kann, keinen Track von
«Hell Awaits» zu spielen, begibt sich auf sehr dünnes Eis. Alleine
der Titeltrack gehört grundsätzlich zu den unverzichtbaren Songs. Es
war kein schlechter Gig, aber leider auch keine Offenbarung. Oder
werden die Herren langsam tourmüde...? Wer weiss? (tin)
Setliste: «South Of Heaven» - «Hate Worldwide» - «War Ensemble» -
«Die By The Sword» - «Chemical Warfare» - «World Painted Blood» -
«Mandatory Suicide» - «Altar Of Sacrifice» - «Jesus Saves» - «Dead
Skin Mask» - «Raining Blood» - «Angel Of Death».
Motörhead
Das Trio um Frontwarze Lemmy legte einen mehr als nur hervorragenden
Gig hin und war für mich der klare Sieger an diesem Tag. Was leider
aber auch nicht besonders schwer war... Einmal mehr war die halbe
Miete Trommeltier Mikkey, der mit seiner fliegenden Mähne und seinen
Sticks ganz einfach ein Hingucker von der ersten bis zur letzten
Minute war. Sein powervolles Drumming fand nicht nur in einem
unterhaltsamen Solo seinen Anklang, sondern auch wenn er bei
schnellen Tracks die Doublebass Drum zum Zerbersten brachte oder bei
den rockigeren Klängen, wenn das Gefühl und der Groove im
Vordergrund stand. Lemmy röhrte seine Texte in das typisch nach
unten gebeugte Mikrofon und liess sich nicht blenden, sondern trug
eine grosse Sonnenbrille auf seiner Nase. Wie lange der nicht unter
zu kriegende Musiker noch auf der Bühne stehen wird, wissen wohl nur
seine Whiskey-Vorräte, aber er ist nun mal mit seiner schlaksigen
Art einer der unterhaltsamsten Musiker. Dies auch, weil sein
Bewegungsradius in den letzten Jahren sicherlich kleiner wurde.
Mit Phil Campbell hat Lemmy einen der unterbewertesten Gitarristen
in seiner Horde. Als würde ihn das Ganze nichts angehen, schlenderte
der Saitendehner über die Bühne, kaute unablässig auf seinem
Kaugummi rum, als würde eine Kuh ihr Mittagessen wiederkäuen. Dabei
haute er in die Saiten, dass es eine wahre Freude war und
überraschte mich immer wieder aufs Neue, so dass ich kaum mehr einen
Gedanken an einen zweiten Gitarristen bei Motörhead verschwende. Die
Setliste war zwar eine verkleinerte
Version der noch immer laufenden
«The Wörld Is Yours»-Tour, überraschte aber mit dem Opener «Bomber»,
der gleich mal zeigte, wo der Hammer hängt. Und der kreiste an
diesem Nachmittag tief über Yverdon. Dies lag auch an der sehr
abwechslungsreichen Setliste, die leider von den neueren Alben
gerade mal «I Know How To Die» und «One Night Stand» beinhaltete.
Der Rest stammte aus dem Jahr 1991 oder war noch älter. Für die
Nostalgiker natürlich ein gefundenes Fressen, für die Fans einfach
eine weitere tolle Show des wohl lautesten Trios der Welt, das
niemand tot kriegen wird! (tin)
Setliste: «Bomber» - «Damage Case» - «I Know How To Die» - «Stay
Clean» - «Metropolis» - «Over The Top» - «One Night Stand» - «The
Case Is Better Than The Catch» - «The One To Sing The Blues (mit
Drum Solo Mikkey Dee)» - «Going To Brazil» - «Killed By Death» - «Ace
Of Spades» - «Overkill».
