Drei sind sie an der Zahl, die quasi unumstrittenen und doch nie
gekrönten Könige des deutschen Mittelalter-Rocks: In Extremo, Subway
To Sally und Schandmaul. Und wann immer eine dieser drei
Spielmannsgesellschaften den nicht allzu weiten Weg in die Schweiz
auf sich nahm, um ihr Können zu beweisen, da war die Sache klar:
Pflichtprogramm für jeden Fan von Sackpfeifen, E-Gitarren und
klugen, deutschen Texten. Natürlich kann nicht jede Band jedem
gefallen, doch dass die Fangemeinden dieser Truppen sich mehr als
anderenorts überschneiden kann man nicht bezweifeln. In nichts
anderes als in ein unausweichlich anmutendes Dilemma wurde der
geneigte Fan also gestossen, als bekannt wurde, dass am 22. April
einerseits Schandmaul im Berner Bierhübeli aufspielen und
andererseits Subway To Sally das Zürcher X-tra zum Kochen bringen
würden. Man mag ihnen, den beiden Tourveranstaltern, glauben, dass
es keine Absicht war, doch auch dann ist es noch nichts weniger als
eine riesen Dummheit. Einziger Ausweg: Schandmaul im Bierhübeli
übergehen, um sich zuerst Subway To Sally anzusehen, um dann am Tag
darauf wieder nach Zürich, genauer ins Volkshaus zu pilgern, um
wenigstens die zweite Show Schandmauls in der Schweiz nicht zu
verpassen.
Als man an besagtem sonnigen Apriltag dann zum Zürcher X-tra kam,
wurde schnell klar, dass nicht alle Fans mittelalterlich konotierter
Rockmusik folgten. Zwar war die Türöffnung mit 18.30 Uhr auch
teuflisch früh angesetzt, doch verglichen mit dem letzten Gastspiel
der Potsdamer Spielleute am selben Ort tummelten sich erschreckend
wenig schwarz gewandete Leute vor dem Eingang. Umso erstaunlicher
war dieser Umstand, da die Subways mit ihrem letzten Output
«Kreuzfeuer» wiederum ein bärenstarkes und zudem erfolgreiches
Musikwerk veröffentlicht hatten. Dass dabei die Setlist an diesem
Abend mehr als eine Perle aus dem aktuellen Album enthalten würde
und man auch 2009 eine mehr als zufriedenstellende Show erwarten
konnte stand ausser Frage. Ungewiss dagegen war, wie der in der
Schweiz noch unbeschriebene Support Mono Inc. Ankommen würde. Gegen
die barocken Klarinetten-Punker Coppelius, welche schon zweimal
zuvor für STS eröffnen durften, würden sie es jedenfalls schwer
haben.
Mono Inc.
Es ist ja selten eine einfache Aufgabe, welche eine Vorband
bewältigen muss bzw. darf. Vor einem Publikum spielen, welches gutes
Geld ausgegeben hat, um nicht diese, sondern die darauffolgende Band
sehen zu können. Noch kniffliger war aber diese Übung für das
gothische Quintett aus
Deutschlands
Hauptstadt, die schon um 19.30 Uhr vor einem noch spärlich gefüllten
X-tra auf die Bühne traten. Mono Inc. muss sich mit den
unterhaltsamen, spassigen und anfeuernden Auftritten von Coppelius
messen lassen, welche sowohl auf der «Nord Nord Ost»- sowie auf der
«Bastard»-Tour von Subway To Sally als Anheizer fungierten. Während
optisch insbesondere Fronter Martin Engler bleich geschminkt, mit
Iro, im Nadelstreifenanzug und viel in Bewegung umgesetzter Energie
ansprach, wirkte das Saitenduo Carl Fornia (git) und Manuel Antoni
(bass) eher farblos. Die holde Weiblichkeit Kata Mia hingegen
erfreute sicherlich den einen oder anderen männlichen STS-Fan.
