Livereview: Steve Vai - Dave Weiner

18. November 2012, Zürich - Komplex 457
By Rockslave
Nach der ersten Ankündigung des Konzertes von Steve Vai lag mein Besuch in Zürich eigentlich noch in weiter Ferne. Zum Glück konnte ich mein anfängliches Zögern ablegen, denn sonst hätte ich wohl einen der eindrücklichsten Gigs des ganzen bisherigen Jahres verpasst! Mein letzter Berührungspunkt mit Mister Vai liegt bereits fünf Jahre zurück und betrifft das Album «Sound Theories Vol. 1 und 2», das aufgrund der Aufnahmen mit einem klassischen Orchester nicht gerade das ist, was täglich im CD-Player anzutreffen ist. Seither hatte ich den charismatischen Klampfenmeister und einstigen Schüler von Joe Satriani nicht mehr regelmässig auf dem Sender. Selbst das neue Studio-Album «The Story Of Light» nahm ich nicht wirklich wahr, dafür aber das Whitesnake Live-Album «Live At Donington 1990», das nun nach über zwanzig Jahren Bootleg-Dasein doch noch offiziell veröffentlicht wurde. Steve Vai und Adrian Vandenberg waren seinerzeit das kongeniale Saiten-Duo, das dieser Tour mitunter den Stempel aufdrückte. Bevor der einstige Zögling von Frank Zappa mit seiner illustren Band im Komplex 457 auftrat, legte sein Bandmember Dave Weiner einen kurzen wie kurzweiligen Akustikset hin.

Dave Weiner

Ein paar Kollegen aus der Zunft der Konzert-Fotographen und meine Wenigkeit hielten draussen im Foyer noch einen gemütlich Schwatz ab, als es gegen 19.40 Uhr im Saal drin los ging. Auf der Bühne war nur ein einzelner Musiker mit Akustik-Gitarre und Hut zu sehen, der es sich auf einem Barhocker gemütlich gemacht hatte. Dass es Dave war, erkannte ich zunächst nicht und dachte zuerst an einen "normalen" Support-Act, denn eigentlich hätte ja Beverly McClellan auftreten sollen. Sie fiel jedoch krankheitsbedingt aus. Locker lässig und vor allem vergleichsweise zart und fein trug somit der Begleiter des Maestros alleine ein paar Stücke vor, die teilweise noch mit Gesang untermalt wurden. Das Ganze kam flüssig und filigran zugleich daher und man merkte bald, dass der Junge auch hierbei ein Meister seines Fachs war. Das zahlreich erschienene Publikum antizipierte schnell und bedachte den talentierten jungen Mann mit weit mehr als nur gelangweiltem Gefälligkeitsapplaus. Dieser bedankte sich am Schluss artig und empfahl sich so eindringlich für den zweiten Teil des Abends.