Metallica
Die Kulisse von etwa gut 32'000 Fans entsprach natürlich dem von den
amerikanischen Thrash Metal Millionären erwarteten Bild. Metallica,
die, wie in Moskau 1991, schon vor rund einer Million Menschen (!)
spielten, haben auch schon über dreissig Jahre Bandkarriere hinter
sich. Das entspricht gut zwei Teenager-Generationen und darum
dürften neben unzähligen Grufties in meinem Alter auch ziemlich
viele junge Fans nach Yverdon-les-Bains gefahren sein, die die
grösste Heavy Metal Band der Welt zum überhaupt allerersten Mal
gesehen haben dürften. Bei mir müsste es hingegen in der Region von
etwa zehn Gigs liegen und die erste Begegnung war 1987 in
Greifensee, also vor genau einem Vierteljahrhundert! Vor diesem
zeitlichen, persönlich eigentlich historisch anmutenden Hintergrund
war der heutige Abend für alle Fans, ob jung oder alt, etwas
Spezielles. Darauf war ich echt gespannt und wie sich das
angekündigte Durchspielen des ganzen «Black Albums» anhören würde.
Punkt 20.30 Uhr erklang das bekannte Intro «The Ecstasy Of Gold»,
das aber im Gegensatz zu meiner Premiere kaum Reaktionen hervor rief
oder zumindest niemals die Intensität von früher entwickelte. Das
besserte sich dann aber zusehends, als der Debüt-Album Opener «Hit
The Lights» gespielt wurde. Noch besser erging es dem Smasher
«Master Of Puppets», der aber in Sachen Mitsingen viel zu früh im
Set stand, und für «Fuel» vom '97er «Reload»-Album hätte man auch was
anderes wählen können. Mit «Hell And Back» folgte dafür ein quasi
"neuer Song" der aktuellen EP «Beyond Magnetic». Die Band,
insbesondere James Hetfield, zeigte sich soweit frisch, obwohl für
meine Begriffe einiges an "Wumms" fehlte. Zu routiniert und zu
abgeklärt wurden die Songs runter gezockt und was der gute Kirk
Hammett wiederholt an seinem Instrument versemmelte, tat echt weh in
den Ohren. Der grundsätzlich guten aber keinesfalls euphorischen
oder gar ekstatischen Stimmung tat dies allerdings keinen Abbruch.
Umrahmt von Pyros, Feuersäulen und Lasern liessen Metallica es
ordentlich krachen.
Selbst Petrus fand Gefallen an dieser Grossveranstaltung am See und
verschonte uns mit Regen, nachdem es nach dem heissen Nachmittag
noch eine Weile danach aussah. Wie erwartet, klangen die nicht so
oder zuvor kaum bis gar nie gespielten Stücke vom «Black Album»
etwas langfädig. Dafür hatten es die Zugaben in
sich, allen voran
das geniale «Blackened» von «And Justice For All» (1988) und zum
Schluss das unverwüstliche «Seek And Destroy». Die Show dauerte gute
zwei Stunden und unser Entscheid, nicht bis zur letztmöglichen
Huldigung der Helden auf dem Gelände zu verbleiben, war in Sachen
"Park & Ride" zurück goldrichtig und nach kurzer Autosuche auf der
stockdunklen, grossen Wiese befanden wir uns kurz darauf bereits wieder auf dem
Rückweg. Fazit: Das Billing war insgesamt nicht wirklich der Burner
und Metallica haben spürbar an Biss verloren. Trotzdem wird dieser
Event im Rahmen der «Sonisphere Festivals» in positiver Erinnerung
verweilen. (rsl)
Setliste: «Intro (The Ecstasy Of Gold)» - «Hit The Lights» - «Master
Of Puppets» - «Fuel» - «For Whom The Bell Tolls» - «Hell And Back» -
«(The Black Album): The Struggle Within» - «My Friend Of Misery» - «The
God That Failed» - «Of Wolf And Man» - «Nothing Else Matters» - «Through
The Never» - «Don't Tread On Me» - «Wherever I May Roam» - «The
Unforgiven» - «Holier Than Thou» - «Sad But True» - «Enter Sandman»
-- «(Encores): Blackened» - «One» - «Seek & Destroy».
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