Musikalisch herrschten dabei aber nicht die besten Voraussetzungen
zum Stimmung machen: Unüberhörbar inspiriert von Veteranen wie
Depeche Mode, Sisters Of Mercy oder Joy Division spielen Mono Inc.
Getragenen Gothic Rock der eher simpleren Sorte. Songs wie das
eröffnende «This Is The Day», «Temple Of The Thorn», das D.A.D.-Cove
«Sleeping My Day Away» oder der prädestinierte Schlusspunkt «Get
Some Sleep» konnten zwar durchwegs mit eingängigen Refrains
aufwarten, vermochten letztlich aber nicht mitzureissen, sodass sich
manch einer wünschte, die Herren von Coppelius hätten für eine kurze
Konzertreise die Arbeiten am neuen Album mal schnell unterbrochen.
Höflichkeitsapplaus, viel mehr konnten die Berliner Mono Inc. an
diesem Abend nicht wirklich einheimsen.
Subway To Sally
Als dann um halb neun die Lichter zum zweiten Mal ausgingen, hatte
sich das X-tra doch ansehnlich gefüllt, doch war es immer noch
deutlich unter «Ausverkauft». Mit «Kreuzfeuer» veröffntlichten
Subway To Sally dieses Jahr ihr nunmehr schon 10. reguläres
Studioalbum. Einen gewissen Jubiläumscharakter besitze es schon,
erzählte Texter und Gitarrist Bodenski Metalf Factory im
dazugehörigen Interview. Man habe sich auf alte Tugenden zu Zeiten
von Bandklassikern wie
«Hochzeit» (1999) und «Herzblut» (2001) besonnen. Dementsprechend
bunt präsentierte sich auch die Setlist, wobei das Augenmerk
natürlich auf dem aktuellen Material lag. In Kleider aus schwarzem
Leder und rotem Samt gekleidet stiegen die Subways auf die eher
minimalistische Bühne, auf welche man schon auf der letzten Tour zu
überzeugen vermochte. Überraschend startete man mit der emotionalen
Ballade «Komm In Meinen Schlaf» in den Abend, um erst danach mit
Anfangskrachern wie dem Opener von «Kreuzfeuer», «Aufstieg», und der
ersten Single «Besser Du Rennst» den Anwesenden so richtig
einzuheizen. Sofort verwandelt sich das X-tra in einen Tanz- und
Singsaal, die neuen Songs scheinen mehr als zu überzeugen. Wie
gewohnt geben sich Subway To Sally performatorisch natürlich keine
Blösse, Eric Fish singt tadellos und eindringlich, Texter Bodenski,
Geigen-Fee Frau Schmitt mit neuem Kurzhaarschnitt und Glatzkopf
Simon tanzen einen gothischen Reigen, während der musikalische
Mastermind Ingo Hampf, Basser Sugar Ray und Simon Michael hinter den
Kesseln in der zweiten Reihe den Takt angeben. Natürlich verzichtet
man dabei nicht auf Effekte, seien es die drei Videoleinwände an der
Rückwand, die mal das Fadenkreuz der neuen Scheibe, dann wieder
bunte Muster präsentieren, oder jede Menge Flammen, als Säulen, im
Feuertrog oder gespuckt. Mit strammen Rhythmen wie im
«Knochenschiff» oder «Unsterblich» (endlich wieder!!), beide vom
2003er-Werk «Engelskrieger», gönnte man den Zuschauern keine
Verschnaufpause. Erst mit dem balladesken «So Fern, So Nah» und dem
schummrigen
«Judaskuss» und der Rückkehr zu neuem Material schlug man etwas
elegischere Töne an, die mit «Liebeszauber» fortgesetzt wurden. Dass
der darauffolgende «Veitstanz» und «Kleid Aus Rosen» abgefeiert
wurden, versteht sich bei dem Klassikerstatus beider Songs wie von
selbst, doch auch neuere Tracks wie «Die Trommel» und natürlich das
hymnische «Eisblumen» versetzten das Publikum in Freudenfieber.