Steve Vai
Kurz nach 20.15 Uhr war es soweit und ein zunächst ziemlich hippiemässig gekleideter Gitarrist (wiederum mit Hut!) betrat im Dunst von langsam aufsteigendem Trockeneis die Bühne. Nach dem Intro folgten mit «Racing The World» und «Velorum» sodann gleich mal zwei neue Songs vom aktuellen Album «Story Of Light», die schon ordentlich Staub aufwirbelten. Steve hatte dabei mit Kollege und Gitarrist Dave Weiner, Harfen-spielerin/Keyboarderin Deborah Henson-Conant, Bassist Philip Bynoe und Drummer Jeremy Colson eine ebenso hochkarätige Begleitband an seiner Seite. Er selber spielte von Anfang an sehr virtuos und ging völlig in seinem Spiel auf. Die Licks und Riffs, die er da am Laufmeter raus haute, waren schlicht atemberaubend und nicht von dieser Welt. Trotz des regelrechten Klangschwalls von gefühlt Millionen von Tönen wurde die Angelegenheit nie langweilig, was auch an einigen Zwischenparts und Soli lag, die mitunter von Jeremy und Deborah abgehalten wurden. Gerade letztere vermochte ihrem Instrument ergänzend interessante Nuancen bis hin zu voller Verzerrung entlocken und die oben an der Harfe eingebaute Lichterkette verfehlte ihre Wirkung ebenso wenig. Dies übertrug sich relativ schnell auf das zunehmend begeisterte Publikum, das heute Abend in den Genuss einer unglaublichen Show kam. Mehrheitlich war es aber so, dass man während den Songs gebannt der Musik lauschte und sich der zustimmende Applaus jeweils am Ende regelrecht entlud. Steve wirkte sehr gelöst wie freundlich zugleich und erklärte zum Beispiel bei «The Moon And I» ausufernd, welche Geschichte dahinter steckt. Überdies müssig zu erwähnen, dass auch die Akustik-Session nur vom Feinsten war und keine Wünsch offen liess. Ein zwischenzeitlicher Blick auf die Uhr offenbarte dann, dass nach dem töften Drum-Solo von Jeremy locker zwei Stunden vorüber waren. Steve kehrte danach zur Überraschung aller Fans optisch ziemlich verwandelt auf die Bühne zurück, da er eine Art Weltraum-Ritterrüstung trug, die mit allerlei Lichteffekten (inklusive einzelnen Laserpointern an den Fingern!) ausgestattet war. So wurde «The Ultra Zone» zum Besten gegeben, was für eine geile Show!

Als die Marke schliesslich bei fast zweieinhalb Stunden lag, war der Moment von «Build Me A Song» gekommen. Steve wies nun die Security an, dass spontan ein Bursche und ein Mädel aus dem Publikum heraus zunächst mal auf die Bühne geholt werden. Dort angekommen, erklärte er den zwei vorerst verdutzt dreinblickenden Guests, dass sie nun zusammen mit ihm und unmittelbar einen "neuen Song" komponieren würden. Als Erste musste das Mädel ran, die am Anfang zwar nicht recht wusste, wie ihr geschieht und brachte dann "singend" doch noch ein paar Töne heraus, die Steve auf der Gitarre nachspielte. Darauf schlug die Stunde des jungen Musiklehrers aus Süddeutschland, als feststand, dass dieser E-Gitarre spielen kann. Kurzerhand übergab ihm Dave Weiner seine Gitarre und nach einer kurzen Anweisung von Steve an die Band, spielte das neu gebildete 6-Saiten-Quartett (Philip Bynoe spielte ja einen 6-String Bass!) einige flotte Takte, wobei der talentierte Gast mit eigenem respektablem Können auftrumpfte und so für ein paar unvergessliche Momente aller Beteiligten sorgte. Meine Wenigkeit, mitten im Saal stehend, realisierte die aussergewöhnliche Situation zum Glück und mit dem eilends gezückten Tele wurde die kultige Szenerie abgeknipst, was das Zeug hielt. Diese Fotos zieren mittlerweile bereits eine eigene Facebook-Seite eines gewissen K. M. aus W! Nach dieser unerwarteten Einlage setzte Steve Vai mit «For The Love Of God» den Schlusspunkt unter einen schlicht grandiosen Konzert-abend, der insgesamt fast drei Stunden dauerte! Schön, dass man heuer sowas noch erleben darf und nicht wenige Leute, wenn nicht gar die Überzahl, machten sich, im positiven Sinne, total geplättet auf den Heimweg.

Setliste: «Intro» - «Racing The World» - «Velorum» - «Band Introduction» - «Building The Church» - «Tender Surrender» - «Gravity Storm» - «Dave Solo» - «Weeping China Doll» - «Answers» - «The Moon And I» - «The Animal» - «Whispering A Prayer» - «The Audience Is Listening» - «Deborah Solo» - «Rescue Me Or Bury Me (acoustic)» - «Sisters (acoustic)» - «Treasure Island (with The Beast)» - «Salamanders In The Sun (acoustic)» - «Pusa Road (acoustic)» - «Drum Solo» - «The Ultra Zone» - «Frank» - «Build Me A Song» -- «For The Love Of God».