Eindrücklich zeigten die Subways damit, dass es bei ihnen weder
schlechtere noch bessere Phasen, sondern konstant hochstehende
Kreativität zu hören gibt, was den Backkatalog anbetrifft.
Soundtechnisch präsentierte man sich indes aber nicht von der besten
Seite. Vor allem zu Beginn schienen die vielen, nicht gerade leicht
zum schönen Klingen zu bringenden Instrumente, wenig abgestimmt,
sodass mal die Drums, dann wieder die Gitarren zu laut dröhnten und
man Pfeifen bzw. Geige des Öfteren im Soundbrei suchen musste. Umso
länger man tanzte, sang, bangte und schwitzte, umso harmonischer
gestaltete sich dies aber und umso höher wurde dabei die Hitdichte,
sodass man nach «Tanz Auf Dem Vulkan» und «Auf Kiel», mit welchem
man 2008 Stefan Raab's «Bundesvision Songcontest» gewann, fast schon
froh über die kurze Pause war, welche gefüllt war mit «Zugabe»-Rufe,
die zwar auch schon lauter waren, für ein weiteres Erscheinen des
Septetts aber dennoch reichten. Eingeleitet von «Ohne Liebe», über
die Mitsing-Nummer «Sieben» mit dem
dazugehörigen Handzählen (so sollte man in der ersten Klasse Zählen
lernen), schritt Bodenski dann alleine auf die Bühne, um mit
Drehleier bewaffnet zum muntern Gröhlen aufzurufen, denn was wäre
ein Konzert von Subway To Sally, wenn nicht lauthals «Blut, Blut,
Räuber saufen Blut» intoniert werden könnte und das so schief wie
nur möglich. Hätte man nun meinen können, dass nach über 90 Minuten
und diesem ewigen Highlight Schicht im Schacht wäre, so belehrte
Ingo Hampf einem eines Besseren, als dieser kurze Zeit später wieder
auf die Bühne schritt, um das epische «Fatum», der inoffizielle
Titeltrack von «Bastard», mit doppelhälsiger Laute zum Besten zu
geben. Das endgültige Amen kam dann aber in Form vom choralen
Raussschmeisser des aktuellen Rundlings: Vor bunten Kirchenfenstern
auf den Bildschirmen sang man das musikalisch ironische «Vater».
Subway To Sally live, dass überzeugt auch 2009 noch auf voller
Breite, auch wenn die Stimmung bei einem nicht wirklich vollen X-tra
natürlich noch steigerungsfähig wäre. Und um nicht völlig kritiklos
abzuschliessen noch etwas nebensächliches: Warum beim Pferdefuss des
Gehörnten müssen gewisse Leute immer wieder mal auf die Idee kommen,
ihrer Herzensdame/ihrem Herzensherr während eines Konzerts einen
Heiratsantrag in aller Öffentlichkeit machen zu müssen? Und warum
zur Hölle lassen sich Bands immer wieder auf dieses Theater ein?
Wenigstens hiess die Antwort an diesem Abend positiverweise „Ja, ich
will!“ Nicht auszudenken, wenn da mal ein „Nein!“ kommen würde.
Setlist STS:
Komm In Meinen Schlaf – Aufstieg – Besser Du Rennst – Knochenschiff
– Unsterblich – So Fern, So Nah – Judaskuss – Liebeszauber –
Veitstanz – Kleid Aus Rosen – Minne – Die Trommel – Eisblumen –
Falscher Heiland – Die Jagd Beginnt – Alle Psallite Cum Luya –
Mephisto – Sag Dem Teufel – Tanz Auf Dem Vulkan – Auf Kiel - - - - -
Ohne Liebe – Sieben – Julia Und Die Räuber - - - - Fatum – Vater
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